Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for May 2007

Nu in da houze: Moby-Dick; oder: Der Wal. Der Rathjen

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Update und Vollendung zu Die wahren Orte sind es nie:

Vorher:

Nachher:

Hähä. Also muss es mir keiner mehr besorgen (hu, wie das wieder klingt…), ich war selbst so frei. Enthalten in der Rathjen-Übersetzung:

Das meiste davon vermisst man schmerzlich in erreichbarer Buchform, sobald man anfängt, mit Herman Melville zu leben; ich hab schon aus Verzweiflung etliche Originalausgaben in abgelegten Exemplaren aus abgelegenen Provinzstadtbibliotheken der USA importiert, unter anderem welche wie den Hershel Parker, die offensichtlich auch Herr Rathjen benutzt hat – und an dieser Stelle darüber berichtet. Der Weblog ist durchsuchbar.

Rathjen stellt den Anspruch, zum ersten Mal den Urtext aus der gesicherten Fassung bis in die Klangstruktur hinein so getreu wie möglich abzubilden, als “Äquivalent zu für den sperrigen Stil, die wechselnden Tonlagen, die exzessive Rhetorik und die ungewöhnliche Interpunktion” (aus der editorischen Notiz von Norbert Wehr).

Der Approach gefällt mir mit der Zeit immer besser, der Ausdruck übersetzen gewinnt plötzlich seine nautische Zweitbedeutung mit Betonung auf dem Präfix; ich werde meine Wertungen in der Bücherliste relativieren müssen.

Kaum innerhalb einer Zeitspanne, in der man nicht mal ein Kind kriegen kann, die ersten 25 Kapitel Moby-Dick durchgelesen, schon ist man rettungslos vergeekt.

Written by Wolf

31. May 2007 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Die wahren Orte sind es nie [aber mach was]

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Update zu Eine Biografie von Hillary Clinton:

Antiquariat Kitzinger, München, Schellingstraße 25Kommt morgen jemand beim Antiquariat Kitzinger in der Schellingstraße vorbei?

Heute erfahren: Die Rathjen-Übersetzung von Moby-Dick ist von Zweitausendeins (in diesem besonderen Fall der sinnigste aller Verlagsnamen) in den Zustand der Ramschware übergegangen (nicht abfällig gemeint, ich werd selber bald 40). Und ich seh’s noch beim Kitzinger rumliegen (das ist nicht der, wo sommers der schwarze Kater im Schaufenster pooft, sondern der eins rechts daneben) für 19,90 statt 29,90, vormals 42,80. Kann ich das auf diesem Weg zurücklegen lassen?

Und dann: Links Jendis, rechts Rathjen weiterlesen. Sag noch einer, Literatur wäre was für beschauliche Gemüter.

Die Zwei, Antiquariat Thomas Rezek, München, Amalienstraße 63

Written by Wolf

30. May 2007 at 1:19 am

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Ende von Wal – 17-mal

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Eine öffentliche Aufbahrung auf dem Pariser Platz

Elke macht ein Update zu Die weiße Walin lebt:

Elke HegewaldWin-Win-Situationen zwischen Wal und Mensch sind, so sehr sie einem das Herz wärmen, die seltene und rühmliche Ausnahme. Den Tatsachen ins Auge gesehen zieht in der Regel eine Seite den Kürzeren. Und – nichts sagt uns deutlicher, dass Moby-Dicks Zeiten vorbei sind – meistens ist es heutzutage der Wal.

Nun müssen (und können) wir hier mit Sicherheit nicht jedes Ereignis dokumentieren, das nur allzu beredtes Zeugnis darüber ist. Das können andere mit ihren Argusaugen besser als eine Crew auf Waljagd – die zu ihrer Entschuldigung allerdings vorbringen kann, dies ausschließlich lesenderweise zu tun.

Doch an manchen kommt man einfach nicht vorbei. Umso mehr, wenn einem die Walkadaver wie letzten Montag direkt auf die Berliner Türschwelle gelegt – was sag ich, geradezu auf selbiger aufgebahrt werden. Man kann sie nichts weniger als spektakulär nennen, diese Aktion der Wal-Anwälte, und da rede ich noch nicht mal über den beachtlichen logistischen Aufwand, den das Ganze gekostet haben muss. Wo kriegt der unbedarfte Binnenländer schon mal – auf zugegeben drastische Weise – so vor Augen geführt, wie viele Angehörige von Mobys Verwandtschaft in jeder halben Stunde eines langen Tages das Zeitliche segnen müssen. Und zwar durch das Wirken der einzigen vernunftbegabten Art auf unserem Planeten. Sollten einen bei einem solchen Anblick nicht hin und wieder leichte Zweifel an diesem Faktum (der menschlichen Vernunft) befallen?

Ich bin übrigens nicht hingegangen, und das nicht nur, weil ich vorher zu einer Tagung im Roten (schamroten?) Rathaus abbiegen musste. Verfolgt mich doch immer noch das hier (nö, es war im Xing-Vorgeplänkel zu Kapitel 2) schon mal erwähnte Trauma meiner Kindheit, das sich mit einem Toter-Wal-Gucken-Erlebnis verbindet:

Meine wirklich erste Begegnung mit des Leviathans Nachfahren hätte mich dann allerdings fast zur militanten Tierschützerin werden lassen, wenn ich von denen damals schon was gewusst hätte. Ich muss im zarten Alter von ungefähr zehn Jahren gewesen sein, als auf dem Marktplatz der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, einer von ihnen ausgestellt wurde, in einem großen Zelt, kunstvoll präpariert und die Stelle, an der ihn die Harpune getroffen hatte, genau markiert – ein traumatisches Erlebnis.

Was jedoch nichts daran ändert, dass jedwedes vernünftige Mühen zu “Rettet Moby-Dick” meine Unterstützung hat.

Tote Wale bei Spiegel Online

Written by Wolf

29. May 2007 at 12:20 am

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Gewiss kann es kein Olivenöl sein

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Der Wolf schreibt Herman Melville hinterher, was Herman Melville in Kapitel 25: Postskriptum seinem eigenen Kapitel 24: Der Anwalt hinterherschreibt:

Sehr geehrter Herr Melville, lieber Herman,

Sailorette www.fy.nodas hast du wieder sauber hingekriegt. Habt ihr euch zu deiner Zeit in New York und auf dem Land in Arrowhead auch schon Anwaltswitze erzählt? Habt ihr euer abgenabeltes Mutterland, die königstreuen Briten, beim Maisschnaps mit ihrer Königin aufgezogen?

Der Kalauer mit dem Staatlichen Salzfass und dem Pfefferstreuer musste natürlich sein, sonst hätte es dich vermutlich zerrissen, und es auch keiner was davon gehabt. Und Könige mit Rizinusöl salben, kichergnicker. Logisch, Walrat muss es sein. Da ist er ja, der aufrechte Demokrat, der ruppige Walfänger, das Salz nicht einfach der Erde, nein gar des Meeres.

Das Gefühl kennt ja niemand besser als ich: Lieber einen guten Freund verlieren als einen Lacher auslassen. Was mich allerdings bei dir interessiert hätte:

Als sie dir qua einem roten Federstrich das ganze Kapitel 25: Postskriptum aus der Londoner Erstausgabe rauslektoriert haben, hat sich da die Kapitelzählung bis zum Schluss um 1 weniger verschoben?

Komm, so zwanghafte Typen wie uns lässt sowas doch nie ruhig schlafen. Hast du damit erreicht, was du wolltest? Ja?

Na, dann is’ gut.

Stets einer deiner sieben zweitgrößten Fans der dreizehn Weltmeere,
der Wolf

Toothpaste for Dinner

Written by Wolf

28. May 2007 at 4:15 am

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Der Wolf hat gelesen: Kapitel 24: Der Anwalt

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Who would have looked for philosophy in whales, or for poetry in blubber.

John Bull, Kritik zu Moby-Dick, 25. Oktober 1851

J. Ross Browne, Barzy and the Madagascar ChiefWie war der Ausdruck Walgesang mal gemeint? Eine Lanze brechen klingt immer auch kriegerisch, dieses Kapitel 24: Der Anwalt hat aber so gar nichts von Angriff, ist höchstens eine leidenschaftliche Verteidigung des ehrbaren Gewerbes der Walfänger. Eine Leidenschaft, die sich in einer nicht weniger denn hochlyrischen Prosa äußert. Ein Walfanggesang.

