Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for March 2011

Gestern sank die Sonne hin und ging doch wieder auf

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Obligates Update zu Teach me to heare Mermaides singing und Wiser Far Than I:

Wie meiner werten Auftraggeberin Hille Perl bei Lieferung der Übersetzungen für die Dowland-Vertonungen für ihre eigene Präsenz versprochen, hab ich mich an einen Extended Remix — das ist: eine Übersetzung aller fünf Strophen des Song II statt nur der üblichen und für die CD eingesungenen drei gesetzt. Und siehe: Es verträgt die Länge ganz gut. Meines Wissens ist das jetzt die einzige einigermaßen zugängliche deutsche Version des vollständigen Gedichts. Man korrigiere mich notfalls, aber die Reste von Vordtriede bringen es gar nicht und Koppenfels dreistrophig.

Heute vor 380 Jahren ist John Donne (21. Januar 1572 bis 31. März 1631) gestorben. Wie lebendig er ist, zeigt spätestens die Perl-Santana-Mields-Sirius-Viols-Sammlung über John Dowland Loves Alchymie, eingespielt vor ziemlich genau einem Jahr. Da wird er sich wohl noch wünschen dürfen, dass eins seiner schönsten Gedichte wenigstens einmal vollständig irgendwo steht. Zu Diensten, Exzellenz.

John Donne: Song II

Sweetest love, I do not go,
     For weariness of thee,
Nor in hope the world can show
     A fitter love for me;
          But since that I
At the last must part, ’tis best,
Thus to use myself in jest
     By feigned deaths to die.

Yesternight the sun went hence,
     And yet is here to-day;
He hath no desire nor sense,
     Nor half so short a way;
          Then fear not me,
But believe that I shall make
Speedier journeys, since I take
     More wings and spurs than he.

O how feeble is man’s power,
     That if good fortune fall,
Cannot add another hour,
     Nor a lost hour recall;
          But come bad chance,
And we join to it our strength,
And we teach it art and length,
     Itself o’er us to advance.

When thou sigh’st, thou sigh’st not wind,
     But sigh’st my soul away;
When thou weep’st, unkindly kind,
     My life’s blood doth decay.
     It cannot be
That thou lovest me as thou say’st,
If in thine my life thou waste,
     Thou art the best of me.

Let not thy divining heart
     Forethink me any ill;
Destiny may take thy part,
     And may thy fears fulfil.
          But think that we
Are but turn’d aside to sleep.
They who one another keep
     Alive, ne’er parted be.

John Donne: Lied II

Liebste mein, Süßeste, nein,
     Ich scheide nicht aus Überdruss
Und Hoffnung, dass die Welt mir ein
     Besseres Lieben bieten muss;
          Doch weiß ich, dass
Ich sterbe im Ernst,
Und übe vorerst, damit du’s lernst,
     Das Sterben nur zum Spaß.

Gestern sank die Sonne hin
     Und ging doch wieder auf:
Ganz ohne Ziel, ganz ohne Sinn,
     Mit halb so weitem Lauf.
          Drum gib nicht verloren
Die schnellere Reise, die ich begann,
Denn im Vergleich lege ich an
     Viel schnellere Flügel und Sporen.

Ach, wie schwach der Mensch, der ringt,
     Bleibt, wenn ihm auch das Glück zufällt,
Und keine Stunde wiederbringt
     Noch ihrer eine zugesellt.
          Doch wenn es sich wendet,
Machen wir uns mit Macht und Dauer
Unser Unglück doppelt sauer,
     Bis es noch schlimmer endet.

Wenn du seufzest, seufzt kein Wind –
     Meine Seele seufzt da im Entschweben;
Wenn du weinst, unseliges Kind,
     Versiegt all mein Blut und mein Leben.
          Doch glaub ich dir,
Dass du mich, so wie du sagst, liebst –
Denn wenn du in deinem mein Leben hingibst,
     Dann bist du das Beste an mir.

Glaub nie in deinem ahnungsvollen
     Herzen an die Gefahr,
Ich könnte je etwas Böses uns wollen,
     Sonst macht dein Schicksal Ängste wahr.
          Glaub lieber, dass die,
Die nur schlafend anderweitig
Sich kehren und durch sich gegenseitig
     Leben, die trennen sich nie.

