Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Lieb, die Olle

with 8 comments

Update zu Walgesänge mit Begleitung:

Auf Myspace rumgurken ist was Feines. Ich hab dort fünfzigmal so viele Freunde wie im Facebook und kenn von keinem einzigen den Namen. Eine von ihnen will ein Matrosenmädchen sein, und nicht mal das stimmt. Sagt sie ja selber:

eigentlich bin ich gar kein richtiges matrosenmädchen. ne landratte bin ich. aber mein opa war matrose. deswegen darf ich mich auch so nennen, sagt der herr großpapa.

mein herz schlägt für wildes rumgeküsse, schmutzige schäferstündchen, mädchen und jungs mit eiern, ordinäres gefluche, old-school-tätowierereien, versoffene nächte, charles bukowski und heinz erhardt. und bier. und die schreiberei. die ist wichtig. die hab ich lieb, die olle.

und sonst… rock’n’roll.

ahoi.

Für solche herzlosen Gesellen allerlei Geschlechts, die davon noch nicht kaputt genug gegangen sind, bloggt sie (Obacht: Da sind schon mehrere Seiten aufgelaufen). Am Goethegeburtstag zum Beispiel sowas:

Matrosenmädchen ist ja gar nicht soKäthe war eine hübsche junge Dame. Alles andere als ein Fotomodell oder ein Mannequin, das wohl, aber mit so viel kleinen charmanten Makeln auf einem Haufen, dass man sie hinreißend finden musste. Ging gar nicht anders. Das süße Käthchen, das neben den hochgewachsenen Schönheiten aus dem Viertel viel zu kurz geraten wirkte, dessen Ohren ein bisschen zu weit abstanden, dessen Augen zu groß waren für das winzige Gesicht und das durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen „La Paloma“ pfeifen konnte. Aber das mit 15 schon so kokett war wie die übertrieben geschminkten Damen in der verruchten Bar „Zur roten Laterne“, in deren Fenstern des Nachts immer die roten Blinkeherzen so einladend leuchteten. Zu schade war Käthe sich selten, etepetete wie ihre Cousine, die feine Jette, wollte sie nie sein, das verabscheute sie, und so machte sie sich gern die Hände schmutzig, wenn alle anderen „Igittigitt!“ schrien. Und sie verschenkte ihr Herz, wann immer ihr danach war. Einmal schenkte sie es dem Bauernjungen Paul mit den roten Haaren, der ihr immer so sehnsüchtig nachglotzte, wenn sie auf dem Weg in die Stadt am Hof seines Vaters vorbei radelte. Paul war es schrecklich peinlich, dass stets ein Hauch Kuhscheiße und Hühnerfurz in der Luft lag, wenn er seiner Angebeteten begegnete. Aber Käthe küsste seine Bedenken einfach so weg. „Scheiß auf die Kuhkacke und die Eierdinger“, hauchte sie und sagte ihm dann, er habe die schönsten braunen Augen, die sie je gesehen habe. Das war nicht mal gelogen. Auch wenn sie dem schönen Heinz gestern noch etwas ähnliches gesagt hatte. Aber der hatte nun mal die schönsten grünen Augen, die Käthe je gesehen hatte.

Die Mädchen im Viertel zerrissen sich die Mäulchen über das Mädchen mit den Segelohren, das so anders war als sie. So unanständig und liederlich. Flittchen nannten sie sie manchmal und sahen sich dann verschämt um, ob sie auch ja niemand gehört hatte. Flittchen sagt man nicht laut.

Käthe wusste das, sie war ja nicht aus Dummsdorf, und eigentlich war es ihr egal. Aber da war gestern dieser Junge gewesen, der Neffe von Metzger Franz, ein Matrose, fast zu schön, um wahr zu sein, und er hatte sie so seltsam angesehen, als der Schlachter ihr ein Stück Fleischwurst geschenkt und dabei ihre Hand eine Sekunde zu lang festgehalten hatte. So, als wüsste er von all dem Gerede und ein bisschen so, als würde er sich vor ihr ekeln. Käthe hatte verlegen auf ihre Schuhspitzen gestarrt und sich geschämt. Dann hatte sie sich die Fleischwurst in den Mund gestopft und war davon gerannt. Geheult hatte sie nicht, nein, das war nicht ihr Metier, wie Mama immer sagte. Nein, das war es wirklich nicht und lieber hätte sie sich den großen Zeh abgehackt, als vor anderen Leuten salzige Suppe aus ihren Augen tropfen zu lassen. Aber durcheinander war sie. Nicht schön durcheinander, sondern dumm. Die Blicke des Matrosen hatten sie verunsichert. Zuerst. Jetzt machten sie sie wütend.

„Was bildet der sich eigentlich ein!“ schimpfte Käthe laut und stampfte mit beiden Füßen auf dem Boden auf. Dann schwang sie sich auf ihren grünen Drahtesel und sauste mit scharlachroter Rübe in die Stadt. Den Matrosen zur Rede stellen wollte sie, jawolljaja.

„Guten Tag, Herr Franz“, sagte sie mit fester Stimme, als sie die Metzgerei betrat.

„Guten Tag, Fräulein Käthe. Was kann ich für Sie tun?“ Der Metzger musterte Käthe unverhohlen, in seinen stumpfen Schweinsaugen blitzte es.

„Ich möchte bitte Ihren Neffen sprechen. Diesen Matrosen.“

„Soso. Jaaaaaaakob!“, schrie Herr Franz da. Seine Wangen glänzten rosig von Fett und Schweiß.

