Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for November 2009

What about Carson: Humble Me

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Update zu Save my soul but bring your toys:

Die unterschätzteste Band der Welt What about Carson hat ein paar wahnsinnig schöne neue Lieder. Eins davon, Humble Me, hat das Zeug zum Klassiker. The incredible Linus zupft darauf eine Achtsaitige, die uns an einen Herrgott glauben lehrt: Die Phrase fängt mit unbeirrbarer Penetranz immer wieder von vorne an, geniert sich nicht, der Stimme ins Wort zu fallen, und bleibt sich sich selbst gleich. Das sagt: Es geht weiter.

Dass solche Lieder wachsen, ist ein Geschenk. Davor sollte man Respekt haben. Wenn Sie dergleichen verstehen, pfeifen Sie mit; wenn nicht, hören Sie weiter Formatradio.

What about Carson sind:

  • Edda Ruß (Gesang, Heimorgel);
  • Dietrich Pfund (Gitarre, Schlagzeug)
  • Andreas Linus Steinert (Gitarre, Mandoline, Banjo, Akkordeon, Gesang)

und spielen am 22. Dezember 2009 in der Kofferfabrik Fürth — und irgendwann im Frühling 2010 im Berliner deutsch-russischen Tschechow-Theater, um eine Blog-Lesung von Moby-Dick™ zu beschallen. Wir werden berichten — und Elke hat schon die Anwärmveranstaltung dazu organisiert, gestaltet, durchgezogen und verbloggt. Sehen wir uns da oder dort?

Written by Wolf

30. November 2009 at 12:06 pm

Posted in Reeperbahn

Mein kaltes Herz (I’ll be back to stay)

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Update zu Entschluss, Amerikas Goethe zu werden und Leben im Konjunktiv:

Sehr geehrter Herr Wolf,

Sie erhalten dieses Schreiben, weil Ihr Ruf zu uns gedrungen ist. Den Weg, auf dem dies geschehen ist, vermuten Sie ganz zu Recht in Ihrem Weltruhm.

Wir sind eine kleine, aber in klimatischer und strategischer Hinsicht überdurchschnittlich günstig gelegene, außerdem autarke Inselkolonie im Westen von Irland, von der Sie noch nie gehört haben sollten. Ob Sie in uns Elysion, Fiddler’s Green, Avalon, Walhall, Nirwana, Shangri-La, Arno Schmidts Gelehrtenrepublik, die Res Publica Literaria oder etwas anderes erblicken, obliegt Ihnen selbst; alles davon ist richtig, wenn Sie es so wollen. Haben wir doch Verträge mit sämtlichen geographischen Instituten und Herstellern kartographischer Werke auf der Welt, uns in ihren Atlanten und Globen unerwähnt zu lassen.

Bei uns finden jene weltweit tätigen und bekannten Künstlerinnen und Künstler aller Ausrichtungen ihr Zuhause, die den Rummel um ihre Person satt geworden sind. Für einen Jahresbeitrag, der bei dem Status unserer Siedler als unerheblich gelten muss, bieten wir ihnen ideale Lebensumstände, absolute Diskretion sowie die schlüssige Legende ihres Ablebens.

Gegründet wurden wir Ende 1791 von Wolfgang Amadeus Mozart, der mit 35 beschloss, sein Lebenswerk für diesmal abzuschließen und sich nicht länger mit Freimaurern und Neidern herumzuschlagen. Eben das ist der Grund dafür, dass sein Grab unbekannt blieb. Auf dem Seeweg zu uns schrieb er „La Paloma“ und starb Mitte des 19. Jahrhunderts betagt und zufrieden.

Wilhelm Hauff, Kreidezeichnung von J. Behringer, Wikimedia Commons1827 holte Mozart den deutschen Schriftsteller Wilhelm Hauff zu sich, dessen Werke er auf dem irischen Festland in englischer Übersetzung kennen und schätzen gelernt hatte. Wie Sie sich erinnern, lautet die offizielle Version, dass Hauff im Alter von 24 Jahren den Folgen eines “Nervenfiebers” erlag. In Wirklichkeit übte er noch direkten, ja freundschaftlichen Einfluss auf James Macpherson, den Herausgeber der Gedichte von Ossian, der ebenfalls hier seinen Lebensabend verbrachte. Sein Spät- und Hauptwerk wird ausschließlich bei uns auf dem wahrscheinlich sichersten Server der Welt gespeichert. Und das wird auch so bleiben.

