Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for October 2008

Das Hörbuch als Video: Kapitel 17: Der Ramadan

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Update zu Kapitel 15: Chowder; Kapitel 16: Das Schiff:

Das 17. Kapitel (17:09 Minuten) ist fertig.

A. Ayers, 2006

Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Videobild: Queequeg von Oscar Lozoya, 1999;
Bild: A. Ayers, 2006.

Written by Wolf

31. October 2008 at 12:01 am

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Aust/Geyer/Schirrmacher/Hegewald: Wer die RAF verstehen will, muss „Moby Dick“ lesen

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500. Beitrag

Elke faltet sich ihr Kino aus der Zeitung:

By art is created that great Leviathan, called a Commonwealth or State — (in Latin, Civitas) which is but an artificial man.

Thomas Hobbes: Leviathan. Zitiert von Herman Melville in den Extracts.

Elke HegewaldNachdem noch rechtzeitig zum 68er Jubiläumsjahr das großangekündigte und hochkarätig besetzte Filmwerk „Der Baader-Meinhof-Komplex“ landesweit in den Kinos angekommen ist, das in vorauseilendem Nominierungseifer schon als oscarträchtig ausgekräht wird,

nachdem allerorten die einschlägigen Premierenfeiern… hm, passender wohl die Ge- und Nachdenkveranstaltungen mit erlesenem Publikum verebbt sind,

nachdem gleichzeitig der Guru des Enthüllungsjournalismus Stefan Aust seine um 300 Seiten erweiterte, akribisch nachrecherchierte und reicher bebilderte 3. Auflage der Buchvorlage auf den Markt gebracht hat —

ist es wohl an der Zeit, dass auch Moby-Dick™ als unermüdlicher Jäger und Sammler endlich gnadenlos aufdeckt und dokumentiert, welche Rolle Melville, sein Terror-Wal und die Besatzung der Pequod in der Geschichte der RAF gespielt haben. Vor allem in ihrem konspirativen Untergrund. Wir berufen uns dabei wort- und auszugsreich 1:1 auf ein aufschlussreiches Interview, das Call-me-Ismael Aust den Herren Frank Schirrmacher und Christian Geyer von der FAZ am 22. August 2007 gab:

FAZ: Der Staat, das war in der Sprache der RAF ja nicht nur das Schweinesystem, sondern auch der Leviathan, die Maschine weißer Wal, der Moby Dick. Was hat es zu bedeuten, dass sich die RAF-Leute Decknamen aus „Moby Dick“ gaben?

Filmplakat zu Moby-Dick, 1956, via FAZAust: Gudrun Ensslin war auf diese Idee gekommen, sie hatte sich die Decknamen für die Gruppenmitglieder ausgedacht, um die Postüberwacher irrezuführen. Fast alle Namen entlehnte sie Herman Melvilles Roman „Moby Dick“. Der dämonische, monomanisch-rasende Kapitän „Ahab“ stand für Baader, „Starbuck“ für Holger Meins, „Zimmermann“ für Jan-Carl Raspe, „Quiqueg“ für Gerhard Müller, „Bildad“ für Horst Mahler, „Smutje“ für Ensslin selbst. Der Wal Moby Dick, schon im Buch eine Parabel, ein chiffrenhafter Symbolkomplex, wird hier noch einmal als Chiffre eingesetzt. Der Wal ist der Leviathan, und der Leviathan ist das Sinnbild für den Staat, den die RAF als die Pappmaske der trügerischen Erscheinungswelt zerschlagen will. „Ein künstlich Ding ist jener große Leviathan, der Gemeinwesen oder Staat (lateinisch: Civitas) genannt wird und nichts anderes ist als ein künstlicher Mensch.“ So lautet der in Melvilles „Moby Dick“ zitierte Eröffnungssatz von Hobbes’ Leviathan. Diesen Staat Leviathan, diesen weißen Wal, den haben die Terroristen jagen wollen. Bei der Jagd auf den weißen Wal ist jeder Irrsinn vorgekommen, den Sie nachher auch bei der RAF gefunden haben. Deswegen war das eine sehr, sehr passende Parabel für das, was die Terroristen taten. Die Charaktere, die in „Moby Dick“ beschrieben sind, passen tatsächlich sehr genau auf die einzelnen Figuren in der RAF.

Bleiben wir kurz bei Ahab als Baader.

Dann hören Sie zu Baader einmal dies: „Und sollte von Geburt an oder durch besondere Umstände hervorgerufen tief auf dem Grunde seiner Natur etwas Krankhaftes sein eigensinnig grillenhaftes Wesen treiben, so tut das seinem dramatischen Charakter nicht den geringsten Eintrag. Alle tragische Größe beruht auf einem Bruch in der gesunden Natur, des kannst du gewiss sein.“ So schreibt Gudrun Ensslin, Melville über Kapitän Ahab zitierend, an Ulrike Meinhof über Baader. Damit war tatsächlich sehr viel gesagt. Die Ensslin war ja eine hervorragende Psychologin. Sie hatte das Gespür dafür, dass Baaders Kampf gegen den Staat Züge eines metaphysischen Endkampfs trug, ähnlich jenen, die Kapitän Ahab beherrschten.

„Ich würde selbst die Sonne schlagen, wenn sie mich beleidigt“, sagt Ahab über sich selbst. Und weiter: „Wie kann der Häftling denn ins Freie, wenn er die Mauer nicht durchbricht? Für mich ist dieser weiße Wal die Mauer, dicht vor mich hingestellt. Dahinter, denk ich manchmal, ist nichts mehr.“ Besser lässt sich die transzendentale Selbststilisierung der RAF wohl kaum formulieren.

Filmplakat zu Starbuck Holger Meins, 2001Sie werden das auch finden, wenn Sie hinter die anderen Decknamen schauen. Wie gesagt, Starbuck, der Erste Steuermann, war Holger Meins. Über Starbuck heißt es in „Moby Dick“: „Starbucks Leib und Starbucks unterjochter Wille gehörten Ahab, solange Ahab die magnetische Kraft seines Geistes auf Starbucks Gehirn ausstrahlen ließ; allein ihm war bewusst, dass der Steuermann trotz allem den Kriegszug seines Kapitäns in tiefster Seele verabscheut.“ Ja, so verhielt es sich wohl zwischen Holger Meins und Baader.

Und was spricht aus dem „Zimmermann“ als Deckname für Raspe?