Dieses Luminarium rockt ungemein. Was allein im Donneschen Song II für Lieder drinstecken, von denen der teure Verstorbene nichts wissen konnte.

Der Anklang am Anfang ist seinerseits schon wieder in Vergessenheit, weil es ein mittelaltes von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung ist (Neppomuk’s Rache, 1990):

Arrivederci, ciao, ciao, mon amour,
wie konnte ich mich nur erdreisten.
Du bist mir zu kostbar, zu gut eine Spur,
ich kann mir dich nicht mehr leisten.
Arrivederci, ciao, ciao, mon amour,
ich weine nicht, wenn ich scheide.
Arrivederci, ab jetzt wein ich nur
noch, wenn ich Zwiebeln schneide.

Das hört erst auf mit The only thing that looks good on me is you (irgend so ein Bryan Adams), „all mein Blut und mein Leben“ ist selbstverständlich das Ännchen von Tharau, Anfang dritte Strophe ist „When you’re smiling“ – Louis Armstrong, späterhin als Dixieland-Standard missbraucht – und die letzte Strophe riecht mir stark nach Love Me Tender. Das Allerbeste an dem ganzen Extended Remix ist der Anfang zweite Strophe. Herrschaften, hoffentlich ist das ein Original von mir. Das hat fühlbar — durch Donnes Verdienst — die Qualität von „Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht“, der Sokrates-Zuschreibung durch Tomte. Das will ich singen können.

Die Überschrift heißt aus gleichen Gründen wie beim ersten Song (“Goe and catch a falling star”) Lied statt Song, klar.

Musik: John Dowland auf John Donne: Sweetest Love I Doe Not Goe,
aus: Hille Perl, Lee Santana, Dorothee Mields, Sirius Viols: Loves Alchymie, 2010.

Written by Wolf

31. March 2011 at 12:01 am

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BBBB in D

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Das Licht scheint durch das Dunkel, und das Dunkel wird begriffen und leidet. O Schönheit, o Anmut und Güte, ach, dass ich euch erblickte!

Benjamin Britten (Musik), Libretto von Edward Morgan Forster und Eric Crozier, 1951.

Billy Budd jacketIn diesen heil’gen Hallen kommt bis jetzt Billy Budd viel zu kurz. Die letzte Erzählung von Herman Melville ist gemeint (und wirklich wunderschön); die gleichnamige Oper von Benjamin Britten zu besuchen wäre jetzt gerade günstig: In Düsseldorf ist am 26. März eine neue Inszenierung von Immo Karaman angelaufen, über die flächendeckend Wunderdinge rezensiert werden (“dreieinhalb Stunden Musiktheater, spannend bis zum letzten Takt” ist da noch gelinde) — in vier statt zwei Akten, in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Vereinfacht gesagt, ist sich Melville mit dem Billy Budd in den vierzig Jahren seit Moby-Dick treu geblieben: Wieder eine Seemannsgeschichte, wieder eine allgemeingültige Allegorie auf alles und jeden, nur auf nichts zu Kleines, wieder eine reine Männerveranstaltung, wieder voller latenter Homoerotik, wieder ein Stoff, der uns “die existenzielle Erfahrung, in dieser Welt gefangen zu sein und außer Stande, die Begrenztheit zu durchbrechen” (Christoph Schmitz: Meuterei unter Männern im Deutschlandfunk, 26. März 2011) lehrt.

Persönlich ist mir die Musik zu… nun ja, zu zeitgenössisch. Was Seemannsopern angeht, steh ich musikalisch noch bei Idomeneo und bleibe spätestens beim Fliegenden Holländer hängen, da bin ich von diesem ganzen Pathos, das mir jede der hundertfünfzig Bedeutungsebenen einzeln hinreiben will und dazu noch mit Atonalität kokettiert, heillos übefordert. Mein Fehler.

Billy Budd in Ten Minutes: Benjamin Britten: Billy Budd, Inszenierung in Frankfurt, 2007: Billy’s introduction; Goodbye to the Rights of Man; Billy sings with his shipmates; Death of Claggart; Court-martial scene; “Look, through the port comes the moonshine astray”. Billy Budd: Peter Mattei, Captain Vere: John Mark Ainsley.

Wieder mal danke an Klaus Jost!