Zeitgemäß ist was anderes: Gerade die Vorwegnahme aller Einwände in Form einer Liste, die systematisch widerlegt wird, riecht nach vorauseilender Verteidigung – nach jener Art von Entschuldigung, mit der man sich anklagt. Seit wann genau ist das eigentlich verpönt?

Auch die Gründe, aus denen der Walfänger ein so überragend ehrenvolles Gewerbe versehen soll, sind zweierlei: Die unschönere Hälfte verbindet Walfang mit dem Soldatenhandwerk, was man in dieser Tonart noch nicht wieder allen demokratisch gesinnten Leserschaften so vorsingen kann; die hard facts hören sich, auf ihren Inhalt heruntergekocht, wiederum ganz sinnvoll an: Walfänger

  • erforschen
  • kontaktieren und
  • demokratisieren

Länder, die bislang nur entlegene, unwirtliche Weltecken waren, was in Melvilles Sinne ja dann auch ein lobenswerter Ehrgeiz ist. Networking unter verschärften Bedingungen und ganz ohne Internet – einem wie mir muss dieser Vergleich kommen. Suspekt werden solche Umtriebe erst mit dem modernem Wissen, dass Menschen profitgierige Egoisten sind und Missionare auch nur Menschen, und dienstreisende Tierjäger erst recht.

Auf 1851 umgerechnet finde ich Melvilles Argumentation allerdings sauber zusammengedacht und pointiert vermittelt. Wir reden ja nicht von Infotainment.

Vergleichen wir die Zahlen, die Melville zur Ehre des Walfängers an sich anführt, mit denen, die sein 2001er Kommentator Göske aus Melvilleschen Zeiten aufgetrieben hat, so erhellt: Melville hat sogar noch untertrieben. Fälschen von Statistiken unter dem Vorwand “Ist doch alles nur Poesie” kann man ihm nicht vorwerfen.

2007, in Zeiten ruchlos beschönigter Selbstdarstellungen und des laxen Umgangs mit Zahlenmaterial aus weit niedrigeren Beweggründen denn der Ehrenrettung des eigenen Berufsstandes, fragt man sich, grundsätzlich misstrauisch bis zum Zynismus geworden: Wie kommt’s?

Ich nehme stark an, Melville lag persönlich einiges daran, als (gewesener) Walfänger gesellschaftlich anerkannt dazustehen. Seine Bestseller-Erfolge (Typee, Omoo, später ein politisch bedeutsames Aufflackern mit White Jacket) hatten nachgelassen, er stand noch im nationalen Bewusstsein als der gutuassehende Seebär, der wundersamerweise schreiben konnte; sein thematischer Vorgänger Richard Dana, der mit Two Years Before the Mast, hatte im Gegensatz zu ihm ein Studium vorzuweisen – in nahezu allen biografischen Überblicken zitiert wird Melvilles trotzig arbeiterstolzer Kapitelschluss “Ein Walfänger war mein Yale College und mein Harvard” – da winkte an einem nebligen Horizont wohl ein Ruf als verkanntes Genie. Melville als Der Anwalt ist sein eigener.

Die Sorge war nicht akut, aber begründet. Die Quellen, aus denen Melville geschöpft hat, sprudeln offenbar heute so verborgen wie 1851. Sehen aber online sehr schön aus und werden von akademisch gebildeten Freunden der christlichen Seefahrt liebevoll gepflegt. Ich gebe sie dem interessierten Stöbern anheim:

J. Ross Browne, A Scramble for Salt Junk

Written by Wolf

27. May 2007 at 1:48 am

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(… und hört schon auf, mich dauernd Ismael zu nennen)

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Update zu Nennt mich nochmal Ismael:

My name is Arthur Gordon Pym.

Eddie the Divine Poe: Arthur Gordon Pym, 1838

Let me call myself, for the present, William Wilson.

Derselbe: William Wilson, 1839

Call me Ishmael.

Herman Melville: Moby-Dick, 1851

Mit dem ersten Satz wird der Stein ins Rollen gebracht. Der erste Satz ist Versprechen, Duftmarke, Rätsel, Schlaglicht – kurz: der Brühwürfel, mit dem die ganze folgende Suppe gekocht wird.

Thomas Brussig zum Wettbewerb Der schönste erste Satz, 2007

Wisconsin Library 1956Der erste Satz ist wichtig. In der Liebe wie auch in der Literatur. Ein guter erster Satz entscheidet oftmals schon darüber, ob wir uns in einen Menschen oder in ein Buch verlieben, ob wir berührt werden und uns voller Neugier auf das Versprechen einer guten Geschichte einlassen.

Die Initiative Deutsche Sprache und die Stiftung Lesen zu ihrem Wettbewerb Der schönste erste Satz

Mir ist ja vor Jahrzehnten mal aufgefallen, dass der alte “Call me Ishmael” gleich zwei Vorläufer bei Poe hat: “Let me call myself, for the present, William Wilson” und “My name is Arthur Gordon Pym”. Das scheint vor lauter Schlichtheit doch eine wahre Eintrittskarte zum Club der Klassiker zu sein…

Der Wolf diskutiert bei Nicole Rensmann

Wie froh bin ich, dass ich weg bin!

Der junge Goethe: Die Leiden des jungen Werther(s)

Ich bin dann mal weg.

Hans-Peter Kerkeling: Ich bin dann mal weg

Ich heiße Lisa. Ich bin ein Mädchen. Das hört man auch am Namen.

Astrid Lindgren: Wir Kinder aus Bullerbü, 1954

Das schönste erste Banner

Written by Wolf

26. May 2007 at 12:01 am

Posted in Reeperbahn

5–7–5

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Nichts Besonderes
an Land. Ach! wie tot alle
schon zu Anfang sind.

Hokusai

Der deutsche Weg zum Haiku.

Written by Wolf

24. May 2007 at 2:00 am

Posted in Moses Wolf

Work in Congress

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Update zu Bürgerkriegsware:

Trinity Episcopal Church, Washington DC

Die Trinity Episcopal Church in der 3rd Street, Ecke Independence Avenue in Washington, District Columbia, auch zur Aufnahmezeit 1863–64 die Haupststadt der USA. Im Hintergrund das noch unvollendete Kapitol.

Zu dieser Zeit kaufte Herman Melville das Haus seines Bruders Allan und zog vom Ort des Schaffens an Moby-Dick im Landsitz Arrowhead in die New Yorker 26th Street. Von nun an wurde er wieder urban, aber immer erfolgloser.

An dem Bild der Trinity Episcopal Church nebst Kapitol rührt uns insonderheit an, wie sich der Bau von dem des zutiefst europäischen Kölner Doms nur durch ein paar hundert Jahre unterscheidet.

Das Bild ist eine Daguerrotypie und wurde nicht mit bildbearbeitenden Computerprogrammen aufgewertet. Die Glaskollodium-Platte des Originals misst 9 Inch auf 9 Inch; auf diese 81 Quadratzoll passen bestürzend viele Details. Wenn man solche Platten materialgerecht lagert, kann man noch nach Jahrhunderten auf einer Landschaftsaufnahme einzelne Sandkörner unterscheiden.

Seit der Praxis der Daguerrotypie wurde in der Fototechnik zugunsten der Handlichkeit immer mehr Bildqualität drangegeben: Es ist die Methode, welche die hochwertigsten Ergebnisse zeitigt, nur leider sehr sperrig zu handhaben. Wenn wir berechnen, die Feuchtemulsion so einer 9×9-Platte fasse 1000 dpi pro Quadratzoll, entspricht die obige Aufnahme der mit einer Digitalkamera von 80 Megapixeln. So weit hat sich die Technik noch lange nicht erholt.

Written by Wolf

23. May 2007 at 2:07 am

Posted in Rabe Wolf

Neat…

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Update zum Header-Bild:

Theme Neat!Weil ein gewisser Topi Peltonen bei der Herstellung seines ansonsten recht praktikablen Templates, Entschuldigung, Themes bei der Typografie noch nicht mal ganz fünfe gerade sein hat lassen, soll ich mich inhaltlich einschränken.