In „Moby Dick“ baut der Zimmermann in einem fort Särge für die Opfer der Jagd nach dem weißen Wal, er schnitzt dem Kapitän Ahab ein neues Bein aus Walknochen und macht sich in jeder Hinsicht nützlich. Sie erfahren — das wusste Ensslin — nichts Unwesentliches über Raspe, wenn Sie bei Melville über den Zimmermann lesen: „Er glich den nicht selbst denkenden, aber höchst sinnreich erdachten und vielseitig verwendbaren Werkzeugen aus Sheffield, die, multum in parvo, wie ein — nur ein wenig angeschwollenes — gewöhnliches Taschenmesser aussehen, jedoch nicht bloß Klingen jeder Form enthalten, sondern auch Schraubenzieher, Pfropfenzieher, Pinzetten, Ahlen, Schreibgeräte, Lineale, Nagelfeilen und Bohrer. Wollten seine Vorgesetzten den Zimmermann als Schraubenzieher benutzen, so brauchten sie nur diesen Teil seiner Person aufzuklappen, und die Schraube saß fest; oder sollte er Pinzette spielen, so nahmen sie ihn bei den Beinen, und die Pinzette war fertig.“ Ist das nicht eine hinreißende Charakterbeschreibung?

Wie hat man eigentlich Horst Mahler chiffriert?

Fahndungsplakat nach RAF-Terroristen. Bundeskriminalamt Wiesbaden, November 1980, Haus der Geschichte, BonnDessen Tarnung sollte sich als die unheimlichste entpuppen. Ensslin hatte für Mahler, der sich ja dann zum Rechtsanwalt und NPD-Mitglied wandeln sollte, den Namen des Kapitän Bildad vorgesehen. Über den lesen wir bei Melville: „Und doch offenbarte der Wandel des würdigen Kapitäns Bildad bei allen strengen Grundsätzen einen Mangel an einfachster Konsequenz. Wenn er sich auch geschworen hatte, kein Menschenblut zu vergießen, so hatte er in seinem enganliegenden Quäkerrock das Blut Leviathans in Tonnen und Abertonnen vergossen. Wie der fromme Bildad nun am besinnlichen Abend seiner Tage diese Widersprüche rückschauend in Einklang brachte, weiß ich nicht; aber sie schienen ihn nicht sonderlich zu berühren, und höchstwahrscheinlich war er längst zu dem weisen und vernünftigen Schluss gekommen, dass für den Menschen die Religion eines ist und die reale Welt ein ganz anderes. Die Welt aber zahlt Dividenden.“ Wer die RAF verstehen will, muss „Moby Dick“ lesen.

Wenn wir Sie selbst mit der Erzählerstimme im „Moby Dick“ identifizieren dürfen, mit Ismael, dann wäre unsere Schlussfrage die: Was hat Stefan Aust, der Chronist der RAF, aus seiner intensiven Beschäftigung mit diesem Stück Zeitgeschichte für sich selbst mitgenommen?

Ich habe sehr viel über menschliche Verhaltensweisen gelernt. Ich habe eine Menge über Politik gelernt. Ich habe eine Menge über Gewalt gelernt. Ich habe eine Menge über die Gesetze von Gruppen gelernt. Ich habe eine Menge darüber gelernt, wie der Mensch in den Wahn gelangt.

Joaah, das hätte sich uns’ Herman wohl niemals nicht träumen lassen, in was er mit seinen braven Walfängern dereinst noch verwickelt würde. Aber wenn mans mal so ein bisschen sacken lässt? Sind solche Charaktermixturen am Ende darauf programmiert, mit vollen Segeln in den Untergang…?

Man darf ja gar nich aufhörn, Moby-Lesen zu predigen, sach ich.

Bilder: Filmplakat zu Moby-Dick 1956, via FAZ: Der Wal als Sinnbild des Staates, den die RAF bekämpfte;
Starbuck Holger Meins, 2001;
Fahndungsplakat nach RAF-Terroristen, Bundeskriminalamt Wiesbaden, November 1980, Haus der Geschichte, Bonn;
Lied: Reinhard Mey: Das Narrenschiff aus: Flaschenpost, 1998;
Film: Trailer Der Baader-Meinhof-Komplex, 2008.

Written by Wolf

30. October 2008 at 12:01 am

Ahab via Goethe

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Wolf hat Kapitel 33: Der Specksijnder gelesen:

»Je höher ein Mensch,« sagte Goethe, »desto mehr steht er unter dem Einfluß der Dämonen, und er muß nur immer aufpassen, daß sein leitender Wille nicht auf Abwege gerathe.«

Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe, 24. März 1829

This seems as good a place as any to set down noch einen Taktschlag Verzögerung, damit nur ja keine Spannung aufkommt. Einer erschöpfenden Darstellung der Wale folgt jetzt eine ebensolche der operations of the whaling ship and its hierarchy, framing the role of the harpooner or Specksynder in comparison with the rest of the crew (GradeSaver), oder wie? Nun, es hat niemand versprochen, dass es ein Hollywoodfilmchen wird, die immer das Beste dem “Tempo” opfern.

Der Schreibfehler in der Überschrift ist nicht (von mir und auch nicht) von Melville, sondern von William Scoresby, und von dem wahrscheinlich — man korrigiere mich bitte — aus dem work urging the prosecution of the search for the Franklin expedition and giving the results of his own experience in Arctic navigation. Man liest ihn sich immer automatisch zurecht, will also aus seinen intuitiven Niederdeutschkenntnissen heraus partout Specksnyder da stehen haben; meine alte Seiffert-Übersetzung hat das noch stillschweigend dahin korrigiert.

Oft sind es allein die Setzer, die dem Text den verwirrenden Opalglanz geben, den der Schriftsteller aus eigenem ihm nicht zu geben vermocht hatte. Klagen wir nicht über Druckfehler. Man weiß nicht, wodurch man tief wird.

Alfred Polgar

Was ein Specksynder oder -snyder Seemannsromantisches macht, schenk ich euch, auch den Anklang ans verflossene Kapitel 24: The Advocate, in dem abermals betont werden muss, was Walfänger für Pioniere sind. Interessant find ich’s ab der Stelle, wo der Lobgesang auf die Harpuniere auf Ahab zufährt, ihn fixiert, nicht mehr loslässt und Allgemeinmenschliches über ihn herausfindet. Von einer Betrachtung zu einem Sonderfall zu zoomen und von dem aus wieder weg in die Welt, das ist sehr groß. Deduktion und Induktion in einem weiten, souveränen Ausguck.

