(All together now:) Heathcliff!!
Update zu Emmaline is sugar and spice and all things nice (available in English)
und Brontësaurus:
Haben Sie mal versucht, den Text zu verstehen? Und? Geschafft? Merken können? Und mit diesem Wissen versucht mitzusingen? Mitgehalten? Danach nur noch versucht mitzupfeifen? Wenigstens die Melodie gemerkt? Genervt aufgegeben und fortan mitleidig den überkandidelten Ausdruckstanz bespöttelt? — Willkommen im Club.
Aussichtslos, geliebt, gehasst, verehrt, verachtet, aber niemals mitgesungen (außer von ein paar Profis) seit 30 Jahren: Am 20. Januar 1978 erschien die Single Wuthering Heights von Kate Bush, ab 17. Februar Bestandteil ihres Debüt-Albums The Kick Inside.
Dieser Text, hinter den man dann doch unbedingt kommen will, weil er offenbar von etwas anderem handelt als Ich-hab-dich-lieb, aus Sicht der seit langem verstorbenen Catherine Earnshaw, wie sie sich an ihren Peiniger wendet und alles in und an ihr zu ihm zurückdrängt; dieser in Schüben voranschlängelnde Rhythmus; diese Melodie, in der man kaum Strophe, Bridge und Refrain vorhersagen kann; dieses Micky-Maus-Falsett einer Besessenen! — Dieses Lied sperrt sich, sticht und spukt auf allen Ebenen. Hat jemals jemand bezweifelt, dass die achtzehnjährige Kate das Lied innerhalb weniger Sommernachtstunden mit Blick zum Dachfenster hinaus auf den Vollmond nicht irgendwie profan “schrieb”, sondern vielmehr: empfing?
Es geschah nach Inspiration durch den Film Wuthering Heights, es war die Verfilmung von 1970, das ist die mit Timothy “James Bond” Dalton, es waren deren letzte zehn Minuten, und es war nach der Erkenntnis, dass Kate Bush den Geburtstag mit Emily Brontë teilt, nur exakt 140 Jahre verschoben, der Schöpferin dieser unglaublichen Buchvorlage.
Eine Verkettung nachgerade diskordischer Zufälligkeiten, und in den Videos und den gut dokumentierten Fernsehauftritten tanzt sie wahrscheinlich satanische Botschaften rückwärts (der Blick! der Blick!), aber ich wüsste nicht, dass dieses Lied schon mal jemanden kalt gelassen hätte.
Damit wurde Kate Bush 19-jährig die erste Frau, die ein selbst komponiertes und aufgeführtes Lied vier Wochen lang auf Platz 1 der englischen und amerikanischen Charts halten konnte — ein Rekord, der sich seither nicht gerade wöchentlich wiederholt. David Gilmour von Pink Floyd entdeckt keine Luschen, die Besetzung von Alan Parsons Project arbeitet nicht mit Versagern zusammen. Maritimes Randwissen: The Saxophone Song, das zweite Lied auf The Kick Inside, wird von Walgesang eingeleitet.
Selbst Tori Amos, als Fee eben doch keine allschaffende Göttin, außerdem fünf Jahre jünger, beruft sich auf Kate Bush. Man glaubt es ihr, denn bösartig gesagt, kann sie genauso sphärisch Klavier klimpern und drei Oktaven zu hoch singen. Sogar Toris Themen wie Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und der Zusammenhang zwischen Patriarchat, Religion und Gewalt verblassen neben Kates frühen Vertiefungen in Geschwisterliebe, Atomkrieg und die Faszination der Zahl Pi. Dafür lebt Tori praktisch tingelnd, während Kate seit 1979 auf keiner Tournee mehr war. Irgendwie war sie trotzdem immer da, vor Tori Amos, vor Björk, ja vor Madonna gar (17 Tage jünger als Kate Bush).
Am 30. Juli 2008 wird Catherine Bush 50, Emily Brontë wird 190. Glückwünsche zum 30. von Wuthering Heights werden Frau Bush via ihre Fansite auf Myspace übermittelt.