“Hä?”

Okay, von vorn. – Die Beitragsüberschriften sind ja wohl ein Witz. Wer hat sowas erlaubt, dass der Permalink ausgerechnet auf der Headline liegt? Noch besser: Wer hält für zulässig, dass Headlines in Blocksatz stattfinden? Und wer unterbindet, dass man Headlines wenigstens mit handelsüblichem Grundschul-HTML formatieren kann?

Besagter Topi Peltonen. Nun leben wir im Internet Nummer zwei Punkt null, sind mit jedem über spätestens sieben Ecken vernetzt und verschwägert und dürfen uns deshalb auch beschweren, wenn wir suboptimale Umstände für menschenrechtswidrig halten. – Und? Haben Sie mal www.aamukaste.org, die Präsenz (!) von Herrn (?) Peltonen angeklickt? – So viel dazu.

Die Lösung wäre gewesen, Topi Peltonen konstruktive Vorschläge zu machen, wie er sein Template, Entschuldigung, Theme mittels weniger Eingriffe in die Formatierung der Headlines zu einem wahrhaft perfekten machen kann. Die Lösung ist, fortan nur sehr, sehr kurze Überschriften zu formulieren.

Grünes BuchEs ergeht deshalb der Disclaimer: Meine Ehefrau und Arbeitskollegin Vroni Gräbel hat nichts und wieder nichts mit der Gestaltung des Templates, Entschuldigung, Themes Neat!, das im Weblog Moby-Dick 2.0 verwendet wird, zu tun. Sie hat es weder gebaut noch gut geheißen und wird es aus Gründen auch nicht tun.

Das Header-Bild dagegen wurde von ihr abgenommen, und das ist ja dann auch wirklich gut.

Ferner ist Moby-Dick 2.0 einer korrekten deutschen und englischen Rechtschreibung verpflichtet und setzt sein Leben darein, ein blitzsauberes Deutsch vorzulegen. Das hilft denken. Und was haben die Typografen, die Herr über ihre CSS sind? Ein schönes Template, Entschuldigung, Theme.

Written by Wolf

22. May 2007 at 12:32 am

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Dass alles tiefe, ernste Denken nur der Seele unverzagtes Mühen ist

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Elke hat Kapitel 23 gelesen trällert ehrfürchtig vor sich hin:

Elke HegewaldBulkington und kein Ende, so scheint es. Nicht dass er nun gerade mir im dritten Kapitel sonderlich aufgefallen wäre. Doch erstaunlicherweise habe ich auch eine ihn betreffende Bleistiftnotiz am Rand – ganz woanders.

Im Göske-Nachwort nämlich. Aber haben eigentlich schon alle positiv auf die das dreiundzwanzigste Kapitel dominierende Frage geantwortet?:

Kennt ihr nun Bulkington?

Sollte einer das verneinen müssen, wird er in der weiteren Handlung auch keine Gelegenheit mehr haben, ihn näher kennenzulernen. Denn er wird nie wieder vorkommen. – Warum?

Das Los des armen Bulkington, der doch als Bild von einem Seemann, edler Charakter und bei allen bisherigen Bordkameraden als “überaus beliebt” beschrieben wird (Seite 53) ist es, zu den Melvilleschen Ungereimtheiten des Buches zu gehören. (Wir haben an anderer Stelle schon über solche fabuliert.) Auf Deutsch: er wird als Romanfigur überflüssig, fällt den zahlreichen Änderungen und neuen Ideen während des Schreibens zum Opfer.

Bei Göske/Jendis (und genau da steht mein Kritzelvermerk) heißt es dazu:

Manche Motive […] werden aufgerufen, probeweise erkundet, abgewandelt anverwandelt und wieder verworfen. Dies gilt auch für die Figurengestaltung. Im dritten Kapitel zum Beispiel trifft der noch unerfahrene Ismael im Wirtshaus einen hünenhaften, bei den Seeleuten überaus beliebten Virginier namens Bulkington, der, wie er sagt, “bald schon mein Bordkamerad werden sollte (wenn auch nur sozusagen als stiller Teilhaber, was diese Erzählung betrifft)”. Der eingeklammerte Zusatz ist sicher späteren Datums, denn Bulkington steht zwar in Kapitel 23 urplötzlich am Ruder der Pequod, wird aber danach nie mehr gesehen.

Seite 891/892

Christian Roosen, Der SeebärDie Mutmaßung des Nachwortschreibers: Der gute Bulkington ist als Nebenfigur und Begleiter Ismaels entbehrlich geworden, da Melville ihm inzwischen seinen Blutsbruder Queequeg erfunden hat. Damit erhält die “grabsteinlose Gruft”, die er ihm in diesem Kapitel zimmert, neben dem tiefen Sinn der ihm verliehenen Symbolik eine ganz eigene Bedeutung. Er “hat die Figur des edlen (weißen) Seemanns […] nicht sang- und klanglos aus dem Manuskript entfernt. Nein, Bulkington kommt zu höheren Ehren. In diesem hymnischen “Westentaschenkapitel” setzt Ismael ihm ein Denkmal, […] stilisiert ihn zur Verkörperung furchtloser Wahrheitssuche, zum trotzigen “Halbgott” jener See, die die symbolische Gegenwelt des “trügerischen” sklavischen Lebens an Land bildet. Zugleich bleibt uns der heroische, allseits beliebte Bulkington als Alternative zu Ahabs menschenverachtender Ich- und Rachsucht in Erinnerung – eine Alternative freilich, die in jener Gesellschaft an Bord der Pequod keinen Platz hat.” (Seite 892)

Wow, da hat er die allegorische Verwobenheit unseres verlorenen Helden ja gleich kompakt mit ausgeleuchtet, der Herr Nachwörtler. Nur den Ahab haben sie mir fast ein bisschen arg festgezurrt: Kennt ihr nun (etwa) Ahab? – Ach, und mir hätte höchstens noch der unbändige Freiheitsdrang gefehlt, den das Bild des Meeres in einem solchen Vergleich immer verströmt. Besonders in der großen und atemberaubenden Melvilleschen Poesie des ganzen Kapitels, die mich hinsinken lässt – darf ich?:

Harry Haerendel, Alter SeebärKennt ihr nun Bulkington? Flüchtige Blicke meint ihr zu erhaschen auf diese den Sterblichen unerträgliche Wahrheit, dass alles tiefe, ernste Denken nur der Seele unverzagtes Mühen ist, ihr Meer sich weit und unabhängig zu bewahren, derweil des Himmels und der Erden ungestümste Winde sich verschwören, um sie am trügerischen Sklavenufer auf den Strand zu werfen?

Jedoch: So wie nur fern von jedem Land die höchste Wahrheit wohnt, die uferlos und unbegrenzt wie Gott, so ist es besser auch, in jener heulenden Unendlichkeit zu sterben, als bar des Ruhms an Leegestaden zu zerschellen, und wär dies auch die sichre Rettung! denn wer, o wer wohl, würde wie ein Wurm kratzfüßig krumm ans Ufer kriechen wollen! Schrecken des Schrecklichen! Ist all die Not und Pein denn ganz umsonst? Fass dir ein Herz, o Bulkington, fass dir ein Herz! Bewahr dir deinen Trotz, du Halbgott! Hinauf aus dem Geschäum, wo du im Meer versunken, schwingt deine gottgewordene Gestalt sich geradewegs empor!

Seite 189

Hach, man möchte es in Versform schreiben – und murmelt es wie ein Poem vor sich hin. Was für ein wunderbares Stück Sprache verdanken wir somit einem der unbekümmerten loose Ends im Moby-Dick!

Und nirgendwo würde es besser hinpassen, dieses Kapitel, als vor das stolze, ehrfürchtige und angriffslustige Plädoyer des Anwalts der Walfänger, oder?

Written by Wolf

21. May 2007 at 12:48 am

Posted in Steuerfrau Elke

Alle lieben Bartleby

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Update zu Dös peitscht mi jetzt ned so sonderlich und
Der Fall Moby Dick:

The report was this: that Bartleby had been a subordinate clerk in the Dead Letter Office at Washington, from which he had been suddenly removed by a change in the administration. When I think over this rumor, I cannot adequately express the emotions which seize me. Dead letters! does it not sound like dead men?