Als erste Siedler begaben sich Jane Austen und eine Generation später alle sechs (sic) Brontë-Geschwister in derart gute Gesellschaft: Schicksale wie die unserer Siedler sind ein Frauenmagnet.

In jüngerer Vergangenheit haben sich Zeitgenossen wie Marilyn Monroe, James Dean, Grace Kelly, Jimi Morrison, Jimi Hendrix, Mama Cass, Brian Jones, Janis Joplin, Jörg Fauser, Jacques Brel, Peter Rohland, Keith Moon, Sid Vicious, Freddy Mercury, River Phoenix, Frank Zappa, Douglas Adams, Kurt Cobain, Sandy Denny und natürlich John Lennon angesiedelt.

Alle der Genannten führen hier das Leben, das sie sich wünschten, als sie erst noch berühmt werden wollten; ihr Wunsch erfüllt sich jetzt, hier bei uns. Referenzen darüber erhalten Sie unter bestimmten Vorkehrungen zur Diskretion, die wir seit dem Zuzug von Elvis Presley einhalten müssen, der sich leider heute noch regelmäßig in seinem Herkunftsland sichten lässt.

Wenn Sie, Herr Wolf, sich in unsere Bevölkerung einreihen wollen, bitten wir Sie um Ihre Nachricht. Wir unterrichten Sie hiermit darüber, dass Sie ab sofort in unserer Kartei potentieller Siedler geführt sind, und werden uns jederzeit an Sie erinnern. Ihre Akte wird garantiert noch am selben Tag gelöscht, an dem Sie in realiter versterben. Die Werke, die Sie als unser Staatsbürger hervorbringen, bleiben Ihrem Urheberrecht unterworfen. Unsere Regierung leistet sich diese Caprice, weil sie in unserer Geschichte noch nie missbraucht wurde: Die Vorteile, wenn Sie ausschließlich bei uns veröffentlichen, überwiegen.

Ihr Fehlen in der Gesellschaft wird sehr gut begründet sein. Wir haben die besten Erfahrungen damit gemacht, unseren Siedlern Automobilunfälle oder Erstickungen am eigenen Erbrochenen anzudichten. Sollten Sie eine bestimmte, mehr oder weniger spektakuläre Todesart wünschen, sprechen Sie uns an. Unsere Agenten und Mediengestalter sind weltweit führend in Nachrichtenlancierung und Public Relations.

Was Sie bei uns erwartet, ist ein Leben nach Ihren eigenen Vorstellungen. Unser Großklima wird vom Golfstrom bestimmt und ähnelt daher dem Irlands und der Azoren, wenngleich mit deutlich geringerer Regenwahrscheinlichkeit. Luft- und Wasserqualität sind weltweit beispiellos.

Unsere Regierungsform ist die Basisdemokratie. In unserem Falle hat sich dieses soziale Experiment als tragfähig erwiesen, weil wir bei unseren Einwohnern mit einer gewissen sittlichen Reife und verwandten Interessen rechnen können. Der einzige Fehler, den einer der immer nur nach Bedarf durchwechselnden Opinion Leaders je begangen hat, war das Erheben von Steuern; er wurde noch vor Ende des ersten Erklärungszeitraums korrigiert. Seitdem lebt jeder einzelne Siedler so autark wie die gesamte Kolonie.

Als Residenz können sich Ihr Traumhaus einrichten oder eine Wohngemeinschaft mit Künstlern nach Ihren Absprachen eingehen. Ihr Lebensunterhalt wird sich wie bisher aus dem bestreiten, was Sie ohnehin am besten können.

Unsere Industrie und Landwirtschaft arbeiten praktisch ohne Zukäufe von außerhalb, was bedeutet, dass Sie sich fortan von rückstandsfreien Lebensmitteln ernähren werden. Schnapsbrennerei und Brauereiwesen sind zu einer Blüte gelangt, an welcher in der restlichen Welt noch nicht einmal geplant wird. Es gedeihen alle gängigen natürlichen Drogen. Der nordöstliche Teil unserer Insel ist der Besiedlung durch eine Frauensekte vorbehalten, die sich als Gemeinschaft von Tempelhuren versteht.

Warten Sie nicht zu lange mit Ihrer Antwort!