Written by Wolf

29. March 2011 at 3:23 pm

Posted in Moses Wolf

Avril on the Ground

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Update zu Ambra (Love Is a Touchscreen App):

Man erlebt meistens angenehme Überraschungen, wenn man in der Stadtbibliothek einfach irgendwelche DVDs mit einpackt, manchmal sind auch Offenbarungen dabei. Die Best Damn Tour: Live in Toronto von Avril Lavigne war ganz okay. Ein springfröhliches, ehrbares Gerocke und Gepunke mit lustigem Abgang, das gute Laune macht, das geht schon klar.

In München hängt derzeit massiv die Plakatkampagne für ihre neue Goodbye Lullaby. Au fein, denk ich — die jungische Rotzröhre im Gotenkleidchen hat was Neues gemacht, daheim mal YouTube anschmeißen. Und jetzt sagen wir’s mal so: Ich erspare uns allen das Video zu What the Hell. Die Frau will 2011 siebenundzwanzig Jahre alt werden; sie entdeckt nicht soeben staunend ihre Sexualität, sondern wurde 2009 geschieden — und sie scheut sich nicht, ihren Collegefilmchensound mit einem dünnen Alibi für eine Geschichte über freche Schulmädchen zu untermalen, die ihre persönliche Freiheit über die Möglichkeit definieren, gedankenlos, wenn nicht offensiv anderer Leute Geld zu verschleudern und dafür geliebt werden wollen. Das ist so mies, dass es schon wieder surreal ist.

Es muss also Absicht sein. Nicht wahr, Frau Lavigne, das ist es doch: Absicht? Nicht wahr, das meinen sie doch bestimmt wieder so, na, Dings, ironisch, dass man’s nur in Berlin Mitte kapiert und zur Not noch in Ontario, wo Sie doch, wie man hört, herkommen, und nur wir Tom-Waits-verseuchten Landeier, die achthundertseitige Bücher aus dem neunzehnten Jahrhundert lesen und dazu das Orgelwerk von Bach auf Anschlag stellen, weil sie’s immer etwas gröber brauchen, wieder nix schnallen? Bitte sagen Sie schon, dass es Absicht war, ich will Sie doch eigentlich mögen.

Frau Lavigne aber schweigt. Jedenfalls zu ihrer neuen Platte ist ihr interviewweise nichts anderes zu abzuringen als was ihr die PR-Mieze von RCA Records zu lernen aufgegeben hat. Tragisch, sowas.

Akustisch bekommt die junge Frau Lavigne recht durchwachsene Sachen zu tun: Eindeutigere Einschätzungen als “Ihr Musikstil ist zwischen Pop und Rock angesiedelt” und “Durch diese Einflüsse, dem Musikgenre und ihren persönlichen Stil wird Lavigne von den Massenmedien häufig als Punk beschrieben” (sic) sind offenbar nicht möglich. Jetzt kriegt sie eben die volle Palette Himbeerbonbon-Punk zugetraut samt der Attitüde, dass sie “ihre Songs selber schreibt”. Optisch dagegen schafft sie ein Genre mit, das sich bislang hauptsächlich in besonderen Flickr-Gruppen manifestiert. Keine Ahnung, wie das heißt. Sieht aber spaßig aus. Definieren wir es vorläufig übers Bildmaterial. (Verlinkt sind größere Bilder, als sie hier erscheinen. Selbstverständlich sind den Freunden des gepflegten Frauenfußes, die sich gerne bei uns einfinden, längst die Funktionen “Grafik anzeigen”, “Grafik speichern unter” und “Grafikadresse kopieren” hinter der rechten Maustaste in die Klickroutine übergegangen.)

The Faintest Way, Piano

Dazu Avril Lavignes Beitrag:

Avril Lavigne, Goodbye Lullaby Cover outtake, 2011

Avril Lavigne, Goodbye Lullaby Cover outtake, 2011

Und jetzt weiß ich’s wieder: Auf der Live in Toronto war sie auch nicht in den überengagierten Videos, sondern live am besten. Mittlerweile kann dazukommen, dass modernistische Neuinterpretationen von Alice in Wonderland überstrapaziert werden. Vielleicht sollte man solche Sachen immer erst zwanzig Jahre ruhen lassen, bis sie wieder reif zum Entdecken sind.