Herman Melville: Bartleby, letzter Absatz, 1853

Bernd Pfarr wurde am 11. November 1958 geboren, erfand eine Vielzahl Comics, darunter keinen wirklich schlechten, vermied in seinen Bildern erst den rechten Winkel und im weiteren Verlauf etwelchen Realismus überhaupt, textete seine Cartoons derart wegweisend altertümelnd skurril, dass man ihn bei eigenen vergleichbaren Versuchen ständig beklaut, und starb am 6. Juli 2004 eines vollständig unnützen Todes.

Für den Comic-Sampler Alice im Comicland. Comiczeichner interpretieren Werke der Weltliteratur fasste er 1993 den Bartleby von Herman Melville in genau vier Bilder, auf denen die Titelfigur seinem selbst entworfenen Büro-Antihelden Sondermann auffallend nahe steht – am vergnüglichsten im rar gewordenen Band Alle lieben Sondermann – und verlängert die Handlung des Originals sogar noch um 25%.

Pfarrs Bartleby-Version ist eine der komischsten Seiten in dem Sammelband, die meisten anderen Beiträge halten eine düstere Atmosphäre ein. Das Bild unten ist die Online-Urveröffentlichung des Werks, die Rechte daran bleiben bei deren Inhabern.

Das Gespenstische daran: Bartleby stellt sich bei Melville am Ende als ehemaliger Mitarbeiter der Poststelle für Tote Briefe heraus; Bernd Pfarr kann man von seiner Website aus immer noch mailen.

Bernd Pfarr, Bartleby

Written by Wolf

19. May 2007 at 1:20 am

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Wofür Vatertag ist

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“Was hat diese Kloschüssel, was ich nicht habe?”

“Einen Job!”

Al gegen Peggy Bundy, A Dump of My Own, 1992

KamelopediaSo sinnig es gewesen wäre, ausgerechnet am 17.5. zu beweisen, wie schwul Herman Melville war, was schon lange ansteht, herrscht doch zugleich Vatertag. Immerhin der Blog|Rausch verbindet eine überaus mannsbilderaffine mit einer maritimen Thematik: Klopapier mit Walen drauf.

Und damit ich an meinem persönlichen Feiertag nicht wieder alles allein machen muss: Die Diskussion über die Magie des Bösen läuft immer noch!

Written by Wolf

17. May 2007 at 1:02 pm

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Kapitel 23: Land in Lee oder Kennt ihr nun Bulkington?

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Zeit für einen Fachartikel. Der letzte stammt vom Neunten.

Einige Kapitel zuvor war von einem gewissen Bulkington die Rede gewesen, einem hochgewachsenen Seemann, der eben erst abgemustert hatte, als ich ihm in einem Gasthaus New Bedfords begegnete.

Olde Chequers InnSo weit Melville, anfangs Chapter 23: The Lee Shore, in der Zunge von Jendis.

In der Übersetzung der beiden Seifferts heißt das Kapitel ungefähr geradeso inhaltsfremd: Der sichere Port. – Weiter mit Jendis: “Einige Kapitel zuvor” heißt: in Kapitel 3, hier auf Seite 53; das Gasthaus New Bedfords heißt Spouter-Inn oder Zum Walfänger und unterstand Peter Coffin (allerdings weder dem aus Berlin noch dem Bischof von Ottawa); “gerade erst” heißt nach einer Seefahrt von vier Jahren.

Daran sollten wir uns erinnern, Kapitel 3 hatten wir schon. Ist da einem von uns die Figur Bulkington aufgefallen? Falls ja, war sie uns keine Erwähnung wert.

Dabei hat mein eigenes Exemplar sogar einen Bleistiftvermerk auf Seite 53: “Bulkington s. Kap. 23 S. 188”, offenbar aus der Absicht heraus, bei Gelegenheit darauf zurückzukommen, man weiß es nicht, das war vor acht Monaten, und das kann ich jetzt wieder meinem Frisör erzählen. Besonders wichtig erschien Bulkington jedenfalls keinem von uns.

Wo der Bulkington bei seinem ersten Auftauchen doch so schön plastisch beschrieben wird. Kapitel 3 war ein ziemlich langes, 20 Seiten bei uns, dicht vollgepackt mit Fakten und Atmosphäre, da ist uns der erste detailliert beschriebene Seebär nicht mal aufgefallen, als Melville ihn aus dem Kneipengetümmel hochgehoben und vor die Nase gehalten hat:

Dieser Mann erweckte sofort meine Neugier, und da die Meeresgötter bestimmt hatten, daß er bald schon mein Bordkamerad werden sollte (wenn auch nur als stiller Teilhaber, was diese Erzählung betrifft), will ich es hier unternehmen, eine kurze Beschreibung von ihm zu geben. [Auffallend groß, muskulös, gebräunt, stilles Wasser, Südstaatler; bei seinen bisherigen Bordkameraden “überaus beliebt”.] Als das ausgelassene Treiben seiner Genossen den Höhepunkt erreicht hatte, schlüpfte dieser Mann unbeobachtet hinaus, und ich bekam ihn nicht mehr zu Gesichte, bis er mein Kamerad auf See ward.

Jendis-Übersetzung, Seite 53.

Wie genau braucht man ein foreshadowing noch? Memo an mich: Genauer lesen, Mister Leben-mit-Herman-Melville.

In diesem erkärten six-inch chapter, was auf Deutsch Westentaschenkapitel heißt, soll Bulkington wohl exemplarisch für die gesamte Mannschaft stehen: Manche Leute kommen besser auf See zurecht als an Land, und gerade der Schrank von einem Kerl aus den Alleghanies in Virginia, also mutmaßlich ein versprengter Deutschstämmiger, hat’s zuletzt nicht unter vier Jahren zur See gemacht. Die meisten anderen Mitglieder der Besatzer sind Insulaner aus der ganzen Welt; der Vorgesetzte von allen, Captain Ahab, stammt zum Beispiel aus Nantucket und hat einen größeren Teil seines 58 Jahre währenden Lebens zu Wasser denn zu Lande verbracht; die Schiffseigner, ebenfalls Nantucketer, sind beim Auslaufen kaum von Bord zu bewegen.

Hochlyrisch die Sprache des ganzen Kapitels, ein wahres Hohelied auf die tiefe Wahrheit und Mystik, die im Meer steckt.

Kennt ihr nun Bulkington?

Glaub schon. Bulkington und seinesgleichen. Kapitel 24, das Hohelied auf den Walfang, kann kommen.

Zuzüglich zum Primärtext sollte das die Online-Coverage zu Bulkington ergeben, protz.

Written by Wolf

16. May 2007 at 1:28 am

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Wolf + X + Y

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Update zu Guck!:

Die Rache der Wortteufelin ist eine rasend bittere: Sie bedenkt mich mit einem Stöckchen ebenso gnadenlos, wie ich es schandbar mit ihr getrieben.

Es geht um X- und Y-Chromosomen, läuft also wohl darauf hinaus, dass ich mich auf meine weiblichen vs. männlichen Anteile besinnen soll. Zweimal 6 müssen reichen.

X: Warum der Wolf ein Mädchen ist:

    Alice in Wonderland

  1. Ich bearbeite Stöckchen.
  2. Ich hab Hohe-Töchter-Fächer wie Germanistik, Anglistik und Soziologie studiert. Und im Seniorenstudium lern ich dann Kontrabass, ha!
  3. Bei dem Studentenjob an der Supermarktkasse haben mich die Leute mit “Frollein” angesprochen – und ich hab drauf gehört.
  4. Fußball ist das mit den Netzen links und rechts, Tennis das mit dem Netz in der Mitte, oder?
  5. Autos unterscheiden sich in der Farbe. Die meisten jedenfalls.
  6. Schwule sind oft ganz in Ordnung.

Y: Warum der Wolf ein Kerl ist:

    Mary Louise Alcott, Little Women

  1. Ich beackere Moby-Dick statt Little Women.
  2. Ich komme täglich mit einer einstelligen Anzahl mündlicher Äußerungen aus: Schreiben sticht Quasseln, da es zu Besonnenheit anhält.
  3. Lieber den Lebensentwurf ändern als nach dem Weg fragen.
  4. Das Praktische an Katzenhaltung ist, dass man immer Dosenfutter zur Hand hat.
  5. Dreckig? Wo?
  6. Frauen sind die faszinierendste aller unerforschten Tierarten.

