Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for July 2007

Das Land der Deutschen mit der Seele suchen

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Eric T. Hansen, Planet GermanyHeld Dietrich schlug Herrn Ecken
Zu Tod, den kühnen Mann,
Nun lassen wir uns schmecken
Das Blut, das ihm entrann.

Karl Simrock

Es ist ja nicht nur so, dass der blindgeschlagene Deutsche an sich dauernd irgendwelchen kulturlosen Besatzern nacheifert. Beispiele wie der USA-Erklärer Scot W. Stevenson zeugen davon, dass es auch umgekehrt geht, und der Mann tut seinen Job ja hervorragend. Sein Hawaiianer Landsmann Eric T. Hansen hat ihn schon 2004 ergriffen (den Job, nicht den Stevenson).

Planet Germany. Eine Expedition in die Heimat des Hawaii-Toasts unter Mitarbeit von Astrid Ule, Fischer Taschenbuch Verlag 2006, geht über die üblichen Selbstkasteiungen, wie typisch deutsch der typische Deutsche doch sei, weit hinaus; wie in Stevensons Weblog rührt die Qualität nicht daher, dass überraschenderweise doch Amis klug und Deutsche doof sind, sondern die Distanz schaffende, jeoch teilnehmende Sicht von außen.

Herman Melville liest die Gespräche mit Goethe von Eckermann! Amerikanische Jungs wissen sich ihrer Vorliebe zu deutschen Mädchen nur zu erwehren, indem sie welche heiraten! Erwachsen geworden, schreiben sie Bücher mit einer Aufmerksamkeitsspanne von über 15 Sekunden! Hawaiianer wohnen freiwillig im verregneten Deutschland!

Ein Stück von geradenwegs zärtlicher Anteilnahme auf der Suche nach dem Inbegriff deutschen Wesens, die sich dem zumal deutschen Leser rückwirkend wiedermitteilt, schafft Hansen in Die deutschen machen aus ein paar toten Dichtern dermaßen Kult, dass man fast meint, sie würden sie auch lesen.

Ich zitiere den in sich abgeschlossenen Absatz am Schluss. Mit Copyright können wir erwachsene Leute ja umgehen, nicht wahr?

Karl Joseph SimrockAm Ende einer steilen, von Bäumen gesäumten Straße hoch über dem Rhein steht ein zweistöckiges Haus, das im spätklassizistischen Stil auf dem Gewölbe einer uralten Kellerei der Minoritenmönche gebaut wurde. Die Villa heißt Haus Parzival. Hier hat der Germanist, Übersetzer, Dichter und Vollblutromantiker Karl Simrock seine Sommer verbracht.

Simrock hatte bei Schlegel und Arndt studiert, empfing ab und zu Besuch von den Grimms und Ludwig Uhland und verfasste schwärmerische Gedichte über die Schönheit des Rheins. Bekannt wurde er als Übersetzer zahlreicher Werke des Mittelalters und des germanischen Altertums, von der Edda über die Gedichte Walthers von der Vogelweide bis hin zu Wolframs Parzival. Sein größtes Verdienst war, das Nibelungenlied mit einer schwungvollen und lesbaren Übersetzung populär zu machen, ja es gar zu einer Art deutschem Ersatz-Gründungsmythos zu erheben. Er gehörte zum harten Kern der deutschen Identitätsbastler.

Sein Haus Parzival liegt ein paar Meter ab von der Straße hinter einem schwarzblauen, verschnörkelten Eisenzaun. Das Haus ist gelb, dieses typisch deutsche Buttergelb. Das sanft ansteigende Gelände ist voller Pflanzen – gepflegte Blumenbeete, Wildgräser, selbst das Unkraut ist malerisch. Dazwischen ein Teich, ein Vogelbad, ein hölzerner Tisch mit Stühlen. Ein Ahorn, eine Esche, eine Trauerweide machen den Garten schattig.

Haus Parzival von untenIch stand eine Weile da und betrachtete den Garten. Er strömte Ruhe aus, und ich bildete mir ein, dass man von hier aus den Rhein riechen konnte. Alles war leicht. Hier war jeden Tag Sommer.

Ich stellte mir vor, wie Simrock im Garten spazieren geht. Zwischendurch greift er zum Gartenwerkzeug und kümmert sich um seine neuen Spargelbeete. Er hat ein Buch dabei, einen dieser alten Lederbände, die von außen kaum identifizierbar sind, weil der Umschlag keine bunte Abbildung enthält. Es ist sicher der Iwein. Nach einer Weile setzt er sich hin und liest. Wenn der Tag zur Neige geht, nimmt er ein Glas Wein dazu.

Haus Parzival, EingangEs war das perfekte deutsche Leben. Das Leben, das die meisten Deutschen heimlich leben wollen – damals wie heute. Ein großes Haus – weder eine Mietwohnung noch eine protzige Villa, eher ein … Anwesen. Genug Geld, um finanziell unabhängig zu sein, aber nicht so viel, dass man als reich beschimpft wird. Im Haus hat man eine Küche mit offenem Kamin. Keine Mikrowelle, kein Plastik. Alles strahlt Ursprünglichkeit aus: Stahl, Stein, Holz. Im Salon ein altes Klavier, ein echter Perser, ein echtes Hausmädchen. Ein Arbeitszimmer – pardon, eine Privatbibliothek natürlich, mit bequemen Stühlen und einem breiten Schreibtisch, denn „arbeiten“ heißt, man befasst sich mit dem Griechischen und mit Latein. Der ideale Deutsche arbeitet mit den Dingen des Geistes. Nicht des Hirns, sondern des Geistes. Er hat Muße. Dass er kein Snob ist, zeigt, dass er nebenbei ein Handwerk ausübt. Er respektiert die Arbeit mit den Händen und verbringt deshalb viel Zeit im Garten, er kocht selbst in der Küche, wenn Gäste kommen, oder, wie Simrock es tat, er legt einen kleinen, edlen Weingarten an und nennt seinen Wein nach einer Figur aus den alten Schriften, mit denen er sich gerade beschäftigt: Eckenblut, nach dem Riesen in der Dietrichssage. Wenn Freunde vorbeikommen, geht man am Rhein spazieren und diskutiert die Arbeit am griechischen Text und die Entwicklungen in Frankreich oder den anderen wichtigen Regionen der Welt.

So will jeder Deutsche sein, dachte ich mir, als ich da stand. Was vor mir liegt, ist nichts weniger als die deutsche Seele selbst. Meine Chance war gekommen. Ich musste mich nur ein Stündchen an diesen Tisch in den Garten setzen, dann würde sie sich schon blicken lassen. Wenn ich die jetzigen Bewohner nett fragte, würden sie es sicher erlauben.

Ich klingelte. Aber es machte keiner auf. Niemand war zu Hause.

Menzenberger Eckenblut

Bilder: Portrait Karl Joseph Simrock: Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain; Haus Parzival: Haus Parzival, Lizenz: Creative Commons; Weinetikett Menzenberger Eckenblut: Karl-Simrock-Forschung Bonn, Lizenz: Public Domain. Text Eric T. Hansen: Fischer Verlage 2006.

Written by Wolf

29. July 2007 at 12:33 pm

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Die Katze, die sich nicht nass machen will, fängt keinen Fisch

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Katzencontent is in:

Unter all den Charakterköpfen in Moby-Dick hat man immer schmerzlich eine Katze vermisst. So ein Bordkater trägt wesentlich zum philosophischen Gehalt eines Romans bei. Wie charaktergeladen und fischaffin Katzen auch sind, kann man sie eben doch nicht bedenkenlos zu Wasser lassen.

Anschaulich wurde dies einmal mehr am 3. September 1949, als unter der Regie von William Hanna und Joseph Barbera Tom Jerry unter Wasser jagte: The Cat and The Mermouse (7:49 Minuten).

Die Phase mit Hanna & Barbera an der Regie, das ist: 1940 bis 1958, war die Zeit, als MGM eine ernsthafte Konkurrenz für Disney waren und ihnen sogar den einen oder anderen Oscar für Animated Short Film wegschnappten. So geschehen für The Cat Concerto (7:49 Minuten) vom 26. April 1947. Die Musik (Ungarische Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt) wurde von der Kapazität Scott Bradley eingespielt, Toms gezeichneter Fingersatz sitzt synchron auf dem Sound.

Manche der zeitlos allerbesten Episoden Tom & Jerry überschreiten die Grenze der Jugendfreiheit: Kurzkrimis wie Kitty Foiled (1. Juni 1948, 7:20 Minuten) oder Heavenly Puss (9. Juli 1949, 7:48 Minuten) krawallen mit einem Suspense herum, der in späteren Jahren nicht für sieben Minuten, sondern ungefähr drei Staffeln reichen musste.

[Edit 16. Oktober 2008:] Engagierte Wächter des Copyrights vom MGM werden nicht müde, die einmal verlinkten Filme aus Youtube zu löschen, sowenig engagierte Wächter der Populärkultur müde werden, sie wieder unter anderer Adresse raufzuladen; nachvollziehbar sind beide Seiten, ärgerlich bleibt der Umstand trotzdem. Für Ihre Bedürfnisse — einfach Filme gucken — ist deshalb am praktikabelsten, dass ab sofort nicht die Filme selbst, sondern nur die Suchanfragen bei Youtube verlinkt werden. Orientieren Sie sich für die beste Version an den vermerkten Laufzeiten.[/Edit] Vom Rippen rate ich selbstverständlich ab, aber Großstellen ist legal.

