Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for January 2008

Lachen uns die Engländer mit ihrem großen praktischen Verstande aus und gewinnen die Welt

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oder: The White Americans have never really been proud of their own history

Update zu Was man überhaupt noch glauben soll
und Bürgerkriegsware:

Herman Melville und die Deutschen. Belesener Weltbürger, der er war, setzte er eine Momentaufnahme aus Eckermanns Gesprächen mit Goethe in die dem Wal vorausschwimmenden Extracts:

The papers were brought in, and we saw in the Berlin Gazette that whales had been introduced on the stage there.

Eckermann’s Conversations With Goethe
as quoted in the Extracts for Moby-Dick

Das muss er aus der seinerzeit kursierenden englischen Übersetzung von Margaret Fuller, Boston 1839, haben. Der weite Weg vom Ereignis zu Weimar, Eckermanns Dokumentation, Fullers Übersetzung, Melvilles Kenntnisnahme bis zur Verwendung in Moby-Dick wurde also recht zügig zurückgelegt:

Es kommen verschiedene Zeitungen, und wir sehen in den Berliner Theaternachrichten, daß man Seeungeheuer und Walfische auf dortige Bühne gebracht.

Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 31. Januar 1830

Es kommen verschiedene Zeitungen, und wir sehen, dass die Nazis ihren Feiertag gestern hatten. Jenen 31. Januar 1830 verbrachte Goethe mit Eckermann über der Durchsicht seiner Jugendmanuskripte (Götz sieht sehr reinlich aus, Werther ist verloren), und die Berliner Theaterleute spinnen wieder.

Bei belustigtem Zurückblättern gab es schon prekärere Themen im Hause Goethe. 1. September 1829:

Whipped Slave Gordon, 2. April 1863Während aber die Deutschen sich mit Auflösung philosophischer Probleme quälen, lachen uns die Engländer mit ihrem großen praktischen Verstande aus und gewinnen die Welt. Jedermann kennt ihre Deklamationen gegen den Sklavenhandel, und während sie uns weismachen wollen, was für humane Maximen solchem Verfahren zugrunde liegen, entdeckt sich jetzt, daß das wahre Motiv ein reales Objekt sei, ohne welches es die Engländer bekanntlich nie tun und welches man hätte wissen sollen. An der westlichen Küste von Afrika gebrauchen sie die Neger selbst in ihren großen Besitzungen, und es ist gegen ihr Interesse, daß man sie dort ausführe. In Amerika haben sie selbst große Negerkolonien angelegt, die sehr produktiv sind und jährlich einen großen Ertrag an Schwarzen liefern. Mit diesen versehen sie die nordamerikanischen Bedürfnisse, und indem sie auf solche Weise einen höchst einträglichen Handel treiben, wäre die Einfuhr von außen ihrem merkantilischen Interesse sehr im Wege, und sie predigen daher, nicht ohne Objekt, gegen den inhumanen Handel. Noch auf dem Wiener Kongreß argumentierte der englische Gesandte sehr lebhaft dagegen; aber der portugiesische war klug genug, in aller Ruhe zu antworten, daß er nicht wisse, daß man zusammengekommen sei, ein allgemeines Weltgericht abzugeben oder die Grundsätze der Moral festzusetzen. Er kannte das englische Objekt recht gut, und so hatte auch er das seinige, wofür er zu reden und welches er zu erlangen wußte.

Holla, der alte Geheyme Rath (80). Parliert geläufig über die Motive der Sklavenbefreiung. Eine menschliche Existenz gesteht er der Handelsware nicht zu, mich erinnert seine Wortwahl an die Beurteilung der Heuernte, in einer Oberpfälzer Bauernbierschwemme vom Dorflehrer mitgeschrieben beim Versuch, dem Volk aufs Maul zu schauen.

Sehen wir es ihm nach: Auch solche, die der Negerhaltung misstrauten, ich denke da an Herman Melville in Benito Cereno und seinen humoristisch gezeichneten poor old Yorpy aus The happy Failure, nahmen bei allem Wohlwollen für die komische Rasse bestenfalls einen Paternalismus ein, für den sie heute schlicht als glatte Rassisten durchgingen, dabei waren sie in einem Kontext real existierender Sklaverei das Gegenteil davon. Es muss wirklich eine sehr fremdartige Begegnung gewesen sein, als Abendländer auf Stärkerpigmentierte trafen.

Gordon im DienstHerr PJM, der jeden lieben Tag ein Old Picture of the Day ausstellt, hat sehr treffend beobachtet, wie auffallend wenige Bilder von Negersklaven aus der Zeit existieren, als Sklaverei eine lebenserhaltende Industrie darstellte. Wenn überhaupt, zeigen die Bilder entlaufene oder befreite Sklaven, nie aber die zweibeinigen Arbeitstiere im Einsatz. Vielleicht doch ein tiefes Bewusstsein von Unrecht und Schuld bei denen, die sich Sklaven — und dann bestimmt auch Kameras — leisten konnten?

Das dokumentierte Foto zeigt Gordon, nach anderer Quelle Peter, aus Mississippi, der nach seiner Flucht zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs in Baton Rouge, Louisiana vorsprach und erst als Vorzeigeflüchtling, danach als Soldat auf konföderierter Seite Verwendung fand. 1860 waren 47% der Bevölkerung von Louisiana versklavt; 1863 für Gordon immer noch eine Verbesserung seiner Umstände. Nach Louisianas strategischem Wechsel der Kriegsfront durfte Gordon immerhin für seine Interessen eintreten.

Vom misshandelten Arbeitstier zum Kanonenfutter für seine eigene Befreiung. Memo an mich: Bei dem ganzen Wirrwarr aus Unionisten, Konföderierten, Abolitionisten, Southern Unionists und border states steigt heute sowieso kein Schwanz mehr durch; da konnte sich selbst Melvilles Lyrik darüber nur noch ins Lamento retten. Da schaut ein Dialogdrama mindestens so lang wie die Iphigenie raus, Eckermännchen.

Bilder: Scars of a whipped slave, 2. April 1863: Wikimedia Commons;
Gordon in his uniform as a US soldier: Civil War Harper’s Weekly, 4. Juli 1863.

Written by Wolf

31. January 2008 at 12:01 am

Posted in Rabe Stephan

Vorabendvorstellung

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Update zur Seeräuber-Jenny:

Erreichte um 8 Uhr abends Heidleburgh. […] Bestieg um 2 Uhr mittags den Zug nach Frankfort am Maine. […] Nahm um halb elf den Zug nach Wiesbaden, stieg aber versehentlich in Mayence aus — um 2 Uhr. Weiter mit dem Schiff nach Cologne. […] Fuhr durch das Land des Rheinweins. […] Stand um 5 Uhr auf, frühstückte & ging zum Amsterdamer Bahnhof auf der anderen Flußseite. Durch Duselldorff & Utrecht. […] Darüber ließe sich wohl etwas Gutes schreiben, im ironischen Stil.

Herman Melville: Reisetagebuch, 21.—23. April 1857,
nach: Ein Leben, 2004, Seite 478ff.

Was den Film Cabaret von anderen Musikfilmen wohltuend abhebt, ist das Setting im, ja, eben: Cabaret, damit die Figuren ihre Lieder auf einer Bühne singen können, wie sich das gehört, und nicht dauernd unversehens in Gesang ausbrechen müssen. So schaurige Schießbudenfiguren ihn bevölkern, hält ihn das geradezu realistisch.

Das eindrucksvollste Lied des Films ist trotzdem das einzige, das nicht auf einer Bühne performt wird, sondern gerade doch in einem Biergarten geschmettert. Frischen Sie mal Ihr Gedächtnis auf, aber machen Sie sich auf alles gefasst: Es tut heute weher als vor dreißig Jahren, als Sie extra lange aufbleiben durften und sich nur über Liza Minnellis Schimpfkaskaden gefreut haben:

Tomorrow Belongs to Me wurde aus der Musical-Vorlage von 1966 für den 1972er Film übernommen und stammt demnach von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Text), dem Team hinter New York, New York.

