Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

The aspects which the strife as a memory assumes are as manifold as are the moods of involuntary meditation.

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Update zu Heute vor… und The Roof Is On Fire und ein bissel zu Hallo Wien:

Dear Herman, you big hunk ‘o literary talent…
Your Civil War poetry
sets my soul to fire
where only a Mint Julip
will put it out.
Luv,
Fenderella

ƒ€ñЀ®èLLÅ aus Richmond (sic), 2008.

Cover Herman Melville Schlachtstücke, Luftschacht VerlagWir erleben das größte Melville Revival seit der New Yorker Schwulenbewegung der 1920er Jahre: Es war wirklich bitter an der Zeit, die Battle Pieces von 1866 zu übersetzen. Jetzt heißen sie naheliegender Weise Schlachtstücke und sind ab 1. Januar 2011 zu erwerben (und nein, das Gegenteil von schwul).

Man mag es ungern eingestehen — aber weil Hanser im urdeutschen München keine Anstalten macht, in seine “Ausgewählten Werke” von Herman Melville wenigstens in Ausschnitten auch dessen Lyrik hineinzuwählen, muss nach Jung und Jung in Salzburg mit Clarel und der so hübschen wie verdienstvollen Essaysammlung jetzt Luftschacht in Wien kommen, um das zugänglich zu machen. Wenn ich nicht seit meiner Zeugung so von allem Österreichischen eingenommen wäre, ich käme spätestens jetzt nicht mehr drum herum. Mal in den Klappentext reinhören?

Als er [Melville] sich 1866 mit Battle-Pieces wieder an das Licht der Öffentlichkeit wagt, wird das kaum mehr wahrgenommen. In dem zweiteiligen Gedichtezyklus pflegt Melville einen intensiven und quälerischen Umgang mit dem Thema Bürgerkrieg, den er als eine spezielle Ausformung einer generellen Geschichte menschlicher Konflikte und Unfreiheiten auffasst. In seiner stilistischen Bandbreite und zusammen mit dem abschließenden Essay, in dem Melville für Gleichberechtigung des unterlegenen Südens beim Wiederaufbau der Union plädiert, zeigen sie einen ambitionierten, selbstbewussten Dichter, der gleichermaßen nach Erinnerung wie nach Vorausschau strebt.

Nach allen Klischees, die man über Österreich hätschelt, entspricht das doch sehr seiner Volksseele; vielleicht erklärt das manches. Danke, Österreich, danke, Wien, danke, Luftschacht.

Zur Feier des Tages nochmal die drei Musiken aus allen drei upgedateten Einträgen, solange man sie in unserer Kulturnation noch anhören darf:

Und danke an Poor Richard für Aufmerksamkeit!

Written by Wolf

29. November 2010 at 9:07 am

Posted in Reeperbahn

5 Responses

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  1. Ich schon wieder. Jetzt bin ich schon so lange als blinder Passagier mitgesegelt und habe wirklich nicht vor nun zu jedem Beitrag mein Garn zu spinnen, aber hierzu doch noch eine kurze Anmerkung.

    Das Erscheinungsdatum scheint mehr eine unverbindliche Ankündigung zu sein. Ich habe das Buch jetzt schon einige Zeit in meiner Amazon-Wunschliste gestaut und der Erscheinungstermin wurde seit September schon zweimal nach hinten verschoben, zuletzt von November auf Januar.

    Hoffentlich schwappt jetzt noch mehr von Melvilles Lyrik ins Deutsche. Bis jetzt habe ich nur einen Gedichtband in der übertragen von B.S. Orthau gelesen. Und ich muss sagen, es hat mich nicht gepackt. Im Zweifel will ich es mal auf die Übersetzung schieben. Und Clarel liegt noch in meinem SUB, über diese Übersetzung konnte ich mir noch kein Urteil bilden.

    Weiß denn der Skipper was von anderen Übersetzungen ins Deutsche? Auch wenn sie von Österreichern wären.

    Poor Richard

    29. November 2010 at 6:05 pm

  2. Von Melvillischer Lyrik auf Deutsch weiß ich keinen Pieps. Das Beste über alles unter 500 Seiten von ihm war jahrzehntelang die Artemis-Winkler-Ausgabe mit Redburn, Israel Potter und den angeschlossenen Sämtlichen Erzählungen, alles von Richard Mummendey. Da hätte ich sowas von auf Hanser gehofft, die immerhin “Die großen Erzählungen” gemacht haben. Sieh da Timotheus: B.S. Orthau. Das wäre ja schon den nächsten Beitrag wert.