Mit freundlichen Grüßen,
(Schnörkelstrich)
Population Key Manager

Dieses Schreiben vernichtet sich bei Luftkontakt nach sieben Minuten selbst.

Bild: Wilhelm Hauff, * 29. November 1802 in Stuttgart; † 18. November 1827 ebenda:
Kreidezeichnung von J. Behringer 1826, in: Helmut Hornbogen: Tübinger Dichter-Häuser.
Verlag Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, 1989, Seite 94.

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Sommerliedchen: New World Trio: Kara Kara Kimbiay, 1971.

Written by Wolf

29. November 2009 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

Country Rap: Fuck You!

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Subject to changes. Music in progress by What about Carson.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

1.: Fuck that bastard always stopping
by at work, to start some mobbing,
sitting in my office rested,
in all my affairs interested,
and pretends a little chat,
though I don’t know a thing, just that
he’ll spread each word from me along,
especially those he got wrong.

Fuck that compulsively friendly
grinning fool, who accidentally
could not quite recall my story
save some words in his own glory:
Trust any quote midnight to twelve
you ripped from context by yourself,
and keep in mind that when you lose it
to be grateful when you use it.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

2.: Fuck all fuckers who are clever
enough to fuck, but later never
know what to do with little creatures
with hands and feet and facial features,
hunger, thirst, and mental needs,
whom they’ll keep in the deep-freeze,
next to junk-food and canned beer!
Fuck and blast them, hate and fear!

Fuck and hate them still, when they
raised their child to live and stay
at home and go to school
to work it out and play it cool,
not to grow up like these losers,
Mum and Dad, the hopeless boozers,
lying drunk in bed and soon
fuck away the afternoon.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

3.: Fuck all sickness and diseases
regardless if on soul or physis
that affect innocent folks
more often than the utter rogues
of a brazen health, while they
soft at heart fall lightly prey
to apoplexia and depression
after the depressed ones’ fashion.

Fuck when malady comes nearest
to the folks that you hold dearest
for living, loving, caring, kissing,
for the bloody thing won’t listen
when you helpless watch and cry:
There’s nobody to ask them why.
Blind infestation will not care:
No one promised life was fair.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

4.: Fuck those girls who are just females,
and spend their time painting their toenails
to stay pretty and dumb, and never
anything but this endeavour:
standing in the clubs and bars,
feeling like the bloody stars,
and every time some douchebag blinks,
strip him off some freebie drinks.

Fuck them girls especially when
they take that douchebag home and then
enrage about their new apprentice
when he goes for her pink panties.
Fuck them all, hear me, Lord Jesus,
the fancymen like the cockteasers,
let all in celibacy fall:
Never let them be fucked at all!

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

5.: Fuck those boys who let their friends down
for a girl our of her nightgown,
new on block, all hair and tits,
with four seductively split lips,
for they gamble with their lives,
with their living, and their wives,
and tear down, what their happiness is,
with their cheating horny asses.

Fuck self-opinioned spare-time heroes
who are five days a week just weirdoes,
and Friday evenings get struck
by what their lives have else in stock:
Don’t mess with reality,
and accept my life and me
rule the world, at the least the town,
when I some day get around.

The Fürbitten: Fuck idiots who refuse to learn,
fuck I’m late with tax return,
fuck that bitch who would not kiss me,
fuck my world view shaped by Disney,
fuck my sweetheart is not here,
fuck bars with warm expensive beer,
fuck my sweetheart will not stay,
fuck my last beer yesterday,

fuck disharmonious flat sept chords,
fuck trains full of overslept hordes,
fuck bread and rolls with sesame strewn,
fuck guitar strings out of tune,
fuck screaming wreckless neckless kiddies,
fuck my ex who kept my favourite CDs,
fuck the songs by gay Rex Gildo,
fuck the batteries for my pocket lamp,

fuck ugly girls and drooling nerds,
fuck song lyrics with naughty words,
fuck the swine flu and the plague,
fuck Bond movies with Daniel Craig,
fuck fingerprints on DVDs,
fuck expired guarantees,
fuck the April Playboy bunny,
fuck I still depend on money.

fuck white socks in plastic sandals,
fuck September Christmas candles,
fuck potato-peeling labours,
fuck my moaning porno neighbours,
fuck useless music contraptions,
fuck my brainless preconceptions,
fuck my face on party snaps,
fuck awkward rhymes in country raps!