Die Melodie orientiert sich an der Wacht am Rhein und dem Horst-Wessel-Lied, zwei durchaus schmissigen Gebrauchsliedern der Nationalsozialisten, so dass der Vorwurf an die beiden Schöpfer laut wurde, sie könnten ihre Nazihymne einen Tick zu ernst gemeint haben. Letztendlich ein Kompliment an ihr Lied, aber genauer besehen haltlos, weil sie von der späten Geburt begnadete Juden waren. Dafür, dass die als neonazistisch eingestufte Kapelle Skrewdriver es für sich entdeckte, konnten sie schon nichts mehr.

Nach der lebhaften Legendenbildung Hollywoods soll die Broadway-Kapazität Mark Lambert das Lied schon eingesungen, nachher aber ihren Auftritt verweigert haben, weil sie sich die Haare nicht blondieren lassen wollte. Im Film erscheint deshalb ein angeblich echter deutscher Statist namens Oliver Collignon. Die deutsche Synchronisation ist sowieso auch technisch ein Graus.

Was erwarten wir von Deutschen in amerikanischen Filmen? Dass sie als dümmlich oder gefährlich dargestellt werden, am besten beides. In dieser auf mehreren Ebenen zermürbenden Dramaturgie bedeutet das einen Gewinn. Nehmen wir es dieses eine Mal hin, die Deppen abzugeben: Zeit und Ort der Handlung sind dort angesiedelt, wo ziemlich viele Deutsche drauf und dran waren, ziemlich viel falsch zu machen.

Das Lied ist auf eine gespenstische Weise mitreißend. Als Ohrwurm ist es wahrhaft gemein.

Der Beste ist sowieso die überschminkte Schwuchtel auf dem Rücksitz am Schluss. Das ist Joel Grey als Conferencier, eine Art spukhafter Begleitmephisto durch den Film. Das war einen der acht Oscars und den Tony Award wert.

Morgen vor 75 Jahren war Machtergreifung. Das können Sie feiern, wenn Sie müssen, aber ohne mich.

Tomorrow Belongs to Me, Cabaret, 1972, Joel Grey

Film: ABC; Bild: Xah Lee.

Written by Wolf

29. January 2008 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Moby Dünn

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Update zu Kapitän Ahab will sich an einem Fisch rächen, benimmt sich wie der Teufel aus dem Verlorenen Paradies und geht aber unter:

I read the crap so you don’t have to.

MadHaiku, 24. Januar 2008

Im Februar 2008 fällt endlich auch in Deutschland auf, was der Orion Publishing Group, das ist die mit der verdienstreichen Everyman-Reihe, für Mai 2007 eingefallen ist. Die Neon, ein Blatt für die gleiche Zielgruppe wie für Weblogs, interviewt auf einer Doppelseite Gail Paten, Lektorin für die Compact Edition.

Electrocuting Whales and Machine Gunning Sea Lions, November 1931Worum geht’s? Gekürzte klassische Romane, die typischen dicken Bücher, die angeblich gut sein sollen, aber halt viel zu dick. Neon titelt auf Seite 142f.: “Editor’s Cut. Ein englischer Verlag kürzt Klassiker der Literaturgeschichte – damit wir sie lesen können.”

Bla. Das Problem ist bekannt: Jeder würde entweder ja gern die ganzen tollen Klassiker lesen, aber leider fängt grade Sex in the City an, oder ist sowieso in der Schule dafür versaut worden. Für die ersteren, die noch nicht ganz für lizenzfreie Weltliteratur verloren sind, ist die Compact Edition. Great books in half the time! Bis jetzt ist es bei zwölf solchen Ausgaben geblieben, laut Frau Paten sind weitere geplant.

Und wo heute zwölf Klassiker versammelt sind, da ist Moby-Dick mitten unter ihnen. In der Compact Edition ist er von 135 auf 94 Kapitel reduziert, was eigentlich noch ein moderater Eingriff ist. 336 Seiten. Natürlich fehlen darin die ganze zoologische Einteilung der Wale und Fachsimpeleien über Walfang.

Einen Punkt hat Frau Paten: Wenn es nicht zufällig Klassiker wären, hätte auch keiner was dagegen, dass Lektoren straffend eingreifen, um das Tempo der Handlung zu erhöhen. Heiligtümer wie David Copperfield sind als Fortsetzungsroman erschienen. Charles Dickens konnte also seine Brotgewinste dadurch sichern, dass er sich möglichst viel Zeit nahm, Nebenhandlungen mit schön vielen Nebenfiguren einführte und ausführlich abschweifte. Gute Gründe für einen langen Atem waren im 19. Jahrhundert zahlreicher als heute.

Worauf Frau Paten sich allerdings gehütet hat hinzuweisen, ist die Folter der Umzugshelfer, das Ärgernis der Flohmarkthändler, die Enttäuschung der Nachlassverwalter, die Verhöhnung der Literaten: Reader’s Digest Auswahlbücher, angeblich die beliebteste Buchreihe der Welt, die seit 1955 genau das gleiche macht, nur nicht als great books in half, sondern sogar quarter the time — außerdem, dass Robert A. diCurcio 1995-2000 einen sinnvoll gekürzten Moby-Dick als Nantucket’s Tried-Out Moby-Dick in der Funktion eines “Companion Reader” online gestellt hat, ebenfalls nach literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten, wie Frau Paten sie für sich behauptet — und dass gerade Moby-Dick auf eine Geschichte als zuschanden gekürztes Kinderbuch aus lauter “spannenden Stellen” zurückblickt, mit dem einzig ruhmreichen Aspekt, dass er immer noch unbeschadet da rausgekommen ist. Übrigens genau wie David Copperfield, Jane Eyre oder The Count of Monte Cristo — ebenfalls seit 2007 in Ihrer Compact Edition.

Kollegial anerkannt wird Jane Austen, die sehr dicht erzählt, so dass kaum Puffertext zum Kürzen übrig bleibt — nach modernen Maßstäben ein guter Job. Alle sieben Bände Harry Potter auf 400 Seiten will Frau Paten nicht prinzipiell ausschließen. Ist leider Copyright drauf, sowas aber auch. Den Text bei so spannenden Büchern mittendrin

Lesetipps:

Bild: Electrocuting Whales and Machine Gunning Sea Lions, November 1931;
Film: Jaws in 30 seconds, Angry Alien.

Written by Wolf

27. January 2008 at 12:01 am

Posted in Moses Wolf

One Total Inky Blot

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Update zu A Note on “Isle of the Cross”
aus der Reihe Verpasste Jubiläen:

In view of the description given, may one be gay upon the Encantadas? Yes: that is, find one the gaiety, and he will be gay. And, indeed, sackcloth and ashes as they are, the isles are not perhaps unmitigated gloom. For while no spectator can deny their claims to a most solemn and superstitious consideration, no more than my firmest resolutions can decline to behold the specter-tortoise when emerging from its shadowy recess; yet even the tortoise, dark and melancholy as it is upon the back, still possesses a bright side; its calipee or breastplate being sometimes of a faint yellowish or golden tinge. Moreover, everyone knows that tortoises as well as turtle are of such a make that if you but put them on their backs you thereby expose their bright sides without the possibility of their recovering themselves, and turning into view the other. But after you have done this, and because you have done this, you should not swear that the tortoise has no dark side. Enjoy the bright, keep it turned up perpetually if you can, but be honest, and don’t deny the black. Neither should he who cannot turn the tortoise from its natural position so as to hide the darker and expose his livelier aspect, like a great October pumpkin in the sun, for that cause declare the creature to be one total inky blot. The tortoise is both black and bright.

The Encantadas, Sketch Second: Two Sides to a Tortoise,
March 1854, opening

Suddenly, Last Summer, Filmplakat 1959Am 7. Januar vor 50 Jahren, das ist: 1958, wurde der Einakter Suddenly, Last Summer von Tennessee Williams uraufgeführt.