Wäh, dachte Käthe angeekelt. Wie konnte ich nur?

„Ja?“ Der schönste Kopf der Welt lugte hinter der Tür, die zur Schlachterei führte, hervor.

Und so wie man sie kennt, lässt sie einem das wieder stehen und warten bis in die Steinzeit, dass es weitergeht. Und weiter geht es dann doch nur mit katzengoldenem Satzgefunkel wie… aber nein, ich sag nix mehr, weil sie mir sonst nix mehr lesen bei ihr, wenn Sie das Beste schon kennen, reicht ja schon das da oben, complete and unabridged. Zu Ihrer Beruhigung kann ich aber sagen, dass sie in einzelnen Wörtern am besten ist, vielleicht sollte sie einfach mal eine Auflistung von tollen Wörtern hinschreiben, das geht ja schnell und kann sie gut, aber irgendwie würde doch auch was fehlen. Die Geschichte bestimmt.

Und die, ach Gottchen, sagen wir halt mal Philosophie dazu, oder wissen Sie ein besseres Wort dafür, sie weiß doch selber keins, weil sie gar keins braucht, die Philosophie, sagte ich, einer Schiffbrüchigen zwischen Tank Girl für die Generation 20plus, einer Amelia Earhart zu Wasser, wie sie vorm nächsten Verschallen in der Hafenkneipe mit einem damenhaft gedrechselten Glas voll Rum in der Faust eine neue Version ihrer Lebensgeschichte zum Besten gibt, und einer Poetry Slammerin, die zu viel Zeit im Bett verbringt, dafür einen Wortschatz hat.

Und Blut und Schleim und Dosensaft und Salzwasser. Ohne zu viel zu verraten. Klingt sowieso ekliger, als es bei ihrer Fingerfertigkeit dann unten rauskommt. Ist doch alles virtuell, das Flittchen macht doch nur Spaß. In transitivem wie intransitivem Sinne, ich hab sie durchschaut. Das Matrosigste an ihr sind nämlich die Segelohren, ätsch.

Matrosenmädchen. Home is nun mal where your heart is

Bilder: Matrosenmädchen, überaus privat, 2009.

Written by Wolf

1. September 2009 at 6:21 am

Posted in Wolfs Koje

8 Responses

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  1. OmeinGooott…
    so viel der Ehre – hier. Ui, und sogar als Kompaktzitat. ;o

    Außer dass du uns im Falle unserer ausgeprägten Linkvermeidung unterschlügest, dass das Möchtegern-Matrosenkind doppelt so alt ist, wie dero Pubertätsposing und Verlautbarungen implizieren, sag ich… glaub ich… zu meinen ersten Eindrücken… besser nichts ohne meinen Anwalt. – Oder du? ;o))

    (Kom darf bei Nichtgefallen auch gern gelöscht werden. ;o) )

    hochhaushex

    2. September 2009 at 9:36 am

  2. Myspace sagt: 30 Jahre alt, Recklinghausen, Berlin. Für 60 is sie ja ganz ordentlich gehalten.

    Wolf

    2. September 2009 at 2:20 pm

  3. Pubertätsposing? Nun.. Wer im Glashaus sitzt… Meine Nichte wirft auch gern mit diesen Dingern um sich, diesen… ;o) Aber meine Nichte ist auch 16. Die darf das. Wie alt sind wir, holde Hochhaushexe? Ich vermute um einiges älter als das Matrosenmädchen… oder liege ich da falsch? Mfg. Toni

    Toni

    2. September 2009 at 3:50 pm

  4. Wenn das wieder die neoemanzipierten Alphamädchen sehen, dass nicht diskutiert wird, ob “Frauen” (wer immer das ist) schreiben können, sondern wie alt sie sind…

    Na gut, Profiqualität sieht knapp anders aus, stellenweise gehört nochmal der Lektor drüber, aber hey.

    Wolf

    2. September 2009 at 3:57 pm

  5. Normalerweise mische ich mich nicht in derartige Diskussionen ein – zu ermüdend -, aber dann fand ich den Einschub über das Alter der Autorin doch kommentierwürdig, da außerordentlich vielsagend. Verdammte Stutenbissigkeit.

    Toni

    2. September 2009 at 4:02 pm

  6. Huii.
    Öhm… vielleicht sollte ich aufhören zu kommentieren, wenn kein Mensch mehr den Inhalt meiner Postings versteht (wird wohl an meiner Alterssenilität liegen, die Herr Toni Unbekannt so charmant ausmacht.) ;o) Und hey, ganz so ausgeprägt ist meine Linkvermeidung nun auch wieder nicht, Wolf.
    —Ich dachte, sie i s t 16. Nach beidem, nicht nur den Fotos. Und jetzt könnt ihr mal wieder aufhören mitter putzigen Hengstbissigkeit – auch manche 16jährigen können Worte zusammensetzen – und ich zwing keinem meine Meinung auf. Keep cool! :o)

    Tsss… hab ichs nicht geahnt? Nichts ohne meinen Anwalt. ;o))

    hochhaushex

    2. September 2009 at 5:28 pm

  7. Welchen Link vermeid ich denn?, wie weit wärn S’ denn gern noch kommen — nicht dass ich justiziable Fakten unterdrück? .ò)

    Wolf

    3. September 2009 at 1:02 am

  8. […] a comment » Update for Fruit and Flower Painter and Lieb, die Olle: […]


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