On the Second of July, Her Plane Fell in the Ocean Far Away
There’s more to life than being a passenger.
Was wissen wir über Amelia Earhart? Zumindest in Deutschland next to nothing, und in Amerika wenig genug, dass ihr Biopic Amelia (2009, mit Hilary Swank) allerhand gestalterischen Spielraum fürs Drehbuch ließ: Ein flüchtiges Wesen war sie immer. Sie bestand aus Verweigerung und Eigensinn, was sie zu einer Ikone der jungen Emanzipationsbewegung machte, und selbst davon ließ sie sich nicht vereinnahmen.
Als Kind, das man sich leicht vorstellt wie Idgie Threadgoode, lehnte sie sich gegen die ungeschriebenen Gender-Regeln des amerikanischen Kleinbürgertums auf, indem sie zugunsten Bäumeklettern und Mäusejagd die Sonntagsschule schwänzte. Ernst machte sie, als sie die Fliegerei entdeckte. Sie finanzierte sich ihre Flugstunden selbst, eine davon kostete um 1920 eintausend Dollar. Auch dafür stand sie nach kurzer Zeit nicht mehr zur Verfügung, indem sie sich nach einem halben Jahr ihr eigenes Flugzeug kaufte.
1931 heiratete sie nach dem sechsten Antrag ihren Mentor und Verehrer George Putnam — immer noch widerwillig genug, weil ihr eine Bindung auf Lebenszeit zu bodenschwer war. Als ihr Umfeld von ihr erwartete, sich endlich in die Herstellung von Apple-Pie und Quilts zurückzuziehen, stiftete sie junge Frauen dazu an, sich darauf zu besinnen — und durchzuziehen — was sie wirklich interessierte. Überhaupt hätten Frauen “den Hinweis auf ihr Geschlecht schon viel zu lange als Ausflucht benutzt” — eine fast schon postfeministische Auffassung.
Auf ihr Konto gehen zehn Weltrekorde in der Fliegerei. Charles Lindbergh als erste Frau im Atlantik-Alleinflug nachzumachen genügte ihr nicht, sie musste als erster Mensch den Äquator umrunden. Was Sinn ergibt: Man könnte ja einmal kurz um den Nordpol herumstapfen und wäre in zwei Minuten fertig mit seiner Weltrumrundung.
Bei diesem Versuch verscholl sie — typisch. Das war am 2. Juli 1937, nach dem letzten Funkspruch: “We are in a line position of 157′- 337. Will report on 6210 kilocycles. Wait, listen on 6210 kilocycles. We are running north and south.” Umgehend setzte die Elvis-Legendenbildung ein: Immerhin könnte sie sich unterwegs in ihren Flugbegleiter verliebt haben und mit ihm auf einer Südseeinsel wohnen. Am 5. Januar 1939 wurde sie pflichtgemäß für tot erklärt, die Suche nach ihr samt ihrem Flugzeug läuft noch.
Mein intertextuelles Verständnis sagt mir, dass Carson McCullers die Miss Amelia aus The Ballad of the Sad Café (1951) ihr nachgebaut hat: die Wirtin im ewigen Mechaniker-Overall, wie ihn Flieger tragen, die den Dorfrowdy duellweise niederringt und mit dem ganzen Dorf im Nichts verschwindet, das ist eindeutig. Sollten Sie dringend lesen, auf jedem zweiten Bücherramsch liegt für ungefähr einen Euro fuchzig eine alte Ballade vom traurigen Café von Diogenes. Die Biographie von Amelia Earhart ist schon seltener.
Mich konnte sie kürzlich immer noch indirekt überraschen: nämlich mit der Entdeckung, dass die Hymne auf die first lady of the air, mein Lieblingslied Amelia Earhart auf der Feels Like the Third Time (1994) gar nicht von Freakwater ist, sondern von einer dreiköpfigen Cowboycombo, der man ohne weiteres das Jodeln zutraut, und genau am 2. Juli 1939 geschrieben und noch selben Abends uraufgeführt. Happy landing.
Bild: Amelia Earhart’s Motorized Scooter in Modern Mechanix, Januar 1936.
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Happy Landing! « Moby-Dick™
24. July 2010 at 7:18 am
[…] zu Ich habe euch immer gesagt, dass wir die Menschen fröhlich machen müssen, Chiemgirl Blues, On the Second of July, Her Plane Fell in the Ocean Far Away und Das Liedchen von der Gleichberechtigung: “Shakspeare, fuhr Goethe fort, gibt uns in […]
Vom Eindringen in die Materie (Ich habe in meinem Wilhelm Meister an ihm herumgetupft, allein das will nicht viel heißen) « Moby-Dick™
29. October 2011 at 6:49 am