Kennen Sie nicht? Ich auch nicht. Noch dazu gehört das Jubiläum dem Stück nicht mal alleine: Am selben Abend gab es noch den Einakter Something Unspoken, was als Doppelpack Garden District hieß.

Wäre da nicht der Handlungsstrang in der 1. Szene:

Mrs. Venable. One long-ago summer—now why am I thinking of this?—my son, Sebastian, said, “Mother, Listen to this. He read me Herman Melville’s description of the Encantadas, the Galapagos Islands. He said that we had to go there. And so we did go there that summer on a chartered boat, a four-masted schooner, as close as possible to the sort of a boat that Melville must have sailed on. We saw the Encantadas, but on the Encantadas we saw something Melville hadn’t written about.

Obwohl das eher zu Anfang des Stücks vorkommt, war es nachweislich eine der letzten Stellen, die Williams einfügte: Durch Mrs. Venables Monolog zeigt Williams seine Hauptfigur Sebastian nebst Mutter auf den Encantadas, vulgo Galápagos-Inseln, wie sie das üppig sprießende und treibende und wimmelnde Stirb und Werde vom Krähennest ihres Schoners aus beobachten, vor allem wie frisch geschlüpfte Meeresschildkröten unter den Angriffen von flesh-eating birds zum ersten Mal ins Meer krabbeln. Abermals Mrs. Venable:

My son was looking for God, I mean for a clear image of Him. He spent that whole blazing equatorial day in the crow’s nest of the schooner watching this thing on the beach … and when he came down the rigging he said “Well, now I’ve seen Him!”, and he meant God.

Nach Pau Gilabert Barberà:
Literature and Mythology in Tennessee Williams’s
Suddenly Last Summer:
Fighting against Venus and Oedipus
,
Universitat de Barcelona

Schon bald nach Bekanntwerden des Stücks und vor allem des nachfolgenden Films hat James R. Hurt Melvilles Sketch Second über Galápagos-Schildkröten in Suddenly Last Summer: Williams and Melville (ein abgelegener Artikel in Modern Drama III vom Februar 1961) unter einem moralisierenden Gesichtspunkt behandelt, obwohl Melville sich darin ausgesprochen sachlich und wertfrei naturbeobachtend äußert. Das erlaubt uns heute, den Vergleich mit Williams’ moralischem Einakter anzustellen:

Wie alles auf der Welt haben Schildkröten eine helle und eine dunkle Seite — richtig und gut so. Der Mensch aber, der in seinem Leben immer nur eine von beiden Seiten betrachtet, bereitet sich stete Enttäuschung oder gar den Untergang. Bei hellen Tieren sind wir auch schnell beim bekannten weißen Wal, den Ahab nicht als unschuldiges Tier oder, philosophischer, als neutrales Wesen ansieht, sondern als Inbegriff des Bösen. Was er damit anrichtet, ist mythisch geworden. Hören wir James Hurt selbst:

Sebastian’s fascination with Melville’s account is consistent, then, with his own fascination with the primeval and with his own vision of the evil face of God. But ironically Sebastian does not see the other theme of The Encantadas: the theme that the universe will be “one total inky blot” for him who sees it thus. And ironically the world which Sebastian sees mirrored in the spectacle of the turtles and the birds will turn and devour him as it devoured the turtles.

Noch eine Parallele Melville—Williams: Die Kritikerin Carol F. Reppert hat sich nicht der zweiten, sondern achten Skizze aus den Encantadas zugewandt: Sketch Eighth: Norfolk Isle and the Chola Widow, die als eine der schönsten und reifsten Arbeiten Melvilles gilt: Von Norfolk Isle, einer einsamen Insel bei Galápagos, wird eine Schiffbrüchige gerettet, die daraufhin ihre Geschichte voller Entsagungen erzählt. Frau Reppert zieht eine nicht ganz stringente Parallele zwischen Melvilles schiffbrüchiger Witwe Hunilla zu Catharine Holly aus Suddenly Last Summer, beobachtet aber schlagend, dass beider Berichte unbesehen geglaubt werden, nur weil sie überzeugend genug erzählt werden.

Die besondere Qualität aller dieser Werke, die sie zu Weltliteratur machen: Man muss sie selbst zu Ende denken. So lassen sie einen nicht in Ruhe.

Bild: Filmplakat Suddenly, Last Summer, 1959: Fair Use;
Film: Columbia Pictures, 1959.

Written by Wolf

24. January 2008 at 2:55 am

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Würde ist dem Konjunktiv sein scharlachrotes Wachkoma

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Update zu Schneller weiter klüger:

Hester and Pearl Prynne, The Scarlet Letter, 1850Was treibt Übersetzer eigentlich dazu, grundsätzlich die Wendung haben würde zu benutzen? Was genau spricht gegen das Wort hätte?

Tippen wir gleich anfangs des zweiten Kapitels The Market-Place in The Scarlet Letter von Nathaniel Hawthorne auf die Stelle:

Amongst any other population, or at a later period in the history of New England, the grim rigidity that petrified the bearded physiognomies of these good people would have augured some awful business in hand. It could have betokened nothing short of the anticipated execution of some noted culprit, on whom the sentence of a legal tribunal had but confirmed the verdict of public sentiment.

Das heißt in der Übersetzung Der scharlachrote Buchstabe von Franz Blei, die nach Lebenslauf und Diktion um 1930 entstanden sein muss:

Bei jedem andern Volke oder zu jedern spätern Periode der Geschichte von Neuengland würde die düstere Starrheit, welche die bärtigen Physiognomien dieser guten Leute versteinerte, verkündet haben, daß irgend etwas Entsetzliches bevorstehe: hätte nichts Geringeres als die erwartete Hinrichtung eines bekannten Verbrechers bezeichnen können, bei dem der Spruch eines Tribunals nur den der öffentlichen Meinung bestätigt hätte.

Na bitte, er kennt das Wort hätte ja. Die selige Erika Fuchs hat ein Arbeitsleben drangesetzt, in die Donald-Duck-Comics den richtigen Konjunktiv einzuführen, deren es mindestens zweie gibt, und ein Franz Blei glaubt, would stünde fester gemeißelt als zwei Hawthorne-Sätze, die man ja ruhig zu einem einzigen zusammenknüllen kann. — Später an gleicher Stelle:

When such personages could constitute a part of the spectacle, without risking the majesty or reverence of rank and office, it was safely to be inferred that the infliction of a legal sentence would have an earnest and effectual meaning.

heißt bei Franz Blei:

Wenn solche Personen einen Teil des Schauspiels bilden konnten, ohne die Majestät oder Ehrwürdigkeit ihres Ranges und Amtes auf das Spiel zu setzen, so war mit Sicherheit zu schließen, daß die Vollstreckung eines Richterspruches eine eindringliche, wirksame Bedeutung haben würde.

Was liegt vor gegen haben sollte, damit das Futur zur Geltung kommt? Mit Franz Blei reden wir hier nicht über einen dilettierenden Nobody, der sich ein paar Kröten dazuverdient, weil’s mit den Dachstubengedichten nicht so läuft, sondern einen ungemein produktiven Fachmann und literarischen Guru, der immerhin eine Art Jünger an seinen Stammtisch zu scharen verstand. Sprachzicken wie mir, die lieber anderer Leuten Zahnbürste als Sprachschatz in den Mund nehmen, wurden schon ansonsten möglicherweise ganz zurechnungsfähige Bücher verleidet, weil auf der ersten Seite gleich ein haben würde vorkommt. Das sind die Sachen, die einen in den Originalfassungsfaschismus treiben.

Es gibt eine tolle Studienausgabe von The Scarlet Letter, außerdem ist das Ding inzwischen dreizehnmal verfilmt.

Scarlet Letter, Accountant

Bilder: Hester Prynne, Carol Hartley.