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

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Written by Wolf

26. November 2009 at 3:28 am

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Shut Up ‘N Play Yer Guitar

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Update zu Schnaps fürn Durscht:

Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.

Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater, 1810.

Wissen ist keine Schande. Es nützt halt nur nichts.

Sven Regener, 2009.

Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.

Kaiser Wilhelm II.

It’s fucking great to be alive.

Frank Zappa, 1940–1993.

Vielleicht hat sogar schon jemand das Radfahren verlernt, aber niemand kann vor sich selbst so tun, als wüsste er etwas nicht. Die Unschuld ist weg.

Es war eine Zeit, als die Jungs Gitarre lernten, um Kommunenorgien mit House of the Rising Sun zu untermalen: a / C / D / F // a / C / E7. Die Schwierigkeit war das F, vor dem Barré hatte jeder einen Heidenrespekt. So lange, bis sie ihn zum ersten Mal raushatten. Zehn Sekunden danach schüttelten sie den Kopf über ihre einstige Angst wie über ihre Kindheit, als sie allen Ernstes glaubten, im Radio wohne ein kleinwüchsiges Symphonieorchester.

Meine eigene Not hatte ich eher im gedankenschnellen Umrechnen von Flageoletten, dafür kriegte ich schnell spitz, was Powerakkorde sind, und grinste deshalb milde über Barrés. Was mir niemand sagte: dass man mit Gitarrespielen Mädchen beeindrucken kann, ich war immer nur aufs “Bier für die Musik” aus. Das verschaffte mir einen unschlagbaren Sympathievorsprung, weil ich’s nicht drauf anlegte, und bei der gleichzeitig anhaltenden Arbeit mit Kopf und beiden Händen wird man sowieso bis in den Vormittag hinein nicht besoffen.

Als ich nach meiner Lagerfeuerkarriere erfuhr, dass ich statt den Freigetränken die Mädchen hätte haben können, war meine Jugend verspielt. Aber ich konnte nie wieder so tun, als ob ich nicht wüsste, was ich verpasst hatte.

Gitarrespielen ist wie Weihnachten: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — man muss es gerne tun. Gitarrespielen, um Mädchen zu gefallen, ist wie Weihnachten seine Eltern zu besuchen: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — man kann nur Fehler machen. Gitarrespielen mit diesem Wissen ist wie die Erinnerung an Weihnachten in der Kindheit: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — Kind ist man nur einmal.

Als ich anfing, nahm ich mir vor aufzuhören, sobald ich den Karten Dippler Blues von Peter Horton konnte. Irgendwann konnte ich sogar Tears in Heaven, aber es war egal. Ich verstieg mich dazu, meine Bob-Dylan-Lieder selbst zu schreiben, und brachte es zu so viel Perfektion, dass man den Dylan gar nicht mehr raushörte, und denen ich sie stolz zeigte, fanden es schade um die Zeit. Entweder war es Mist, dann gibt es keine Entschuldigung, oder es war gut, dann wär’s ja auch noch schöner, wenn nicht. Mädchen beeindrucken heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun — genau das muss Kaiser Wilhelm wirklich gemeint haben — und Gitarrespielen zur Unzeit — nach 22 Uhr oder über 22 Jahren — ist wie karfreitags Weihnachten feiern, und schluss ist mit Sympathievorschuss. Deshalb liegt einen Teilaspekt seines Lebens nicht gelebt zu haben überraschend nah am generellen Tod.

Vor Jahren stellte ich meine erste Gitarre, die den Hals bis zur Unspielbarkeit hängen ließ, aus sentimentalen Gründen einer Werkstatt für Instrumentenbau vor. Alle Alphamädchen, die ein Handwerk lernen, werden noch vor dem dreißigsten Lebensjahr was mit Medien machen, meistens Grafik, vor allem aber tragen sie einen blonden Pferdeschwanz und sind durch eventuelle Virtuosität nicht zu beeindrucken, weil sie von Natur aus in allem um ein Vielfaches besser sind. Meine zuständige wischte sich die Sägespäne von den Händen an der Küferschürze ab und erklärte die Patientin für tot. Dieser Wochen fange ich meine Monate mit geringfügig weniger Dispo an als zuvor und versuchte eine andere Werkstatt, denn Gitarrespielen ist wie Weihnachten: Es hilft nichts, Fehler zu machen — man muss das Ritual einhalten. Und man kriegt nie ein Pony, sondern immer einen Rollkragenpullover.

Susi trägt den Hals wieder aufrecht und klingt so schön wie vor Zeiten. Allein die Auswahl, die einst Freiheit bedeutete, ist jetzt ein Sachzwang: Geblieben ist das Gitarrespielen um seiner selbst willen; der Sympathievorsprung ist kein Licht mehr, das man erwarten darf, wenn man den Lichtschalter bedient, sondern eine Kerze, die einem möglicherweise hingestellt wird. Wenn ein freundliches Mädchen sie bringt, hat man das größte Glück, das einem noch widerfahren kann. Wenn sie nichts Drängenderes zu tun hat, setzt sie sich daneben, um ein Weilchen zuzuhören. Sie stellt eine anteilnehmende Frage und gibt bereitwillig Auskunft, weil sie sich nichts vergeben wird. Wenn man etwas spielt, das ihr früher einmal gefallen hat, fühlt man sie an seiner Seite mitwiegen, sie legt den Finger beim Licht ihrer Kerze auf eine Stelle im Textblatt und sagt:

“Ui.”

Ihre Haare kitzeln von schräg hinten an der Wange, und ihr Lächeln wärmt mehr als die Kerze und ist echt. Aber der Wind verheißt einen langen Winter, die Kerze flackert bedenklich, und wenn sie wieder in die Wärme geht, am Ende ihre Kerze wieder einkassiert, darf man sie nicht zurückhalten. Was das war? Kein Verdienst mehr, sondern eine Gnade. Und ganz besonders jetzt ist es wie Weihnachten: Man kann es nicht einfach bleiben lassen.

Dass Susi gestimmt ist, sagt mir Moritz, indem er nicht sofort vom Bett aufspringt und das Gescholler flieht: Katzen sind Blueser. Dass ich Recht habe, sagt mir die Stimme aus dem Arbeitszimmer: “Ich versuch mich hier zu konzentrieren! Danke!”

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Written by Wolf

23. November 2009 at 7:31 am

Posted in Wolfs Koje

München am Meer X: 50 Jahre alte Fischstäbchen

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Update zur Schaafswolle und
Die Leere trägt jeder in sich allein:

Käpt'n Iglo im Taxi, bild.de, Fr 20. November 2009

Alle lieben ihn, jeder hat ihn schon mal gesehen: Käpt‘n Iglo aus der TV-Werbung. Diesen kantigen Seemann kennt wirklich jedes Kind. Mit schmucker Uniform und weißem Rauschebart macht er seit Jahren Werbung für die leckeren Fischstäbchen. Was keiner weiß: Der Seemann hat noch einen ganz anderen Job! Mitten in München.

Im echten Leben heißt der TV-Käpt‘n Gerd Deutschmann (74). Der Vater von zwei Töchtern blickt auf eine lange Karriere als Schauspieler zurück. Theater, Fernsehen, Werbespots: Der Hobby-Schwimmer hat alles gemacht.

In der Serie „Löwengrube“ spielte er zum Beispiel neben Christine Neubauer (47) einen Regierungsrat, im „Komödienstadl“ den Ehemann von Veronika von Quast (62). Vor der WM 2006 drehte Deutschmann zusammen mit Fußball-Weltstar David Beckham (34) einen Werbespot für Pepsi in Madrid. „Diese Jobs haben viel Spaß gemacht“, sagt er.

Doch der Werbe-Seebär hat noch einen ganz anderen Job: Er ist ein waschechter Münchner Taxier! Und das seit fast 45 Jahren!

„Früher, als ich noch Theater spielte, bin ich bis 13.30 Uhr Taxi gefahren, bin dann zur Probe und danach wieder ins Taxi.“ Die Ochsentour ging weiter: „Abends bin ich mit dem Taxi vors Theater, bin rein, habe gespielt und nachher weiter Taxi gefahren“, erzählt er.

Im Dezember 2008 wurde die Firma „Iglo“ auf den Münchner aufmerksam. „Bei einem Casting haben mich zwei Damen ausgesucht“, sagt er. Im Januar wurde in Kapstadt der Spot gedreht – seit März läuft er im TV. Inhalt: Käpt‘n Iglo geht mit Kindern auf große Fahrt. Als Proviant gibt‘s was? Genau: Fischstäbchen.