    Wolf

    29. November 2010 at 7:15 pm

  3. Es gibt Übersetzungsversuche div. Melvill’scher Gedichte: F. Schunk , 1984, Wracks am Strande der Zeit, hrsg. von Hlawatsch und Heiderhoff, H. Heiderhoff-Verlag und dann auch die von A. Pechmann, 2013, Herman Melville, John Marr und andere Matrosen, mareverlag Hamburg, aber sie kommen nie an die Qualität der Übertragungen von Orthau heran, selbst wenn auch diese an manchen Stellen kritisierbar sind. Man vergleiche einfach mal die Übertragung von The Enviable Isles, 3. Strophe.

    Im Original:
    Sweet-fern and moss in many a glade are here,
    Where, strown in flocks, what a cheek-flushed myriads lie
    Dimpling in dream – unconscious slumberers mere,
    While billows endless round the beaches die.

    Bei Schunck heißt es (ist ziemlicher Blödsinn mit den zahlreichen Menschen, passt auch metrisch/inhaltlich überhaupt nicht):
    So manch eine Lichtung ist voller Schildfarn und Moos,
    In Scharen liegen dort zahlreiche Menschen und träumen,
    Mit heiterem Herzen, doch ohne Bewusstsein bloß,
    während verebbende Wogen ringsum die Küste säumen.

    Bei Pechmann heißt es:
    Farnkraut und Moos so manche Lichtung säumen,
    Wo verstreute Schwärme rot sich färben,
    Die dümpelnd und bewusstlos schlummernd träumen,
    Während die Wellen endlos an den Stränden sterben. (Hätte er doch wenigstens ‘ersterben’ genommen!)

    Orthau trifft m. E. Inhalt, Reime und die Metrik am besten :
    Hier ist manch eine Lichtung voll Schildfarn und Moos,
    Myriaden von Blumen sind gestreut wie von Hand,
    Sich wiegend im Schlaf träumen sie unbewusst bloß,
    während endlos ersterben die Wellen am Strand.

    Boskars

    31. May 2018 at 9:52 am

  4. Danke fürs Ernstnehmen eines vor sich hin verfallenden Artikels von 2010. Der ebenfalls 2010er Wunsch unseres Nachbarn Poor Richard scheint sich zu erfüllen, und Melvilles Lyrik wird immerhin denen bekannt, die aktiv nach ihr umschauen.

    Soso, der Blick nach Orthau bleibt lohnend — und Schunk stammt schon von 1984. Je nun, 1984 konnte ich schon lesen, und damals hätte man sich sogar über “zahlreiche Menschen” gefreut. Tatsächlich kein Vergleich zu “sich wiegend im Schlaf”.

    Wenn ich das in diesen weheklägerischen Zeiten noch hinkrieg, reicht allein dieser punktuelle Direktvergleich für eine eigene Auslagerung; ich erinnere mich an inhaltsärmere Artikel von mir.

    Wolf

    31. May 2018 at 4:52 pm

  5. Komme da gerade vorbeigesegelt und finde Eure aus der Zeit gefallene Unterhaltung. Aber was heißt schon Zeit, Qualität ist Qualität und keine Qualität ist keine Qualität. Ich kenne Schucks Übertragung nicht, hätte mich jedenfalls auch 1984 über “zahlreiche Menschen” nicht gefreut. weil Schunck – wenn er so übersetzte – Melville als Lyriker im deutschen Sprachraum vermutlich mehr geschadet als genutzt hat.
    Melville ist nicht leicht zu übersetzen und ich mag ihn eigentlich als Lyriker auch nicht besonders, weil es oft etwas holpert in seinen Gedichten, aber Orthau tut wenigstens im Vergleich mit Pechmann (der sich auf die Seegedichte konzentriert) m. E. sein bestes.
    Besonders gefällt mir die Stelle aus The Slain at Chickamauga (Im Original:

    And yet mischance is honorable too—
    Seeming defeat in conflict justified
    Whose end to closing eyes is hid from view.
    The will, that never can relent—
    The aim, survivor of the bafflement,
    Make this memorial due.)

    wo er übersetzt:

    Und doch ist Unglück gleichfalls zu ehren –
    Im gebilligten Streit scheinbar unterlegen,
    Des End’ zu sehn brechende Augen verwehren.
    Der Wille, der nie wurd’ erweicht,
    Das Ziel, jenseits des Staunens erreicht –
    Immer soll das Gedenken währen.

    Ich hätte an seiner Stelle vielleicht “Scheitern” statt “Unglück” genommen, aber alles in allem kriegt man es doch wohl kaum besser hin.

    Udo Peter Schmitt

    9. January 2019 at 1:49 pm


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