Written by Wolf

22. January 2008 at 4:28 am

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British Society for Plant Pathology: Trust and Builds Trust

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Update zu Weihnachts, wenn die Teufelin kam:

Endlich mal ein anständiges Stöckchen. Nachdem ich es schon bei so vielen rumliegen gesehen hab, am fähigsten beim Täglichen Efeu, musste ich es auch mal strapsen. Das hab ich noch nie gemacht, und wenn nichts wirklich Grandioses nachkommt, wiederkäue ich höchstens nochmal das hier.

Es geht so: Man baut sich ein CD-Cover.

Name der Band ist der erste Zufallsartikel der englischen Wikipedia.

Name der CD sind die letzten vier Wörter des letzten Zufallszitats auf der Quotation Page.

Cover-Illustration ist das dritte “interessante” Bild auf Flickr.

Bildbearbeitung ist erlaubt, schummeln nicht. Also nix da von wegen Zufallsartikel, -zitate und -bilder generieren, bis endlich was Gescheites rauskommt.

Bei mir war der Zufallsartikel die British Society for Plant Pathology, der Zitatausriss von Mary Field Belenky und das Bild von Kena Bree.

British Society for Plant Pathology: Trust and Builds Trust würde ich sofort kaufen. Britrock mit Country-Elementen, herrlich verschrobene Texte von einem raunzigen Sänger, auf manchen Liedern mit Unterstützung der Bassistin, die aussieht wie Mavie Hörbiger in gekrempelten Jeans und Holzfällerhemd, die sie mit reingenommen haben, weil sie mal ein bisschen Fiddle gelernt hat, also irgendwas zwischen der Harvest von Neil Young und den frühen Oasis mit der kleinen Gallagher-Schwester. Erscheint bei einem Independent Label, wie schon die etwas laienhafte Typographie zeigt, die auch davon spricht, dass die Band sich auf die Musik und nicht aufs Marketing konzentriert. Warum hab ich die nicht längst? — Ach so, ich vergaß. Reservieren Sie sich Ihr Exemplar jetzt und Sie erhalten es pünktlich zum Erscheinungstermin.

British Society for Plant Pathology, Trust and Builds Trust

Dieses hinreißende Stöckchen schwirrt weiter an die Hochhaushex, weil die (dirty word:) CorelDraw üben muss, und die Wortteufelin, weil die Photoshop schon kann und offenbar ein Programm kennt, das sogar .mp3s von Peter Gabriel in Musik umwandelt.

Written by Wolf

21. January 2008 at 4:41 am

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(All together now:) Heathcliff!!

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Update zu Emmaline is sugar and spice and all things nice (available in English)
und Brontësaurus:

Haben Sie mal versucht, den Text zu verstehen? Und? Geschafft? Merken können? Und mit diesem Wissen versucht mitzusingen? Mitgehalten? Danach nur noch versucht mitzupfeifen? Wenigstens die Melodie gemerkt? Genervt aufgegeben und fortan mitleidig den überkandidelten Ausdruckstanz bespöttelt? — Willkommen im Club.

Aussichtslos, geliebt, gehasst, verehrt, verachtet, aber niemals mitgesungen (außer von ein paar Profis) seit 30 Jahren: Am 20. Januar 1978 erschien die Single Wuthering Heights von Kate Bush, ab 17. Februar Bestandteil ihres Debüt-Albums The Kick Inside.

Kate Bush 1978 in a boxDieser Text, hinter den man dann doch unbedingt kommen will, weil er offenbar von etwas anderem handelt als Ich-hab-dich-lieb, aus Sicht der seit langem verstorbenen Catherine Earnshaw, wie sie sich an ihren Peiniger wendet und alles in und an ihr zu ihm zurückdrängt; dieser in Schüben voranschlängelnde Rhythmus; diese Melodie, in der man kaum Strophe, Bridge und Refrain vorhersagen kann; dieses Micky-Maus-Falsett einer Besessenen! — Dieses Lied sperrt sich, sticht und spukt auf allen Ebenen. Hat jemals jemand bezweifelt, dass die achtzehnjährige Kate das Lied innerhalb weniger Sommernachtstunden mit Blick zum Dachfenster hinaus auf den Vollmond nicht irgendwie profan “schrieb”, sondern vielmehr: empfing?

Es geschah nach Inspiration durch den Film Wuthering Heights, es war die Verfilmung von 1970, das ist die mit Timothy “James Bond” Dalton, es waren deren letzte zehn Minuten, und es war nach der Erkenntnis, dass Kate Bush den Geburtstag mit Emily Brontë teilt, nur exakt 140 Jahre verschoben, der Schöpferin dieser unglaublichen Buchvorlage.

Eine Verkettung nachgerade diskordischer Zufälligkeiten, und in den Videos und den gut dokumentierten Fernsehauftritten tanzt sie wahrscheinlich satanische Botschaften rückwärts (der Blick! der Blick!), aber ich wüsste nicht, dass dieses Lied schon mal jemanden kalt gelassen hätte.

Damit wurde Kate Bush 19-jährig die erste Frau, die ein selbst komponiertes und aufgeführtes Lied vier Wochen lang auf Platz 1 der englischen und amerikanischen Charts halten konnte — ein Rekord, der sich seither nicht gerade wöchentlich wiederholt. David Gilmour von Pink Floyd entdeckt keine Luschen, die Besetzung von Alan Parsons Project arbeitet nicht mit Versagern zusammen. Maritimes Randwissen: The Saxophone Song, das zweite Lied auf The Kick Inside, wird von Walgesang eingeleitet.

Tori Amos 1992 in a boxSelbst Tori Amos, als Fee eben doch keine allschaffende Göttin, außerdem fünf Jahre jünger, beruft sich auf Kate Bush. Man glaubt es ihr, denn bösartig gesagt, kann sie genauso sphärisch Klavier klimpern und drei Oktaven zu hoch singen. Sogar Toris Themen wie Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und der Zusammenhang zwischen Patriarchat, Religion und Gewalt verblassen neben Kates frühen Vertiefungen in Geschwisterliebe, Atomkrieg und die Faszination der Zahl Pi. Dafür lebt Tori praktisch tingelnd, während Kate seit 1979 auf keiner Tournee mehr war. Irgendwie war sie trotzdem immer da, vor Tori Amos, vor Björk, ja vor Madonna gar (17 Tage jünger als Kate Bush).

Am 30. Juli 2008 wird Catherine Bush 50, Emily Brontë wird 190. Glückwünsche zum 30. von Wuthering Heights werden Frau Bush via ihre Fansite auf Myspace übermittelt.

Links:

Kaufen, kaufen, kaufen:

Bonus Track:

Single Wuthering Heights, 20. Januar 1978

Bilder: Kate in a box, 1978: El Vagon Alternativo;
Tori Amos in a box für Little Earthquakes, 1992: Everything Tori;
Single Wuthering Heights, 20. Januar 1978: Die offizielle Schweizer Hitparade.

Written by Wolf

20. January 2008 at 12:01 am

A thick card was inserted to stiffen them.

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Update zu The still unannotated Melville, Oops und Herba Santa:

Ab den 1930er Jahren wurde das Sammeln von Sammelbildchen durch die zum Teil mit viel Text versehenen und sehr günstigen (Preise um 1 Reichsmark) Alben zu einem Massenphänomen, und die Auflagen der Alben gingen in die Millionen, die der Bilder sogar in die Milliarden. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland wurden die Zigarettenbilder vor allem für Propagandazwecke eingesetzt, wie zum Beispiel das Album über den Raubstaat England des Soziologen Ernst Lewalter verdeutlicht.

Cream of Cards, Alice in Wonderland Cigarette Cards, 1930

Bild: Cream of Cards; Text: Wiki.

Written by Wolf

19. January 2008 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

1 Tonne Nagetier

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Update zu That’s Chevrotainment:

Nilschwein?

TerrorvogelSäbelzahnkatzeMastodon, ein Treibauf

Indohyus?