„Ich selbst esse täglich mindestens 120 Stück“, sagt der Käpt‘n augenzwinkernd. Und braust im Taxi davon…

Oliver Grothmann: Seit 45 Jahren! Käpt’n Iglo fährt Taxi in München, 20. November 2009.

Käpt'n Iglo im Fernseh, bild.de, Fr 20. November 2009

Bilder: Bild (Theo Klein, 20. November 2009).

Film: Käpt’n Iglo in Nürnberg! Frankenpirat (sic) am 18. Mai für 25. April 2009.

Written by Wolf

20. November 2009 at 7:29 am

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München am Meer IX: Schaafswolle to Moby Dick!

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Update zu Carta Marina:

A tramping of sea boots was heard in the entry; the door was flung open, and in rolled a wild set of mariners enough. Enveloped in their shaggy watch coats, and with their heads muffled in woollen comforters, all bedarned and ragged, and their beards stiff with icicles, they seemed an eruption of bears from Labrador.

Chapter 3.

Elijah! thought I, and we walked away, both commenting, after each other’s fashion, upon this ragged old sailor; and agreed that he was nothing but a humbug, trying to be a bugbear.

Chapter 19.

“Aye, Queequeg, the harpoons lie all twisted and wrenched in him; aye, Daggoo, his spout is a big one, like a whole shock of wheat, and white as a pile of our Nantucket wool after the great annual sheep-shearing.”

Chapter 36.

Herman Melville hat nach seinem Vorgänger White Jacket nur nachlässig festgelegt, was auf der Pequod die things to wear seien. Da muss erst eine Münchnerin kommen und für Sommer 2010 alles klar machen. Sie benutzt statt der Schreib- eine Nähmaschine und ist so gut wie Melville Herrin über ihren Stoff.

Das Jäckchen Fedallah finde ich recht kleidsam; was aber an einer gewissen Sympathie für das Model liegen kann. In solchen Schuhen kriegen Sie auch keine bessere Haltung hin.

Death to Moby Dick!

In Anlehnung an Herman Melville´s Roman „Moby Dick oder der Wal“ handelt „Death to Moby Dick!“ von den zwischenmenschlichen Beziehungen an Bord der „Pequod“.

Die drei Charaktere Ismael, Captain Ahab und der Harpunier Queequeg färben während der langwierigen Jagd nach dem weißen Wal unvermeidlich aufeinander ab und hinterlassen Spuren im Dasein der jeweils anderen.

Ismael´s fiktives, von Erinnerungen geprägtes Leben als einziger Überlebender, war der inspirierende Ausgangspunkt für diese Kollektion.

Die Serie, die wie oft bei Rückblenden in einer Nicht-farbigkeit gehalten ist, kombiniert typische Attribute der einzelnen Persönlichkeiten in ihrer Stofflichkeit und Stilistik. So trifft zum Beispiel ein düsterer Kapitänsmantel auf einen seidenen Pünktchenschal, ein weißes, sauberes Hemd auf eine mystisch angehauchte Weste mit langen schwarzen Fransen.

Den Titel verdankt die Kollektion dem Schlachtruf, der die Mannschaft an Bord anstachelte und der, nach deren Tod wie ein zynisches Echo nachhallt.

„Alles, was edel ist, trägt einen Anflug von Schwermut“
H. Melville
Moby Dick

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Bild, Text & Videos: Miriam Schaaf: Death to Moby Dick!, 2009 für Sommer 2010; Tobias Knipf. “SCHAAF ist ein neues Modelabel aus München, das sich momentan noch im Aufbau befindet, aber hohe Ziele verfolgt.” München, Astallerstraße 11, Eingang Guldeinstraße.

Written by Wolf

17. November 2009 at 12:11 am

Posted in Fiddler's Green

Das Hörbuch als Video: Kapitel 26 und 27: Ritter und Knappen

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Update zu Kapitel 25: Postskriptum:

Das 26. (11:03 Minuten) und 27. Kapitel (13:37 Minuten), beide Ritter und Knappen, sind fertig.