Und des weiteren dürfen sich die Fernseherin und die Phrixuscoyotin damit rumärgern, da stehn die nämlich drauf.

Regular Gonzales, Black on White

Bild: Black on White by Regular Gonzales, 11. Juni 2007; Lizenz: Creative Commons.

Written by Wolf

15. May 2007 at 12:01 am

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Grimme Non-Mine Award

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The Poems of Herman Melville, RobillardJetzt kann ich’s ja sagen: Ich hab Moby-Dick 2.0 im März fristgerecht zum Grimme Online Award angemeldet. Die Nominierungen sind bekannt, und wieder einmal zeigt sich: Es reicht nicht bei jedem, sein Bestes zu geben.

Natürlich war die Aktion vermessen. Ein semipopulärwissenschaftlicher Nischen-Weblog mit gelegentlichen anzüglichen Auswucherungen muss von beschränktem öffentlichem Interesse sein, und dann schlägt sich schon wieder so ein Ego-Frettchen via Anbieter-Formular selber vor, weil sich keine anderen Fans finden und obwohl er offiziell noch drei Mitautoren hat, und ein Preisträger-Interview im Fernsehen hätte der Nerd, der sowas erwartbar betreiben muss, ohnehin nicht durchgestanden.

1300 Bewerbungen, darunter Die Zeit, Stefan Niggemeier und der Moby-Dick 2.0 thematisch nahe, dabei qualitativ bedeutend höher stehende USA-Erklärer: Gerade aus Kelchen, die so utopisch weit vorüberziehen, nicht trinken zu können, hat paradoxerweise auch einen erleichternden Aspekt. Es ist schon okay, wie es ist. Meine in den meisten Fällen neidlosen Glückwünsche begleiten alle 20 Nominés.

Viel wichtiger: Kurz nach den Grimme-Nominierungen erreichen mich The Poems of Herman Melville, mein Geburtstagsgeschenk an mich (verspätet). Die einzige gültige Ausgabe von 1976, revidiert 2000, nach der in nachzählbarer Zukunft wohl nichts mehr kommen wird, England-Import für weniger als den halben Neupreis, previously unpossessed. Das liest sich neben den nächsten Moby-Kapiteln auch nicht von selber. Die Arbeit ist nicht annähernd getan, sondern mehrt sich.

So hat alles einen tiefen Sinn.

Fliers Welt hat's auch versucht

Written by Wolf

13. May 2007 at 12:01 am

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Das unterdrückte und verschollene 18½. Kapitel aus Typee: Fayaway erwacht zur Frau

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Update zu Charles Warren Stoddard und Merry Springtime:

Stolze InsulanerinIhre Füße hätten unter den Damen der New Yorker Gesellschaft als wenig ansehnlich gegolten. Ihre Sohlen, die niemals Schuhe kannten, waren von der Widerstandsfähigkeit des Schildkrötenpanzers und nahmen keine Spuren der Erde an, auf der sie wandelten. Ihre Zehen bildeten mit der Sohle fast eine Fläche. Ihre beiden Fesseln wurden von zwei kleinen, leuchtend roten Blütenkränzen geziert.

Die Füße der New Yorker Schönheiten hatten mir nie solche Aufmerksamkeit abverlangt, die ihrigen aber begrüßten mich mit einem so lebhaften Ausdruck, wie ihn die Gesellschaftsdamen oft nicht einmal im Gesichte trugen. Sobald ich die Dschungellichtung betrat, hob sie ihre Schenkel wie zum Friedensgruße an, dass ihre Fußsohlen mit den Zehenbeeren darüber aus der olivfarbenen Haut aufblitzten wie ein erfreuter Blick. Wo ihre Schenkel zusammenliefen, erblühte – die Rose der Südsee.

Als wir einander beiwohnten, schluchzte sie leise. Sie weinte vor Freude. Etwas weiteres, das ich von der New Yorkerin nicht gekannt hatte.

„Seefahrer?“

„Meine Fayaway.“

„Kommt jetzt: kleine Seefahrer.“

„Nein, meine Fayaway. Wir leben im neunzehnten Jahrhundert. Der Zusammenhang von Sexualität mit der Entstehung von Kindern ist durch nichts bewiesen. Und du bist noch nicht mal katholisch.“

„Keine Seefahrer in Fayaway?“ Sie zog eine enttäuschte Schnute.

„Nur ein Seefahrer in Fayaway.“

„Kleine Stück Seefahrer.“ Sie barg kichernd ihr Angesicht.

„Na warte. Wenn du mal nach New York kommst, kannst du dich vor denen gar nicht retten.“

„Ich nix. Du bleiben. Bleiben Nukuheva, wohnen mit Fayaway.“

Da die Richtung, welche die Unterredung einschlug, mir nicht zusagte, fasste ich Fayaway bei der Hand, wirbelte sie über ihrem Kopf herum und passte das Mädchen in meine Vorderseite ein. Sie schnurrte zustimmend, langte hinter sich, bekam meine Hand zu fassen und bedeckte entschieden ihre Brust damit. Indem ihr großer Zeh meinen Knöchel kraulte, wartete ich darauf, dass ihr Atem gleichmäßig wurde.

„Seefahrer.“

Barefoot Sandal„Meine Fayaway.“

„In Nu-York. Schöne Frau in Nu-York? In Nu-York ich hübsches Mädchen?“

„Das schönste, meine Fayaway. Schade, dass du Schuhe tragen musst.“

„Schuu-e?“

„Kleider an den Füßen.“

„Sollst nicht“, sagte sie und ruckelte noch einmal meine Hand auf ihrer Brust zurecht.

„Soll ich was nicht, meine Fayaway?“

„Sollst nicht Fayaway reduzieren auf ihr Fuße.“

Über Gedanken, was Fayaway für Wörter kannte und was für welche nicht, und vor allem ob es wirklich schlau wäre, sie aus ihrem Tal zu verpflanzen, schliefen wir ein.

+++ Tickertickerticker +++ Demnächst in diesem Weblog +++ Flashing News +++ Das Update zu Melville total versaut: +++ WAR HERMAN MELVILLE SCHWUL? +++ Tickertickerticker +++

Marquesas Couple

Written by Wolf

12. May 2007 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

Die weiße Walin lebt

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Update zu End of the Struggle, Ende von Wal:

Schön, dass man sich mit weißen Walen inzwischen so weit arrangieren konnte, dass man Win-Win-Situationen mit ihnen eingeht.

Am 19. Januar geschah es, dass man einer entfernten, jedenfalls weißen Enkelin von Moby Dick (Tina aus Qingdao, 5) hässliche Vereiterungen, unter anderem an der Schwanzflosse, wegoperierte.

Es zeigt sich überall: Mit China ist zu rechnen. Jedenfalls berechnen sie nicht mehr die gesamte Fauna ausschließlich für ihren Eigenverzehr und haben damit ihren ungeliebten Nachbarn, den Japanern, schon mal was voraus.

Written by Wolf

10. May 2007 at 2:41 am

Posted in Meeresgrund

Dös peitscht mi jetzt ned so sonderlich

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Update zu Bartleby, Michaela und ich:

“Prefer not to,” echoed I, rising in high excitement, and crossing the room with a stride. “What do you mean? Are you moon-struck? I want you to help me compare this sheet here—take it,” and I thrust it towards him.

“I would prefer not to,” said he.

I looked at him steadfastly. His face was leanly composed; his gray eye dimly calm. Not a wrinkle of agitation rippled him. Had there been the least uneasiness, anger, impatience or impertinence in his manner; in other words, had there been any thing ordinarily human about him, doubtless I should have violently dismissed him from the premises. But as it was, I should have as soon thought of turning my pale plaster-of-paris bust of Cicero out of doors. I stood gazing at him awhile, as he went on with his own writing, and then reseated myself at my desk.

Herman Melville: Bartleby, 1853.