Südamerikanisches Wasserschwein?

Mammut-Maus!

Mammut-Maus, The Royal Society/dpa

Bild: Monstermaus, The Royal Society;
Lied: J.B.O.: Schlaf Kindlein schlaf, aus: Explizite Lyrik, 1995.

Die Wölfin meint: “Hat was Waliges.”

Written by Wolf

17. January 2008 at 12:59 am

Posted in Moses Wolf

Lesen und schreiben mit Mellvil (sic)

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Update zu Hatte Herman Melville Kinder?:

Die beste Kinderseite im Universum lehrt unter vielem anderem:
Gutes Deutsch. Theorie und Praxis.

Zwei Fragen hätt ich noch:

  1. Muss ich wirklich alle Kinderseiten des Universums durchvergleichen, ob außer dem launig gemeinten Schreibfehler im Site-Namen noch ein Sachfehler in der Subline steckt?
  2. Warum gibt’s das nicht für solche, die sich für erwachsen halten, nur weil sie ihren achtzehnten Geburtstag erkennen können?

Tut euch das ruhig mal an, Kinners.

Bild: Mellvil;
Lied: Freakwater: Lullaby, aus: Feels Like the Third Time, 1994.

Written by Wolf

16. January 2008 at 3:30 am

Posted in Reeperbahn

sieht ja ulkik aus

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Update zu Moby-Dick ist ein Gummitier:

Hi leute!
Ich wollt mal fragen, was ich an meiner Moby M1 optisch verbessern kann. Mir fällt einfach nichts ein
Danke!

is das nich schon nen Old-Timer? wenn ja, würd ich sie auf jeden fall so lassen! O_o

Ich würde es auch so lassen, ist doch nen schönes originales Kultobjekt!!!
Hol dir lieber was anderes zum verbasteln, am Ende willst du es wieder verkaufen wenn du älter bist dann ist es besser du hast da nix dran gemacht.

lasse es wie’s iss!

das ist doch schon sowas wie eine antiquität.. ich finds nicht so schön aber lass es doch so wie es ist das möf hat einen sammlerwert oder wird bald einen haben!

Ordentlich putzen. Sonst höchstens Zubehör der Zeit: karierte Satteltaschen, Rückspiegel und so. Digitach nach den Messfahrten weg. Ältere Klingel. Hast du auch die Platte für ein Speichenschloss vorne? Die gibt’s für ein paar Cent im Fahrradgeschäft.

öhhh hab ma eine frage was ist das fürn auspuff????? sieht ja ulkik aus…aber sonst schick.

Da ist noch alles original dran!
Abgesehen von der Klingel, die muste ich austauschen.
Und da is ‘n Digital Fahrrad Tacho dran.
Weiß jemand wie man das auftunen kann?

hab auch ne moby aber eine n 150
würdet ihr die auch ori lassen??
den rost habe ich schon entfernt

poben die hat ja noch sogar den richtigen fahhrad style so wie ne solex nur das ne solex den motor vorne am lenker hat echt der knüller ach und der auspuff fährtste nur krümmer oder ist das so und zur frage orignial oder nicht aufjedenfall original lassen und später an sonen opa verkaufen mache ich mit meiner solex auch!! hol dir ne prima oder so die gibt es ohne ende die kannste auch gut tunen und teil egibt es dafür auch genung die ist einfach nur zu schsde für so was fiinde ich und die meisten im board bestimmt auch!!
fazit: lass die mobilette ori und kauf dir ne billige prima zum aufmotzen so einfach idt das!!

Ja ok dann lass ich alles dran! :mahlzeit:
Wisst ihr zufällig wie man das Ding schneller machen kann, ohne da groß was zu verändern? :wink:
Bitte posten! dANKE1

Also ich würd sagen mofa Lackiren zB (schwarz) ,neuen sitz der mehr gerundet ist von oben,Blinker anbauen ;und Nummernschild an die seiten machen natürlich mit schutz dahinter: Mehr fällt mir auch nicht ein
Doch am Benzin tank Beide seiten zwei gleiche aufkleber drauf machen in weiß am besten.:crazy:

Mofa Power Optik Board Mofa und Moped, 2. bis 5. Oktober 2004

Motobécane Mobylette, Mary Evans Picture Library, 1954

Endlich sagt’s einer. Ich finde ja auch, eine Motobécane Mobylette sollte wenigstens weiß sein, aber den Bücherwurm fragt ja wieder keiner.

Bild: Mary Evans Picture Library, 1954.

Written by Wolf

15. January 2008 at 2:08 am

Posted in Mundschenk Wolf

Chance und Albtraum zugleich

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Update zu Ein Wal von einer Biografie:

Sehr umtriebig im Moment, der Friedhelm Rathjen. Es scheint, Nachbar Jessebird hat Herrn Rathjen letzte Woche erwischt, als letzterer gerade dem Erscheinen seines Artikels in der Zeit entgegenfieberte. Wenn ich in solche Situationen geriete, wäre ich auch gut gelaunt (ein hypothetisch dahingeflapster Bezug, der niemandes Leistung schmälern soll!).

Andrew Delbanco by Eric Himmel, 13 October 2003Rathjen macht uns in der gerade noch aktuellen Zeit auf die 2003er Melville-Biografie von Alexander Pechmann aufmerksam, wobei er die monumentale zweibändige Standardbiographie von Hershel Parker empfiehlt — und vor allem auf Melville. His World and Work von Andrew Delbanco, das laut Amazon schon am 15. September 2007, laut Rathjen “nun”, für Begriffe des Buchhandels also eher im Januar 2008, auf Deutsch als (“irreführend”) Biographie über Melville erschienen ist.

Rathjens Vergleich der beiden Fachbücher ist aufschlussreich und kompetent, er differenziert und reicht tief, man ist hinterher schlauer und fühlt sich nicht als Opfer liebloser PR, einfach toll. Allein wundert mich, warum er nirgends auf Ein Leben von Daniel Göske und Werner Schmitz eingeht, das von 2004 stammt und deshalb auch nicht gerade hoffnungslos veraltet ist. Liegt’s an den Übersetzerquerelen zwischen Rathjen und den konkurrierenden Herausgebern Jendis und Göske, die sich bis 2004 hinzogen? Mit dem Hanser Verlag scheint Rathjen dann ja immerhin ausgesöhnt; der Delbanco ist nämlich auch von Hanser und sogar von Werner Schmitz übersetzt.

Egal. Man kommt sowieso nicht mit Lesen hinterher.

CartoonStock, Moby Dick Gifts

Bilder: Andrew Delbanco by Eric Himmel, Columbia News, 13. Oktober 2003;
Moby Dick Gifts.

Written by Wolf

14. January 2008 at 1:55 am

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LiederJan Mayen und die Wahrheit über den alten Flegel

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Elke macht ein Update zu ihrem Und Jan Mayen, der alte Flegel:

Elke HegewaldKennt noch jemand Liederjan?

Ganz am Anfang der Siebziger, als sie noch Irish Folk sangen, nannten sie sich Tramps & Hawkers. Und dass deutsches Volksliedgut oder solches, das eins sein will oder könnt’, auch anders geht als im Musikantenstadl, haben sie in ihrer dreißigjährigen Bühnengeschichte fraglos bewiesen. Sie haben irgendwann sogar angefangen, selber welches zu schreiben. Und dürfen mit Fug und Recht den Titel dienstälteste deutsche Folkgruppe für sich beanspruchen. Obwohl der dritte Mann des Trios zugegebenermaßen in den Jahren mehrmals gewechselt hat. Zum vorerst letzten Mal und zugleich überaus augenfällig, als nach dem Tod eines der beiden verbliebenen Gründerväter (Anselm Noffke) 2003 die erste Lieder-Jana, die in Wirklichkeit Hanne heißt, die Truppe veredelte.