MyFlyAway MyFlyAway

Bilder: MyFlyAway, Fly und Fly, beide 4. Juli 2008.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobilder: Rockwell Kent: Chapter XXVI: Knights and Squires, Lakeside Press Edition; Starz.
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

15. November 2009 at 12:32 pm

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München am Meer VIII: Carta Marina

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Christina Dichterliebchen macht ein Update zu Hic sunt leones, New York 1660,
Die Einsamkeit des Langstreckenläufers, Heimkehr und Freitagsfisch:

Donna Ricci als Christina DichterliebchenWahrscheinlich muss jeder das einmal mitgemacht haben: Einst dachte ich, man werde gesund, leistungsfähig und begehrenswert davon, wenn man jeden Tag, womit ich jeden Tag meine, bei Bruthitze wie Hagelschlag elf Kilometer durch vier verschiedene Nürnberger Stadtteile rennt. An Werk-, Sonn- und Feiertagen, immer gegen vier Uhr morgens, eine Zeit, die aus dem Kalender gefallen ist, damit es nicht wahr sein konnte. Außer meinen Aufsichtspflichtigen erfuhr niemand je davon, den Rest der Tage glaubte ich es selbst kaum. Ich nannte es Dauerlauf, Jogging fand ich affig. Zurück kam ich jedes liebe Mal atemlos, verschwitzt und missgelaunt, klüger wurde ich jedenfalls nicht: Bei einer gewissen seelischen Disposition wird man davon nicht körperlich fitter, nur gleichgültiger gegen die eigene Erschöpfung. Etwas wie Spaß, Stolz oder sonst eine Abart der Euphorie empfand ich kein einziges Mal.

Vor allem trug ich täglich zwischen den beiden Muskelkatern in meinen Oberschenkeln ein elend verzweifeltes Ziehen, einhergehend mit unerträglich nervensehrenden Gedanken an gut gebaute Mannsbilder, oft auch an nackte, mir nicht persönlich bekannte Frauen, die sich in meiner überreizten Phantasie bildeten, meist fünf bis zehn Jahre älter als ich und der nachmaligen Nicole Kidman in Eyes Wide Shut nicht unähnlich, einschließlich der Brille. Die körperliche Begleiterscheinung “da unten” begründete ich vor mir selbst mit Erweiterung meiner Blutgefäße und Schweißfeuchtigkeit; genauer beschreibende Worte dafür gestattete ich mir so wenig wie eine Stunde zuvor jegliche Gehpause. In der Badewanne danach brauchte ich immer unverhältnismäßig lange, erst damit konnte ich mich in einen Zustand körperlicher Zurechnungsfähigkeit versetzen. Auch hatte ich mir einen handlichen Fichtenprügel aus dem Nürnberger Stadtwald auf 24 Zentimeter Länge zurechtgeschnitzt und sogar wasserfest lackiert. Weder verstand noch verstehe ich, was mich am nächsten Tag wieder losrennen ließ, es musste aber mit Sehnsucht und Durchhaltewillen zu tun haben. Mit vierzehn fing ich damit an, etwa drei Jahre fügte ich es mir zu. Jungfrau blieb ich bis wenige Tage vor meinem Dreiundzwanzigsten.

Irgendwann zog ich nach München — eine Stadt, in der offenbar gerade wegen ihrer Meerferne erstaunlich viele seemännische Aspekte herumstehen, und die als besonders gut “benutzbar” gilt — im Unterschied zu “nur zum Anschauen”, vor allem in geschlechtlichen Belangen (haben Sie sich mal gefragt, was an den Sommerabenden hinter den Büschen im Englischen Garten so verhalten rummelt?), und die mich erst richtig lehrte, wie die Sehnsucht nach der Ferne und inniger Zweisamkeit schmerzen kann. Bis heute überlege ich, ob mich wenigstens das klüger macht.

1886 wurde in der Münchner Stabi ein Exemplar der Carta Marina entdeckt.

Carta Marina

Bild: Olaus Magnus: Carta Marina von Nordeuropa, ab 1539.

Danke an Fishing in the Past!

Written by Wolf

9. November 2009 at 12:01 am

Novembergewinnspiel: A Wolf’s Gotta Do What a Wolf’s Gotta Do

with 19 comments

Update zu !מזל טוֹב:

Aus unserer jährlich fortgesetzten Dokumentarserie Chronik des Verfalls:

Sehwolf bei der Arbeit, 2009

Erraten Sie, welche Internetseite der Wolf, wie wir ihn auf Bilde schaun, aufgerufen hat, und was er warum damit treibt!