Bartleby goes BoneBartleby, jener Geniestreich über Arbeitsgebaren und dessen Verweigerung in letzter Konsequenz, ist das erste, was Herman Melville nach Moby-Dick schrieb, auch wenn bis zur Veröffentlichung noch ein ganzer Roman (Pierre, 1852) dazwischen lag.

Was den Bartleby mit dem Moby-Dick verbindet?

Erst mal gar nichts. Sondern im diametralen Gegenteil: Moby-Dick kann gar nicht genug Raum einnehmen: ein (in manchen Augaben) 800-Seiten-Hammer auf allen Ozeanen, das Personal mit dem Anspruch, die ganze Menschheit zu repräsentieren. Die Geschichte öffnet sich immer weiträumiger, bis es buchstäblich nicht weitergeht. Bartleby dagegen spielt auf etwa 30 Quadratmetern in der New Yorker Wall Street, wo Raum ein teures Gut ist, das Personal besteht aus fünf Leuten, allesamt sehr spezielle Einzelcharakter, einer verschrobener als der andere, jeder in seine enge Kopistenarbeit vertieft.

Aber dann: Beide werden von einem namenlosen bzw. einem gut getarnten Ich-Erzähler vermittelt, die jeweils einen Wahnsinnigen beobachten. Und beide enden in einer Katastrophe.

Wie genau? – : Ismael muss seinem Captain Ahab zuschauen, wie er die Mannschaft der Pequod für seine persönliche Rache in den gemeinsamen Untergang befehligt; der Anwalt, der den Kanzleischreiber Bartleby beschäftigt, gibt sich wehrlos gegenüber der Arbeitsverweigerung seines Angestellten, auch wenn der sich hauptsächlich nur selbst schadet: Der Mann verhungert an seinem eigenen Negativismus. Bartleby ist defensiver als Ahab. In der modernen Psychologie fiele sein Verhalten wohl unter passive Aggression.

Ahabs wie Bartlebys Wahnsinn besteht in ihrer unabwendbaren Sturheit. Ihr Trotz steckt an, er beeinträchtigt ihre Umgebung, reißt sie in ihre respektiven Abgründe. Die Umgebung? Die Jungs auf der Pequod, die anderen Jungs in der New Yorker Anwaltskanzlei? Spielen mit, nehmen es hin, unter Protest zwar, aber welche Wahl bleibt ihnen schon.

Dabei wissen sich Bartlebys Kollegen noch eher zu helfen, weil Bartleby ihnen keine übergeordnete Instanz ist, sondern ein neuer Kollege, der sich zum Störfaktor macht. Ihre Lösung könnte egoistischer sein, wie es gesund wäre: Statt Bartleby mit Gewalt rauszuschmeißen, geben sie das Büro auf. Sie verlassen das sinkende Schiff, obwohl sie nicht die Ratten sind. Die versammelte Pequod, die dem gottgleichen Ahab untersteht, entkommt nirgendwohin.

Beides keine glücklichen Ausgänge. Ahab wie Bartleby enden einsam, unverstanden, verbohrt und tot.

Das Moderne daran: Ab etwa 1920 finden die Ungeheuerlichkeiten in der Literatur nicht mehr in äußeren Umständen statt, sondern im Verhalten der Figuren. Will sagen: Ab beispielsweise Kafka wird die Erde nicht mehr von einem Erdbeben in Chile umgewälzt, sondern die Menschen mauern sich ihre Katastrophe, schaufeln sich ihr Grab fein schön selber.

Gerade den Kafka nämlich nimmt der Bartleby 1853 ganz eklatant vorweg: Erst macht er alle, wie sie da sind und nicht weiterwissen, zu seinen verblüfften Mittätern, dann zieht er seine unerklärliche Unvernunft bis zuletzt durch. Selbstzerstörung ohne Rücksicht auf Verluste anderer.

Gerade diese fundamentale Nutzlosigkeit des Untergangs ist hochmodern, sorry to say. Einen eventuellen Gott hat spätestens Nietzsche für tot erklärt, das war 1882. 1851, bei Moby-Dick, hatten die Menschen wenigstens noch Ahab.


Viel davon steht im Vorwort von Jorge Luis Borges zur Bartleby-Ausgabe in seiner eigenen Bibliothek von Babel (Band 17 von 30) – und ihr, die ihr auf der Suche seid nach Material für eure Englisch-Hausarbeit: Eine brauchbare Interpretation zum Bartleby steht in der Lesekost, da nehmt ihr noch ein paar Aspekte aus dem Fluter mit rein.

Bartleby, der hölzerne Charakter

Written by Wolf

9. May 2007 at 1:01 am

Posted in Rabe Wolf

Guck!

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Update zu Such!:

Die gute Frau Fernseh. Mag so gern spielen und wirft dem Wolf ein Stöckchen hin. Eins zu ihrem ureigenen Thema, der persönlichen Rezeptionsgeschichte von Filmen. Na, da sind wir mal nicht so, nä.

Ein Film, den du schon mehr als zehnmal gesehen hast:

Bestimmt die Rocky Horror Picture Show. Seinerzeit in Nürnberg hat das Roxy den Münchner Museum Lichtspielen nachgeeifert und das Ding so lange wie möglich gebracht. München ist bei 30 Jahren, Nürnberg muss so bei 20 Jahren aufgegeben haben, da hab ich mich gern mal unter die Aficionados gemischt. Den Tipp hatte ich vom besten Englischlehrer der Welt (wegen Homosexualität in der Lehrprobe aus dem Referendariat gemobbt), ab da wurde Musik wichtig in meinem Leben.

Leben des Brian, Pulp Fiction, Spiel mir das Lied vom Tod.

Ein Film, den du mehrfach im Kino gesehen hast:

Die nämlichen. Und Anfang-Mitte der 1990er bin ich gern mehrfach in die Kaurismäkis, Jarmusche und Coens, vorzugsweise Sonntagnachmittag, wenn man mit einzwei anderen Freaks alleine drinsaß. Zweimal war Pflicht: einmal zum Hinterherdenken, einmal zum Vorauswissen, ab dem dritten Mal ähneln sich die Erlebnisse.

Ein Schauspieler, wegen dem du eher geneigt wärst, einen Film zu sehen:

Nicole Kidman in Moulin RougeJohnny Depp. Nicht wegen Hollywood-Sugarboy, sondern weil der Mann einfach keine doofen Drehbücher annehmen kann. Dann die üblichen Verdächtiginnen: Nicole Kidman, Winona Ryder, Christiane Paul; die Mädels altern gut. Und mich beeindrucken so ein paar stille Hollywoodianer, die einfach nur mit Anstand ihre Arbeit verrichten: Kevin Kline (der Familienvater im Eissturm, Oscar für den Bösi im Fisch namens Wanda, that’s what I call Bandbreite), Anthony Hopkins, Alan Rickman, Bill Nighy, John Turturro.

Ein Schauspieler, wegen dem du weniger geneigt wärst, einen Film zu sehen:

Weiß ich keinen. Ich bin doch so ein wohlmeinendes Herzchen.

Filmmusical, dessen Songtexte du komplett auswendig kennst:

Komplett? Wahrscheinlich nicht mal die o.a. Rocky Horror Picture Show. Mag irgendjemand Musicals?

Ein Film, bei dem du mitgesungen hast:

Ich werd mich hüten…

Ein Film, den jeder gesehen haben sollte:

Carpatia. Um zu lernen:

  • Europa besteht nicht aus Berlin und Brüssel.
  • In Transsylvanien wohnt nicht nur Van Helsing.
  • Über einem Dokumentarfilm mit sehr viel Landschaft und sehr viel Ruhe muss nicht die ganze Zeit die Wish You Were Here wabern, sondern eigentlich gar nix.

Das war jetzt ein Ausbüchser in meinen Alterspositivismus, der mir sagt, dass die Rezeption von Gegebenem sehr unterhaltend sein kann. Sonst hätt ich vielleicht gesagt, Die fabelhafte Welt der Amelie, aber wie sieht denn das aus.