Ihr Markenzeichen sind der gepflegte Satzgesang und die Verwendung exotischer Streich- und Zupfinstrumente, die nicht nur den Mittelalteraffinen und -fininnen unter uns das Herz aufgehen lassen. Oder sind die Zeiten längst vorbei, da die unverbesserlichen Romatiker am Lagerfeuer gern ein Opus dieser Urviecher unter den Volksbarden zur eigenen Klampfe nachträllerten?

Jan Mayen View towards south as seen from the Beerenberg Glacier, picture postcardHa, und deren Angewohnheit, in verstaubten Büchern nach alten, vorzugsweise unbekannten Liedern fürs eigene Repertoire zu kramen, lässt sie nun gar in die Annalen des Moby-Dick-Blogs eingehen. Fiel ihnen doch auch die in norddeutschen Walgründen überaus bewanderte Glückstädterin Wanda Oesau und vor allem deren schmalbrüstiger Jan Mayen, der alte Flegel, in die Hände, hier als — wenn auch weitgehend vages — Fundstück längst verbloggt. Und — tadaaa! — sie haben ihn lebendig besungen, wahrscheinlich als erste und einzige nach den ollen Waljägern anno dunnemals. Auf ihrem antiken Scheibchen Mädchen, Meister, Mönche von 1978 nämlich:

Und Jan Mayen, der alte Flegel

Alle segeln nach dem Norden in das eisigkalte Meer
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Groß und stolz die Flagge wehet in der Luft am Großmasttopp.
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Und Jan Mayen, der alte Flegel, ist passiert mit einem Blick.
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Joan Blaeu-Insula Qvæ Ioanne Mayen nomen sortita estZusammen mit dem “Grönländischen Wachtlied”, einem Einströpher zum Wecken der nächsten Wache, und “Unser Bootsmann”, einem derb-zotigen Spottliedchen auf einen solchen selben ist es dort in der Nummer “Wallieder” zu finden.

Mit diesem Fang erhellt sich uns auch schlagartig und auf überraschende Weise die Identität des alten Flegels. Entgegen naheliegender Vermutungen der Ahnungslos-Unwissenden – und auch wenn die Norwegen-Freunde jetzt aus dem Grinsen über mich überhaupt nicht mehr rauskommen – ist der aktuelle Jan Mayen nämlich kein besoffener Maat von der Art des soeben bespöttelten Bootsmanns. Ein unwirtliches Eiland ist’s, gelegen sehr, sehr nördlich, zwischen Grönland und Spitzbergen, und den alten Walfängern als Wegweiser auf stürmischer See dienend:

Und Jan Mayen, der alte Flegel, ist passiert mit einem Blick…

sangen sie in ihrem Shanty, wenn sie, womöglich in den Wanten schindernd, an ihm vorbeisegelten. Hei, doch seinen Namen hat es von einem Walkapitän, wie der finstere Ahab einer war: dem Niederländer Jan Jacobs May van Schellinkhout (genannt Jan May), der sich zwischen 1614 und 1635 gelegentlich auf der Insel herumtrieb.

Ismael und seine Kameraden haben Jan Mayen Island nie gesehen, jedenfalls nicht auf der Jagd nach Moby Dick. Die Pequod segelte auf der andern Seite der Welt entlang, gen Süden. Und endete irgendwo da hinter Australien…

Aber dafür kann der alte Jan Mayen nix.

Bilder: Vidar’s Jan Mayen Page;
Joan Blaeu (Amsterdam 1596—1673):
Insula Qvæ Ioanne Mayen nomen sortita est;
RGBfoto.
Film: Liederjan: Auswandererlied, WDR Folkfestival, 1978.

Written by Wolf

13. January 2008 at 12:01 am

8 oder 9 oder 80 oder 90 Eimer und 2 E-Mails

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Schon wieder ein Update zu Als sei der gewaltige Nichtstuer der kunstvolle Werber und schon mal ein Vorgriff auf Kapitel 78: Brunnen und Eimer:

Blogger werden unterteilt in selbstüberzeugte Schreihälse und Asperger-Opfer. Und eine Residualkategorie, die Forschungsergebnisse hervorbringt. Jessebird vom Planet 9 hat an Friedhelm Rathjen geschrieben.

Warum? Es gab da eine Unstimmigkeit in seiner Moby-Dick-Übersetzung:

Bei den Recherchen zum letzten Artikel “Die Größe des Wals” fiel mir etwas auf: im Original (sowohl online als auch in meiner Penguin-Ausgabe) wird von “the eightieth or ninetieth bucket” geschrieben. Mummendey und Jendis übersetzen das (wie mir scheint logisch) mit “achtzigste oder neunzigste Pütz” (bzw. “Eimer” bei Mummendey) – nur Herr Rathjen schreibt “achte oder neunte Pütz”! Wie kommt’s? Weiß Rathjen etwas, was andere nicht wissen? Hat er eine andere Ausgabe als Grundlage für seine Übersetzung? Ich finde die Übersetzung von Rathjen so außerordentlich gut, daß ich mir nicht denken kann, es sei einfach nur ein Fehler. Obwohl – möglich wäre auch das. Irgendwelche Ideen?

Natürlich keine Ideen, die helfen. Jessebird hat sich ein Herz gefasst:

Da in der Frage der Moby-Dick-Übersetzung irgendwie keine befriedigende Lösung zu finden war, und da ich in solchen Fällen dazu neige, an der Quelle selbst nachzuforschen, habe ich genau das getan: Herrn Rathjen eine mail geschrieben. Gestern abend. Und heute morgen eine Antwort erhalten! Damit steigt Herr Rathjen gleich noch ein bisschen mehr in meiner Achtung…

Das schreibt er zur Sache:

Lieber Herr …,

Friedhelm Rathjen, GASL-Mitglieddieser komische Rathjen macht manchmal Sachen, die andere nicht machen, aber er weiß eigentlich selten etwas, was andere nicht wissen, schon gar nicht als “Moby-Dick”-Übersetzer. Ich fürchte, es ist in der Tat “einfach nur ein Fehler”; die einfachste Erklärung ist in der Regel bekanntlich auch die wahrscheinlichste.

Ich hab meine Northwestern-Ausgabe des Wals so weit unten in einem Bücherstapel eingebuddelt, daß ich im Moment schwer rankomme, nehme aber kaum an, daß da etwas anderes steht als “the eightieth or ninetieth bucket”, sonst würde ja auch bei Jendis etwas anderes stehen. Die Northwestern-Ausgabe ist bekanntlich Textgrundlage meiner Übersetzung; als ich die erstellte, arbeitete ich allerdings noch mit der Ausgabe der “Penguin Classics” (aus dem höchst profanen Grund, daß der Hanser-Verlag zwar zugesagt hatte, mir die Northwestern-Ausgabe schleunigst zu schicken, aber auch für die Umsetzung dieser vergleichsweise simplen Zusage Jahre brauchte und damit länger, als ich brauchte, um den Text zu übersetzen) und mußte anschließend dann nachträglich die Textvarianten einbauen; theoretisch könnte es also sein, daß in besagter “Penguin-Classics”-Ausgabe fälschlich “the eighth or ninth bucket” steht und ich die Variante bei der nachträglichen Prüfung nicht als solche bemerkt habe; praktisch ist es aber nicht so, die “Penguin Classics” haben korrekt “the eightieth or ninetieth bucket”, der Fehler ist also meiner.