Bildmaterial: das meiste aus Flickr, und da aus dem Pool von My Love Affair With The Piano ;
Video: Avril Lavigne: Alice (Underground), aus: Almost Alice, dem Soundtrack zur Alice in Wonderland-Verunglimpfung von Tim Burton, 2010.

Written by Wolf

26. March 2011 at 2:05 pm

Posted in Rabe Wolf

München am Buchstabenmeer XVIII: This mere painstaking burrower and grubworm of a poor devil of a Sub-Sub

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Update zu Orson Whales:

Moby-Dick Volltext auf 1 Seite

Weißt du, was das ist? Das ist der Moby-Dick, auf einer Seite. Volltext. Leicht geschummelt, weil der ganze Front Matter mit Etymology und Extracts fehlt, aber ab “Call me Ishmael” vollständig. Die Bleiwüste ist ein Buchstabenmeer.

Der Text eines Buches mit sechs- oder achthundert Seiten passt auf eine einzige Seite, und zwar, o der Platzverschwendung, in einer Schrift mit Serifen. 100 Zentimeter hoch, 140 Zentimeter breit, in zwölf Spalten: Abzüglich der aus dem Text ausgesparten Fluke unten im Bild ist Moby-Dick ein rund 23 Meter langes Buch.

Und wir auf der P.E.Q.U.O.D. haben unser letztes Kapitel vor etwa dreizehn Monaten abgeschlossen und seitdem zwei, wenn nicht drei Leute verloren. Einen “Mann”, auf dessen erste Herzensergießungen ich mich seit vor Weihnachten freue, haben wir dazugewonnen. Die Wölfin hat mich entsetzt gefragt, was wir denn die letzten fünf Jahre getrieben haben, ohne auch nur ein lausiges Drittel zu bewältigen. Das Bild, das mich über solche Rechnungen hinwegtrösten soll, indem es sie anschaulich und greifbar macht, hat mich allerhand gekostet. Der Ausdruck war noch umsonst zu Weihnachten geschenkt; die Geschichte, wie ich das Ding endlich an die Wand gekriegt hab, glaubt mir kein Mensch. Sagen wir einfach: Es sind darüber drei Monate, der größte Teil eines Monatsgehalts und ein Monat Gesundheit draufgegangen, und wenn die Farce, die ich mühevoll aus meiner Ehe gemacht hab, noch nicht vor der Hochzeit in Scherben gegangen wäre, dann wäre sie es jetzt. Das Bild ist aber wirklich klasse. Und das heißt: Wer das blendfrei entspiegelte Glas antatschen, ja auch nur respektlos an persönlich nicht näher bekannte Wechselrahmen denken will, ohne sich vorher die Finger zu waschen, kann sich ab sofort aber sowas von mit mir anlegen.

Zur Orientierung: Das Post-it auf dem Bild klebt am Anfang von Kapitel 41, wo es in sehr kurzer Zeit weitergehen soll; das liegt einen guten Dreiviertelmeter vor dem ersten Drittel.

Solche Vermessungen des Walgerippes werden uns jetzt öfter beschäftigen. Immerhin hab ich jetzt einen Grund, freundliche Frauen in meine Wohnung zu lotsen: unter dem fadenscheinigen Vorwand, sie müssten sich mal kurz dabei photographieren lassen, wie sie mit dem Finger auf eine Stelle in einem Buch deuten (Erdgeschosswohnung).

Dann noch der Filmteil:

Moby-Dick in Schnelldurchläufen: Snowbunny; SockPuppetTroll; Alex Itin.

~~~\~~~~~~~/~~~

Soundtrack: Blitzen Trapper: Furr, aus: Furr, 2008. Vollbild und laut — auch wegen Jade Harris:

This fall I made a music video for the Portland, OR band Blitzen Trapper. The video consists of a little over 3000 photos and took about two months to create. No animation programs were used. The entire video is made out of compiled paper.

Written by Wolf

22. March 2011 at 12:01 am

Posted in Fiddler's Green

Greenwashing

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Update for Starbuck und der demokratische Gott
and Neue Legenden vom Heiligen Patrick:

Quasi Stellar Radio

Irish Haggis

1 sheep, shaved and eviscerated
90 pints of Guinness
30 pounds of oatmeal
1 sack of onions, chopped

Soak a shaved sheep in 80 pints of the Guinness. Roll the sheep in a mixture of oatmeal and onion. Dig a pit in the back yard and build a fire. Roast the sheep for 8 to 10 hours and drink the remaining ten pints of Guinness. Discard any hairy, bony, or hoofy parts of the sheep, and serve with boiled potatoes, cabbage, and plenty of Guinness.

Happy Saint Patrick!

American Coffee and Irish Haggis: QUASi_stellAR_radio, c. 2009;
Irish Folk going brown: The Pogues: A Pair of Brown Eyes, from: Rum Sodomy & the Lash, 1985.

Noch bis 31.: Märzgewinnspiel: Be a Mitruhender! Die Preise hätt ich selber gern!

Written by Wolf

17. March 2011 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf

Die Länderwitze

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Update zu Lieblingswitz:

(Ca. 1987.)

Gibt’s wirklich: This Land Is Your Land (1940); Franz-Josef-Land (seit 30. August 1873); Deutschland sucht den Superstar (seit 9. November 2002); Länderspiegel (seit 4. Januar 1969); Landliebe (seit 1980); Ikea Kinderland (seit 1943); Neufundland (seit 24. Juni 1497); Trutz Simplex oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche (ungefähr 1669).

Danke nochmal an Nadja, Horst für den letzten und Herrn Wittmann für seinen meditativen Physikunterricht.

Ihr denkt noch ans Märzgewinnspiel: Be a Mitruhender, ja? Gleich Halbzeit, und Preise sind schon beschlossen!

Written by Wolf

13. March 2011 at 12:01 am

Posted in Kartenzimmer

Christina Dichterliebchen: Das Liedchen von der Gleichberechtigung

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Update zu Christina D. kennt die Mannsbilder:

Christina Dichterliebchen zupftMädchen, hütet euch vor diesen,
die beim Kuss die Augen schließen.
Männer, hütet euch vor jenen,
die das Haus zusammenstöhnen.

Mädchen, hütet euch vor Buben,
die auf euren Titten hupen.
Männer, hütet euch vor Frauen,
die nur auf den Hintern schauen,

und vor allem vor den vielen,
die nach dem Geschmeide schielen;
du, Mädchen, dafür vor Knaben,
die mehr Geld als Anstand haben,
gern mit ihrem Auto protzen
und nach fünf Schnäpsen deins vollkotzen.

Du sollst dir die ansehen, Mann,
die aufrecht mit dir gehen kann.
Schlag dir Models aus dem Schädel,
nimm lieber das Lausemädel,
elfenhaft und ganz leicht kerlig,
denn die meinen’s meistens ehrlich.

Und Mädchen: Sollst Hallodris pflücken,
die, wenn sie dir ins Auge blicken,
dich ungewollt zum Lachen bringen,
einladen zum Liedersingen
und mit Bier und Schmalzbrot mästen,
denn die sind im Bett am besten.

~~~\~~~~~~~/~~~

Christina Dichterliebchen meint: “Über hundert Jahre Internationaler Frauentag und in dem Puff gibt’s immer noch keinen Männerbeauftragten.”

Reife Geschlechterbeziehung: The Dresden Dolls: Coin-Operated Boy, 2004.

Written by Wolf

8. March 2011 at 4:50 pm

Posted in Galionsfigur

Weeds and Wildings Lost and Found

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Update for Uncollected Lost and Found:

We feature a rare pearl of love and beauty: Herman Melville’s dedication to his wife Elizabeth “Winnefred” of his poem collection Weeds and Wildings Chiefly: with a Rose or Two, from his death year 1891. It was found in his literary remains, the bread box containing Billy Budd and The Burgundy Club.

The dedication is not in Douglas Robillard’s The Poems of Herman Melville, as it is not a poem; it is not in the University of Virginia Library collection for the same reason; it is not in Hershel Parker’s biography, as it is not a biographical note; it is not even translated for Ein Leben, as it is not a genuine letter ot diary entry. I found it in the collected dedications, hoping it is in some letter edition.

The first half of Weeds and Wildings features some “deceptively simple-minded ditties” (John Bryant) about flowers and woodland creatures, all reminiscent of Arrowhead days shared by Herman and “Winnefred”-Elizabeth; the second half includes the prose and poem blending Rip van Winkle’s Lilac and the utter beautiful Rose Poems — examining inter alia barren virginity as opposed to love-making in snow. We shall come to all of these, promise. — The dedication:

Weeds and Wildings
Clover Dedication
To
Winnefred

With you and me, Winnie, Red Clover has always been one of the dearest of the flowers of the field: an avowal by the way as you well ween, which implies no undelight as to this ruddy young brother’s demure little half-sister, White Clover. Our feeling for both sorts originates in no fanciful associations egotistic in kind. It is not, for example, because in any exceptional way we have verified in experience the aptness of that pleasant figure of speech, Living in clover — not for this do we so take to the Ruddy One, for all that we once dwelt annually surrounded by flushed acres of it. Neither have we, jointly or severally, so frequently lighted upon that rare four-leaved variety accounted of happy augury to the finder; though, to be sure, on my part, I yearly remind you of the coincidence in my chancing on such a specimen by the wayside on the early forenoon of the fourth day of a certain bridal month, now four years more than four times ten years ago.

Jacqueline P. Carroll, here come the woodland creatures, 16. März 2010But, tell, do we not take to this flower — for flower it is, though with the florist hardly ranking with the floral clans — not alone that in itself it is a thing of freshness and beauty, but also that being no delicate foster-child of the nurseryman, but a hardy little creature of out-of-doors accessible and familiar to every one, no one can monopolize its charm. Yes, we are communists here.

Sweet in the mouth of that brindled heifer, whose breath you so loved to inhale, and doubtless pleasant to her nostril and eye; sweet as well to the like senses in ourselves, prized by that most radical of men, the farmer, to whom wild amaranths in a pasture, though emblems of immortality, are but weeds and anathema; finding favour even with so peevish a busybody as the bee; is it not the felicitous fortune of our favourite to incur no creature’s displeasure, but to enjoy, and without striving for it, the spontaneous goodwill of all? Why it is that this little peasant of the flowers revels in so enviable an immunity and privilege, not in equal degree shared by any of us mortals however gifted and good; that indeed is something the reason whereof may not slumber very deep. But — In pace; always leave a sleeper to his repose.

How often at our adopted homestead on the hillside — now ours no more — the farm-house, long ago shorn by the urbane barbarian succeeding us in the proprietorship — shorn of its gambrel roof and dormer windows, and when I last saw it indolently settling in serene contentment of natural decay; how often, Winnie, did I come in from my ramble early in the bright summer mornings of old, with a handful of these cheap little cheery roses of the meek, newly purloined from the fields to consecrate them on that bit of a maple-wood mantel — your altar, somebody called it — in the familiar room facing your beloved South! And in October most did I please myself in gathering them from the moist matted aftermath in an enriched little hollow near by, soon to be snowed upon and for consecutive months sheeted from view. And once — you remember it — having culled them in a sunny little flurry of snow, winter’s frolic skirmisher in advance, the genial warmth of your chamber melted the fleecy flakes into dewdrops rolling off from the ruddiness, “Tears of the happy,” you said.

Well, and to whom but to thee, Madonna of the Trefoil, should I now dedicate these “Weeds and Wildings,” thriftless children of quite another and yet later spontaneous aftergrowth, and bearing indications, too apparent it may be, of that terminating season on which the offerer verges. But take them. And for aught suggestion of the “melting mood” that any may possibly betray, call to mind the dissolved snowflakes on the ruddy oblation of old, and remember your “Tears of the Happy.”

Barren virginity loving evanescent snow, with a rose or two:
Jacqueline P. Carroll: Here Come the Woodland Creatures, March 16, 2010.

Evanescent snow: Orchestral Maneuvres in the Dark: The Waltz of Joan of Arc, Maid of Orleans, from: Architecture, 1982.

Written by Wolf

5. March 2011 at 12:01 am

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Märzgewinnspiel: Be a Mitruhender!

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Weil’s so schön war:

Zigaretten drehen und lesenBitte mach bis Donnerstag, 31. März 2011 um Mitternacht ein Bild von jemandem, den du bis dahin nicht kanntest, der Zeit hat.

Du sollst niemanden aus seiner Hast und Pflicht reißen, sondern für jemanden ein paar Minuten ein schönes Erlebnis sein, während er ruht. Das sollte im März leicht fallen, weil da die Leute auf Stadtbänken ihr Gesicht in die Sonne halten, an Pollern lehnen, um Eis zu schlecken, Parks bevölkern und absichtslos nachschauen, ob man sich irgendwo was Gutes tun kann.

Es gelten wie immer die “Regeln” (weißt du ein harmloseres Wort?) aus dem Vorbildpojekt 100 Strangers und aus dem hiesigen letztjährigen Oktobergewinnspiel, die allesamt darauf hinauslaufen, dass du freundlich sein und Anstand zeigen sollst.

Die Bildqualität ist nachrangig: Übliche Amateurarbeit reicht vollauf. Wenn du keine Kamera dabei hast, nicht mal die in deinem Telephon, zeichne dein Motiv irgendwo drauf, das passt dann schon.

Ein paar Sätze Geschichte zu deinem Bild sollen dabei sein: Wen schauen wir auf deinem Bilde? Warum war das dein Motiv? Wie heißt der ruhende, müßiggehende, pausierende, herumgammelnde, innehaltende Mensch? Was tut er, wenn er nicht gerade ruht? Was macht ihn interessant, vor allem interessant in dem abgebildeten Moment? Worüber habt ihr euch unterhalten? War es eine gedeihliche Begegnung?

  1. Leute in Arbeitskleidung wirst du vermutlich fragen, was sie so machen. Das ist so wenig trivial und folglich blöd wie ein Gesprächsanfang, der das gegenwärtige Wetter thematisiert, sondern es ist sozial sinnvoll.
  2. Vermeide jede Ansprache, die als Angriff gewertet werden kann. Zum Beispiel zu laut, zu leise, zu plötzlich, von der Seite, gar von hinten.
  3. Augenkontakt. Nervös darfst du sein, das ist nur verständlich und kein Problem. Augenkontakt. Unaufdringliches Lächeln. Augenkontakt. Sparsame, aber aufmunternde, zustimmende, bestärkende, wertschätzende Gestik. Augenkontakt.
  4. Zeig Respekt. Sowieso. Jederzeit. Jedem.
  5. Angesäuselte wirst du fragen, was gefeiert wird. Hierzu ein ernsthafter Rat: Stinkbesoffene wirst du in Ruhe lassen.
  6. Essende wirst du loben, dass das aber fein aussieht, was sie da futtern, und fragen, wo’s das gibt.
  7. Den rauchenden Schutzmann wirst du fragen, wie lange seine Schicht noch dauert.
  8. Liebende wirst du fragen, wie lange sie schon zusammen sind. Fortgeschrittene fragen, was sie am ihren significant other am tollsten finden.
  9. Die sonnige Hübsche mit der randlosen Brille fragst du spontan, ob das Ding denn nicht aller vierzehn Tage zerbricht. Sag aber dazu, dass es ihr steht.
  10. Mach keinem Mann Komplimente über seine Frisur, wohl aber über seinen Bart.
  11. Mach keiner Frau Komplimente über ihre Augen, Brüste und Beine, wohl aber über ihren Schmuck, Oberbekleidung und Füße. Dabei zählen Strumpfhosen nicht zur Oberbekleidung, wohl aber Nagellack zum Schmuck.
  12. Sonderregeln bei Frauen: Schal ist Oberbekleidung, Schuhe nicht. Wenn die Schuhe die Zehen freilassen: auch dann über die Schuhe nicht, über die Füße schon. Wenn die Zehen unbedeckt sind. Wenn die Zehen nur durch Strumpfhosen, auch Netzstrumpfhosen — ja, vor allem durch Netzstrumpfhosen — hindurch erkennbar sind, gelten sie als bedeckt und entfallen als Gegenstand für Komplimente.
  13. Barfüßige jeglichen Geschlechts rechnen mit allem, die sind Kummer gewohnt. Benimm dich bitte trotzdem. Noch besser: Benimm dich deswegen.
  14. Sonderregel bei Männern: Komplimente am besten nicht über das Aussehen, lieber über das Handeln. Auch bei einhertänzelnden, kreischenden, gackernden Drag Queens.
  15. Komplimente über das Handeln gehen auch bei Frauen, über das Aussehen zusätzlich. Ausnahmen: siehe oben.
  16. Besonders nützlich und notwendig erscheint diese Kasuistik, weil der Rosenmontag all seine hässlichen Fratzen und der Frühlingsanfang sein liebliches Antlitz mitten in der Gewinnspiellaufzeit erheben: am 7. respektive 21. März.
  17. Bei Frauen umgekehrt wie bei Männern: über die Frisur schon, über den Bart nicht. Nicht mal an Weiberfastnacht.
  18. Sobald du ansatzweise unsicher bist: Vergiss den ganzen Wald von Sonderregeln und äußere Anerkennung für die Tätigkeit des Ruhens, das ist immer und überall so willkommen wie glaubwürdig.
  19. Was wenige wissen: Sprich jeden, gerade auch Menschen, die du anhand ihres Äußeren als Ausländer einstufst, zuerst in ordentlichem Deutsch an. Wenn du auf Unverständnis stößt, schalte auf die mutmaßliche Muttersprache des Angesprochenen um. Wenn du sie nicht beherrschst, auch nicht rudimentär, versuch die lingua franca Englisch. Pidgin-Deutsch ist erst die letzte Wahl.
  20. Mädchen über 16 heißen Frauen. Männer unter 106 heißen Jungs.
  21. Zu Kindern bücke oder kauere dich bis auf ihre Augenhöhe, nicht aber zu kleinwüchsigen Erwachsenen. Sprich keinesfalls gönnerhaft zu beiden. Zu überhaupt niemandem.
  22. Menschen unter zwölf Jahren wirst du erst nach ihrer Aufsichtsperson, zwischen vier und sieben Uhr morgens überhaupt keinen Menschen außer Bäckern, Gemüsegroßhändlern und Krabbenfischern irgend etwas fragen. Alles andere wäre Belästigung.
  23. Reisende wirst du fragen, wo’s hingeht, denn vielleicht hast du noch Bilder aus dem letzten Gewinnspiel übrig, auf denen du die Leute bestimmt auch nicht in gestrecktem Galopp, also eher wartend oder rastend erwischt hast.
  24. Schmökernde wirst du fragen, was sie dir für ein Buch empfehlen. Empfiehl eins zurück, aber sei nicht so missionarisch wie ich andauernd, sowenig wie du Herren, die Socken in den Sandalen tragen, mit Dschungeldoktoren und Damen mit überdimensionierten Sonnenbrillen mit Puck, der Stubenfliege vergleichen sollst, denn:
  25. Du bist nicht der Retter dessen, was du für guten Stil hältst, sondern ein netter Mensch.

Schwer? Ach, woher denn. Nur, wenn du dir’s schwer machst. Ansonsten: rundum erfreulich.

Deine Geschichte muss keiner äußeren Realität entsprechen; Realität ist sowieso überschätzt, aber das führ ich ein andermal aus. Wenn dir an deiner eigenen Ruhe gelegen ist, was ich gut verstehe, kannst du im Extremfall eine Figur in Ruhestellung aufkritzeln, das Blatt knipsen, irgendwas dazulügen und hast einen vollwertigen Beitrag. Wenn das gut gemacht ist, muss es ja nicht langweilig sein.

Wenn du ein Bild samt Geschichte zu diesem Thema einreichst, kriegst du von mir auf jeden Fall was dafür: Es sind immer noch Bücher und CDs übrig. Mal sehen, was mir bis Ende März zum Verlosen gut genug erscheint. Wenn du mich umhaust, kauf ich dir extra was. Kein Schätzing, versprochen. Bring mich zum Lachen oder Staunen, dann geb ich was zurück.

Das ist wieder ein richtig klasse Thema, das dir einen Tag oder eine ganze Woche verschönern kann. Ich werde mich meinerseits im März zwei Wochen lang im Urlaubsmodus bewegen und deshalb so frei sein, selber mitzumachen und mich dafür mit einem wünschenswerten Buche zu belohnen. Da können alle Beteiligen nur gewinnen. Es gibt also keine Ausreden mehr. Komm schon, spiel mit.

Bild: Starbucks am Odeonsplatz, Januar 2011.

Ruhelied: Elephant Parade: Goodbye.

Written by Wolf

1. March 2011 at 12:01 am

Posted in Kommandobrücke