Lieber noch A Knight’s Tale, der auf Deutsch leider Ritter aus Leidenschaft heißt, aber sonst von vorn bis hinten ein großes Vergnügen ist. Und ein Lehrbeispiel für alle Drehbuchschulen. Ein Mittelalterfilm, der mit Queen anfängt, das muss eine Gaudi geben. Und wenn schon aus sonst keinen Gründen, dann wegen Paul Bettany als Geoffrey Chaucer als früher Poetry Slammer, ein Geschenk an alle Anglisten. Es lohnt sich durchweg, nicht auf den Bildschwerpunkt mitten ins Geschehen zu schauen, sondern auf alles, was am Bildrand passiert. Ein Füllhorn an Details.

Ein Film, den du besitzt:

Oh, es läppert sich. Meine erste DVD war Das Leben ist eine Baustelle, damals noch obszön teuer. Welche, die ich ab und zu sogar angucke, sind Night on Earth, Angel Heart und ein paar Monty Python.

Ein Schauspieler, der seine Karriere nicht beim Film startete und der dich mit seinen schauspielerischen Leistungen positiv überrascht hat:

Ups, Gala-Wissen… Sind Kabarettisten schon Schauspieler? Wo nicht, dann Josef Hader. Als gescheiterter Polizist und Detektiv, aktuell Rettungsfahrer Brenner in Komm, süßer Tod.

Schon einmal einen Film in einem Drive-in gesehen?

Never ever. Ich und Autos. Hab ich was verpasst?

Schon mal im Kino geknutscht?

Nein, ich guck immer nur. Meine Begleitungen danken es mir.

Ein Film, den du schon immer sehen wolltest, bisher aber nicht dazu gekommen bist?

Tanz der Teufel. Hört man ja Wunderdinge drüber.

Hast du jemals das Kino verlassen, weil der Film so schlecht war?

Sissi in ÖlNein, viel zu geizig. Ich hab auch nur einmal gesehen, dass jemand das macht: In Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins haben welche vor mir bei den anzüglichen Stellen schon immer so demonstrativ moralisch geschnauft. Als es dann auch noch lesbisch wurde, hat’s denen gereicht.

Ein Film, der dich zum Weinen gebracht hat:

Der dritte Sissi-Teil: Null Handlung, nicht mal eine Andeutung eines Konflikts, einfach eine riesenhafte Verschwendung von Material und Zelluloid, es ist schon tragisch.

Aber was gemeint ist: Früher hab ich an allen auch nur halbwegs vorgesehenen Stellen geschluckt; im Alter, vor allem nach zu vielen Making-ofs, wird man ein viel zu ausgepichter Kritikaster und sieht dauernd Kaugummi malmende Kabelbongos und feixende Requisiteusen ums Set rumstehen.

Popcorn?

Da kann ich ja gleich knutschen.

Wie oft gehst du ins Kino?

Hüstel. Zu selten.

Welchen Film hast du zuletzt im Kino gesehen?

Muss demnach tatsächlich im Oktober 2005 Brothers Grimm gewesen sein. Jaja, ich schäm mich schon.

Dein Lieblingsgenre?

Der jeweils beste Film aus jedem Genre ist immer die Parodie darauf. Der Lausbub in mir zuckt höchstens kurz freudig zusammen, wenn’s Western gibt, vorzugsweise in Spaghetti-Ausprägung.

Dein erster Film, den du im Kino gesehen hast?

Müsste einer von den DEFA-Märchenfilmen gewesen sein, wahrscheinlich Rotkäppchen. Nein, ich bin nicht aus der DDR. Das hat unser Kleinstadtkino freiwillig aufgeführt.

Welchen Film hättest du lieber niemals gesehen?

Das große Fressen. Ich seh mich noch fassungslos vor dem frühen RTL sitzen und denken: Das soll Kunst sein?! Einfach eine inhaltslose Schweinerei, weder aufrüttelnd noch erhellend noch lustig.

Der merkwürdigste Film, den du mochtest?

Ich mag ausschließlich merkwürdige Filme. Wenn “merkwürdig” das Gegenteil von “mainstream” sein soll, freu ich mich richtig, dass ich noch so viele Dogma-Filme vor mir hab. Oder sind die schon in den Mainstream rübergesickert? Wenn Jarmusch, Coen und Monty Python nicht reicht, nehm ich noch Delicatessen.

Der beängstigendste Film, den du je gesehen hast?

Der dritte Sissi-Teil, siehe oben.

Aber was gemeint ist: Ich durfte mit zehn oder so versehentlich einen Tatort mitgucken, Drei Schlingen. Verstanden hab ich nicht viel, außer dass es dem einen Typen überhaupt nicht recht war, dass er jetzt zum Balkon runter aufgeknüpft wird… Beim Nachsurfen find ich grade raus, dass der wegen übermäßiger Brutalität nie wiederholt wurde, und dass der Das-Leben-ist-eine-Baustelle– und Good-Bye-Lenin-Wolfgang-Becker an der Regie war. Sapere aude.

Was war der lustigste Film, denn du je gesehen hast?

Wahrscheinlich doch Leben des Brian. Immer wieder 90 Minuten durchlachen.

Das Stöckchen geht experimentellerweise an die Wortteufelin, die Phrixuscoyotin und zwecks der Quote an den Hamster. Frau Kinkling hatte das Vergnügen bereits, und ansonsten les ich doch nur lauter solche Schnöselblogs.

Written by Wolf

7. May 2007 at 1:30 am

Posted in Mundschenk Wolf

Wenn die Riesenmaschine Moby-Dick geschrieben hätte

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05.05.2007 | 00:01 | Supertiere | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

WÄHLT WALE!

Wie werden wir in der Zukunft eigentlich unseren Energiebedarf decken? Das nächste große Ding ist ja, besonders nützlich bei dem allfälligen Networking selbst in Bereichen der Kultur und des Same Old In and Out Game, Vitamin B.

Kathrin Bambi PassigDie Lösung kommt, wie alles Leben, aus dem Meer. Musste man gestern noch Restaurants gut finden, die uns Gerichte aus Algen zusammenkochten, werden wir wohl bald mit moderner Technik ausgestattete Schiffe aussenden, die uns die bisherigen Konsumenten der Algen auftischen sollen. Eine Bombe an Vitamin B, und dem internationalen Networking, das hier eine zusätzliche Bedeutung erfährt, dient es auch.

Es kam eben schon immer darauf an, am richtigen Ende der Nahrungskette zu sitzen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Richtig Walreiten

 

Ratgeber

*  SO GEHT’S:

– Krill vom Grill
– Cetaceen meerblau lackieren
– Starbucks Kaffee versüßen

*  SO NICHT:

– Algenreste zwischen den Zähnen (ohne den Blupp)
– den Captain harpunieren
– Zeitarbeiter shanghaien


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

“Herman Melville’s Moby Dick”, John Huston (1956)

Plus: 11, 42, 89
Minus: 11
Gesamt: 2 Punkte

Written by Wolf

5. May 2007 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf

Dear Mr. Queequeg, you have been informed your life’s been saved

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oder: Urviecher unter sich

Elke rockt auf:

Elke HegewaldEine Lesemannschaft, die seit Monaten mit Herman Melville lebt, weiß längst nicht mehr nur von Experten, dass es kulturelle Standardwerke gibt, die langlebig und nachhaltig in ganze Generationen gesickert sind. Über die man auf Schritt und Tritt – in der Kunst und im Alltag – in Form von Zitaten, Insider-Sprüchen und Symbolen geradezu stolpert. Moby-Dick gehört ohne Zweifel zu ihnen. Ob er nun in seichten Filmkomödchen als Nachweis für die Belesenheit eines Kerls herhalten muss, der um eine Angebetete herumbaggert, die Helden kultiger Fernsehserien ihren Hund und ihren Daddy nach einem Romanhelden benennen oder sich in ebensolchen gar selber mit ihm identifizieren. Ja, manch einer trifft Queequeg sogar in einer Berliner Kneipe. Sowas kann uns Jäger und Sammler auf Mobys Spuren kaum noch überraschen – aber es hält den Jagdtrieb wach. Und was dabei herauskommt, ist nicht zuletzt in diesem Blog in bunter Folge dokumentiert.

Was wir auch schon wissen: dass es viel mehr so schnurrige Leute wie uns gibt als man denkt, die dieses alte Buch nicht loslässt. Das freut uns doch. Und einige von denen machen sich ihren eigenen Moby-Dick.

