Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for August 2006

Bonny Approaches the Ocean

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Sollte ich miese kleine Landratte vergessen haben, den Neuzugang zu begrüßen?

Dann mal willkommen an Bord, Matrosin Elke. Stellnse Ihren Seesack dahinten inne Ecke, nehmense sichn Schiffszwieback und haltense Ihren btb-Moby von Salzwasser fern. Leider heiß ich nicht Ahab und bin von daher nicht befugt, etwelche Ablegemanöver zu kommandieren, aber Maatin Steffi wird zur Wachablösung schon mal wieder auftauchen.

Das wirft mich einmal mehr in einen Mädchenverein. Und das bei diesem Jungensbuch. Nun, man ist davon abgekommen, dass Frauen auf Schiffen Unglück bringen; so christlich ist die heutige Seefahrt wiederum nicht.

So viel Prework. Darf ich vielleicht endlich das Vorwort lesen?

Anne Bonney over the ocean

Written by Wolf

30. August 2006 at 3:36 am

Posted in Kommandobrücke

Bordfunk

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Bloggen kann ich viel. Im Falle Melville wird es Freizeitbeschäftigung bleiben.

Der Bayerische Rundfunk hat sich schon anno 2002 fundiertere Gedanken gemacht und ein paar Experten – genau genommen eine Expertin – auf das Thema angesetzt. Das Hörstück heißt Melville, der Rätselhafte. Leben und Werk eines großen amerikanischen Dichters, wird am Montag, den 4. September 2006 ab 20.30 Uhr wiederholt und dauert 55 Minuten. Welch wohltätiger Rückenwind für den Lesespaß als Gemeinschaftsunternehmen.

Auszug:

Herman Melvilles Leben und Werk gehören zu den großen Rätseln der Literaturgeschichte. Es gibt von ihm keine Tagebücher, ein Großteil seiner Korrespondenz ging verloren. Mit Hilfe der erhaltenen und wiederentdeckten Dokumente und Texte porträtiert Mira Alexandra Schnoor den großen Dichter.

“Aber ich wohn doch gar nicht im bayerischen Hinterland, äh, Sendegebiet, wollt ich sagen!”

Das ist kein Argument. Bayern 2 hat Livestream. Also Mitreisende und -lesende am 4. September bitte da hineinloggen, Real Player fit machen und kulturferne Dazwischenquasselstrippen ins Kino schicken.

Von wegen keine Tagebücher

Written by Wolf

29. August 2006 at 11:27 pm

Posted in Moses Wolf

Keine Richtung nach Hause

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KulturleistungMoby-Dick ist ja das, was der US-Amerikaner statt Faust hat. Ansonsten ernährt er sich bekanntlich von Kaugummi, was man seiner so genannten Sprache auch anhört, macht eine Musik wie die Affen auf den Bäumen und legt die Füße auf den Tisch. Jedenfalls meint das mein Vater, dessen Tage der HErr, der über uns wohnt, im übrigen mehren und schirmen möge, heute noch.

Bewusstseinsbildend wirkte Moby-Dick nicht zuletzt in der Form auf mich, dass ich fortan meinem Vater nicht mehr nachplauderte, “die Amis” – wer immer das sein soll – hätten “keine Kultur”. Wer Hausheilige wie Herman Melville, Tom Waits, Bob Dylan und Edgar Allan Poe hat, verfällt nicht auf solchen Dünnsinn. Dafür, dass sie einen bescheuerten Präsi haben, können sie ja nichts; schließlich haben sie ihn nicht gewählt.

Und wer in dem sensiblen Alter nur Karl May liest, hält am Ende Sachsen für die Krone aller Kultur.

Written by Wolf

24. August 2006 at 7:26 pm

Posted in Mundschenk Wolf

Loomings cont.

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Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.

Aber das ist ja gar nicht von Ringelnatz. Das schon:

Hafenkneipe

In der Kneipe “Zum Südwester”
sitzt der Bruder mit der Schwester
Hand in Hand.
Zwar der Bruder ist kein Bruder,
doch die Schwester ist ein Luder
und das braune Mädchen stammt aus Feuerland.

In der Kneipe “Zum Südwester”
ballt sich manchmal eine Hand,
knallt ein Möbel an die Wand.

Doch in jener selben Schenke
schäumt um einfache Getränke
schwer erkämpftes Seemannsglück.
Die Matrosen kommen, gehen.
Alles lebt vom Wiedersehen.
Ein gegangener Gast sehnt sich zurück.

Durch die Fensterscheibe aber träumt ein Schatten
derer, die dort einmal
oder keinmal
abenteuerliche Freude hatten.

Hafenkneipe, Öl, 1933, verschollen

Written by Wolf

22. August 2006 at 10:30 pm

Sex and the Sea

with 2 comments

Fast das Schönste an dem ganzen Moby-Dick ist ja die vollständige Abwesenheit von Erotik. Oder sollte ich was übersehen, gar verdrängt haben? Wenn jemandem noch ein anderes Monument der Weltliteratur auffällt, das ohne Liebesgeschichte auskommt, soll er sich bei mir melden.

Es kommt ja in dem ganzen Ding nicht mal eine Frau vor – außer in einem einzigen Satz die Wirtin der Hafenkneipe von Nantucket, 2. Kapitel, glaub ich. Außer einem Hardcore-Freudianer wird niemand auch nur die übliche latente Homosexualität in diesem Jungsverein feststellen.

Es gibt Zeiten im Leben, da wirkt das sehr entlastend. Endlich mal ein reines Jungensbuch, ohne Weiberkram, einfach auf der gebotenen Breite von ein paar hundert Seiten die Probleme, die im Leben wirklich wichtig sind: der Kampf Mensch gegen Kreatur. Danach hat das erst wieder Hemingway verstanden und für seine Entspannungsarbeit prompt einen Nobelpreis eingefahren.