MGM Tom & Jerry
Jerry’s Diary, 22. Oktober 1949: die erste Episode, die mit Flashbacks arbeitet.

Bild: MGM via Tom and Jerry Online; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

28. July 2007 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf

Mark Herostratos Booth

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Update zu Aspects of Abraham:

John Wilkes Booth wusste genau, was er tat: Er kannte die Theaterfarce, mit der Abraham Lincoln den Abend im Ford’s Theater ausklingen ließ, von seiner eigenen Schauspielarbeit. Our American Cousin von Tom Taylor, bisschen was zu lachen in diesen Kriegszeiten. Darum wartete er die lustigste Stelle ab, an der zuverlässig das ganze Publikum schallend lachte. Vielleicht lachen Leute lauter, als Pistolen knallen.

John Wilkes Booth hatte ja gar keine Ahnung, was er tat: Der politische Effekt blieb aus, und heute wird er in eine Reihe mit Herostratos und Mark David Chapman gestellt.

Bild: Library of Congress via Old Picture of the Day; Lizenz: Public Domain.

Written by Wolf

27. July 2007 at 11:53 am

Posted in Rabe Wolf

Pissed about having to work in a post office to support himself

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Update zu Warum es kaum Fotos von Herman Melville gibt
und Chez Pierre:

Herman Melville DaguerrotypieNach dem Whale schrieb Herman Melville seinen Kraken, den natürlichen Feind des Wals. Wenn schon out, dann richtig.

Pierre, die gleichnamige Hauptfigur des Kraken und seines Zeichens Lohnschreiber auf dem unaufhaltsamen Weg in den Untergang, sträubt sich in einem Verlegerbrief, sich für seine Veröffentlichung ablichten zu lassen:

To the devil with you and your Daguerreotype!

Eine bestechend klare Ansage, die Melville offenbar persönlich teilte und in einem eigenen Brief an den eigenen Verleger etwas zurückgenommener formulierte:

Almost everybody is having his “mug” engraved nowadays; so that this test of distinction is going to be reversed; and therefore, to see one’s “mug” in a magazine, is presumptive evidence that he’s a nobody… I respectfully decline being oblivionated.

Wir Heutigen, die Mugshots für eine Erfindung von rotten.com halten und damit liebäugeln, uns als Leserreporter bei den großen vier Buchstaben registrieren zu lassen, würden mit so einer Auffassung von hinten rum schon wieder in.

Von Herman Melville sind dann doch noch drei Daguerrotypien bekannt geworden. Glücklich sieht er auf allen dreien nicht aus.

Written by Wolf

24. July 2007 at 9:59 am

Posted in Moses Wolf

Die Welt spricht Moby (und Moby spricht russisch)

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… wie kann der unbelesene Ismael dann hoffen, das altehrwürdige Chaldäisch auf der Pottwalstirn zu lesen? Ich stelle diese Stirn nur vor euch hin. Lest sie, wenn ihr könnt.

Kapitel 79, Seite 545

Elke hat ihr Schulrussisch nicht nach der letzten Schulaufgabe verdrängt, sondern zu Ende studiert. Darum weiß sie heute:

Elke HegewaldHabt ihr Lust auf ein bisschen Nachwort-Fleddern? Ich meine, so ein kleines Waljagen ohne Ozean? oder Harpunenwerfen aus dem Bücherregal? Eine ausdauernde Kissenschlacht in der Kajüte…?

Dabei hatte ich sowas gar nicht nicht vor. Eigentlich war ich einer Walsichtung in bislang unerforschten Jagdgründen auf der Spur, und zwar in russischen Wassern. Also nicht in denen zum Gurgeln jetzt, den Wässerchen (Wodki) mit der hohen Drehzahl. Nee, ich meine die großen, ausgewachsenen (vody) von anderem Geist. Aber davon später.

Bei der ganzen Sucherei kam mir nämlich die Neugier in die Quere – und die einschlägige Frage, wann denn nun sich Moby Dick überhaupt in die weite Welt aufgemacht und in fremd(sprachig)en Meeren schwimmen gelernt hat. Denn wie wir wissen, tat er sich damit ja etwas schwer.

Mobi Dik 2006Das war von vornherein nicht unbedingt zu erwarten, hatte doch der junge, hoffnungsvolle Autor mit seinen beiden Frühwerken, den Südseeromanen Typee und Omoo schnellen – auch internationalen – Ruhm eingeheimst. Doch dann begann mit The Whale, diesem „alle Konventionen brechenden Romanmonstrum“ (Göske, Seite 904), mit dem der auf eben selbige geeichte Leser nichts anzufangen wusste, bereits sein ebenso schneller Abstieg. Den perfekt zu machen er dann nur noch den Pierre (1852) schreiben musste. Nach dem wurde ob der enthaltenen „sexuellen Verirrungen“ sogar seine Zurechnungsfähigkeit angezweifelt. Obwohl er nie aufgehört hat zu schreiben, hatten die Heimat und die Welt ihren Melville, als er fast vierzig Jahre später starb, so gut wie vergessen.

Dabei wäre es womöglich geblieben, wenn nicht die eigensinnig verschlungenen Wege der Kunst und ihrer Jüngerschaft in den zwanziger Jahren des nachfolgenden Jahrhunderts zu einem wundersamen Melville-Revival geführt hätten, in dem man ihn begierig wiederentdeckte und neu zu lesen begann (siehe Göske, S. 904). Obwohl der Herr Nachwörtler es nicht dezidiert erwähnt, kombiniert Ms. Elke Holmes mal (logisch!), dass dafür die Veröffentlichung des Melvilleschen Nachlasses 1924 verantwortlich zu machen ist.

Man feierte Melville als großen Modernen, und den natürlich vor allem als Schöpfer des Moby-Dick. Ausschweifende und literaturwissenschaftlich verquaste Definitionen möchte ich dem geneigten Mitleser an dieser Stelle gerne ersparen. Nur die feine, mir so wunderbar moby-kompatibel scheinende Erklärung für Modernität, von Charles Baudelaire bereits 1863 formuliert und von mir aus dem Wiki-Artikel über die Moderne rausgeklau(b)t, sei hier zitiert:

Die Modernität ist das Vorübergehende, das Entschwindende, das Zufällige, ist die Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige und Unabänderliche ist.

Und zu dieser Zeit begab es sich, dass der Moby polyglott zu werden anfing. Ha, und es ist durchaus der Erwähnung wert, dass die erste fremde Sprache, die er lernte, die deutsche war.

Im Jahr 1927 erschien mit Wilhelm Strüvers stark gekürzter, auf die Abenteuerhandlung beschränkter Adaption die erste fremdsprachige Buchfassung überhaupt (Berlin: Knaur).

Kapitel 79, Göske, Seite 904

Damit war’s allerdings mit der Melvilleschen Deutschsprachigkeit erstmal wieder für eine ganze Weile vorbei. Denn “die ersten seriösen Versuche deutscher Verlage, eine verlässliche Werkausgabe vorzulegen, erlitten Schiffbruch; sie gerieten in den Strudel der Nazizeit und des Krieges.” (ebenda) Dass einer dieser – zugegeben stichhaltigen – Hinderungsgründe, ja selbst, dass beide zusammen als Argument für das Immer-noch-nicht-Vorhandensein einer umfänglichen Ausgabe der Werke herhalten könnten, dürfte weit schwerer einzusehen sein…

Mobi Dik russische ErstausgabeWoanders begann “Moby-Dick” inzwischen munter und babylonisch zu erscheinen. Bereits vor dem II. Weltkrieg hatten ihn die Holländer, die Ungarn und die Tschechen übersetzt vorliegen. Als meisterhaft gilt die erste italienische Fassung von Cesare Pavese, der seinem Vorwort zur ersten Ausgabe 1932 die programmatische Verkündigung voranstellte: “Moby-Dick übersetzen heißt mit der Zeit gehen” (siehe Göske, Seite 905). Und über den vielleicht der Stephan noch was weiß.

Von Jean Giono, der 1939 den Wal zu seinen Franzosen brachte und den Melville nach dieser Arbeit nicht losließ, weiß der aufmerksame Leser schon aus den hiesigen Walfängen. In wie viele Sprachen dieser “Walbulle im Karpfenteich der Romanliteratur” (Göske, Seite 869) bis zum heutigen Tag übersetzt wurde, vermag wohl nicht mal mehr die größte Melville-Koryphäe zu sagen – hat er doch mittlerweile die ganze Welt erobert.

Aber ich bin euch noch was schuldig. Denn aufgemacht hatte ich mich ja, um Moby Dick in Russlands Weiten aufzuspüren.