Links:
- Wuthering Heights in der deutschen und englischen Wikipedia;
- Das offizielle Red Dress Video;
- Das offizielle White Dress Video, alternate take;
- Deutsche Live-Erstaufführung in der ersten Sendung von Bios Bahnhof, ARD 9. Februar 1978,
kompletter Auftritt: Ansage, Kite, Wuthering Heights und Interview; - Interview zum Lied, Gaffa 1979.
- Ausgewählte Cover-Versionen:
- Margrét Eir: Heiðin há (isländisch), 2007 oder vorher;
- Albert Niland, 2004 oder vorher;
- Puppini Sisters, 2006;
- Josh Pyke, 2007;
- ♥: Ukulele Orchestra of Great Britain (auch live empfohlen!), 2005 oder vorher;
- Hayley Westenra, 2004.
Kaufen, kaufen, kaufen:
- Emily Brontë: Wuthering Heights, Studienausgabe bei Norton Critical Classics, 1847/2003;
- Kate Bush: The Kick Inside, 1978.
Bonus Track:
- Herzlieblink zu Emily Brontës Sämtlichen Gedichten. In der Ansicht als Flipbook sind sie am besten.
Bilder: Kate in a box, 1978: El Vagon Alternativo;
Tori Amos in a box für Little Earthquakes, 1992: Everything Tori;
Single Wuthering Heights, 20. Januar 1978: Die offizielle Schweizer Hitparade.
Schöner Text, danke!
Oliver
9. January 2009 at 1:19 am
Sehr gern geschehen!
Zurückdanke für den Kommentar — der war die Gelegenheit, ein paar Links zu reparieren. Die Videos von Bios Bahnhof müssen wohl wegen Copyright als verschollen gelten.
Nach fast genau einem Jahr möchte ich erneut die Version vom Ukulele Orchestra als Video sowie live — hab mich gerade wieder über beide schief gelacht — und die Brontë-Gedichte als “Flipbook” empfehlen.
Wolf
9. January 2009 at 1:49 am
Psst!…hier: http://de.youtube.com/watch?v=IL6Cgulys0c, erst kommt ‘Kite’, bei 3:16 geht sie dann in Startposition für Wuthering Heights. Sehenswert auch der ‘wild and wiley’ Bühnenhintergrund!
Vom UOGB gefällt mir die wirklich empfehlenswerte Live-Version besser als das etwas tapsige Video, über ersteres hatte ich mich mit nach über zwanzig Jahren wiedererwecktem Interesse an dem Song hierher gegoogelt, was wiederum sicher daran schuld ist, dass mir der Programmhinweis für Hustons Moby Dick auf Tele5 heute abend aufgefallen ist. Fügt sich irgendwie, ist auch mal wieder Zeit ;)
Oliver
10. January 2009 at 4:22 pm
Die 8:40 Minuten bei Bios Bahnhof hab ich durchaus verlinkt, aber irgendwie länger in Erinnerung — weil die offenbar mal in einen Sanges- und einen Interviewteil gesplittet waren. Man nimmt, was man kriegt. Ich lass mal die gelöschten Links stehen, vielleicht dass sich irgendwann noch jemand erbarmt.
Es hat mal wieder jemand den Huston-Moby ausgegraben? Hoffentlich hat mal jemand das ganze Bild in den DVD-Ausschnitt eingepasst, wenn heute schon die Promo-CDs für genrefremde Kinderfilme ein Verkaufsgrund sind. Ich hab das Ding allein deswegen nicht, weil das Bild links und rechts übel abgeschnitten sein soll.
Wolf
11. January 2009 at 1:41 pm
Ja, in irgendeinem Clip war mal Bios ‘junge Künstlerin aus England…’-Ansprache dabei. Fot is Fot, wie der Kölner sagt.
Re Moby Dick: so war es dann auch. Schlechte Kopie und das Formatproblem vermutlich irgendwann in den siebzigern balkenfrei dadurch gelöst, dass rechts und links ein Drittel fehlt. Aber für Rekonstruktionen ist Tele5 ja auch nicht so direkt bekannt :)
Oliver
12. January 2009 at 7:10 pm