Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

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Eats Bush and Leaves of Grass

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Christian sagt:

Zwei Anmerkungen möchte ich mir erlauben: Schwul oder Buddy-Freundschaft.

Ich glaube, dass Melville beeinflusst war von Walt Whitman, dem amerikanischen Dichter des 19. Jahrhunderts, in seinen Elegien über starke Männer und enge Bande und das Edle im Manne. Zeitgenosse von Melville war er und imposante Stimme der Neuen Welt. In den “Grashalmen” (so etwas wie das offizielle Großwerk auf die amerikanische Nation, die Demokratie und den freien Bürger, der damals eben nur Mann ist) wird seitenweise von Kameradschaft, brüderlicher Liebe usw. geredet und, ja, gesungen. Wie übrigens in der Bibel auch, das zweite Buch, das Melville stark beeinflusste – wie sollte es auch anders sein. Auch dort ist immer wieder die Rede von der Liebe der Jünger, dem weinerlichen und dem starken Mann, die einander stützen, dem einander “erkennen” und sich nähern, sich unterwerfen und liebenliebenlieben – all das weckt für uns 21. Jahrhundertmenschen – wenn man es will – homosexuelle Assoziationen. Was sie natürlich nicht sind. Oder jedenfalls waren sie nicht so gemeint, ganz unabhängig ob die Jünger, ob Whitman oder Melville, respektive Thomas Mann sie mal gelebt haben: Der Text sollte die höchste Form der Freundschaft und des Vertrauens zwischen Geschlechtsgenossen zeigen. So etwas wie ein Ideal der Vereinigung ohne den “schmutzigen” Sex, das Körperliche. Geistige Einheit und gemeinsamer Edelmut. Liebe zu Gott über die Liebe zu Menschen, ganz ohne Körper. Das haben Old Shatterhand und Winnetou auch gezeigt.

Das zeigen die Buddy-Movies oder Bücher aber gerade nicht, finde ich. Die zeigen zwar auch keinen schwulen Sex, aber da treffen immer zwei Loner aufeinander, es geht nicht um “geistige Vereinigung”, sondern Bündelung der Kräfte, beide sind stark, beide sind eigenwillige Persönlichkeiten für sich, die sich in Kämpfen und Auseinandersetzungen mit Gegnern nicht nur in ihrer Männlichkeit bestätigen (Frauen und Sex spielen da ja auch immer eine Rolle und bringen nicht selten Unruhe ins System), sondern fern ab aller sexuellen Gedanken, ihr Ding durchziehen – was immer das sein mag, meist jedenfalls ein Deal, ein Bruch, ein Clou. Da geht es selten um Ideale oder Höhere Werte, außer den Mut oder die Kampfkraft allein. Somit wären Ismael und Queequeg eine Mischung aus beidem: Buddies im Kampf gegen den Wal und die Idioten auf dem Schiff und geistige Brüder in der Erkenntnis der Endlichkeit und im Glauben an Vorzeichen, Übersinnliches (die Weissagung, die Predigt etc.), ihre innere Stimme sozusagen.

Written by Wolf

26. October 2006 at 7:52 am

Posted in Christians Koje