Mastodon, Leviathan Guitar Tab BookSo auch eine Band mit dem urigen Namen Mastodon, vielleicht nicht nur Insidern und Fans ein Begriff. Jedenfalls haben sie mit ihrem Konzeptalbum Leviathan, das man auch gut eine Rock-Oper nach der Melvilleschen Vorlage nennen kann, 2004 mit Wahnsinnserfolg ihren großen (Wal-)Fang eingeholt. Die Idee dazu hatte Brann Dailor, der Drummer der Band. Und herausgekommen ist die Geschichte von Moby Dick in bemerkenswertem Songwriting und facettenreicher Musik, die von verschiedenen Metal-Genres bis Rock und Hardcore reicht.

Eine mitreißende und flott zu lesende Rezension, deren Ausführlichkeit kaum Fragen offen lässt, habe ich bei Captain Chaos gefunden und kann mir ein paar Auszüge daraus hier nicht verkneifen, um einen Eindruck zu vermitteln:

[…] um so ein Album zu erschaffen, braucht es mehr als nur musikalisches Können, es braucht Visionen und Konsequenz in erhöhter Dosis. MASTODON haben dies. […] die jeweiligen Stimmungen der Texte müssen eben eingefangen werden. Dadurch steht das geheimnisvolle und düstere “Seabeast”, das so intensiv ist, dass man Moby Dick wirklich vorbeischwimmen sieht, in trauter Eintracht neben dem brutalem und verschachtelten “Island”. Noch wilder wird es mit “Megalodon”, das relativ dezent und ruhig beginnt, nach einem Break mit Country-Gitarren jedoch in eine METALLICA-mäßige Speed Metal-Richtung abdriftet. Mit seinen fast 14 Minuten ist das progressive Epos “Hearts Alive”, das die Stimmung wechselt wie ein Chamäleon seine Farbe am undurchdringlichsten. Großes Kino, doch gleichzeitig der einzige Song, der leicht zerfahren wirkt.

Dafür gibt es große Gänsehautmomente in “Iron Tusk”, zu dem man sich vorstellen kann, wie ein betrunkener, bärtiger aber trotzdem erhabener Seemann Geschichten erzählt, das ist eine tolle Leistung von Sänger Troy Sanders. “Naked Burn” reißt von Anfang an mit, ist eine leidenschaftliche Nummer, die von dem cleanen, an Ozzy Osbourne erinnernden Gesang von Brent Hinds lebt und bei dem man sich richtig vorstellen kann, wie ein Matrose nachts an Deck steht, seine Liebste vermisst aber gleichzeitig hofft, noch viel von der Welt zu sehen. Das beeindruckendste und wahnsinnigste Stück auf “Leviathan” trägt den verdienten Titel “Aqua Dementia”. Ein wildes und unkontrolliertes Meisterwerk, das nicht mal vor Black Metal-Gekreische halt macht und zusätzlich mit der unvergleichlichen Stimme von NEUROSIS-Sänger Scott Kelly veredelt wurde. Unfassbar intensiv und atemberaubend spannend. […]

Dem Quartett ist das geglückt, was ich erhofft, aber nicht für möglich gehalten habe: […] einen der besten Romane der Erde würdig zu vertonen. MASTODON zeigen, dass sie eine Band sind, die nicht belächelt werden darf, denn sie schaffen es, die Qualitäten der alten Rock- und Metalbands ins 21ste Jahrhundert zu befördern. Respektiert dieses emotionale, intensive, spannende und gehaltvolle Album, alles andere wäre Frevel. MASTODON retten den Rock.

Auf YouTube und der offiziellen Band-Site sind diverse Musikvideos, auch mit Titeln aus diesem Album, zu finden. Ansehenswert finde ich vor allem die Seabeast-Version, die neben der musikalischen Umsetzung ein Feuerwerk an Effekten bietet: von schattenspielähnlichen Szenen über verfremdende und expressive Pantomime bis hin zu durch das Bild tanzenden Ballettmädchen in Spitzenröckchen – großes Kino.

Wem das noch nicht reicht, der kann auch gerne noch in ein Interview des Man in Front zum Leviathan reinhören. Oder sollte ihm die Jagd zu wild und die Musik zu laut sein, in den Lyrics wühlen.

Yeah! White whale – holy grail…

Mastodon die Band

Written by Wolf

4. May 2007 at 1:14 am

Posted in Smutjin Elke

Weihnachten winkt: Steffi hat Kapitel 22 gelesen

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Steffi sagt:

Katchoo wants her FBI file looked upSo, mit angemessener Verspätung, um alle vergrault zu haben und doch einen guten Grund zu haben, melde ich mich wieder an Deck und völlig seetüchtig. Ich melde mich nun von einem anderen Standpunkt aus und bin seit gestern auch wieder von zuhause aus internetfähig. Ich ziehe also alle Segel auf und versuche wieder in den fremden Gewässern Fuß zu fassen, ruderisch zu euch aufzuschließen und tapfer in meinem Beiboot dem Wal hinterherzusegeln.

Falls euch noch Metaphern einfallen, die ich vergessen habe, könnt ihr sie gerne nachtragen.

Also. Weihnachten.

Zum Glück fühlt es sich außerhalb meines Schreibtisches eher wie Hochsommer an und ich kann mich gut in die Mannschaft hineinversetzen, wie sie einst sich nahezu aller Kleidungsstücke entledigt auf dem Deck darben wird.

Noch ist es nicht so weit.

Noch ist eher Zeit zurückzublicken, denn nun geht es doch eigentlich erst richtig los. Wir erreichen die offenen Gewässer. Ahab ist immer noch nicht gesehen, doch schwingt Melancholie mit, und prophetische Worte werden gesprochen. Wenn auch noch falsch bezogen, können sie einem einen Schauer über den Rücken jagen, wenn Ismael uns an seinen Gedanken teilhaben lässt: “[…] dachte ich doch an die Gefahr, in die wir uns beide begaben, indem wir die Fahrt mit dem Leibhaftigen als Lotsen antraten.” (Seite 183)

Also, Männer, in die Hände gespuckt, den Teufel ins Auge gefasst und denn mal tau.

Sailoress by Operaghost

Written by Wolf

3. May 2007 at 12:01 am

Posted in Steuerfrau Steffi

Bürgerkriegsware

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Update zu Was man überhaupt noch glauben soll:

8, Whitehall Street, Atlanta, Georgia, 1864. Eines von Hunderten Fotos, die von George N. Barnard während General William Tecumseh Shermans Atlanta-Feldzug im Herbst 1864 aufgenommen wurden. Am 15. November des Jahres ließ Sherman konföderierte Munitionsgeschäfte beschießen und verließ die Stadt in einer Feuersbrunst.

Auction & Negro Sales

Herman Melvilles Freund Nathaniel Hawthorne war gerade (am 19. Mai) gestorben, er besichtigte die Schlachtfelder von Virginia, litt an neuralgischen Schmerzen und Depressionen und fing einen Gedichtband über den Bürgerkrieg an (beendet: 1866).

Danke an den Weblog 100-jähriger Fotos.

Written by Wolf

2. May 2007 at 12:01 am

Handlungsanweisung: Rike von Ungefähr

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Update zu Moby-Dick goes Ceti Alpha V:

(Ul-)Rike LauUlrike Lau spielt Cello bei den 17 Hippies. Zuvor war sie in der zweiten Star Trek-Staffel die deutsche Synchronstimme für Deanna Troy, eine Psychologin und Unternehmensberaterin, die für die Enterprise arbeitet. Ihr Hauptaufgabengebiet sind die Customer Relations, da sie ein Gespür für gute Deals hat. Ihren Psychologenposten hat sie eigentlich nur, um härtere Psychopharmaka ziehen zu können.

Soweit die Tatsachen.

So, und jetzt lassen Sie mal in einer sozialen Situation Ihrer Wahl smalltalkweise einfließen, dass die Cellistin von den 17 Hippies mal Deanna Troy gesprochen hat und was das für eine war, und geben Sie im Kommentar ein Episödchen aus der Reihe Leben mit Herman Melville zum besten, wie Sie sich einmal wie Queequeg in der Maidemo gefühlt haben.

Bild: Ulrike Lau via Dietmar Bramsel.

Written by Wolf

1. May 2007 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf