Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Elkes Kapitel 10: Busenfreunde vs. Blutsbrüder?

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Elke sagt:

Hach, was für eine herzerwärmende, intime Szene darf der neugierige Leser da miterleben – und empfindet die eigene Anwesenheit ja beinah als Indiskretion. Dabei ahnten wir es doch längst: Ismaels und Queequegs Seelen haben sich gefunden in einer “jäh auflodernde[n] Flamme der Freundschaft”.

Und für mich gibt es kein besseres Wort als Busenfreunde für das, was die zwei, die unser Herz nicht erst heute erobert haben, da vor unseren Augen geworden sind.

Herr Jendis musste bei der (wörtlichen) Übersetzung nicht mal ins Schwitzen geraten. Und den Sprachfreak fasziniert ganz am Rande, dass es offenbar in vielen Sprachen 1:1 dasselbe bedeutet – nicht anzüglich und den übertragenen Sinn vermittelnd. Auch wenn es heutzutage meist medienlastig – vorzugsweise zur Umschreibung einer undurchschaubar-diplomatischen Liaison zwischen Politikern – als satirische Ironie daherkommt. Unsere beiden Helden waren jedenfalls noch echte Intimi.

Nichts geht doch über eine große, bedingungslose Männerfreundschaft – soweit man darüber als weibliches Wesen überhaupt zu befinden befugt ist. Zu Lesers Glücke verfügt Ismael selbst über Stimme und Seele genug zu offenbaren, wonach er, der Kerl ohne innere Heimat, sich sehnt und was er in diesem seltsamen Wilden gefunden, der “sich selbst genug und stets er selber” ist.

Queequeg wird für ihn sowas wie ein verlässlicher Hafen in diesem kalten, tödlichen Leben, in dem jeder, Wolf unter Wölfen, einsam und verbissen vor sich hin kämpft: “Etwas in mir schmolz dahin. Nicht länger wütete mein arg zerspelltes Herz und meine rasende Hand wider die wölfische Welt. Der sanfte Wilde hatte sie erlöst.” (S. 105) Und sogar gegen seinen Hader mit der Christenheit ist der Heidenfreund die Therapie, “denn Christenliebe hat sich nur als hohle Höflichkeit erwiesen”. Was wiederum, mitsamt dem im Götzengottesdienst des Herzens endenden “katechetischen” Frage- und Antwortspiel Ismaels und der so missverständlich-sündig wie nur geht ausgelegten Bettszene, ein ach so gefundenes Fressen für die Zensoren der Londoner Ausgabe gewesen sein muss.

Da schmauchen sie also ihr friedliches Pfeifchen und statt des blutsbrüderlichen Rituals nimmt Queequeg den Ismael um die Taille und berührt dessen Stirn mit der seinigen – tja, andre Länder, andre Sitten, sag ich da nur. Welche man sorgsam auch bei der stehenden Fußes erfolgenden “Vermählung” im Auge behalten sollte, die “in seinem Lande soviel besagte wie: dass wir Busenfreunde seien; er wolle mit Freuden für mich sterben, so das nötig sei.” (S. 106) In diesem Sinne folgen weitere entsprechende Metaphern (!) zuhauf. Schlagt mich tot, aber ich kann hier immer noch keine zärtlichen homoerotischen Bande zwischen zwei ausgewachsenen Kerlen erkennen, auch wenn die Szenen einer rührenden Innigkeit sowenig entbehren wie der genuinen heiteren Ernsthaftigkeit Queequegs und der hier und da geradezu liebevoll humorigen (Nach-)Sicht Ismaels. Von sexuell motivierten Regungen und Gesten jedoch weit und breit keine Spur, oder?

Vielleicht liegt es ja auch an meinem Unfrieden mit Herrn Freuds Triebtheorie. Was hätte der wohl an einem von der sündigen Welt unverdorbenen Wilden, der stets er selber ist, zum Rumdoktern gefunden? Und, nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: von mir aus soll einer schwul oder anders glücklich werden. That’s life! – aber sowas von. Aber ob ich das hier so nennen würde? Hm, und kommts darauf hier überhaupt an? Wer wäre – Hand aufs Herz! – bei den Karl Mayschen berühmtesten Blutsbrüdern ever je auf einen solchen Gedanken gekommen? Na gut, wenn wir den “Schuh des Manitu” nicht mitzählen – und selbst da musste Abahachis Zwillingsbruder herhalten.

Okay, okay, von Backbord und Steuerbord war man als (un)voreingenommener Leser ja einschlägig vorgewarnt. Leslie Fiedler beispielsweise, scharfzüngiges Enfant terrible der amerikanischen Literaturwissenschaft, konstatiert in „Love and Death in the American Novel“ nicht nur besagte homoerotische Tendenzen z.B. bei Melville und Mark Twains “Huckleberry Finn“, sondern montiert selbige auch gleich in einen prägenden Unterscheidungszusammenhang des amerikanischen Romans gegenüber dem europäischen. Mach was, die Gedanken sind frei – meine auch.

Und vielleicht muss man ja ein Mann sein, um das so zu lesen? Allerdings nicht unbedingt Amerikaner.

Ich halt’s da eher mit – Gott hab ihn selig! – Johann Michael Sailer, einem guten Katholiken, seines Zeichens Bischof von Regensburg und Vertreter eines positiven Christentums: “Die wahre Freundschaft hat nur zwei Gesetze: Erstens, daß einer des anderen Freund sei; zweitens, daß er’s von ganzem Herzen sei.”

Der hätte seine helle Freude an unseren zwei Busenfreunden gehabt.

Written by Wolf

18. October 2006 at 6:22 am

Posted in Steuerfrau Elke

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