Ahab der schwermütige Kapitän ist demnach nicht nur ein Mensch von großer natürlicher Autorität, sondern — wie wir Vorausleser und Filmgucker schon wissen — ein Besessener, und dazu einer, der wenig Wert auf Äußerlichkeiten legt. Läuft wie alle anderen auch in Schifferklamotten herum — was seinen meisten bildlichen Darstellungen widerspricht –, lässt den Mannschaftsgraden die vollständige Bekleidung, wenn sie das Kapitänsrevier Achterdeck betreten wollen, statt sie an ihre Demut zu gemahnen — Gehorsam wird vorausgesetzt; Hauptsache, der Laden läuft. Klingt eigentlich vernünftig bis professionell. Wenn nicht die böse Obsession doch stärker wäre.

Sultanismus, lernen wir, ist nach “Specksynder” schon Melvilles zweite Wortneuschöpfung innerhalb drei Seiten, diesmal eine, die sich verselbständigt hat. Man soll ja nicht immer so ausschließlich an Wikipedia hängen, aber wenn im einschlägigen Artikel darüber die Herkunft von Melville nicht mehr erwähnt wird, kann er gerade deswegen stolz darauf sein. Archäologischer Teil: Der von Daniel Göske erwähnte Eintrag des Wortes im Oxford English Dictionary heißt:

Sultanism (sɒ•ltāniz’m). [f. Sultan sb. + -ism.] Rule like that of a sultan ; absolute government ; despotism, tyranny.
1821 New Monthly Mag. 11.354 Our admiration of chivalry and sultanism. 1851 H. Melville Whale xxxiii. 161 That certain sultanism of his brain, which had otherwise in a good degree remained unmanifested. 1869 Seeley Ess. & Lect. (1870) 88 Asiatic sultanism was set up, and all public functions fell into the hands of military officials. 1884Short Hist. Nap. I (1886) iii. § 4. 113 The rising sultanism [of Napoleon in 1804].

Sultanismus und Obsession — bei Ahab, wird unterstellt, geht der eine in die andere über. Das können wir Leser glauben oder nicht, plausibel finden oder nicht. Wenn wir es so hinnehmen, hilft das immerhin dem Fortgang der Geschichte (und den wünschen wir ja langsam…). Jedenfalls wirkt Ahab damit schon weit weniger professionell als mit seiner Orientierung auf die Sache. Es müsste nämlich die Sache des Walfangs sein. Und Melville macht uns in seinem Ausblick auf die Welt, dem induktiven Wegzoomen, mit Ahabs Veranlagung zum einsamen Diktator vertraut.

Und ab hier wird er dämonisch. Es fällt nicht gleich auf, so ohne richtig tiefes Vorwissen — oder dem interessierten Blick in Göskes Anmerkungen, aber es ist überzeugend, wie sich Ahabs Zwangscharakter und diktatorisches bis dämonisches Gemüt aus der deutschesten aller Quellen begründen: von Goethe her. Hätte ich nie geglaubt, allenfalls für einen Gelehrtenscherz über böse Deutsche beim Hitlerausbrüten gehalten, aber es ist schlüssig hergeleitet: Goethes Bekanntheit unter Transzendentalisten, allen voran Emerson und De Quinceys Suspiria de Profundis. Daher konnte Melville die Eckermann-Gespräche kennen — und Dichtung und Wahrheit:

Obgleich jenes Dämonische sich in allem Körperlichen und Unkörperlichen manifestieren kann, ja bei den Tieren sich aufs merkwürdigste ausspricht; so steht es vorzüglich mit dem Menschen im wunderbarsten Zusammenhang und bildet eine der moralischen Weltordnung, wo nicht entgegengesetzte, doch sie durchkreuzende Macht, so daß man die eine für den Zettel, die andere für den Einschlag könnte gelten lassen. Für die Phänomene, welche hiedurch hervorgebracht werden, gibt es unzählige Namen: denn alle Philosophien und Religionen haben prosaisch und poetisch dieses Rätsel zu lösen und die Sache schließlich abzutun gesucht, welches ihnen noch fernerhin unbenommen bleibe. Am furchtbarsten aber erscheint dieses Dämonische, wenn es in irgend einem Menschen überwiegend hervortritt. Während meines Lebensganges habe ich mehrere teils in der Nähe, teils in der Ferne beobachten können. Es sind nicht immer die vorzüglichsten Menschen, weder an Geist noch an Talenten, selten durch Herzensgüte sich empfehlend; aber eine ungeheure Kraft geht von ihnen aus, und sie üben eine unglaubliche Gewalt über alle Geschöpfe, ja sogar über die Elemente, und wer kann sagen, wie weit sich eine solche Wirkung erstrecken wird? Alle vereinten sittlichen Kräfte vermögen nichts gegen sie; vergebens, daß der hellere Teil der Menschen sie als Betrogene oder als Betrüger verdächtig machen will, die Masse wird von ihnen angezogen. Selten oder nie finden sich Gleichzeitige ihresgleichen, und sie sind durch nichts zu überwinden, als durch das Universum selbst, mit dem sie den Kampf begonnen; und aus solchen Bemerkungen mag wohl jener sonderbare aber ungeheure Spruch entstanden sein: Nemo contra deum nisi deus ipse.

Goethe: Dichtung und Wahrheit, Vierter Teil, Zwanzigstes Buch

Das ist gruselig schön in einem Kontext, um eine Ecke herum und in einem Ausmaß, in dem man’s nicht erwartet hätte: Ahab spielt sein zwanghaftes Schiffeversenken aus einer tiefdeutschen Seelenlage heraus, die über den Transzendentalismus nach Amerika gelangt ist. Selbst wenn das alles der hellgelbe Galimathias ist, möchte man es mal gedacht haben.

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Elke macht sich jetzt über die Stelle mit Zar Nikolaus her, wie ich vermute? Und Jürgen über Ahabs Ehrenrettung? Und Stephan über die Umweltaspekte? Und Christian vielleicht auch mal wieder was? Wenn jemand Emersons erwähnte “Vorträge zur Dämonologie” um 1840 mit Zitaten aus Dichtung und Wahrheit findet, wär ich überhaupt nicht böse…

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Liebenswerter Galimathias zum ganztägigen Mitsingen (“Únd eine hálbautomátische Wáffe ist ímmer dabéi” — erwischen Sie den Takt?): Element of Crime: Ein Hotdog unten am Hafen aus: Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe, 2008.

Written by Wolf

29. October 2008 at 1:16 pm

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Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #3

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Song: John C. Reilly: My Son John (1:39 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Lina Hansson: Young siren counting her legs and limbs,
digital illustration made in Painter, January 19/20, 2003.

Lyrics:

My son John was tall and slim
And he had a leg for every limb.
But now he’s got no legs at all,
For he ran a race with a cannonball.

Timmy doo dum da, fa riddle da,
Wack for me riddle timmy roo dum da.

Were you deaf or were you blind,
When you left your two fine legs behind?
Or was it sailing on the sea
Were two fine legs right down to your knee?

I was not deaf, I was not blind,
When I left two fine legs behind,
Nor was it sailing on the sea
Were two fine legs right down to my knee.

But I was tall and I was slim
And I had a leg for every limb,
But now I’ve got no legs at all,
They were both shot away by a cannonball.

Traditional

PS: For October 27th, Moby-Dick™ sends congratulations, blessings, and respect
from all of us on the P.E.Q.U.O.D. to:

Written by Wolf

27. October 2008 at 12:01 am

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Oktobergewinnspiel: Hau den Schätzing!

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Update zu Frank Schirrmacher beschimpfen, und Kapitän Ahab dann auch gleich
und Hört ihr vielleicht mal auf, mich Ranickel zu heißen?:

Jeder Jeck ist anders, und in Köln sind Toleranz und Ignoranz Geschwister.

Frank Schätzing: Keine Angst, 1. Auflage 1997, Seite 15

Frank Schätzing mag Fische.Einige meiner besten Freunde heißen Frank. Gar nicht wahr. Leute, die Frank heißen, haben alle einen an der Waffel. Sieht man ja schon daran, dass die Titanic jahrelang Frank Schirrmacher beschimpfen ließ, und wer eignete sich wohl besser für Verunglimpfungen als Frank Schätzing.

Schauen Sie mal auf das Portal für preisbewusste Kulturrezipienten Buchticket: Wer Tintenblut gelesen hat, kriegt dafür drei Tickets, für Harry Potter immer noch eins. Schätzings kriegt man im Dutzend für ein halbes. Stellen Sie lieber Ihre olivenölfleckigen Bach-Blütenfibeln rein, da werden Sie reich.

Frank Schätzing hat eine Werbeagentur gegründet und sie jahrelang als Creative Director geleitet. Danach Novellen und haha, Satiren, ein paar Krimis, die in Köln spielen und unter führenden Narren Erfolg genießen, ein Fachbuch über das unbekannte Universum der Meere, und dann der Überhammer vom Schwarm, der ihn qualifizierte, die besten Entenhausener Berichte, in denen Wasser vorkommt, herauszugeben, um darin Wissenschaftsthriller, in denen ebenfalls Wasser vorkommt, in ein vorteilhaftes Licht zu rücken.

Nebenher ist er Musiker, ja Musikproduzent, spricht alle Sprachen außer einigen irrelevanten Negerdialekten (aus Prinzip) verhandlungssicher und hat sämtliche Elvisplatten. Die Bildhauerei hat er entnervt drangegeben, weil es in Deutschland nicht möglich scheint, den richtigen toscanischen Marmor in erforderlichem Umfang in time zu liefern. In seiner Freizeit taucht er (ausgebildet, Apnoe und Tiefsee) und unterhält eine kleine, aber feine Segelyacht mit ein paar bescheidenen Thailänderinnen drauf, Knaben auf Anfrage. “Es ist gerade diese Vielfalt, die Spaß macht. Sicher werden sich die Schwerpunkte verlagern. Im Tagesgeschäft der Agentur kürzer treten, dafür mehr übergreifende Kreativkonzepte und Strategien für Unternehmen entwickeln, sofern mich die Aufgabe reizt. Auf alle Fälle weiter komponieren und produzieren. Schreiben, Musik, Performance, ruhig auch mal einen Film drehen. Je mehr kreative Register man ziehen kann, desto spannender das Resultat.” (Frank Schätzing: Von schwärmenden Teufeln bei Nicole Rensmann, März 2004.)

Der gutaussehende, junggebliebene Fünfziger mit der praktischerweise stets adrett vorpolierten Fassade geht nie auf die Toilette, außer zum Dukatenscheißen. Im Bett ist er eine Granatenfabrik, weil er die beste Frau der Welt erwischt hat, und in der Küche, das versteht sich doch von selbst, “begeisterter Hobbykoch”. Hätte er Freunde, würde er ihnen seine berüchtigte Pilzsuppe Agatha Christie servieren.

So einer, der sich auf seiner Website (mit .com-Extension, was denn sonst!) einzig über den Besitz eines MacBook Pro definiert, trägt sicher auch aus Überzeugung Barbourjacken. Mit der opernmäßigen Vertonung seiner Bücher hat er schon angefangen. Ein lohnendes Sujet, wird er sagen. Gerade die wissenschaftliche Fundierung seines unbekannten Universums verlange allerdings eher nach der Verarbeitung in einem großen Gobelin. Der Platz für den Kontoauszug mit der Überweisung von der Schwedischen Akademie ist schon freigeräumt (Schrankwand Eiche massiv, Maßanfertigung).

Oder was erwarten Sie aus dem Munde eines Herrenschmuckträgers, der sich aktiv entschieden hat, in der Öffentlichkeit mit einem Klobrillenbart aufzutreten?

Das ist also aus den Strebern geworden, die schon immer genug Kohle hatten, Ihnen vor ein paar Jahrzehnten in jeder Großen Pause die Vanillemilch in die Haare zu spritzen: Gewinner. Niemand konnte sich gegen sie wehren, denn sie standen unter dem Schutz des Mathe- und des Englischlehrers. Wenn man ihnen doch mal eine einschenkte, lernte man ihre Eltern kennen. Jedenfalls ihre Telefonstimme: sonor, befehlsgewohnt, die Fortsetzung des preußischen Landjunkertums mit gar nicht mal so anderen Mitteln. — Zurückhauen? Da könnte sich ja jeder dahergelaufene gleichmacherische Bürgersknecht erdreisten.

Genau das dürfen Sie jetzt. Verunglimpfen Sie Frank Schätzing in Wort und Bild und treiben Sie Stellen auf, an denen andere den Job schon getan haben! Weisen Sie seine Vergangenheit in verfassungszersetzenden Wehrsportgruppen und seine Gegenwart bei Scientology und dem ADC nach! Stellen Sie ihn mit Reiter-SS-Gamaschen und rosa Tütü dar! Reden Sie sich darauf hinaus, dass doch alles nur Satire und ironisch ist! Und gewinnen Sie ein zu Recht aussortiertes Büchereiexemplar von Der Schwarm. Hardcover, da lass ich mich nicht lumpen!

Aber seien Sie nicht so streng mit ihm, der arme Wurstel wurde als Kind schon genug von seinem Vater gezwiebelt, dass er bloß niemals in irgendwas der Zweite sein darf, und früh im Leben mit Neid konfrontiert. Bis 31. Oktober, um Halloweenmitternacht (dann wieder MEZ) bitte.

Frank Schätzing, gutaussehender Fünfziger

Bilder: Thomas Rabsch: Das Meer ist der Spiegel der Seele, Stern 09/2006;
Wikimedia Commons (modifiziert).

Soundtrack: Mac Davis: It’s Hard to Be Humble, in The Muppet Show 110 vom 8. März 1981.

Rechtsgrundlage: Entsprechend Lit-eX, dem Literaturmagazin für Verrisse aller Art: “Sofern rechtliche Streitfragen welcher Art und aus welchem Grund auch immer auftreten sollten (z. B. Meinungsdifferenzen schwerwiegender Form, Mutmaßung persönlicher Beleidigung, wettbewerbsrechtliche oder ähnliche Probleme) bitte ich im Sinne einer Verhältnismäßigkeit der Mittel, zuerst schriftlichen oder mündlichen Kontakt mit mir aufzunehmen, damit unnötige Rechtsstreite vermieden und Kosten gespart werden können. Eine mit Kosten verbundene anwaltliche Abmahnung ohne ein vorhergehendes klärendes Gespräch mit mir werde ich als unbegründet zurückweisen. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel zum Zweck einer Schadenminderung betrachte ich als grundsätzliche Pflicht vor jeder rechtlichen Auseinandersetzung.” — Danke, Herr Schätzing. Schön, dass Sie beim Ego-Googeln mal vorbeigeschaut haben.

Written by Wolf

22. October 2008 at 2:15 am

Posted in Mundschenk Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #2

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Song: Richard Thompson: Mingulay Boat Song (4:13 minutes),
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Sea Dogs 3, via Gamewallpapers.

Lyrics:

Chorus
Heel ya ho, boys, let her go, boys
Heave her head round into the weather
Heel ya ho boys, let her go boys,
Sailing homeward to Mingulay.

1. What care we though white the Minch is?
What care we for the wind and weather?
Let her go boys, every inch is
Wearing homeward to Mingulay.

2. Wives are waiting by the pierhead
Or looking seaward from the heather.
Heave her round boys, and we’ll anchor
Ere the sun sets on Mingulay.

3. Ships return now heavy laden,
Mothers holding bairns a-crying.
They’ll return, though when the sun sets
They’ll return to Mingulay.

Traditional Gaelic tune Creag Guanach from Lochaber,
penned by Sir Hugh S. Roberton in the 1930s.

Written by Wolf

20. October 2008 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Dann wacht man am nächsten Morgen mit diesem Stück im Bett auf und fragt sich, wie es so weit kommen konnte.

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Update zu Ahab — Held oder Schurke?
und Die einen sagen so, die andern so:

Stay in school and use your brain. Be a doctor, be a lawyer, carry a leather briefcase. Forget about sports as a profession. Sports make ya grunt and smell. See, be a thinker, not a stinker.

Apollo Creed zu Rocky Balboa, 1976.

Interview der Du 8/08 mit Sylvester Stallone: “‘Rocky’ ist gar kein Boxerfilm, sondern eine Liebesgeschichte”, 24. September 2008:

Cover Du, Helden und Antihelden, 8 2008Damals gab es einige der grössten Autoren — Charles Dickens, Henry Wadsworth Longfellow, Herman Melville mit “Moby Dick” und “Billy Budd”, Joseph Conrad, Rudyard Kipling, John Dos Passos, Sinclair Lewis. Es gibt so viele aus dieser Zeit, und ihre Geschichten funktionieren immer noch. Unglaubliche Stoffe. Wer kann heute noch so schreiben? Ich denke, wir werden von Generation zu Generation weniger belesen und visueller.

Soundtrack: Der andere “Rocky” von 1976: Frank Farian bei Ilja Richter.

Bild: Du 8/2008: Helden und Antihelden.

Written by Wolf

17. October 2008 at 4:20 am

Posted in Moses Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #1

with 4 comments

Sirens are the better mermaids, since unlike mermaids, they have a knack for music and are endued with legs and feet and everything in between. Moby-Dick™ is going to honour this adorable life-form with maritime songs in good rendering and depictions of fine marine ladies, linking to collectible sites with preferably high resolutions, starting out with:

Sounding like a Tuvan throat-singing monk on LSD, Baby Gramps chants with the intensity of a Captain Ahab.

Michael J. Kramer: Sinking Low on the Seas, Rising Up with Gold, August 25, 2006.

Song: Baby Gramps: Cape Cod Girls (7:14 minutes),
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Herbert James Draper: Ulysses and the Sirens, 1909,
via Achilles to Zephyr: An Alphabetical Listing of Greek & Roman Art by Topic.

Lyrics:

Cape Cod girls ain’t no use no combs,
heave away, haul away.
They comb their hair on the codfish bones,
bound away for Australia.

Chorus:
So heave her up, my bully, bully boys,
heave away, haul away.
Heave her up and don’t you make a noise,
we’re bound away for Australia.

Cape Cod girls ain’t use no sleds,
heave away, haul away.
They slide down the dunes on codfish heads,
bound away for Australia.

Cape Cod doctors ain’t use no pills,
heave away, haul away.
They feed their patients codfish gills,
bound away for Australia.

Cape Cod cats ain’t got no tails,
heave away, haul away.
They lost them all in northeast gales,
bound away for Australia.

Traditional, as sung by Captain Jesse Schaffer.

Written by Wolf

15. October 2008 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Happy ending the study of doomed monomania

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Update zu Disney’s Inferno:

Stellen wir uns vor: All die hämischen Parodieversuche seitens überzeugter Kulturverächter, die uns hier die Bude mit Suchanfragen wie buch präsentation mobbi dick und dörflein singt devil in disguise einrennen, wären überholt und diskreditierten sich damit selbst. Hähähä, würden wir sagen, geht Mundharmonika spielen oder lernt wenigstens anständig Rollbrett fahren, da steht ihr doch drauf, würden wir sagen, ihr könnt euch weiter über Spielsachen unterhalten, die mit einem kleinen i anfangen.

Da hat unser Lieblingsopa (damals 32) Herman Melville schon selber dran gedacht, dass sein Walbuch ein Happy End haben sollte, da brauchte der keine Marketingleitung von Disney dazu. Am 15. Februar 2006 hat der Olive Reader aufgetan:

Poster Moby Dick the MusicalImagine, at the end of Herman Melville’s Moby-Dick, that Captain Ahab and the crew of the Pequod kill the white whale instead of the other way around. That Ishmael is not alone in his escape. Steven Olsen-Smith, an associate professor of English at Boise State University, has reconstructed textual evidence that strongly suggests that Melville, whose 1851 novel stands as one of the great achievements of American literature and an enduring study of doomed monomania, entertained just such a scenario.

Die Originalquellen dazu sind teils schon verschwunden — der Olive Reader will es von den Arts & Letters Daily wissen, die nichts darüber hergeben —, teils noch nicht wieder hergestellt: Der erwähnte Steven Olsen-Smith baut zur Zeit die Melville’s Marginalia Online und rettet Melville als Dichter.

Wie lange dergleichen braucht, wissen wir am besten. Bis Olsen-Smith fertig ist mit seiner textual evidence, haben wir zwei tolle neue Bookmarks von ihm in der Linkrolle und können ein bissel Mundharmonika üben.

Bild: Moby Dick the Musical Poster;
Aufmerksamkeit: Jürgen. Danke!

Written by Wolf

14. October 2008 at 12:01 am

Posted in Moses Wolf

Leben und Sein in absteigender Größe

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Elke hat Kapitel 32: Cetologie gelesen:

Already we are boldly launched upon the deep; but soon
we shall be lost in its unshored, harborless immensities.

Chapter XXXII, beginning.

Elke HegewaldOh je, wie in diesem Kapitel den Anfang (oder das Ende?) des roten Fadens zu fassen kriegen? Ach was, ich halt mich einfach mal an die Zeitreisen in die Frühkindlichkeit, die hier grad so im Schwange sind.

Und segele in der Zopfliesenzeit los. Von Walen wusste ich damals noch nicht viel, kannte aus dem artenreichen Gewimmel eigentlich nur zwei Exemplare, deren Gegensätzlichkeit ein kleines Mädchen mehr verstörte als man denkt: das eine ein prall aufgeblasenes und verschmitzt grinsendes Spielzeugvieh, das andere riesengroß, tot und als präparierte Volksattraktion auf dem Marktplatz der heimatlichen Kleinstadt tief im Binnenland aufgebahrt – ein ebenso traumatisches wie tränenschwimmendes Erlebnis. Der Moby und die Melvillesche Cetologie kamen später. Zwar anders gelesen als heut, aber auch letztere durchaus mit glühenden Wangen, was nicht verwundert, wenn einer weiß, dass man auch noch in den Wirren der Pubertät mit seinem Opa die Begeisterung für Sielmann– und Grzimek-Serien teilte.

Wassersäugetiere, Ravensburger VerlagDas alles ist lange her und damals war nicht zu ahnen, dass ich heute mit ein paar ausgewachsenen Kerlen, nerdig verrückten Moby-Jägern, durch diese Bibliothek voller Wale im Folio-, Oktav- und Duodezformat schwimmen und in den Wellen der Allegoritäten eines Mr. Melville schlingern sollte. Was nebenbei gesagt immer noch und immer wieder einen Höllenspaß macht.

Hossa, als wäre man nicht gerade in eine mittelschwere Euphorie geraten, wo, retardiert bis an den Rand des Erträglichen, endlich der weiße Wal und damit der Plan dem finsteren Maule Ahabs entfleuchte. Nein, da lässt dieser Melville auch noch gleich ganze Schwärme von Cetacea in allen Größen auf einen los. Aber wie Steuermann Jürgen schon sehr treffend zu bemerken geruhte: Man will ja nicht meckern; schließlich sind wir lange genug und voller Spannung auf sie zugesegelt, die großangelegte Systematik und Klassifizierung der Leviathane. Die heftigst aus dem geradlinigen Handlungsfluss mäandert und den Rahmen jedes gängigen Romans nebst dessen literarischen Regeln sprengt.

Und jetzt? Wo wir bei ihr angekommen sind? – da ist es auf einmal gar keine. Keine richtige jedenfalls.

Oder doch? Nun, wenn man bedenkt, dass die ganze Walkunde bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine, wie Herr Göske nachwörtelnd palavert, “höchst spekulative ‘Wissenschaft’” war (Seite 954), hat unser guter Moby-Vadder mit seiner Cetologie durchaus einen bemerkenswerten Vorlauf vorzuweisen. Denn erst die Antarktis-Expedition der Discovery mit dem Auftrag, „so weit wie möglich die Natur, den Zustand und die Ausdehnung des Gebietes der südpolaren Lande festzustellen, das in den Bereich Ihrer Expedition fällt“, und der Anweisung, dass „keines dieser Ziele dem anderen geopfert werden darf“ (Ann Savour: The Voyages of the Discovery, via Wiki), steuerte auch walisch Erhellendes bei.

Doch wie seriös und wissenschaftlich im zoologischen Sinne will wohl etwas sein, das dieses Walgewimmel zuvörderst gleich mal als drei Buchformate in absteigender Größe sortiert? Wenn da nicht einer dahintersteckt, der lieber Schreiberling und Künstler und metaphernder Philosoph ist, der durch Bibliotheken schwimmt, denn ein auf hoher See praktizierender Waljäger, dann weiß ich auch nicht. Obwohl er ja die Walfängerei wenigstens in seiner Jugend auch betrieben hat und somit ein Reservoir einschlägiger Erfahrungen glaubhaft zelebrieren darf. Doch nicht umsonst legt er Wert darauf, ausdrücklich zu betonen: “I am the architect, not the builder” (Jendis, Seite 229). Und erwirbt damit den Spielraum zu künstlerischer Freiheit und verschmitzt spottender Mutwilligkeit.

Pottwal BrehmDenn was tut er denn fortwährend? Nicht weniger, als dass er mit populär- bis pseudowissenschaftlichen Schnurren und stellenweise geradezu verspielt wie ein Lausbub wider Logik und besseres Wissen argumentiert und so die Ernsthaftigkeit seiner hochwissenschaftlichen Einteilung oft umgehend wieder aufhebt und in Frage stellt. Was sollen wir sonst von seiner augenzwinkernden “Definition” der Wale – “Ein Wal ist ein blasender Fisch mit einem waagerechten Schwanz” – halten, die die sorgfältige Linnésche Charakterisierung mit einer Handbewegung und der Volksmeinung der Walkumpel aus Nantucket (Jendis, Seite 230) vom Tisch fegt? Oder von der Krönung des Pottwals zum König und ohne Zweifel majestätischsten und größten Bewohner des Globus (Jendis, Seite 232) – wo er doch weiß, dass der Grönlandwal dem darin nicht nachsteht, und auch den Blauwal (der bei ihm als vager Geselle und Schwefelbauch unter den Folios geführt wird) kennt? Oder gar der spitzbübischen These vom Nutzen eines narwalenen Horns als Falzbein fürs Zeitschriftenlesen?

Die Absolution für derartige Willkür und Verspottung wissenschaftlicher Systeme (und philosophischer gleich mit) erteilt er sich selbst:

I promise nothing complete; because any human thing supposed to be complete, must for that very reason infallibly be faulty. I shall not pretend to a minute anatomical description of the various species, or–in this place at least–to much of any description. My object here is simply to project the draught of a systematization of cetology.

(Vgl. Jendis, Seite 229)

Da ist er wieder, der Architekt, nicht der präzise zimmernde Handwerker: Alles fließt, alles Entwurf. So einer darf sich Selbstreflexion rausnehmen und seiner Fantasie freien Lauf lassen… mit vorgeblich festgezurrten Fakten spielen. Und sie zum eigenen Zwecke gar umwerfen.

Denn hinter alledem ist – wie wir es von Herrn Melville längst sattsam kennen – durchaus die Ernsthaftigkeit seines eigentlichen Anliegens zu erahnen und zu deuten. Und ich meine, dass da unser hochverehrter Gastautor Sascha Recht hat: Es geht am Ende um nicht mehr und nicht weniger als um Erkenntnis, um Erwerb von Wissen, dessen Wertung, Relativität und immerwährende Unvollkommenheit. Und wohl auch darum, welche Rolle menschliche Erfahrungen und Prägungen dabei spielen, welche die eigene Sicht und Handhabung der Dinge – ein weites Feld für Philosophastereien. Und ein beständig zu bestellender Acker für die schöpferischen Geister dieser Welt.

Und es wäre nicht Melville, wenn er nicht stilsicher genau da, genau bei dem Fazit der Unvollendung landete, das seinen “Whale of a Book”, sein “Book of a Whale” ausmacht – oder?:

For small erections may be finished by their first architects; grand ones, true ones, ever leave the copestone to posterity. God keep me from ever completing anything. This whole book is but a draught–nay, but the draught of a draught.

* * *

Hmm… auch wenn das jetzt nach einem runden Ende klingt, waren es wohl nur ein paar rausgepickte Rosinchen aus dem Wal-Pott – oder doch eher tote Fliegen? Ihr wisst ja, dieses verflixte Ende vom roten Faden. Außerdem haben die Jungs sowieso schon fast alles selber brillant referiert. Aber zwei tote Fliegen… öh, Fragen hab ich dann doch noch ceta-zehig einzuwerfen.

Die erste fliegt zum Wolfe und den Walrossen der Jendis respektive Rathjen: Ist nicht das Jendis’sche amphibisch “leben” korrekter als das amphibisch “sein” vom Rathjen? – wo doch wie der Wal kein Fisch das Walross selber auch keine Amphibie, sondern definitiv ein (see)hundeartiges Raub(säuge)getier ist?

Die zweite ist womöglich eine der Unvollkommenheit – von wem auch immer: Wer ist – und warum – eigentlich auf die Idee gekommen, dass der Ich-Erzähler in der Cetologie Ismael sein soll? Weil er das bis jetzt immer war? Weil er mit seinen “Händen Wale berührt” hat? Weil der Melville gefälligst in seinem eigenen Roman nix verloren hat? – Tsss, der Ismael hat als Frischling noch keinem Wal nicht ins lebendige Auge geschaut, geschweige denn einen angegrabbelt. Aber der Göske faselt nachwörtlich immerzu von Ismael. Hä? Und erfuhren wir jemals zwischen erstem und einunddreißigstem Kapitel davon, dass dieses blasse Hilfsschulmeisterlein von Ismael seine Jungfernfahrt auf dem Walfänger verbüchern wollte, und sei es als Entwurf zu einem Entwurf?

Nie war der Moby-Papa gegenwärtiger. Yeah, er hat sich selber mit entworfen, wenn ihr mich fragt. Aber wer fragt mich schon?

So, und wer meinen Sermon bis hierher ohne Schaden an Leib und Seele überlebt hat, der kriegt zur Belohnung noch den unbekannten Moby Dick Whaling Song aufs Ohr: ein Amateur, inspiriert vom Huston-Filmklassiker, etwas dilettantisch aber hoffnungsvoll, wenn ihr mich fragt. Aber das hatten wir ja gerade…

Bilder: Wassersäugetiere-Quiz: Ravensburger Verlag;
Pottwal: Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere, Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage, Kolorirte Ausgabe, Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883, Seite 7: gemeinfrei.

Captainseits empfohlener Link: der zum Verband deutscher Antiquare e.V.

Written by Wolf

11. October 2008 at 12:01 am

Posted in Steuerfrau Elke

Das größte quergetakelte Segelschiff der Welt

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Gastautorin Billy Budd, Bootsbauerin und Piratessa, weiß:

Piratessa BillyBudd

“Preußen” — erstes 5-Mast-Vollschiff (1902)

Länge über alles: 133,19 m
Segelfläche: 5560 m² (46 Segel)
Höhe Großmast: 68 m

In einer stürmischen Nacht im Oktober 1910 kollidiert die “Preußen” im englischen Kanal mit einem Dampfer. Alle Schleppversuche schlagen fehl; das Vollschiff strandet vor Dover — das Abwracken wird der See überlassen, nachdem auch ein Abbergen mit 12 Schleppern fehl schlägt. Die 48-köpfige Mannschaft bleibt unversehrt.

BillyBudd, Preußen, 5. Oktober 2008

Bild: Billy Budd: Preußen, Tinte und Aquarellfarben, Oktober 2008,
und Jan Maat verklookfiedelt wat över Bremerhaven, vun de Schipps un wat da tohört.

Written by Wolf

10. October 2008 at 12:55 am

Posted in Reeperbahn

Der alte Mann und der Miez

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Endlich auch auf Moby-Dick™: Katzencontent!

Update zu Zur Abwechslung mal Ernest Hemingway beschimpfen:

From Carlene Fredericka Brennen, Hemingway's Cats. An Illustrated Bioraphy, 2006Die Nachkommen von Ernest Hemingways Lieblingskater Snowball heißen Hemingway-Katzen. Snowball trug an den Vorderpfoten je 6 statt normalerweise 5 Zehen; ob er hinten 5 statt normalerweise 4 trug, ist nicht überliefert. Heute wird im Andenken an Snowball der Begriff Hemingway-Katze für alle polydaktylen Katzen benutzt. Polydaktylie vererbt sich autosomal-dominant, manifestiert sich also nicht bei allen Genträgern, die Merkmalsträger sind nicht gesundheitlich beeinträchtigt: Menschliche Zwölfender leben — bis auf eine gewisse Abneigung gegen das Tragen von Flip-Flops — vergnügt unter uns, bei Katzen sehen die extrabreiten Pfoten sogar ausgesprochen putzig aus.

Hemingway bekam Snowball 1935 auf seinem Alterssitz in Kuba geschenkt. Katzen waren in Hemingways Weltbild so ziemlich die einzigen Lebewesen, die sich weder zum Abschießen noch zum Flachlegen eigneten. Vielmehr versammelte er diese perfekt durchgestalteten, liebenswertesten Tiere aus Gottes Portfolio um sich — “One cat just leads to another” — und versorgte etwa 35 davon. Die kannte er mit Namen und Stammbaum auseinander und ließ sie bei sich zu Tische speisen. Begeisterter Snowball.

Im weiteren Verlauf zeugte Snowball 60 Nachkommen, etwa 30 davon mit einer Zehe pro Pfote zuviel, manche auch nur an den Vorderpfoten, das macht bis zu 22 Zehen pro Katze. Nach Hemingways Selbstmord wurden alle überlebenden Katzen ins heutige Ernest Hemingway Home and Museum in Key West, Florida überführt.

2003 war die Katzenpopulation im Hemingway-Museum, einem Bau im spanischen Kolonialstil mit halbverwildertem Grundstück über ein Hektar, optimales Mausgebiet, auf etwa 50 angewachsen. Dann kam das United States Department of Agriculture dahinter, dass Katzen dort nicht leben dürfen. Nicht in dieser Ballung, nicht ohne Zoolizenz, nicht ohne Zaun drumrum.

Nach fünf Jahren harten Verhandlungen zwischen Museum und USDA hat man sich endlich darauf geeinigt, dass die Katzen, zumal sie allesamt wohlgenährt, gesund und zufrieden wirkten, nicht nur hier wohnen bleiben dürfen, sondern auch ein Taschengeld von 200 Dollar erhalten — pro Tag und Katze.

Haben Sie mitgerechnet? Das sind zehntausend Dollar täglich. Kann man gerne mitnehmen, statt obdachlos oder eingesperrt zu werden. Die Katzen stehen nicht zum Verkauf.

Man muss sich im hiesigen Leben sehr, sehr gut benehmen, um im nächsten eventuell Katze zu werden.

BIlder: Hairy Harry mit Hemingways Royal Portable Quiet DeLuxe
aus For Hemingway’s cats, the bell won’t toll, Los Angeles Times: L.A. Unleashed, 26. September 2008;
Ernest Hemingway Collection im John F. Kennedy Presidential Library and Museum via Hemingway’ Cats, 2006.
Film: Hemingway Cats by Florida Keys Travel Vison, September 2008.

Written by Wolf

7. October 2008 at 2:27 am

Posted in Rabe Wolf

I’ve Been Waiting For You

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Lena Andersson, Verlagsfoto BlumenbarNeu nebenan in der Bücherliste: Lena Andersson: Die letzten Tage von Duck City; schwedisches Original: Duck City bei Natur och Kultur, Stockholm 2006 (Vorstellung im schwedischen Fernsehen).

Laut Verlagsprogramm Herbst 2008 des Verlags Blumenbar, Seite 12, ist das seit 1. September 2008 erschienen, halleluja. Und dann sowas: Auf der Verlagssite kommt es nicht vor, nur auf einer stillgelegten Unterseite durch den Hintereingang, Amazon meldet es auf unbestimmte Zeit nicht lieferbar (und ins VLB kommen Sie und ich nicht rein).

Was uns das hier interessiert? Der Verlagstext, den man an praktisch allen Stellen zu dem Buch wiederfindet, sagt in unterschiedlicher Ausführlichkeit je nach vorgegebener Anschlagzahl:

Cover Lena Andersson, Die letzten Tage von Duck City, Blumenbar 2008Duck City ist das Symbol für Wohlstand und Freiheit. Doch die meisten Bewohner sind viel zu dick – ganz im Sinne von Dagobert, dem größten Nahrungsmittelproduzenten des Landes. Der Präsident ruft den Krieg gegen das Fett aus, genannt Operation Ahab II – die Jagd auf den großen weißen Wal. Bald gibt es nur noch zwei Bevölkerungsgruppen: Magersüchtige – und Fresssüchtige, die sich in illegalen Restaurants versammeln. Der Untergang von Duck City scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Nur ein Literaturkritiker bewahrt als Einziger einen kühlen Kopf. Aber was soll der schon ausrichten?

Donald und Daisy oder das Ende einer Supermacht: Duck City ist die moderne Version von Entenhausen. Die Colaplörre fließt in Strömen, selbst Schokolode wird frittiert, in fernen Wüsten herrscht Krieg. Donald liebt Daisy – die mit Dagobert fremdgeht, dem Herrscher über die Lebensmittelindustrie. Weil das Volk längst zu fett ist, startet der Präsident eine Kampagne mit Folgen …

Lena Andersson, geboren 1970, studierte in Stockholm Englisch, Politikwissenschaften und Deutsch, war zunächst als Sportjournalistin tätig und arbeitet heute als freie Schriftstellerin. Die letzten Tage von Duck City ist ihr dritter Roman.

Moby-Dick-Parallelen und Donaldismus. Und die Übersetzerin heißt Flora Fink — ein Name wie von Erika Fuchs für eine ornithoide Entenhausener Kulturvorsitzende mit Fönwelle und Zwicker erfunden — studiert aber bei mir um die Ecke Skandinavistik. Nordische Philologie — wollte ich auch mal.

So gesehen muss ich das schöne Stück gleich dreimal kaufen. Keine Ahnung, warum man mich nicht lässt. Ich überlege noch, ob sie mich noch als Lektor einstellen, wenn ich persönlich an der Blumenbar vorspreche, um als erstes eine implizite Beschwerde zu erheben, oder ob sie das bitte als aktives Interesse werten dürfen.

Soundtrack: Die andere Lena Andersson, die 1970 mit 15 als Sängerin entdeckt wurde, mit ABBA touren ging und ihnen SOS (1975) und ihr kommerziell erfolgreichstes Fernando (1976) schrieb: Jag har väntat på dej, nur als Single 1975.
Bilder: Verlagsfoto Lena Andersson und Cover Die letzten Tage von Duck City bei Blumenbar, München 2008.

Written by Wolf

4. October 2008 at 12:01 am

Posted in Reeperbahn

Das Hörbuch als Video: Kapitel 15: Chowder; Kapitel 16: Das Schiff

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Update zu Kapitel 14: Nantucket:

Mono

Das 15. (9:01 Minuten) und 16. Kapitel (43:22 Minuten) sind fertig.

Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Mono

Bilder: Mono, modifiziert.

Written by Wolf

1. October 2008 at 5:02 am

Posted in Siedekessel