The interkulturelle Rant (Frisst die ganzn Brotwerscht zam)
Just because you’re paranoid doesn’t mean they aren’t after you.
Joseph Heller: Catch 22, 1970.
Was mir das nun wieder sagen soll, dass ich die ganze Zeit so einen inneren Drang wahrnehme, meine Ausführungen über Es waren zwei Königskinder auf die Melodie von Ich hatt’ einen Kameraden von Grund auf neu zu formulieren. Hab ich doch schon längst. Oder fehlt was, mach ich mich nicht verständlich genug, griffen andere Crossover-Paarungen williger ineinander?
Ja, bestimmt. Im Verdacht hab ich vor allem das Kriegerlied, das die verschmutzten Landser im letzten Drittel von Steiner. Das Eiserne Kreuz im Schützengraben singen. Aber wenn man nach sowas surft, kriegt man wieder wochenlang Spam über Fahnenmasten: “In Ihrem Garten muss sie wehen!” und wenn ich verarscht werden will, kauf ich mir einen Fernseher. Was ist eigentlich aus den ganzen Sonderangeboten für Penisverlängerung geworden? Anscheinend haben inzwischen selbst die ganzen Generalswitwen aus Somalia ihre Dollarmillionen mit trustworthy business partners transferiert.
Amerikanische Soldaten in französischen Schlammgruben eines deutsch verantworteten Krieges, somalische Generalsfamilien mit Ausreiseverbot, sogar das vor zwei Jahren noch kilometerweise überschüssige Penismaterial scheint ihnen ausgegangen, und nur weil in der Münchner Innenstadt allenfalls jahrhundertealte Klöster Gartengrundstücke unterhalten können, wollen die vaterlandslosen Deutschen ihre eigene Landesflagge nicht darin wehen haben — die Welt ist eine suboptimale. Gemeinte Gemeinde: Das sind keine Zeichen — das ist ein Symptom!
Muss ich mir jetzt Sorgen machen und wenn ja, worüber? — Wie immer hilft dem Deutschen in mir (allein die Sichtweise: “der Deutsche in mir”!) der Rückzug in die Innerlichkeit. Etwas Verstiegeneres als ein Deutscher wollte ich mein Lebtag noch nicht sein. Nicht dass ich “stolz” darauf wäre wie bestimmte Hanswurste, die nun mal nichts anderes zum Stolzsein haben, aber Deutschland als Heimatland ist soweit schon ganz in Ordnung, “und das liebste mag’s uns scheinen so wie andern Völkern ihrs” (Bertolt Brecht: Kinderhymne). Unkomplizierter denn als somalische Generalswitwe fremde Leute um ihre Kontonummer angehen zu müssen allemal, nur Österreicher sein hätte ich immer gern mal ausprobiert. Oder Walliser. Oder Waliser.
Und wenn Brecht, der alte vaterlandslose Deutsche, eine nationaldeutsche Kinderhymne auf ein Streichquartett von einem verstorbenen Österreicher dichten darf, darf ich mich samt dem Deutschen in mir in unsere Innerlichkeit zurückziehen und nachschauen, dass wir zwei Hübschen außer deutscher auch noch fränkischer Herkunft sind. Niemand hatte die Absicht, eine Mauer zu besingen, die nicht mal dreißig Jahre hält — wie hat das eigentlich in der DDR mit der Gewährleistung bei volkseigenen Handwerkern ausgesehen? — dafür haben wir damals im ländlichen Franken zahlreiche ganz erstaunliche Kirchweihlieder gesungen, befeuert von erstaunlich starkem Bier erstaunlich guter Brauereien mit erstaunlich niedrigen jahresdurchschnittlichen Hektoliterausstößen, die am Kirchweihwochenende dermaßen erstaunlich anstiegen, dass sie mit dem Jahresdurchschnitt auch die Kirchweihlieder auf so ungeahnte Niveaus hoben, dass sie vorher niemand erwartete und hinterher niemand glaubte. Gewonnen hat immer, wer sich an die nächste Strophe erinnert oder wenigstens eine neue extemporieren kann, oder aus anderer Sicht: wer die nächste Maß zahlt, oder aus dritter Sicht: wer die ganze Kirchweih durch besoffen war und keine einzige Maß zahlen muss.
Am 24. September 2011, das ist ein Samstag, bin ich in Nürnberg. Wer ein freundliches Wort mit mir wechseln mag, trifft mich so ab sieben im Casablanca, wer’s kennt. Da ist CD-Präsentation von What about Carson, es wird also viel gesungen. Wer da beim Jammen das altfränkische Kirchweihlied “Wou is denn des Gerchla” (deutsch etwa: “Wo ist denn der kleine Georg?”) mit mir singt, kriegt ein Veldensteiner Dunkel oder wahlweise einen Talisker von mir — versprochen. Wahlweise, weil auf dem Durcheinandersaufen, da liegt kein Segen drauf.
Worauf ich hinaus wollte: Zum interkulturell verbindenden Musizieren ziehen wir uns abermals in uns selbst zurück, wo wir hoffentlich jemanden treffen, mit dem wir gut auskommen, und singen dort “Wou is denn des Gerchla” — und zwar jetzt auf die Melodie vom Black Mountain Blues.
Na, gibt das einen Sound?
Bildeln: Jenny-Catharina Linse (watch her picture on the wall!), 8. Juni 2011;
Sergey Loie, 21. August 2010.
Liedeln: Frankenbänd: Wo is denn des Gerchla (was man auch gescheit singen kann);
Janis Joplin: Black Mountain Blues; alternate take.
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The Apfelbäumchen Rant « Moby-Dick™
1. April 2012 at 12:07 am