Bleibt noch die (nur für mich selbst relevante) Frage, wann und wo der Fehler sich eingeschlichen hat. Ich hab die komplette Übersetzung seinerzeit von Hand erstellt und mußte dann anschließend die Fronarbeit des Abtippens erledigen, in mindestens einem Fall hat dabei ein kleiner Fehler den Weg in meinen Text gefunden, ganz einfach, weil ich meine gelegentlich sehr schludrige Handschrift falsch entziffert hab. Ich hab gerade in meinem Ur-Manuskript (das ich aus Gründen der Finanzebbe immer schon mal zum Verkauf anbieten wollte, nur gut, daß ich es nicht tat) nachgeschaut; wie Sie dem zur Veranschaulichung an diese Mail angehängten Schnappschuß entnehmen können, steht der Fehler tatsächlich schon darin, ist also kein anschließender Lese- oder Tippfehler. Folglich echter Ur-Rathjen, aber keineswegs beabsichtigt. Dies sind die Dinge, die immer wieder vorkommen, von denen man aber hofft, daß sie von einem aufmerksamen Lektorat bemerkt und ausgebessert werden; Jendis hat’s in der der Tat bemerkt und ausgebessert (aber leider auch allzu viel anderes, was er meines Erachtens nicht hätte “ausbessern” sollen); Norbert Wehr und seine Korrektorin haben’s leider nicht bemerkt. Um so besser, daß Sie drüber gestolpert sind; ich werde mir den Pützpatzer notieren, vielleicht ergibt sich Gelegenheit, in einer Nachauflage Nachbesserung zu betreiben. (Der oben erwähnte Tippfehler wurde in der zweiten Auflage der Zweitausendeins-Normalausgabe schon getilgt, ich verrate Ihnen aber nicht ohne Not, um welche Textstelle es geht!)

Ihr
Friedhelm Rathjen

Damit wäre das also geklärt. Und Herr Rathjen muß allein schon deshalb als genial gelten, weil er aus einem solchen handschriftlichen Manuskript irgendetwas lesbares produzieren konnte… :)

Ich war noch nie so gespannt auf eine Folgeauflage.

Friedhelm Rathjen, die Ur-Übersetzung, Handschrift

Bilder: Friedhelm Rathjen, GASL, privat.

Written by Wolf

12. January 2008 at 12:01 am

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Hunderttausend heulende Höllenhunde

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Update zu Das Land der Kuhjungen mit der Seele suchen
und Miss You:

Bitte kaufen: Das Strapazin 89 zum Thema Seefahrt. Gibt’s schon seit Dezember. Im Comicladen Ihres Vertrauens, in Rufweite gut geführter Bahnhofsklos und bestellbar über jede Buchhandlung.

Christoph Schuler, Liebe Eltern, in Strapazin 89, Seefahrt

strapazin.de und strapazin.ch: “Seit 1984 das deutschsprachige Forum für neue Strömungen in der internationalen Comic-Szene.”

Bild: Christoph Schuler: Liebe Eltern, in: Strapazin 89, Dezember 2007.

Danke: Billy Budd, Aufmerksamkeit, Januar 2008.

Written by Wolf

10. January 2008 at 5:35 am

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h.c. artmann: die fahrt zur insel nantucket

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Update zu Man stellt sich den Himalaya vor und denkt sich alles weg, was nicht wie der Yeti aussieht und Auf der Jagd nach Nantucket:

dein lot erreicht mich nimmermehr
die schwärme eilen meilen veer
der bandelsalgen vogelzug
rinnt über mir zu blasen…

meerfrau arindaxo

H.C. Artmann med ana schwoazzn dintnH.C. Artmann, so das Diktum von Peter O. Chotjewitz, das er im Vorwort zu Artmanns gesammelten Theaterarbeiten namens die fahrt zur insel nantucket von 1969 schon wieder selbst beklagt, war “wahrscheinlich der einzige wesentliche dichter, den die deutsche literatur nach 1945 hervorgebracht hat”. Einig darf man sich darüber sein, dass er einer der letzten echten Dichter war, nicht nur der deutschen, dafür aus Österreich.

Das namensstiftende Theaterstück stammt von 1964, wurde vermutlich 1967 mit einer Komposition für Kammerorchester von Gerhard Lampersberg an der Akademie der Künste Berlin uraufgeführt und erst 1969 mit manch anderem Artmannartefakt in jenem Sammelband erstveröffentlicht.

Bei der ersten Aufführung eines eigenen Stücks wirkte Artmann selbst mit, die Inszenierung von aufbruch nach amsterdam vor der Breitenseer Kirche wurde 1955 allerdings von der Polizei nach kurzer Zeit abgebrochen.

Die Artmann-Spezialistin Sonja Kaar nähert sich erstmals ausführlich den »Skeletterln mit a bisserl Fleisch drauf«, wie der Büchner-Preisträger seine Stücke einmal bezeichnete. Sie liefert damit wertvolle Grundlagenforschung und wirft, indem sie Verschüttetes ans Tageslicht bringt, neue Schlaglichter auf das Artmannsche Oeuvre. Ausgehend von der Frage nach der Rezeption von Literatur und Theater in den 50er und 60er Jahren geht Kaar der Vielfalt und Besonderheit der dramatischen Texte, dem eigenwilligen und originären Umgang Artmanns mit der Theatertradition nach. Sie hält ein Pladoyer für die Aufführbarkeit der Stücke (Artmann: »Natürlich habe ich meine Stücke für die Bühne geschrieben«), diese seien keinesfalls, wie viele meinen, nur »Theater im Kopf«.

Sonja Kaar:
H. C. Artmann. Texte und Materialien zum dramatischen Werk,
2004 bei Sonderzahl

Nach anderer Lesart sind Artmanns Theaterstücke durchaus “Stücke fürs imaginäre Heimtheater […], fürs Theater, das zu spielen beginnt, wenn man ein Stück liest und die Augen schließt” (Chotjewitz, a.a.O.). Das ist zu begründen, auch wenn es der Aussage Artmanns, der es schließlich wissen musste, widerspricht. So erschließt sich die Musikalität der fahrt zur insel nantucket nicht erst bei einer Aufführung, sondern schon beim vertieften Lesen (zum Beispiel, wenn man sie abtippen muss…). Artmanns Schreibweise und Layout deuten eben nicht auf Handlungsanweisungen für Schauspieler, sondern auf die Textgestaltung des Lyrikers, der Artmann noch stärker und öfter war.

Artmanns Werke sind immer genau das, was sie sind. Eine Realität außerhalb ihrer selbst existiert nicht, sie entziehen sich weitgehend der Interpretation. Auch das Nantucket aus dem Theaterstück hat keine Parallele zur traditionellen Walfängerinsel.

Bei Artmanns Lebens- und Arbeitsweise kommt jede Sammlung seiner Arbeiten einer Rettungsaktion gleich; selbst manches, das der Dichter selbst schätzte, existierte nur als Einzelblatt in den Privatbeständen seiner Freunde. Ich “rette” den Text fürs Internet deshalb nicht als Weblog-Eintrag, sondern penibel aus dem Sammelband abgetippt als .pdf-Datei.

Das Copyright dafür — ich möchte es betonen — ist und bleibt, wie immer und selbstverständlich, bei seinen Inhabern, in diesem Fall wahrscheinlich beim Thomas Sessler Verlag in Wien und/oder dem Luchterhand Literaturverlag in München.

Lady in the Water, 1947

Bilder: Hans Carl Artmann: med ana schwoazzn dintn;
Toni Frissell: Lady in the Water, Weeki Wachee Spring, Florida, 1947.

Written by Wolf

9. January 2008 at 4:01 am

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Herba Santa

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Update for Eingesang (concerning Monody),
Geopfert (concerning Immolated),
and Geviertstriche (concerning To ———):

Timoleon, Etc. was the last work by Herman Melville published during his life. It was printed by Caxton Press in May 1891, in an edition of 25 copies. The Northwestern-Newberry edition will establish and make available the authoritative texts of these 42 poems. What we have for the time being, is The Poems of Herman Melville, edited by Douglas Robillard, where the following counter-argument to smoking ban is cited from (remember it was Melville’s last book…).

Herba Santa

     I
After long wars when comes release
Not olive wands proclaiming peace
     An import dearer share
Than stems of Herba Santa hazed
     In autumn’s Indian air.
Of moods they breathe that care disarm,
They pledge us lenitive and calm.

     II
Shall code or creed a lure afford
To win all selves to Love’s accord?
When Love ordained a supper divine
     For the wide world of man,
What bickerings o’er his gracious wine!
Then strange new feuds began.

