Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Die neuen alten Mobys

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Jürgen beschenkt sich selbst und uns:

Seit kurzem sind vier neue Mitglieder in der Moby-Dick-Familie hier im Hause. Drei, zu denen in oben genannter Bücherliste bis dato noch genauere Informationen fehlen. Eines, das noch nicht in der Liste steht (und eigentlich auch keinen Platz darin verdient hat…)
Die Informationen will ich jetzt nachreichen.

H. Trausil

H. Trausil

Erstens: Sonderausgabe für die Stuttgarter Hausbücherei, Copyright Verlag Deutsche Volksbücher, Stuttgart (erstmals 1958), übersetzt und bearbeitet von Hans Trausil. 474 Seiten plus Inhaltsverzeichnis. Das erste Kapitel heisst “Des Meeres Ferne tut sich auf” und beginnt: “Nennt mich Ismael.”

Prolog fehlt komplett, aus Cetology wird “Rangordnung der Wale und Waljäger”.
Die Vergleichsstelle aus Kapitel 28 klingt so:
“Keine Spur von körperlichem Leiden oder überstandener Krankheit war an ihm wahrzunehmen. Er wirkte wie einer, der dem Scheiterhaufen entrissen wurde, als die Flammen schon sengend an ihm emporgeleckt hatten, ohne seinen Körper zu verzehren, ohne seiner ehernen Altersrüstigkeit etwas anzuhaben. Seine hohe, breitschultrige Gestalt sah aus wie in Bronze gegossen, Cellinis Perseus gleichend, geprägt in unvergänglichem Guß. Unter dem grauen Haar hervor verlief eine fahle Narbe seitlich über sein sonnenverbranntes Gesicht bis unter den Hemdkragen, wie von dem Hieb einer schlanken Gerte. Sie glich der senkrechten Naht am hochragenden Stamm eines Baumes, den der Blitz von oben bis unten, eine Rille grabend, durchzuckt, ohne einen einzigen Zweig zu knicken. So stand Ahab, gezeichnet, aber in voller Kraft.”
Garnicht mal so schlecht…

G. Lorenz

G. Lorenz

Zweitens: im Eduard Kaiser Verlag erschienen, übersetzt und bearbeitet von Gerhard Lorenz, ohne Jahr und ohne ISBN (was auf eine Veröffentlichung vor 1972 schliessen lässt – vom Gefühl her würde ich aber sagen: deutlich früher, Ende 50er, Anfang 60er?) [Edit: Fast drei Jahre später, am 6. Oktober 2011 kommentiert uns Tobi zu diesem Eintrag: “Ihre Ausgabe aus dem Eduard Kaiser Verlag kann ich auf Grund einer Widmung in meinem Exemplar auf das Jahr 1961 datieren”, s.u. Danke, Tobi!]. 392 Seiten inkl. 2 Seiten Nachwort von Herrn Lorenz. Das erste Kapitel heißt “Zum Beginn” und beginnt: “Nennt mich Ismael.”
Den gesamten Prolog lässt Herr Lorenz weg, das Kapitel 32: Cetology gibt es immerhin, es heisst hier “Walkunde”.

Im Ahab-Kapitel (28) liest es sich wie folgt:
“Keine Spur einer noch bestehenden oder einer überstandenen Krankheit war an ihm zu erkennen. Er sah vielmehr wie einer aus, den man im letzten Augenblick dem Scheiterhaufen entrissen hatte, an dem die Flammen schon emporgezüngelt waren, ohne jedoch seine Glieder im Geringsten zu zerstören oder ihrer Altersrüstigkeit Schaden zu tun. Seine hohe und breite Gestalt schien aus kompakter Bronze gegossen zu sein, für die Dauer geformt, gleich Cellinis Perseus. Unter seinem grauen Haar hervor lief über die linke Gesichtshälfte und den sonnengegerbten Nacken eine weißliche Narbe. Ihr weiterer Verlauf war durch den Kragen verdeckt; sie glich einem Peitschenhieb oder der senkrechten Spur, wie sie der Blitz manchmal am Stamme eines Baumes hinterlässt, ohne an diesem auch nur einen Ast zu knicken; sie verliert sich im Boden, aber der Stamm ist, wenn auch noch lebendig, doch gezeichnet.”
Herr Lorenz ist der einzige, der die Narbe auf die linke Seite legt (im Original heisst es: “…and continuing right down one side of his tawny scorched face and neck…”). Und ich habe den Eindruck, dass er die Übersetzung von Hans Trausil kannte…

K. Bahnmüller
K. Bahnmüller

Drittens: im Ensslin & Laiblin Verlag erschienen, übersetzt und bearbeitet von Karl Bahnmüller, 1950 erschienen (lt. DNB), ohne ISBN, als Jugendausgabe bezeichnet. 392 Seiten inkl. Anhang und Inhaltsverzeichnis. Das erste Kapitel wird hier als “Vorrede” bezeichnet und heisst: “Ihr könnt mich Ismael nennen”. Der erste Satz beginnt dann mit “Vor ein paar Jahren…”