Der obige Fund ist eine Online-Übersetzung des Romans auf der Seite der Elektronnaja Bibliotheka, basierend auf der Hendricks House Edition, die von Professor Eugene F. Irey der University of Colorado bearbeitet wurde. Der auf dieser Erwähnung ausdrücklich besteht. Genauer gesagt, handelt es sich um zweimal die identische Volltextversion, übersetzt von Inna Bernstein, mit paralleler englischsprachiger Fassung. Die einzige Erklärung, die ich für diese Doppelung für mich gefunden habe, ist, dass es sich wohl um zwei Versuche des Hochladens handelt und schlicht und ergreifend der Speicherplatz für das monströse Upload nicht gereicht hat. Denn so ganz Volltext – also bis zum Ende – ist es denn doch nicht, denn selbiger bricht jeweils nach dem 60. Kapitel ab.

Weitere Googeleien führten lange ins Nichts, bis – ja, bis ich auf die Idee kam, den russischen Wal doch einfach mal mit kyrillischen Zeichen und entsprechend getippselten Suchanfragen aus der Reserve zu locken. Wozu hat man schließlich mal, vor einem gefühlten Walalter, mit summa cum laude sein Diplom in russischsprachiger Literatur erschwitzt. Und siehe da, das Ungetüm kam zutraulich ans Ufer geschwommen, seinen Papa Melville nebst reger einschlägiger Literaturwissenschaftlerei im Schlepptau.

Mobi Dik 1967Mit dem, was ich da so alles an Bord gehievt habe, werde ich euch gelegentlich häppchenweise füttern – wenn ihr Lust habt. Ich muss mich selber erst noch da durchwühlen. Einstweilen nur so viel: Es gibt diverse komplette Online-Versionen des Romans: diese hier zum Beispiel mit erklecklichem Anmerkungsteil und einem Nachwort von J. Kovaljov, allerdings leider ohne Inhaltsverzeichnis, dafür aber in Seiten gegliedert. Eine sperrigere mit fortlaufendem Text hat ein Inhaltsverzeichnis am Ende.

Die Russen können ihren Moby erst seit 1961 in kyrillischen Lettern lesen, dank der erwähnten Frau Bernstein, die das absolute Moby-Monopol zu haben scheint.

Und der erste Satz – heißa! – lautet: Зовите меня Измаил (Zovitje menja Izmail). – Was eins zu eins übersetzt unser “Nennt mich Ismael” ist.

Written by Wolf

23. July 2007 at 12:01 am

Posted in Krähe Elke

Schon wieder Land in Lee

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Der blinde Passagier Christian erscheint nach vier bis neun Monaten wieder auf Deck, gibt eine nahezu Bulkingtonische Figur ab und macht ein Update zu Dass alles tiefe, ernste Denken nur der Seele unverzagtes Mühen ist:

Christian WestheideNach einem halben Jahr Abwesenheit, unfreiwillig (kein Internet) und freiwillig (anderes Lesematerial, dies und das) melde ich mich zurück. Das Kapitel 23, Land in Lee, scheint mir für meine noch wankenden Schritte auf Deck gut geeignet. So heißt es dort z.B.:

Ich blickte mit sympathetischer [!] Ehrfurcht und Scheu auf den Mann, der sich mitten im Winter, gerade von einer vierjährigen (für mich -monatigen) Reise voller Gefahren [naja] zurückgekehrt, so rastlos auf einem weiteren sturmumtosten Schiff [ihr, der Blog, das Internet, die Artikelbäume…] einschiffen konnte. Das feste Land schien ihm die Füße zu versengen.

Über den Hafen als Freund und Feind heißt es:

Mit aller Kraft kämpfend, mit vollem Zeug, steht es [das Schiff] vom Lande weg und kämpft so wider ebenjene Winde, die heim es in den Hafen treiben wollen, und suchte erneut die landlose leere, aufgepeitschte See, stürzt sich in Gefahr, sein einz’ger Freund sein schlimmester Feind [der Hafen].

Ganz so pathetisch, aufregend und existenziell sind sie dann doch nicht (eigentlich gar nicht) gewesen, meine letzten Monate unter Deck. Aber über das insgesamt eher gemächliche Tempo freue ich mich und insofern passt es, dass Captain wolf mit der Verbloggung (tolles wort) nicht in Gänze hinterherkommt (muss er ja auch nicht) und über die Produktivät staunt (das sagt der Richtige).

Warum auch Hektik? Wir hinterlassen im Meer (des Internets) keine Spuren, nur das Meer hinterlässt Spuren auf uns (bei jedem anderen: Zeitmangel, Ringe unter den Augen, bisserl Geld in der Tasche (vielleicht), vielviel was man lesen, sehen, hören könnte…).

Und Stephan hat noch Kapitel zu lesen und seinem Sohn sehr viele Fragen zu beantworten (empfohlen sei ihm ein Buch für Väter, die gewappnet sein wollen auf Fragen wie “Warum ist der Himmel blau und wie kommt das von dem?”, das Buch von Bill Bryson, Eine kurze Geschichte von fast allem, das auf eben solch einer Frage seines Kindes basiert) und Stefanie ist unter der Deck verschütt gegangen – das passiert jedem mal. Sommer ist ja auch, weshalb ich die sturmgepeitschten Sprachbilder und Seemetaphern besonders schön finde im Moment. Also Kameraden, ick bemüh mir mehr Angaschement auf Deck zu zeijen, lesen tu ick und tippen will ick ooch.

So long, der blinde Passagier im Berliner Stadtmeer, Chr

Shirley Temple, Stowaway Briefmarken

Bild: Shirley Temple als Blinder Passagier auf Entertainerstamps, 1936;
Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

20. July 2007 at 12:02 am

Red Moby (nicht von Lefebvre) (noch nicht)

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Sozialkritisch sein. Soll man doch immer. Hat man jedenfalls gelehrt, als ich noch in der Schule war. Mich hat das genervt, dauernd an allem irgendeinen Haken finden zu sollen, statt sich zu freuen, dass endlich mal alles passt. War ich viel zu beschäftigt mit Moby-Dick-Lesen, Reclam-Ausgabe (und Heftchen gucken, voll Mädchen).

Bettie Page, Dominant DamselsGeht aber aber auch beides:

Ist nicht Moby-Dick, neben so vielem anderem, eine Parabel auf den Kapitalismus?

Ahab ist nicht Eigentümer der Pequod, sondern er hat Vorgesetzte, Peleg und Bildad, die wahren Eigner des Kapitals, die ihn für dessen Vermehrung bezahlen. Sobald er jedoch auf See ist, gibt es über ihm nur noch Gott, was ihn faktisch eben doch die größtmögliche Verfügungsgewalt über jenes schwimmende Produktionsmittel gibt, das nach einer ausgerotteten Indianerkultur heißt. Und er nützt sie weidlich aus: für seine persönliche Rache.

Sehen wir den Wal Moby Dick (ohne Bindestrich, den hat nur der Romantitel) als zu erwirtschaftenden Mehrwert, so setzt Ahab wirklich alles bis hin zum Leben seiner unterstellten Arbeitskräfte einschließlich seines eigenen ein. Wie reinrassig kann ein Kapitalist noch sein?

Ahabs Rachebedürfnis rührt auch noch daher, dass der Mehrwert sich ihm schon einmal entzogen, ja ihm dabei sogar ein Stück seiner selbst entrissen hat. Der Mehrwert lässt sich nicht erwirtschaften, vielmehr lässt er die Inhaber und Akkumulatoren des Kapitals an ihrem eigenen Geiz, ihrer Verbissenheit, ihrem Festhalten an ihrem Prinzip, verderben.

Noch nie war materielles Denken so irrational, der Kapitalismus so deckungsgleich mit Wahnsinn.

Ist er nicht?

Ist er doch.

Bild: D-Kline für Dominant Damsels; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

19. July 2007 at 3:36 am

Posted in Rabe Wolf

Vorsichtig, Melville

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Das sagen die anderen, Part 2:
Computerhonk Nasendackel

(Part 1 war ja gestern Martina.)

Der Nasendackel wurde gezwungen, Billy Budd zu lesen und macht ein Update zu Andrew G.: Here’s one for Moby Dick:

Martina Kink BloglesungAchtung!!! Der Schreibstill von Herman Melville (Billy Budd, Sailor) macht aggressiv, gerade wenn man das lernen muss…

Und die Kommentatoren stimmen ihm zu.

Dies ist ein freies Land.

Billy Budd Annotated

Bilder: Computerhonk Nasendackel, 10. Januar 2007; The Bookshelf Reviews, 5. April 2007; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

18. July 2007 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf

thar she blows

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Das sagen die anderen, Part 1:
Martina “Wenn das so ist” Kink

Martina war im Urlaub und macht wie nebenher
ein Update zu Ende von Wal – 17-mal:

Martina Kink BloglesungIch habs genau gesehen, springe auf, renne barfuss zur Reling und verbrenne mir so fast die Fusssohlen auf dem heissen Boden, aber er ist schon wieder weg. Die Menschen auf dem Oberdeck der Fähre tun es mir gleich, starren aufs Meer, wo aber leider nichts mehr zu sehen ist, ich war schneller und ernte hochgezogene Augenbrauen und Kopfschütteln, beides mit einem unübersehbaren ‘hysterische Kuh’ verziert. Völlig zu Unrecht, möchte ich anmerken, denn erstens fühle ich mich sowieso schon wie immer verantwortlich und habe ein schlechtes Gewissen, weil er nicht nochmal auftaucht und zweitens beruhigt euch mal, nun rief ich ja nicht mit überschnappender Stimme ‘thar she blows!’ Ich habe lediglich ein bisschen gequietscht beim Aufspringen, was mir peinlich genug ist, und das leise aber aufgeregte ‘Flipper?!!’ kam nicht von mir, das war N. Als er später mit jeder Menge Kumpels zurückkam, um kapriolend das Boot zu begleiten, bekomme ich doch noch Lächeln und Kopfnicken geschenkt. Jaja, jaja, Delfine, quietsch ich doch.