Effectual more in lowlier way,
     Pacific Herb, thy sensuous plea
The bristling clans of Adam sway
     At least to fellowship in thee!
Before thine altar tribal flags are furled,
Fain woulds’t thou make one hearthstone of the world.

     III
To scythe, to sceptre, pen and hod—
     Yea, sodden laborers dumb;
To brains overplied, to feet that plod,
In solace of the Truce of God
     The Calumet has come!

     IV
Ah for the world ere Raleigh’s find
     Never that knew this suasive balm
That helps when Gilead’s fails to heal,
     Helps by an interserted charm.

Insinuous thou that through the nerve
     Windest the soul, and so canst win
Some from repinings, some from sin,
     The Church’s aim thou dost subserve.

The ruffled fag fordone with care
     And brooding, Gold would ease this pain:
Him soothest thou and smoothest down
     Till some content return again.

Even ruffians feel thy influence breed
     Saint Martin’s summer in the mind,
They feel this last evangel plead,
As did the first, apart from creed,
     Be peaceful, man—be kind!

     V
Rejected once on higher plain,
O Love supreme, to come again
     Can this be thine?
Again to come, and win us too
     In likeness of a weed
That as a god didst vainly woo,
     As man more vainly bleed?

     VI
Forbear, my soul! and in thine Eastern chamber
     Rehearse the dream that brings the long release:
Through jasmine sweet and talismanic amber
     Inhaling Herba Santa in the passive Pipe of Peace.

Kevin Cornell, Three-Legged Girl, 2006

Image: Kevin Cornell: Three-Legged Girl,
pen and ink on Vellum Bristol Board, November 8, 2006.

Written by Wolf

7. January 2008 at 1:33 am

Posted in Moses Wolf

Oops.

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Written by Wolf

4. January 2008 at 12:24 am

Posted in Wolfs Koje

Und tausend bunte Blumen blühn um den erstaunten Pinguin.

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Update zu Man stellt sich den Himalaya vor und denkt sich alles weg, was nicht wie der Yeti aussieht
und Der Pinguin als Speise. Und als Film:

Günter Strohbach:

Pinguinträume

Am Südpol auf dem blanken Eis
Spaziert ein Pinguin im Kreis.
Er legt mit träumerischen Blicken
Die Flossen langsam auf den Rücken
Und wandelt weiter, überlegend,
Warum es wohl in dieser Gegend
(Was ihn betrübt)
Nichts Grünes gibt.

Er wünscht sich saftig-grüne Wiesen,
Auf denen üppig Blumen sprießen.
Da plötzlich schmelzen Eis und Schnee,
Und Kräuter, Gras und grüner Klee
Und tausend bunte Blumen blühn
Um den erstaunten Pinguin,
Der sich verdutzt
Die Augen putzt.

Er ruft: Juhu und wirft sich auch
Ins grüne Polster auf den Bauch.
Ach, denkt er, was für schöne Dinge!
Jetzt fehlen nur noch Schmetterlinge!
Kaum, daß er diesen Wunsch getan,
Fängts ringsumher zu flattern an.
Schon sind — hurra —
Die Falter da!

Da hat er nun — lang hingestreckt —
Seltsame Wünsche ausgeheckt:
Er wünscht sich himmelblaue Rosen
Und gelbgestreifte Herbstzeitlosen.
Sogar Kakteen, stachlig-wild,
Und jeder Wunsch wird ihm erfüllt.
Da wird er kühn,
Der Pinguin!

Er wünscht sich apfelgroße Fliegen
Und sieben Meter lange Ziegen
Und Löwen, größer als ein Schrank,
Und Schlangen, kilometerlang.
Zum Schluß wünscht er sich einen Wal,
Entsetzlich groß und kolossal.
Doch da — o Schreck —
ist alles weg.

Die Wiese fressen ab die Fliegen,
Die Fliegen werden von den Ziegen
Gefressen, und den Ziegenhauf,
Den fressen alle Löwen auf.
Die Löwen sterben durch die Schlangen.
Jedoch die Schlangen, all die langen,
Die frißt der Wal
Mit einemmal.

Der Wal, der plumpst zurück ins Meer.
Und nun ist alles wie vorher.
Der Pinguin, halb schwarz, halb weiß,
Spaziert im Kreis wohl auf dem Eis
Und denkt sich so beim Kreis-Beschreiben:
Man muß sich halt die Zeit vertreiben,
Der eine so,
Der andre so!

Günter Strohbach, *13. August 1931 in Leipzig, Januar 1959 noch am Leben und wohnhaft in München, nachmalig aufgefallen durch zusammen mit Leo Lionni: Das kleine Blau und das kleine Gelb, 1962 und zusammen mit Herbert Lentz: Der Ziegenbock hat Hörner, 1963 (“Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch: Mira Lobe: Das kleine Ich bin ich“): Pinguinträume aus: James Krüss, Hrsg.: So viele Tage wie das Jahr hat. 365 Gedichte für Kinder und Kenner, 1959. Manuskript.

James Krüss, So viele Tage wie das Jahr hat, 1959

Written by Wolf

3. January 2008 at 1:12 am

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That’s Chevrotainment

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Update zu Who Killed Bambi?:

Indohyus
Erster!

Anfänge. Das Wissen über Wale fängt phänotypisch mit der Information an: Das ist überhaupt kein Fisch. — Wieso, heißt doch Walfisch? — Trotzdem, ist ein Säugetier. — Und Erdbeeren sind keine Früchte, sondern Nüsschen (nicht Nüsse!), und Gurken sind eigentlich Beeren. Zurück auf die Bäume, ihr Primaten populären Halbwissens und urbaner Legenden. Der erste Fehler in der Evolution war sowieso, überhaupt das Meer zu verlassen.

Welches Säugetier allerdings damit angefangen hat, den Rückschritt ins Wasser zu wagen, ist eine Information allerneuster Provenienz. Der Inbegriff der Glaubwürdigkeit, ein amerikanischer Wissenschaftler namens Hans Thewissen vom North Eastern Ohio Universities College of Medicine, hat im Indohyus den nächsten Verwandten vom Lande des Wals erkannt. Indohyus war vor etwa 48 Millionen ein Paarhufer aus Indien und damit dem heutigen Hirsch verwandt. Ins Wasser strebte er nicht wie bisher angenommen, um seine Ernährung um Fisch zu ergänzen, sondern eher zur Flucht.

Diese dauerhafte Angst, so anhaltend, dass der arme Hirsch seinen Lebensmittelpunkt in seinem Zufluchtsort einrichtete, erinnert an den neuseeländischen Kakapo: Seit dessen anrührender Beschreibung durch Douglas Adams in Last Chance to See soll sich der Bestand kurz vor der vollständigen Distinktion erhöht haben, normalerweise wäre dieser unnatürlich friedliche, possierliche Geselle vor lauter Aggressionsmangel ausgestorben.

Vor 48 Millionen Jahren war Douglas Adams nicht zugegen, so dass Indohyus freiwillig das Feld räumte und statt zu erlöschen in eine neue Lebensform überging. Auf ihre Weise eine durchaus beeindruckende Form des Überlebenswillens. Heute haben wir: Wale.

Aber wie lange noch? In unseren modernen Zeiten, die einer Endzeit ähnlicher sehen als einem Neuanfang, sind Leute wie Hans Thewissen und Douglas Adams wertvolle Sammler und Entdecker, die uns wenigstens noch einmal vorführen, was wir zu verlieren haben.

Das Hirschferkel oder Water Chevrotain aus Afrika wird heute noch bei solchem Fluchtverhalten beobachtet.

Allen Melvilleanern, Freunden und Verirrten ein glückliches Jahr des Übersehenen Knabenkrauts.

Bild: The Guardian; Film: National Geographic.

Und wieder mal danke an Constanze für den Hinweis.

Written by Wolf

1. January 2008 at 2:13 am

Posted in Meeresgrund