Jeder Versuch, der sich erkennbare Mühe gibt, gewinnt ein schönes Buch. Im Regal jucken:

  • Stephen Chboski: The Perks of Being a Wallflower;
  • Heinrich Heine: Buch der Lieder, ein Goldmanns Gelbes Taschenbuch von 1956, also noch sehr viel gelber als zur Veröffentllichung, aber ungekürzt; und als Sonderpreis:
  • Heinrich Heine: Im Pavillon am Jungfernstieg. Eine literarische Reise von Helgoland bis in den Harz, Reihe Die Bibliothek des Nordens bei Hoffmann und Campe, verlagsneu, kein “preisreduziertes Mängelexemplar”, original eingeschweißt.

Für das letztere muss allerdings schon was kommen. Dafür werde ich mich leichten Herzens zu weiteren Überraschungspreisen bewegen lassen: Sogar ein paar LPs sind da.

Bitte bis Sonntag, den 15. November 2009 um Mitternacht, in den Kommentar. Nicht drängeln, alle dürfen, und wie ich mich kenne, kriegen auch die meisten was. “Rechtsweg” hab ich überhört.

Bild: Egoshooting, 6. November 2009.

Written by Wolf

6. November 2009 at 6:21 pm

Posted in Kommandobrücke

Fünfzig Inseln, auf denen wir nie waren und niemals sein werden:

with 10 comments

Update zu Hood’s Isle and the Hermit Oberlus:

Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln, 2009.

Judith Schalansky, Atlas der abgelegenen Inseln

Nur weil sie da geboren ist, wo andere kuschelstudieren: in Greifswald. Süß, das Mädel, noch keine dreißig, blitzgescheit, wird es noch weit bringen im Leben. Erste Abenteuer in der Typographie; urdeutsch, in Fraktur, wie das so ist, wenn man nicht raus darf, mit der großen Freiheit ab 1989 war mit neun Jahren noch nicht zu rechnen und als sie da war, nicht abzusehen, wohin damit. Erste Männergeschichten in unverblümtem Trotz: Blau steht dir nicht. Der Untertitel ihres Meisterwurfs atmet deshalb unfehlbar alle Wehmut der Ozeane, nach denen er geordnet ist: Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde.

Gerade noch am Vertriebsdrachen vorbeigeschmuggelt, die Formulierung, würde man sich vorstellen, wenn nicht die Vorstellung sämtlicher Angestellten bei mare als Stand-ins für den frühen Wolf Larsen vordringlicher wäre. Die erste Auflage null Komma nix vergriffen, denn Sehnsucht ist menschlich. Träume sind der Fluch derer, die sich an sie erinnern, da hol der Klabautermann die 34 Euro für 144 Seiten: Wenn dieses Papier keine Erotik ist, was dann?

Man hat ja auch nie mit einer Sirene geschlafen, sondern nur mit sehr viel Glück mit einer Fischbrötchenfalterin am Rüganer Strand mit rötlichem Pferdeschwanz geflirtet, und wird niemals den Leuchtturmwärter von Tristan da Cunha auf sein Sofa laden, sondern mit sehr viel Glück einen freien Grafikkollegen, der als Junge gern Segelschiffchen gezeichnet hat. Verachten wir keinen von ihnen, denn sie sind es, die das Stück für Weihnachten verfügbar halten. Querstreifen stehen uns nicht.

Danke an Frau Scratch.

Written by Wolf

4. November 2009 at 1:58 am

Posted in Moses Wolf

Das Hörbuch als Video: Kapitel 25: Postskriptum

with one comment

Update zu Kapitel 24: Der Anwalt der Verteidigung:

Das 25. Kapitel (2:41 Minuten) ist fertig.

Ms. Charm, Become a SuicideGirl

Bild: Ms. Charm for Become a SuicideGirl.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobild: Rockwell Kent: Chapter XXV: Postscript, Lakeside Press Edition.
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

3. November 2009 at 12:01 am

Posted in Siedekessel

Das Hörbuch als Video: Kapitel 24: Der Anwalt der Verteidigung

with one comment

Update zu Kapitel 23: Die Leeküste:

Das 24. Kapitel (14:35 Minuten) ist fertig.

Fly Fly Fly, November 28, 2008

Bild: Fly Fly Fly, 28. November 2008.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobild: Rockwell Kent: Chapter XXIV: The Advocate, Lakeside Press Edition.
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Written by Wolf

1. November 2009 at 1:11 pm

Posted in Siedekessel