Pallas Athena, Göttin der Weißheit

Bilder: Martina Kink, 22. November 2006 und 21. Mai 2007;
Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

17. July 2007 at 12:29 am

Posted in Meeresgrund

Seine erhabene Wildheit wurde gezähmt, seine Freiheit beschnitten, seine Wucht gemildert

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Update zu Der Rathjen und vor allem zu
Als sei der gewaltige Nichtstuer der kunstvolle Werber:

Lieber Freund, ich habe so eine Ahnung – ich werde schließlich verschlissen sein und zugrunde gehen wie eine alte Muskatnuß-Reibe, die durch ständigen Gebrauch in Stücke geht. Was kommt eigentlich dabei heraus, wenn man an einer so kurzlebigen Sache wie einem modernen Buch so intensiv arbeitet? Und wenn ich in diesem Jahrhundert die Evangelien schriebe, ich würde doch im Rinnstein sterben.

Herman Melville an Nathaniel Hawthorne, 1851

Wohin mit
all dem

Wollen dem
Universum ist

das wurscht
Man wird

so nie
gelebt haben

aber hey
ist auch noch nie dran gestorben.

Raven Isis auf Suicide Girls

Bild: Raven Isis auf Suicide Girls, 2005 (Link ab 18!);
Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

16. July 2007 at 3:34 am

Posted in Wolfs Koje

Herman der Youtuber

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Update zu Bücherliste 3:00:

Vor Melville: Literary Work wäre ja noch Herman Melville ohne Zusatz gekommen, aber bis jetzt haben Sie’s ja gar nicht gemerkt, stimmt’s?

Das war wohl das, was Youtube ohne Copyright-Zicken länger stehen lässt.

Sexy Librarian, Natural Contours

Bild: Natural Contours.

Written by Wolf

15. July 2007 at 11:40 pm

Posted in Wolfs Koje

Feenfunde

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Update zu Another Half-A-Whale: Eine Biografie von Hillary Clinton:

Feenfunde, Spuren von Magie, Alltagspoesie sind überall. Natürlich kann ich mich hinter den Kassen bei Penny aufstellen und die Leute um ihre erledigten Einkaufszettel anschnorren – wenn einem Hausverbot nur ein minimaler Zauber innewohnte. Etwas Grundanderes ist, wenn ich fast heimlich den zerknitterten Einkaufszettel einer ukrainischen Oma, die vor mir den Einkaufswagen benutzt hat, in der Jackentasche versenke. Es muss eine Fundsache sein. Dann ist alles möglich: Kein prekär beschäftigter Jungpapa mit Tagesfreizeit schnauzt mich zeitarm an, kein Marktleiter schiebt mich diskret zum Ausgang, und ob die Oma nicht doch eine Fee war, dafür gibt es keine Beweise.

Anfang der 1980er Jahre hat Francis E. Plumeau im Heuschober von Gansevoort Mansion in Gansevoort, New York das Hauptmaterial für Hershel Parkers Melville-Biografie gefunden.

Polaroid: vermutlich Süddeutsche Zeitung, ca. 2004.

Written by Wolf

14. July 2007 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

Moby-Dick undercover: Der Weiße Wal ist kein Weißwal

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Daddy Stephan hat Fahrt aufgenommen…:

Yes, the world’s a ship on its passage out, and not a voyage complete.

Chapter 8: The Pulpit

Stephan De MariaAls ich gestern nach Hause kam, hat mich mein Sohn nach einem knappen Hallo sofort gefragt:

“Papa, stimmt das, dass ein Weißwal stärker ist als ein Blauwal?”

Ich war ein wenig überrumpelt und dachte daher sofort an Moby Dick:

“Na klar ist der stärker! Wer nimmt’s denn schon mit dem auf!”

Einen Gedanken später entsann ich mich, dass ein Weißwal ein Beluga ist. Diese überirdisch harmlosen, sanftmütigen, Marshmallow-artigen Tierchen gegen einen Blauwal? Welch ein Massaker, wenn man das mit den Augen eines Fünfjährigen betrachtet.

“Nee”, antwortete ich, “Wale kämpfen eigentlich nicht gegeneinander, also nicht verschiedene Arten gegeneinander, sie haben doch genug Platz im Meer, um sich aus dem Weg zu gehen.”

Mein Sohn, das gute Kind, hat sein Interesse am Meer von seinen Eltern geerbt. Und ich bin sooo glücklich darüber!

Mit Kapitel acht endete mein gestriger Abend, mit bleiernen Augenlidern und sehnsüchtigen Gedanken an das, was da kommen mag. An die fordernd-schneidenden Winde, an das babylonische Sprachengewirr an den Docks von New Bedford. Welche Beziehung pflegen denn diese Seemänner, Walfänger zum Meer und zu ihrer Beute? Gibt es diese religöse Demut vieler uramerikanischer Völker gegenüber der Natur, die sie am Leben erhält? Ist es eine Unterwerfung des Ichs unter die Knute des Schicksals? Schiere Abenteuerlust einiger Greenhorns? Sportlicher Ehrgeiz? Ich werde es erleben.

Beluga Group Logo

… und Elke weist ihn ein:

Elke HegewaldHach, wie salomonisch schlichten doch Eltern die Kämpfe in Kinderseelen. Sowas kann der Liebe zum Meer eigentlich nur zuträglich sein. In mir wohnt sie auch – mehr als man sie in einer Landrättin wie mir vermuten sollte…

Stephan, der Einwand zum Weiß- oder Belugawal ist vollkommen berechtigt. Ich bin auch schon mehrmals über diese Bezeichnung gestolpert. Hui, und der Marshmallow-Vergleich ist ja goldig, vor allem passt er so schön, wenn man das Bild dieser Tiere vor Augen hat.

Unser Weißer Wal (mit großem W, wenns nach mir ginge) ist ja bekanntlich ein riesiger Pottwal, nur seeehr entfernt verwandt und keineswegs zu verwechseln mit jenen verschmitzt dreischauenden Marshmallow-Tierchen (die – hehe! – aber immer noch die beachtliche Länge von 3 bis 6 Metern erreichen und an die eintausend Kilogramm auf die Waage bringen können). Beluga (von bela, belyj) bedeutet übrigens auch weiß – auf Russisch.

Die Frage, warum Moby Dick dennoch der Weiße Wal heißt (obwohl Pottwale sonst eher bräunlich dunkel sind), führt uns zunächst unausweichlich wieder zu – Mocha Dick. Der soll ja, wie man hört, eine große weiße Narbe auf seiner gewaltigen angriffslustigen Stirn gehabt haben, das Zeichen bestandener Kämpfe mit nicht weniger angriffslustigen Waljägern. Tja, und auch die spinnen gern Seemannsgarn, um sich ins rechte Licht zu rücken. So wurde mit jedem Bericht über eine Begegnung mit diesem Ungetüm des Meeres die weiße Narbe größer – und der Wal immer weißer, und “irgendwann war der ganze Wal weiß geredet und gerüchtet”. Und trug so zur weiteren Legendenbildung und Manifestierung seines Mythos bei.

Na, und unserm guten Melville kam ja der Weiße Riese erst recht zupasse. Was konnte er besser gebrauchen als diesen symbolistischen Anstrich (ui, wat’n Wortspiel) für seinen Moby Dick. Der uns bestimmt auf hoher See, dort, wo selbiger uns und Ahab die weiße Stirn bieten wird, wohl noch tiefer zu beschäftigen hat.

Zwecks Entfachen der ungestümen Leidenschaft, die diesbezüglich irgendwo tief in uns wohnen sollte, und zum einstweiligen vorkostenden Beknabbern der Weiße des Wals werfe ich einfach mal ein – Ismael ins Maul gelegtes – Melvillesches philosophisch-welträtselndes Fragenbündel unter euch:

Ist es so, dass das Weiß durch seine Unbestimmtheit die herzlose Leere und unermessliche Weite des Weltalls andeutet und uns so den Gedanken an Vernichtung wie einen Dolch in den Rücken stößt, wenn wir in die weißen Tiefen der Milchstraße blicken? Oder ist es so, dass das Weiß seinem Wesen nach nicht so sehr eine Farbe ist als vielmehr die sichtbare Abwesenheit von Farbe und zugleich die Summe aller Farben? Ist das der Grund, weshalb eine weite Schneelandschaft dem Auge eine so öde Leere bietet, die doch voller Bedeutung ist – eine farblose Allfarbe der Gottlosigkeit, vor der wir zurückschrecken? […] Für all dies war der Albinowal das Symbol. Wundert euch nun noch die feurige Jagd?

Kapitel 42: Das Weiß des Wals, Jendis-Moby Seite 322

Uff! Schön, dass wir wir schonmal drüber gesprochen haben. Das Kapitel hat zweiundzwanzig und a bisserl Seiten – und die gehn von Anfang bis Ende so.

Hey, Stephan, und was die Beziehung zumindest der Walfänger zum Meere und ihrer Beute angeht: Das findest du heraus, einiges häppchenweise schon in den nächsten Kapiteln, die du ansteuerst. – Man will ja schließlich nicht alles schon vorher verraten. Verflixt, dass ich mich immer nicht bremsen kann!

Die Urvölkler in dem nordamerikanischen Staatengebilde könnten, was das angeht, allerdings nochmal einer genaueren Beschnüffelung wert sein. Ja doch, ich bin ja schon still! Und wenn ich hier zu ausgiebig klugscheiße – sorry! –, dann pfeift mich ruhig zurück, okay?

Unschuldig pfeifend übers Deck schlendernd –
die Kajüten-Klabauterin

Merke: Blauwal ungleich Beluga gleich Weißwal ungleich Weißer Wal ungleich Marshmallow.

Freundlicher Beluga

Written by Wolf

13. July 2007 at 1:05 am

Zwischen Elephant Island und den Jagdgründen von Mocha Dick

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Elke kennt sich da aus und gibt Stephan Antwort:

Who is the third who walks always beside you?
When I count, there are only you and I together
But when I look ahead up the white road
There is always another one walking beside you
Gliding wrapt in a brown mantle, hooded
I do not know whether a man or a woman
— But who is that on the other side of you?

T.S. Eliot in: The Waste Land, 1922.
Die Strophe ist Shackletons Marsch
über das Südgeorgische Gebirge gewidmet.

Elke HegewaldDas Stichwort Endurance und noch mehr die Erwähnung Sir Ernest Henry Shackletons, des exzessiven Antarktis-Fahrers, haben mich an etwas erinnert: Ich habe ihn vor gar nicht so langer Zeit nämlich auch gesehen, den Dokumentarfilm Verschollen im Packeis (Originaltitel: Shackleton’s Legendary Antarctic Expedition – USA 2000) und fand ihn atemberaubend. Das heißt, so es denn gestattet ist, den tiefen und anhaltenden Eindruck einer Dokumentation in bewegten Bildern so zu umschreiben.

Und ich kann Stephan verstehen. Denn die Story fühlt sich an wie das perfekte Szenario zu einem dramatischen Abenteuerfilm, das man nicht spannender hätte ersinnen können. Und doch ist es eine von den Geschichten, die das (Forscher-)Leben schreibt, auch wenn man sie kaum glauben mag:

Shackletons Expedition, die drei Tage vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges begann und die erste Überquerung des antarktischen Kontinents werden sollte, scheitert. Nach 327 Expeditionstagen wird die Endurance am 27. Oktober 1915 vom Packeis zerdrückt. Die Besatzung ist zu diesem Zeitpunkt tausende Kilometer von jeder Zivilisation entfernt. Sie erreicht mit ein paar geretteten Booten, die sie auf einem Marsch voller Strapazen mit Manneskraft übers Eis gezogen und zwischen Eisschollen hindurch manövriert hat, am 15. April 1916 Elephant Island auf den südlichen Shetlandinseln.

Ernest Shackleton, Shackleton's Antarctic Journey, EnduranceVon dort aus bricht Shackleton mit fünf Männern auf, um Hilfe zu holen, und es gelingt ihm und dem Skipper der Endurance, Frank Worsley, in einer seemännischen und navigatorischen Meisterleistung nach 15 Seetagen am 10. Mai das 1200 km entfernte Südgeorgien zu erreichen. Nach einem kräftezehrenden Fußmarsch über das Gebirge erreichen sie am 20. Mai die Walstation Stromness an der bewohnten Ostküste der Insel. Und endlich glückt am 30. August 1916, erst im vierten Anlauf, die spektakuläre Rettungsaktion, und Shackleton holt seine Männer nach Hause.

Sein Ruhm ist in den heißen Kriegszeiten groß genug, ihn zum Nationalhelden zu machen, und kann dazu herhalten, die Frontkämpfer zu motivieren. Viele seiner Männer melden sich freiwillig an die Front – und fallen.

Das Buch zum Film schrieb die Amerikanerin Caroline Alexander, die einige Jahre zuvor bereits einen Bildband über die Shackleton-Expedition veröffentlicht hatte. Ihr Verdienst dabei ist vor allem eine lebendige Zeichnung der Charaktere der Crew mit Hilfe der alten Bordbücher und Dokumente:

… eine Besetzung von altgedienten Forschungsreisenden, Wissenschaftlern und der Schiffsmannschaft. Wir erfahren beispielsweise, daß der Zimmermann und Schiffbauer Henry McNish — oder “Chippy”, wie er genannt wurde — “weder verträglich noch tolerant”, und Mrs. Chippy, seine Katze, “voller Charakter” war. Beschreibungen dieser Art aus erster Hand, gepaart mit 170 von Frank Hurleys intimen Fotografien (hier zum ersten Mal umfassend zusammengetragen), durchdringen den Rumpf der Endurance und die rauhen Schalen dieser zähen Männer. Sie bringen das kaum bekannte häusliche Leben einer Expedition zum Vorschein — das Liedersingen, die Festgelage, die Vorträge und die Kameradschaft — so daß uns diese Leute über die stereotype Gestalt der Forscher hinaus vertraut sind, als die Entbehrungen einsetzen und wir um ihre Sicherheit bangen.

Alexander stellt Shackleton als einen inspirierenden Optimisten dar, als “einen Führer, dessen Mannschaft für ihn stets an erster Stelle kommt”. Durch die zermürbende Tortur hindurch zeigen Shackleton und seine Männer, was Durchhaltevermögen und Größe sind. Endurance ist ein intimes Porträt einer Expedition und des Überlebens. Der Leser wird Respekt vor diesen kühnen Seelen gewinnen und ihre unvorstellbare Mühe und ihren halbvergessenen Ruhm besser kennenlernen.

Aus der Amazon-Beschreibung

Die Filmemacher hatten das Glück, dass sie hunderte Originalfotos und umfangreiches Filmmaterial verwursten konnten. Hinterlassen von einem Teilnehmer der Unternehmung, dem australischen Kameramann Frank Hurley, ohne den es diese faszinierende Dokumentation wohl nicht geben würde.

Randall Enos, Mocha DickWas für Assoziationen uns hier zu Moby-Dick hintreiben?

Nun, eigentlich graben wir (danke, Stephan!) in der Nähe der Herkunftswurzeln des Weißen Wals, sogar in zweierlei Richtung.

Denn dass erstens Owen Chases Bericht zum Untergang der Essex eine der Steilvorlagen für Melvilles Roman war, ist unbestritten. Und die Strapazen der (zugegeben kannibalischen) schiffbrüchigen Walfänger von 1821 mit denen der Shackleton-Männer zu vergleichen, scheint mir so weit hergeholt nicht.

Und zweitens lassen uns diese – zu guter Letzt doch noch mehr oder weniger glücklich (oder glimpflich?) ausgegangenen – Schicksale der Besatzungen doch wiederum tiefer nachsinnen über Melvilles drastisch geänderte Schreiberpläne und -wendungen. Die ihn zuletzt bewogen haben, nur den armen Ismael überleben zu lassen im Kampf der Gewalten: “Und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansagte.” (Hiob 1,15, 16, 17 und 19) Dass er es mal anders vorhatte, weiß der Herr Nachwörtler Göske (und bestimmt auch der gute Hawthorne):

Auch Melville nahm nun auf das Schicksal der Essex Bezug, aber er wollte im archetypischen Kampf zwischen Wal und Mensch keine Überlebenden. Während ursprünglich wohl wichtige Nebenfiguren… einen frühen Tod finden sollten, entschloss er sich nun, die Männer auf der Pequod am Ende in einer einzigen, dramatischen Katastrophe zusammen ins Verderben zu schicken.

Göske, Seite 881

Bliebe noch Stephans Frage, ob es noch weitere belegte Walangriffe auf große Schiffe gegeben habe.

Kurz nach der Beendigung seines Romans erfuhr Melville aus den Zeitungen vom Untergang der Ann Alexander im August 1851. Ein Pottwal hatte sie gerammt und versenkt (siehe Göske/Jendis, Seite 884). Er war erschüttert und schrieb in einem Brief nach New York:

“Nachdem ich die letzten Tage mit Axt, Spaltkeil & Schlegel im Walde gewirtschaftet hatte, war mir der Wal fast vollständig entglitten (& ich war froh drum), und krach! kommt Moby Dick höchstselbst… herbei & erinnert mich an das, was ich in den letzten ein oder zwei Jahren getrieben habe…. – Ihr Götter! Was für ein Kommentator ist doch dieser Wal der Ann Alexander!… Ich frage mich, ob meine böse Kunst [evil art] dies Ungeheuer aufgestört hat.

Ebenda, Seite 884

Und dann ist da mindestens noch der legendäre und unfassbare Mocha Dick, kein Geringerer als der Namensgeber “unseres” Wals. Und in der Tat, ein bisschen unfassbar ist er immer noch. Der Abschnitt zu Mocha Dick unter Walfang in der Wikipedia ist – verlautbart – mangels ausreichender Belegbarkeit von der Löschung bedroht. Umso erstaunlicher, als laut und deutlich ein Zeitungsartikel im New York Knickerbocker Magazine vom Mai 1839 als Beleg angeführt wird. Der m.E. nicht mehr vage sein kann als eben jener Mocha Dick selbst. Aber es handelt sich hier offenbar um den auch längst immer wieder durch unsere eigenen Aufzeichnungen geisternden J. Reynolds, dessen einziger Makel zu sein scheint, dass er, weiß der Geier warum, niemals nicht ins Deutsche übersetzt ward. Oder? Wolf, erleuchte uns!

[Der Reynolds wurde erstmals von Friedhelm Rathjen für seine Moby-Dick-Ausgabe verdeutscht und ist 2004 dort im Anhang erschienen. – Anm. Wolf]

Ein Artikel in der mare 15 nimmt ebenfalls auf den Geisterwal Bezug. Nu ja, aber ob man den nun belegt nennen soll?

So, und ehe mein Traktat hier nun gänzlich ausufert, nur noch eine leise kleine Anmerkung: Auf der kürzlich bei mir zu Hause eingelaufenen Essex des Owen Chase bin ich gerade noch in Sturm- und Wellengebraus unterwegs. Sollte diese Reise ein glückliches Ende finden, erfahrt ihr hier umgehend davon.

Title Page of First Edition of Moby-Dick

Bilder: Frank Hurley, Randall Enos, Peabody Essex Museum, Salem, Massachusetts; Lizenz: Creative Commons, Public Domain.

Written by Wolf

12. July 2007 at 12:01 am

Posted in Krähe Elke

In medias res: Komödiantisch

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Stephan hat bis Kapitel 10: A Bosom Friend nachgelesen, fühlt sich aber direktemang wie Ismael und macht ein Update zu Elkes Busenfreunde vs. Blutsbrüder:

Crew,

Ernest Henry Shackletonnoch habe ich die Pequod nicht bestiegen, noch weiß ich nicht einmal, dass ich auf diesem Schiff anheuern werde. Gestern bin ich erst auf einen furchterregenden gottlosen Kannibalen gestoßen – in meinem Bett!

Ein sehr amüsante Szene, geradezu komödiantisch und selbstironisch, wie Ismael schließlich die Nacht in New Bedford verbringt und besser denn je schläft.

Die langen Sätze und Verweise auf die Bibel sind zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig, die Sprache ist allerdings sehr angenehm. Es tut mir gut, einem Wortschatz zu begegenen, der so frei ist von Zeitgeist (zumindest von unserem).

Hätte mich nicht die Müdigkeit dahingerafft, so wäre ich noch weiter vorgedrungen. Aber die Lust ist geweckt, ich blicke mit Vorfreude auf heute Abend.

Kleiner Exkurs: Die Geschichte der U.S. Ex. Ex. Essex beschäftigt mich. Zum einen der Angriff des Pottwals. Gibt es weitere belegte Angriffe eines Wals auf große Schiffe? Zum anderen das Überleben der Teilcrew. Es erinnert mich an die Endurance von Ernest Shackleton. Ich habe das Buch gelesen, den Dokufilm dazu gesehen. Und ich schaffe es nicht zu verstehen, wie sie überleben konnten.

Wäre es nicht eindeutig genug belegt, mir käme es wie albernes Seemannsgarn vor.

Endurance trapped in pack ice

Bilder: Gaspar-Félix Tournachon, National Library of Australia, Frank Hurley, Februar 1915; Lizenz: Wikimedia Commons, Public Domain.

Written by Wolf

11. July 2007 at 12:01 am

Posted in Steuermann Stephan

Emmaline is sugar and spice and all things nice

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Emmaline Austere's Banner

Jane Austen ist nicht, wie man so leicht glauben möchte, eine Art vierte Brontë-Schwester (na gut, es waren 5 plus 1 Bruder; die schreibenden – und veröffentlichenden – lassen sich aber auf Charlotte, Emily [Jane] und Anne einschränken), sondern ist schon wieder gestorben, als die älteste Brontin geboren wurde.

Die Austen war also keine viktorianische Pest, sondern hat sie schlimmstenfalls vorweggenommen, und das ist ja schon wieder eine Leistung. Die Welt, die sie da geschaffen hat, kann man mögen oder nicht, aber es ist eine in sich geschlossene, die mindestens so mythologisch und zitierfähig geworden ist wie die altgriechische Götter- und Heldenwelt oder Der Herr der Ringe, die Mutter aller Fantasy. Was sie ihrem Jugendwerk parodierte, hat Herman Melville als Gegenpol zu seinem eigenen Schreibansatz gekannt, und konnte daher nur warnen, bloß nicht seinen Moby-Dick zu lesen, wenn einem dergleichen gefiele:

Don’t you buy it – don’t you read it, when it does come out, because it is by no means the sort of book for you.

So gesehen ist es ein Verlust für alle Beteiligten, dass er Jane Austen nicht mehr erleben durfte, die es unter Verwendung der inkriminierten Seidentüchlein-Elemente besser konnte.

Emmaline Austere goes Sarah PhotogirlNicht ganz erforscht ist dagegen, ob Emmaline Austere nicht doch das siebente Brontë-Geschwister war. Offensichtlich stand sie anno 1888 in ihren blühenden Zwanzigern und könnte somit eine späte Hervorbringung des Haworther Landpfarrers sein. Ihr Veröffentlichungsmodus stellt sich weit weniger privilegiert dar als der ihrer großen Schwestern, die ja ihrerseits immer noch online umherspuken, dafür dokumentiert sie auf ihrer prächtig erhaltenen Website mit großem Talent und britisch dunkelgrau nebelverhangenem Galgenhumor den Hinschied ihrer Verwandtschaft, als wäre sie Sarah Photogirl persönlich.

Angelica Evangeline Bartholomew’s Book of Ugly (ihr erstes Kinderbuch, quasi David Copperfield auf eine Dreizehnjährige gemünzt, die vermittelst ihrer Kamera das Londoner East End bedroht), Angelica Evangeline Bartholomew and the Diary of Dreadful Deeds, Angelica Evangeline Bartholomew and Grandma’s Treasure Map, Ferdinands Family und Roadkill aus ihrer Feder sind demnächst im internationalen Buchhandel erhältlich, und wenn das passiert, verlassen Sie sich drauf, dass Moby-Dick 2.0 darüber berichten wird.

Sollte Frau Austere ebenfalls nichts mit den Brontës zu tun haben, dann aus anderen Gründen als Herman Melville. Dafür sieht sie besser aus. Noch Genaueres erfahren zu wollen, wäre vermessen.

Emmaline Austere

Bilder: Sarah Photogirl; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

10. July 2007 at 12:10 am

Posted in Reeperbahn

Only that day dawns to which we are awake

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Stephan war vor Ort:

Warum müssen wir uns wahnsinnig beeilen, Erfolge zu erringen, und wozu stürzen wir uns in solch verzweifelte Unternehmungen? Wenn jemand mit seinen Gefährten nicht Schritt hält, so tut er es vielleicht deshalb nicht, weil er einen andern Trommler hört.

Henry David Thoreau

Stephan De MariaIch war am Walden-Pond, wo auch Thoreaus Hütte als Gedenkstätte steht. Der Ort, die Hütte selbst sind nicht tief beeindruckend für nordamerikanische Verhältnisse. Walden ist ein kleiner, unscheinbarer See im Wald, der Wald selbst – zumindest mittlerweile – ist ähnlich deutschen: mit Wegen durchzogen, forstlich gepflegt, also eher langweilig.

Aber als ich mich hingesetzt habe, das Buch in der Hand, mal ne Seite lesend, mal die Landschaft betrachtend, da wurde der Ort anders. Die Luft wurde kälter, die Zivilisation rückte ab. Das Bild des Schriftstellers, Holz bereitend für den nahenden Winter, freiwillig abgerückt von der lauten, hektischen Welt, das wurde sehr lebendig. Ein Aussteiger in einer Epoche, die sich gerade erst aufgemacht hat, sich neu zu erfinden.

Ist denn Ishmael nicht auch ein “Aussteiger”?

Site Thoreau Cabin Loc.

Bild: Library of Congress; Lizenz: Public Domain.

Written by Wolf

8. July 2007 at 12:54 pm

Posted in Rabe Stephan

Die Rache der Wortteufelin, Part römisch zwo

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Update zu Wolf + X + Y:

Titanic-PlakatGäbe es eine Blogosphäre, wäre sie der Gewinner des Klimawandels: Endlich dermaßen unvorhersagbares Wetter, dass man seine verbleibende Lebenszeit am Laptop verbringen darf, und als einziger Niederschlag ab und zu ein Stöckchen.

Das von der Teufelskollegin geht so:

Jeder Spieler, jede Spielerin beschreibt acht Wahrheiten von sich. Wer das Stöckchen zugeworfen kriegt, schreibt das alles in seinen Blog rein, mitsamt den Regeln. Nun überlegt man sich, an welche acht Personen resp. Blogs man das Stöckchen weiter reicht. Schlussendlich schreibt man bei den Betreffenden einen entsprechenden Beitrag/Kommentar in den Blog.

Dann sind wir mal nicht so. One, two.

  1. Ich bin Donaldist und steh dazu. Auch wenn ich sträflich selten zeremoniere und nicht zu den Quellenfestesten zähle, erkenne ich den richtigen Moment, die Hymne zu singen und bewundere heillos die Chuzpe und den Ideenreichtum, mit dem manche meiner Kollegen in dieser weltumspannenden Jugendorganisation das Leben auf stella anatium mit allgemeingültiger Wissenschaftlichkeit zu verbinden wissen. Duck auf!
  2. Im Mittelalterverein bin ich auch noch. Auch hier: zu selten, zu wenig engagiert, aber es ist eine Facette, die meine Persönlichkeit widerspiegelt. Ich nenne es Wurzeln gießen: Deutschland und die Deutschen, zu denen ich, was okay ist, schon mal gehöre, waren dreimal in der Geschichte ganz bei sich: im Mittelalter, in der Romantik und dann nochmal in übersteigerter, sehr hässlicher Ausprägung. Wenn jemand einen Romantikverein in München kennt, soll er’s sagen.
  3. Ich bin Anhänger des Radikalen Konstruktivismus. Das war nicht so geplant, es hat sich so ergeben. Diese Erkenntniswelt, nach der es keine endgültige Erkenntnis geben kann, bestimmt mein Leben gerade so wenig, dass es noch ein Leben ist. Ein Schuss mehr, und ich brächte es damit zu, pausenlos alle Existenz einschließlich meiner eigenen zu leugnen. Das hilft beim Lohnschreiben für andere Leute, weil man alles und das Gegenteil davon beweisen kann. Ich passe höllisch auf, dass diese meine geistige Disposition nicht in moralische Beliebigkeit wegdriftet, und wünschte, das alles wäre nur Koketterie. – Nicht zu verwechseln mit Solipsismus.
  4. Bergvagabunden-LPMal was Unverfängliches: Ich kann Akkordeon. Nach einem als gelungen eingestuften Versuch mit Melodica wurde meine musikalische Früherziehung mit etwa drei Jahren Quetsche fortgesetzt: Kufsteinlied, Bergvagabunden mit Wechselbässen und so. Die Musiktheorie, die man dabei aufgabelt, hilft später, die Liedstrukturen auf richtigen Musikinstrumenten (Gitarre, Banjo, Mundharmonika, Suppenlöffel) zu abstrahieren, und zu verstehen, was an Bach-Fugen so mathematisch sein soll. Wenn mir dann noch einer gesagt hätte, dass man mit solchen Fertigkeiten Mädels abschleppen kann, hätt ich nicht immer nur für Freibier gespielt.
  5. Ich hab in der Schule ein Jahr wiederholt. Das nenne ich ungern “sitzengeblieben”, weil ich, naja, mehr oder weniger freiwillig nach dem Kollegstufenhalbjahr 13/1 nicht mit 13/2, sondern nochmal mit 12/2 weitergemacht hab. Wegen Mathe und Physik, das ich, wenn’s nach mir gegangen wäre, sowieso als erstes abgelegt hätte, weil mir keiner von den Lehrern die philosophischen Dimensionen an diesen schönen Fächern nahezubringen für nötig hielt, weil an mir doch eh Hopfen und Malz verloren war. Heute darf ich mir das ganze Zeug mit Schrödingers Katze in meiner Freizeit draufschaffen. Sitzenbleiben kann ich dennoch nur weiterempfehlen: Das war mein schönstes Jahr, vor allem weil ich schon eine mit 14 von 15 möglichen Punkten bewertete Facharbeit fertig hatte (ein wahrer Politthriller über Günter Wallraff: Ganz unten) und in meinem neuen Jahrgang eine sehr liebe Kollegin kennen lernen durfte, die mir bis vor kurzem geblieben ist. (Hey, Nadja! Geht’s gut?)
  6. Ich war mit einer Buchhändlerin und einer Krankenschwester zusammen, wie alle Germanisten. Sogar mit zweien von jeder Sorte – und zwar nacheinander. Die jeweils ersten sind sogar erst nach den Lebensabschnitten an meiner Seite Buchhändlerin und Krankenschwester geworden, es ist also kein Berufsfetischismus, sondern eine besondere Beschaffenheit der Mädchen, die zu sowas neigen. Die letzte von denen ist mit 31 gestorben (angeblich ein wildgewordener Krankenhausvirus), was auch traumatisch wirken kann, wenn man ausnahmsweise nicht schuld ist. Eine Cellistin fehlt in meinem Lebenslauf, die ist aber nur für Romanisten (besonders Lehramt oder 2. Nebenfach) obligat. Geheiratet wird dann doch die Grafikerin.
  7. Talking of sex: Ich konnte mir überdurchschnittlich lange meine Jungfräulichkeit bewahren. Bestimmt weil ich erst in der 12. Klasse (1. Durchgang) meine erste Brille gekriegt hab.
  8. Ich wurde in Wien gezeugt, auch wenn die Verantwortlichen bis heute alles abstreiten. In Grinzing.

Wie beliebten Frau Teufelskollegin zu berechnen? Nicht nur acht Wahrheiten, auch noch acht Weiterreichungen? Himmel, kenne ich acht Weblogs? Das Stöckchen verbleibt hier zur gefälligen Aufnahme wohlwollender Holzsammler, die es brauchen können. Der Klimawandel hat erst angefangen.

Bilder: Titanic, LPCD; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

7. July 2007 at 3:04 am

Posted in Mundschenk Wolf

Wir sind hier nicht in der Wall Street, Dirk

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Update zu Dös peitscht mi jetzt ned so sonderlich:

Digital ist besser 1995, Front-CoverDie gute Nachricht: Tocotronic haben eine neue CD namens Kapitulation gemacht.

Die schlechte Nachricht: Wenn Dirk von Lowtzow sich dazu interviewen lässt, raucht er vorher anscheinend ganz komische Sachen. In der Schule hat er wohl irgendwie mal Melville gehabt:

Etwas nicht zu tun und die Waffen zu strecken, das ist auf jeden Fall eine Strategie. Weil man sich so den Anforderungen, die an einen gestellt werden, entzieht. Das ist ja so eine Bartleby-Idee.

Und wenn man dann kapituliert hat und wie der Schreiber Bartleby immer wieder gesagt hat “I would prefer not to”, wie geht es dann weiter?

Das ist ja jetzt erst mal nicht unsere Aufgabe zu sagen, wie es da noch weitergeht. Jetzt sind wir ja erst mal froh, dass wir kapituliert haben. Und dann kann man kucken, wie man von da weiterkommt. Aber grundsätzlich: Wir haben mit der Platte eine künstlerische Äußerung getätigt, die erst mal keinen pragmatischen Nutzen hat. Dieses Album ist kein Lebensratgeber, sondern eine Rockplatte, also im Feld der Ästhetik angesiedelt.

Interview in der taz: Dieses ganze scheiß Harmlosistan, 2. Juli 2007

Och Herr von Lowtzow, das können Sie doch besser. Wenn Sie schon den schönen Bartleby darauf runterkochen müssen, dass da einer hach-wie-künstlerisch die Arbeit verweigert, hätten Sie sich wenigstens merken können, wie das Ding ausgeht.

1995 ballerten Tocotronic mit einem Küchentisch-Sound auf gehobenem Spielzeug einer Epoche, in der die Kinderzimmer endlich alle mit Steckdosen ausgestattet waren, in die Radiosender und Feuilletons, ließen einen nicht in Ruhe mit der Frage, ob dieses missmutige (na, jedenfalls deutsche!) Genöle Unbekümmertheit oder juveniler Wohlstands-Ennui sein sollte, wurden die Mütter des deutschen Indie-Geschrammels und gingen nie wieder weg. Haben Tocotronic deutschlandweit wirklich so viel weniger geleistet als The Velvet Underground weltweit?

Schon zur Zeit der ersten beiden Tocotronic-Platten, denen wir in ihrer Rotzigkeit nicht viel weniger als eine eigenwillige, dennoch klassische Schönheit zusprechen dürfen, traf von Lowtzow Aussagen wie Was nicht ist, kann niemals sein (Digital Ist Besser, 1995). Das hatte aber wenigstens einen surrealistischen Charme.

Was Herr von Lowtzow dazu sagen würde? Wahrscheinlich, was er immer sagt: Man wird sich als Band wohl noch weiterentwickeln dürfen. Pure Vernunft darf niemals siegen.

Tocotronic bei der Arbeit

Bild: taz, 2. Juli 2007.

Written by Wolf

6. July 2007 at 1:35 am

Posted in Rabe Wolf

Stephan kommt an Bord

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There is one knows not what sweet mystery about this sea, whose gently awful stirrings seem to speak of some hidden soul beneath.

Chapter 111, The Pacific

Hafen in Cape Cod

Es wird dieser Tage ein Jahr, dass Moby-Dick 2.0 ausgelaufen ist, diesen whale of a tale zu erschließen. Was waren es für Zeiten: Xing, wo wir uns zusammengeheuert haben, hieß noch OpenBC, und anfangs waren vier Leute im Boot, bis zu 50% davon sind unterwegs verloren gegangen. Wie gelegen kommt es da, dass sich praktisch aus dem Nebel ein neuer Freund des Wortes und des Gewässers dazugesellt. Stephan heißt er, Stephan De Maria. Er hat das Wort:

Stephan De MariaIch stell mich auch mal kurz vor. Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet, hab zwei Söhne im Alter von 1 und 5 Jahren, bin seit kurzem geprüfter PR-Berater, arbeite seit zweieinhalb Jahren freiberuflich als Journalist und PR-Schreiber, zuvor war ich Redakteur im IT-Bereich und Volontär bei einer regionalen Tageszeitung. Aber eigentlich bin ich klassischer Archäologe (M.A.), Althistoriker und Romanist (italienische Literaturwissenschaft). Ich lese bevorzugt Klassiker, selten Zeitgenössisches, noch seltener deutsche zeitgenössische Literatur mit Ausnahme von Genazino. Für gute Vorschläge bin ich jedoch immer zu haben.

Ich habe vor einer Weile mit Zolas Romanzyklus Les Rougon-Macquart begonnen, der 20 Titel umfasst. Aber da ich die Naturalisten (und Moralisten) wie Zola nicht so hintereinander weglesen kann, schaffe ich maximal einen Titel im Jahr. Dazwischen muss etwas völlig anderes her – da kommt mir Moby-Dick gerade recht.

Mit Moby Dick verbindet mich natürlich Gregory Peck. Den Film hab ich das erste Mal in recht jungen Jahren gesehen und er hat mich geängstigt, verunsichert, beunruhigt. Das mag der Grund sein, weshalb ich das Buch noch nicht angefangen habe. Wobei mich schon damals weniger der Wal als vielmehr Ahab beunruhigt hat.

Nantucket habe ich noch nicht besucht, aber wir waren während der Hochzeitsreise einige Tage auf Cape Cod, wo wir eine Whale Watching Tour unternommen haben. Das war meine dritte Tour nach Vancouver Island, wo ich Orcas in großer Zahl und in Nasenhöhe erlebt habe, und Tadoussac, Québec. Wale üben eine sehr starke Anziehung auf mich aus. Sie gesehen und gehört zu haben, hat mich tief bewegt und berührt. Ihre Eleganz ist atemberaubend, Buckelwale, die miteinander spielen, wirken völlig entrückt.

Schon lang hat mich beschäftigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Menschen im Laufe der Geschichte ist bezüglich der Wale. Am Ende jedoch lief es immer darauf hinaus, dass sie Monster sind, die sich prächtig ausbeuten lassen.

Björk die WaldfeeSelbstverständlich boykottiere ich Walfangländer wie Japan, Norwegen, Island. Und für deren Argumentation bin ich nicht zugänglich. Während junger Studentenjahre habe ich eine Unterschriftenaktion gestartet gegen die norwegische Robbenschlacht- und Walfangpolitik. Rund 900 Unterschriften habe ich bei der Botschaft eingereicht und in Kopie an den Fischereiverband geschickt. Eine knapp zweistündige telefonische Auseinandersetzung mit einem Vertreter des Verbands folgte. Und sie war nicht von Freundlichkeit und Verständnis geprägt.

Zum Meer selbst habe ich auch eine sehr enge Bindung. Ich habe noch nie Urlaub gemacht, ohne am Meer gewesen zu sein. Mein Vater stammt aus einer süditalienischen Hafenstadt, sein Vater war Hafenarbeiter, meine Großmutter stammt aus einer Fischerfamilie. Ich tauche, fahre Kanu und suche stets den Kontakt zum Wasser.

Gestern Abend habe ich Melville zum ersten Mal ernsthaft in die Hand genommen und die Seiten Etymologie gelesen. Mehr erst mal nicht. Es war dann doch spät.

Ihr seid mein erster Literaturzirkel und ich werde versuchen, euren Ansprüchen gerecht zu werden. Ich will gern von euren Gedanken und Abschweifungen lernen. Denn Literaturwissenschaft an der Uni, das ist nicht wirklich das, was ich mir erwartet hatte.

Eine politisch aktive Vollreisewasserratte und ein philologisch studierter Berufsschreiber. Ich glaub, wir werden versuchen, mit dir mitzuhalten. Schön, dass du da bist.

Bilder: Hyannis Travel Inn, Stephan De Maria, Björk by Rosemarie Trockel auf As playmates do Quase em Português; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

5. July 2007 at 1:20 am

Posted in Steuermann Stephan

Brush your teeth for America!

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Was man hierzulande so leicht vergisst: Auf seinen Nationalfeiertag kann man auch stolz sein. – Wie spät ist es gerade in Amerika? Alle Zeitverschiebungen innerhalb jenes enormen Landes, das um die halbe Erde lappt, eingerechnet, ist immer irgendwo Zeit zum Zähneputzen.

Brush your teeth, arrrrr!

Happy Fourth of July to you who couldn’t read the rest!

Film (10:24 Minuten): Ziptrivia; Bild: DealBreaker.

Written by Wolf

4. July 2007 at 12:21 am

Posted in Moses Wolf

So wahr mich der Erzbischof von Canterbury salbe

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Elke hat Kapitel 25: Postskriptum gelesen:

Elke HegewaldLaut Kamelopedia ist der Walrat „eine helle, wachsähnliche Zusammenrottung von alten und vergreisten Europawalen, auf denen ganz schlaue Sachen gesagt werden.“ (Merke: Kamelopedia, ugs.: Kami, ist für das wissbegierige Kamel das, was für den wissbegierigen Wikinger… äh Quatsch, internetaffinen Menschen an sich die Wikipedia, ugs.: Wiki.)

Doch selbst, wenn wir die in der letzteren enthaltene und uns Zweibeinern (noch) vertrautere Walrat-Definition zugrunde legen, glaube ich doch: Hier irrt der ehrenwerte Herr Melville. Und wir wollen es ihm zugute halten; andernfalls müssten wir nämlich von einer – als advokatischer Kunstgriff getarnten – clownesken Provokation gegen die Briten und ihr viktoria(ni)sches gekröntes (und gesalbtes!) Haupt ausgehen. Denn die krönungswilligen Häupter lassen an dieselbigen gewiss kein wachsartiges Zeug unklarer Bestimmung aus dem Kopf des Sperm Whale, sondern höchstens Wasser und – duftenden Balsam, wie er in seiner Konsistenz schon durch das zweite Buch Mose 30,22–33 geheiligt wurde. Oder sich wengstens dafür ausgeben kann.

Hach, da sprüht doch unserem rauschebärtigen Moby-Vater der blanke Schalk aus den Augen – dafür liebe ich ihn:

Es ist wohlbekannt, dass bei der Krönung von Königen und Königinnen, selbst in modernen Zeiten, eine bestimmte seltsame Prozedur vonstatten geht, um sie auf ihre Ämter vorzubereiten und gleichsam zu würzen. Es gibt da ein sogenanntes Staatliches Salzfass, und womöglich gibt es auch einen Staatlichen Pfefferstreuer… Eines allerdings weiß ich sicher, dass nämlich der Kopf des Königs bei seiner Krönung feierlich eingeölt wird, gerad wie ein Kopf Salat. Kann es jedoch sein, dass sie ihn deshalb salben, weil sein Innestes laufen soll wie ein Uhrwerk – dass sie ihn schmieren, gerad so wie man Maschinen schmiert?

Moby-Dick, Kapitel 25: Postskriptum.
Übersetzung: Matthias Jendis, Seite 197

Und vermutlich war ihm der hinterhergeschriebene Spaß sogar die todsichere Streichung des Postskriptelchens in der Londoner Ausgabe wert. Das muss er gewusst haben, dass die Königstreuen da sehr empfindsam sind und in ihrem Salzstreuer statt Meersalz dann sogar Riechsalz gebraucht hätten.

Immerhin ist die salbungsvolle Krönungszeremonie etwas so Heiliges und Intimes für sie, dass dieser Teil der Zeremonie gute hundert Jahre später, bei der noch allgegenwärtigen Elisabeth II., nicht mal im Fernsehen übertragen wurde. Wobei vor allem bemerkenswert ist, dass sie ihre Könige überhaupt bis heute noch ölen.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist gewiss Olivenöl – mit noch was drin, was aromatisch Müffelndem. Somit könnte das hier auch gut als ein Update zum seewölfischen Offenen Brief an Herrn Melville durchgehen. Aber ich will ja nicht streiten…

40 Minuten Krönung, Film von 1953:

Elizabeth II. 1953

Bild: Historic UK, 1953.

Written by Wolf

3. July 2007 at 12:41 am

Posted in Steuerfrau Elke