Auch hier: Prolog fehlt, Cetology findet sich auch hier (!) als Kapitel 19: Walkunde. Mit Fussnote: siehe Walkunde nach dem heutigen Stand der Wissenschaft S.381 – dort findet sich der Anhang, durchaus informativ, aus der Zeitschrift “Fette und Seifen”, Berlin, Heft 1 – 1938.
Aus dem Ahab-Kapitel:

“Er sah nicht aus, als habe er eine Krankheit hinter sich, auch nicht, als ob er von einer genesen wäre. Weit eher glich er einem Mann, dem die Flammen schon die Haut versengt hatten, bevor er vom Marterpfahl geschnitten und aus dem Feuer gezerrt worden war. Wie aus Bronze schien er gegossen und für immer geformt. Er war hoch gewachsen, breit. Eine bläulichweiße Narbe lief ihm unter dem grauen Haar hervor, ein dünner Strich, der sich über Gesicht und Hals hinzog und unter den Kleidern verschwand. Er war gezeichnet wie eine Eiche, in die der Blitz eingeschlagen hatte.”
Für eine ausgewiesene Jugendausgabe nicht schlecht… Und auch ziemlich erfolgreich: im Katalog der DNB lässt sich die Übersetzung bis 1994 nachweisen175. – 177. Tsd.

H. Hecke
H. Hecke

Und schliesslich Viertens: (diese Ausgabe ist meine erste gewesen, lange vergessen und durch Zufall wieder entdeckt) im Verlag Tosa erschienen, Neubearbeitung von Hans Hecke, Sonderausgabe, deshalb wohl ohne Jahr und ohne ISBN. 272 Seiten inkl. Inhaltsverzeichnis. Das erste Kapitel heisst “Das weite Meer ruft” und beginnt: “Ich heiße Ismael.”

Prolog: Fehlanzeige. Cetology: Fehlanzeige.
Das Ahab-Kapitel:
“Man konnte ihm keine Spur eines körperlichen Leidens oder einer überstandenen Krankheit ansehen. Seine hohe, breitschultrige Gestalt wirkte wie aus Bronze gegossen. Unter dem grauen Haar hervor verlief eine fahle Narbe seitlich über sein sonnenverbranntes Gesicht bis unter den Hemdkragen, wie von dem Hieb einer schlanken Gerte. So stand Ahab gezeichnet, aber in voller Kraft vor uns.”
Wahrhaftig mächtig gekürzt und stark bearbeitet. Keine empfehlenswerte Ausgabe. Ist ja glücklicherweise auch nicht mehr erhältlich…

Und hier, zum Vergleich, die Stelle aus Kapitel 28 in der Übersetzung von Friedhelm Rathjen:

“Es schien da kein Zeichen gewöhnlicher körperlicher Krankheit an ihm zu sein, noch solche der Erholung von einer solchen. Er sah aus wie ein Mann, den man vom Scheiterhaufen abgeschnitten, als das Feuer blitzschnell all seine Glieder versehrt hatte, ohne sie zu verzehren oder ihnen ein Jota von ihrer verdichteten gealterten Robustheit zu nehmen. Seine ganze hohe, breite Gestalt schien aus solider Bronze gemacht und in eine unwandelbare Form gebracht wie Cellinis gegossener Perseus. Sich einen Weg bahnend von unterhalb seiner grauen Haare, sich geradewegs fortsetzend die eine Seite seines lohbraun versengten Gesichtes und Halses hinab, bis es in seiner Kleidung verschwand, sah man ein schlankes, gertenartiges Mal von fahler Weißlichkeit. Es glich einer senkrechten Naht, wie sie bisweilen dem aufrechten, hochragenden Stamm eines einsamen Baumes einbeschrieben wird, wenn der Blitz von hochdroben zerfetzend daran niederjagt und, ohne einen einzigen Zweig abzureißen, die Borke von der Spitze bis in den Boden abschält und ausfurcht, ehe er in die Erde springt, den Baum immer noch bei grünem Leben, aber gezeichnet zurücklassend.”

Written by Wolf

21. December 2008 at 12:01 am

Posted in Moses Jürgen

3 Responses

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  1. Hi,
    Ihre Ausgabe aus dem Eduard Kaiser Verlag kann ich auf Grund einer Widmung in meinem Exemplar auf das Jahr 1961 datieren.

    Freundliche Grüße,

    Tobi Seitz

    Tobi

    6. October 2011 at 9:12 pm

  2. Das hab ich doch glatt in den Eintrag hineineditiert. Danke für die Aufmerksamkeit!

    Wolf

    7. October 2011 at 6:17 am

  3. jene von Hans Trausil (Verlag dt. Volksbücher 1958 Stuttgart) wurde von Donauland als Lizenzausgabe verkaufe. Muss also recht weit verbreitet sein. Hab selbst ein Exemplar. Leider fehlt in dieser die “Rangordnung der Wale und Waljäger”

    Tobi

    3. October 2021 at 7:40 pm


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