Voll der Moby
Update zu Die Welt spricht Moby:
Online existieren etwa 50 Volltexte von Moby-Dick im englischen Original, in der deutschen Übersetzung kein einziger, was man sich mit unterschiedlich strengen Copyright-Bestimmungen in USA gegenüber Deutschland erklären mag.
Gefunden werden sie am besten, indem man einen Satz oder einen längeren zusammenhängenden Satzteil aus einer Druckversion googelt — und zwar einen Satz oder Satzteil von solcher Beschaffenheit, dass sich in ihm wahrscheinlich seit 1851 nicht viel in der Orthographie geändert hat, der in der Londoner und in der New Yorker Version von 1851 möglichst gleich klang (und in beiden vorhanden war) — und ohne nennenswerte Zitatqualitäten.
Hat man zwei derart unauffällige Textstücke gegoogelt, machen die Ergebnisse immer noch einen so großen Unterschied aus, dass die Anzahl der Suchergebnisse um +/– 20% changiert. Ein aufstrebender Magister der Anglistik kann gerne mal einen Side-by-Side-Vergleich anstellen, dann kriegt er einen Gastbeitrag. Von der maßgeblichen, philologisch durcherschlossenen Northwestern-Newberry Edition abzuweichen stiftet nur Verwirrung.
Was den vorhandenen 40 bis 55 Online-Volltexten gemein ist: Keiner bis auf einen legt Rechenschaft darüber ab, auf welche gedruckte Version er sich bezieht. Nach annähernd einem Jahr Moby-Dick™ lässt sich arbeiten mit, verweise ich mit intuitiv reinem Gewissen auf:
- American Literature: Die Version, die am meisten verlinkt wird. Brauchbar, aber von etwas sperrigem Design.
- Bibliotheca Augustana: Die Online-Fassung der Wahl auf einem deutschen Server (FH Augsburg) und die einzige, die ihre Quelle auffindbar angibt, und dann ist es sogar die richtige. Bringt unter der Melville-Auswahl als Rarität Auszüge aus Clarel.
- Faksimile-Scan der Harper-Erstausgabe von 1851, bereitgestellt von der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser Referenzbibliothek: Die vollständige “zweite Erstausgabe” von Harper & Brothers in New York, mit allen Stockflecken und der Verlagswerbung am Ende.
- Gutenberg-Projekt: Der Klassiker.
- Keele University Staffordshire, Großbritannien: Mit erweiterten Extracts und Links, verweist für die Kapitel weiter auf die Version in Princeton. Universitär unterhaltsam, britischer Gelehrtenspaß, aber zuverlässig.
- LibriVox: vollständiges Hörbuch, eingelesen von Stuart Wills, Public Domain.
- Moby-Dick Online: Verlinkt, ähnlich Power Moby-Dick. Außerdem Melvilles andere Werke in guter Auswahl, mit viel Sekundärmaterial. Ausführlich, gut benutzbar und auf moderne Weise medienkonform.
- Nantucket’s Tried-Out Moby-Dick: Gekürzt, dafür kommentiert, pädagogisch gemeintes Projekt für Einsteiger.
- Power Moby-Dick, the Online Annotation: Interaktiv kommentiert, sogar mit Quellenangaben. Text mit Seitenzahlen nach der ersten amerikanischen Ausgabe von 1851, Anmerkungen von Margaret Guroff 2008, meist nach Wikipedia. Sehr gut benutzbare, wissenschaftlich glaubwürdige Referenz.
- Project Gutenberg Edition in HTML aus der Ploughboy Anthology: Einer von den mehrfach zugänglichen Volltexten Texten auf 1 Page – aber hier lesbar gestaltet, was sehr praktisch zum Suchen ist.
- ReadPrint: Vollständig, angenehmes Design, leserlich, mit durchsichtiger Navigation.
- University of Virginia Library: Vollständig, ähnlich ReadPrint.
- Wikisource: Vollständig und fast sprichwörtlich zuverlässig.
- Russische Volltexte von Melville-Werken, leider mit fiesen Werbe-Popups.
Zwei mir bekannte Versuche zu Volltexten in Weblog-Form wurden eher wegen Überforderung als wegen Copyright-Issues abgebrochen. Da ist noch was zu holen.
Die maßgebliche Gesamtausgabe Werke Herman Melvilles erscheint als Northwestern-Newberry Edition of The Writings of Herman Melville und bleibt bei Northwestern University Press sowie antiquarisch lieferbar.
Bild: ƒ€ñЀ®èLLÅ; Lizenz: Public Domain.
LibriVox
es scheint mittlerweile alle Kapitel als Hörbuch zu geben….
klaus
19. November 2009 at 5:37 pm
Tatsache. Danke — das war auch endlich die Gelegenheit, den http://www.stuartwills.com reinzuverbessern.
Wolf
19. November 2009 at 6:07 pm
Der österreichische Hörbuchverlag bietet unter http://www.buchdownload.cc den kostenlosen Download einer ganzen Reihe von Büchern an. Darunter auch eine PDF-Version von Moby Dick. Mir scheint es ist die Übersetzung von Thesi Mutzenbecher von 1946 und somit die erste Deutsche Version, die ich im Netz gefunden habe.
Inwieweit die Copy-Rechts-Bestimmungen hier gewahrt sind, kann ich nicht beurteilen, aber ein Verlag müsste es ja eigentlich wissen…..
klaus
15. January 2010 at 3:29 pm
Yeßß, das sind Mutzenbacher & Schnabel (Erstes Kapitel “Die Kimm” fängt an mit “Nennt mich meinethalben Ismael”, das ist eindeutig) — danke für den Hinweis!
Das .pdf finde ich etwas enttäuschend: Dafür, dass es kein Plain Text ist, den man wenigstens selber ändern könnte, ist es typographisch zu mager. Dass die Übersetzung gekürzt ist, steht in der Bücherliste, aber da fehlt ja der komplette Vorspann aus “Etymologie” und “Auszügen”…
Zum Copyright: Nun ja, sie bieten es als Gratisbuch an und werden sich mit Diogenes abgesprochen haben.
Wolf
15. January 2010 at 4:39 pm