Schön, dass wir auch darüber gesprochen haben. Warum es dann heißt: Thar she blows, kriegen wir nächstes Semester. Weiter mit Deckschrubben.

Written by Wolf

21. August 2006 at 10:50 pm

Posted in Wolfs Koje

Moby & ich

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Thar she blowsMoby Dick war mein erstes Reclam-Heft. Reclam war damals noch billig, und es war demnach die Seiffert-Übersetzung von 1956, zwölf Jahre älter als ich, und ich war wohl so dreizehn.

Für Seemannsromantik war ich schon immer empfänglich. Wenn ich was Billiges zu lesen wollte, kaufte ich mir sogar die Räuberheftchen, die “Seewolf” hießen, wenn daneben Jerry Cotton lag, der damals noch nicht ganz so uncool war. Das heißt aber nicht viel; ich bin ja sogar für Fernfahrerromantik empfänglich.

Wie Dreizehnjährige so sind, wollte ich umgehend Ismael sein. Was dieser angenehm übersichtliche Charakter für ein mythisches Ausmaß hat, ahnte man erst viel später. Jedenfalls hab ich das nicht irgendwie weggelesen, vielmehr trat dieses Buch in mein Leben, man kann es nicht billiger sagen – ein Erlebnis, das ich später allenfalls noch mit Richard Brautigan, Max Goldt und den Sandman-Comics hatte (in chronologischer Reihenfolge).

Das Reclam-Heft – denn auch Reclam-Bücher werden immer “Hefte” sein – sah schon unverhältnismäßig zerfleddert aus, während ich es las, weil ich es überall mit hinschleppte, weil man ja in dem Alter seinerseits noch von seinen Eltern überall mit hingeschleppt wird, und ich in der Schule keine kostbare Lesezeit verschenken wollte. Die Ränder sind rundum mit Tesafilm verstärkt, und es muss wohl ich gewesen sein, der mit Bleistift hinten reingekrakelt hat: “Dieses Buch war schon mal in Förrenbach” – offenbar aus der Erkenntnis heraus, dass sua fata habent libelli. Förrenbach, das war ein von meinen Eltern gerne zu Sonntagsausflügen frequentiertes Kaff in der Hersbrucker Schweiz, Frankenalb.

Als mir mal eine Freundin sagte, sie fühle sich zur Zeit wie Ismael im ersten Kapitel (“als mich nichts Besonderes an Land hielt”), wusste ich: Es ist aus. Über die Dreizehn war ich hinaus, aber Ismael, das war immer noch, wenn schon, mein Part.

Meine nächste Moby-Ausgabe kaufte ich mir erst, als ich nach München gezogen war, im Advent 1997. Da führte ich meiner Freundin – die heute meine Frau ist – Deutschlands größten englischen Buchladen vor, den Words’ Worth in der Schellingstraße. Da haben sie ein Shakespeare-Zimmer, einen Hauskater namens Morris und ein überaus engagiertes, vier Mann starkes Personal. Und weil ich nie zuschauen kann, wenn sie sich ein Buch kauft, ohne dass ich auch eins krieg, schnappte ich wie selbstverständlich nach der Studienausgabe Moby-Dick bei Norton. Es musste schnell gehen, weil der Laden selbst im Weihnachtsgeschäft am frühen Samstagnachmittag dicht machte. In solchen Fällen landet man entweder einen gloriosen Fehlgriff oder erwischt das, was einem ohnehin von einer höheren Instanz zugedacht war. Und mit meinen Spontankäufen bin ich eigentlich immer ganz gut gefahren.

Als es mit angedeuteter Frau ans Einrichten einer Wohnung ging, musste mein Zimmer unbedingt aussehen wie Ahabs Kapitänskajüte. Sollte je die Walfangprämie aufgeteilt werden, arbeiten wir weiter dran.

Moby-Dick im Original bedeutete einen Quantensprung in meinen Englischkenntnissen, weil ich penibel auch die ganzen Fachausdrücke der christlichen Seefahrt im allgemeinen und des Walfang-Handwerks im besonderen nachschlug; Norton bietet ein seemännisches Glossary. Wir Anglistik-Studierten kennen ohnehin Wörter, über die jeder Native Speaker Mund und Augen aufreißt – was mich leider eher davon abhält, souverän auf Englisch zu parlieren, aber mach was. Erkenntnis ist durch nichts zu ersetzen.

Und dann machte Hanser ab 2001 die Melville-Ausgabe auf Deutsch und ließ alles frisch übersetzen. Ich nix wie hin und ein Stück aus der Erstauflage kommen lassen. Und was soll ich sagen: Schon klasse.

In diesen Tagen vor einem Vierteljahrhundert ist mir Moby-Dick zugelaufen. Leben mit Melville.

Written by Wolf

20. August 2006 at 10:18 pm

Nennt mich Ismael.

with 2 comments

Von mir aus auch Wolf. Ab sofort stimmt beides.

Der Plan ist, zu mehreren gleichzeitig Moby-Dick – nur echt mit dem Bindestrich – von Herman Melville zu lesen.

Christian schmeißt ein Schreibbüro in Berlin, Elke ebenda eine sozialpolitische One-Man-Show, Steffi ist vom Fach. Man sollte also glauben, dass wir alle ein funktionierendes Sozialleben führen. Wir lesen einfach gern Bücher von 1851. Überlegen Sie deshalb gut, was Sie kommentieren. Wir tun’s auch.

Und jetzt in die Wanten mit uns Landratten.

Written by Wolf

18. August 2006 at 11:41 pm

Posted in Rabe Wolf