Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

LiederJan Mayen und die Wahrheit über den alten Flegel

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Elke macht ein Update zu ihrem Und Jan Mayen, der alte Flegel:

Elke HegewaldKennt noch jemand Liederjan?

Ganz am Anfang der Siebziger, als sie noch Irish Folk sangen, nannten sie sich Tramps & Hawkers. Und dass deutsches Volksliedgut oder solches, das eins sein will oder könnt’, auch anders geht als im Musikantenstadl, haben sie in ihrer dreißigjährigen Bühnengeschichte fraglos bewiesen. Sie haben irgendwann sogar angefangen, selber welches zu schreiben. Und dürfen mit Fug und Recht den Titel dienstälteste deutsche Folkgruppe für sich beanspruchen. Obwohl der dritte Mann des Trios zugegebenermaßen in den Jahren mehrmals gewechselt hat. Zum vorerst letzten Mal und zugleich überaus augenfällig, als nach dem Tod eines der beiden verbliebenen Gründerväter (Anselm Noffke) 2003 die erste Lieder-Jana, die in Wirklichkeit Hanne heißt, die Truppe veredelte.

Ihr Markenzeichen sind der gepflegte Satzgesang und die Verwendung exotischer Streich- und Zupfinstrumente, die nicht nur den Mittelalteraffinen und -fininnen unter uns das Herz aufgehen lassen. Oder sind die Zeiten längst vorbei, da die unverbesserlichen Romatiker am Lagerfeuer gern ein Opus dieser Urviecher unter den Volksbarden zur eigenen Klampfe nachträllerten?

Jan Mayen View towards south as seen from the Beerenberg Glacier, picture postcardHa, und deren Angewohnheit, in verstaubten Büchern nach alten, vorzugsweise unbekannten Liedern fürs eigene Repertoire zu kramen, lässt sie nun gar in die Annalen des Moby-Dick-Blogs eingehen. Fiel ihnen doch auch die in norddeutschen Walgründen überaus bewanderte Glückstädterin Wanda Oesau und vor allem deren schmalbrüstiger Jan Mayen, der alte Flegel, in die Hände, hier als — wenn auch weitgehend vages — Fundstück längst verbloggt. Und — tadaaa! — sie haben ihn lebendig besungen, wahrscheinlich als erste und einzige nach den ollen Waljägern anno dunnemals. Auf ihrem antiken Scheibchen Mädchen, Meister, Mönche von 1978 nämlich:

Und Jan Mayen, der alte Flegel

Alle segeln nach dem Norden in das eisigkalte Meer
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Groß und stolz die Flagge wehet in der Luft am Großmasttopp.
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Und Jan Mayen, der alte Flegel, ist passiert mit einem Blick.
Rolle, ja rolle, rolle Schifflein hin und her,
tanze, ja tanze, auf dem weltbewegten Meer.

Joan Blaeu-Insula Qvæ Ioanne Mayen nomen sortita estZusammen mit dem “Grönländischen Wachtlied”, einem Einströpher zum Wecken der nächsten Wache, und “Unser Bootsmann”, einem derb-zotigen Spottliedchen auf einen solchen selben ist es dort in der Nummer “Wallieder” zu finden.

Mit diesem Fang erhellt sich uns auch schlagartig und auf überraschende Weise die Identität des alten Flegels. Entgegen naheliegender Vermutungen der Ahnungslos-Unwissenden – und auch wenn die Norwegen-Freunde jetzt aus dem Grinsen über mich überhaupt nicht mehr rauskommen – ist der aktuelle Jan Mayen nämlich kein besoffener Maat von der Art des soeben bespöttelten Bootsmanns. Ein unwirtliches Eiland ist’s, gelegen sehr, sehr nördlich, zwischen Grönland und Spitzbergen, und den alten Walfängern als Wegweiser auf stürmischer See dienend:

Und Jan Mayen, der alte Flegel, ist passiert mit einem Blick…

sangen sie in ihrem Shanty, wenn sie, womöglich in den Wanten schindernd, an ihm vorbeisegelten. Hei, doch seinen Namen hat es von einem Walkapitän, wie der finstere Ahab einer war: dem Niederländer Jan Jacobs May van Schellinkhout (genannt Jan May), der sich zwischen 1614 und 1635 gelegentlich auf der Insel herumtrieb.

Ismael und seine Kameraden haben Jan Mayen Island nie gesehen, jedenfalls nicht auf der Jagd nach Moby Dick. Die Pequod segelte auf der andern Seite der Welt entlang, gen Süden. Und endete irgendwo da hinter Australien…

Aber dafür kann der alte Jan Mayen nix.

Bilder: Vidar’s Jan Mayen Page;
Joan Blaeu (Amsterdam 1596—1673):
Insula Qvæ Ioanne Mayen nomen sortita est;
RGBfoto.
Film: Liederjan: Auswandererlied, WDR Folkfestival, 1978.

Written by Wolf

13. January 2008 at 12:01 am

8 Responses

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  1. Schöööööööööön. Von denen hab ich auch zwei CDs und Mädchen, Meister, Mönche gehört dazu, die sind einfach toll :)

    Aoife

    13. January 2008 at 10:01 am

  2. Liederjan!!!! Danke lieber Wolf! Ich kenne sie wirklich noch aus den Siebzigern und höre sie immer noch gerne. Wie schön, dass nicht nur ich noch lebe, sondern die auch noch! Übrigens gibt es den Hannes Wader auch noch und seine CD “Liebe, Schnaps und Tod” mit wunderschönen Liedern von Bellmann habe ich bei Dacora E-Commerce gefunden. Das ist eine gute Quelle für richtig tolle Antiquitäten.
    Es grüßt, deinen Geschmack bewundernd, Tante Milli

    tante milli

    13. January 2008 at 6:02 pm

  3. Bedankt sei in diesem Fall die Elke – aber dem Geschmack kann ich mich bei Liederjan anschließen. Die Jungs hab ich um 1987 rum mal auf dem Nürnberger Bardentreffen erlebt. Schon klasse.

    “Liebe, Schnaps und Tod” ist ja schon fast eine von den neueren, oder?

    Um das Niveau gleich wieder runterzuziehen: Ich hab eine Live-Doppel-LP von Reinhard Mey von lange bevor er selber “Über den Wolken” kannte: ein Mann, eine Klampfe, ein Barhocker – allein das Setting ist schon anrührend…

    Wolf

    13. January 2008 at 6:12 pm

  4. Liebe Schnaps Tod ist glaub ich neuer (und einfach toll *seufz* auch wenn mir von seinen Liedern immer Es ist an der Zeit am besten gefallen wird kommen sämtliche Titel von dieser CD mit so schönen Texten wie ‘Den Tempel der Lust nur aufs Bett zu beschränken ist kleinliches denken’ gleich danach :))))

    Aoife

    13. January 2008 at 7:17 pm

  5. Frisch gecheckt: “Liebe Schnaps Tod” ist von 1996 und ungeklärt, ob da jetzt ein Komma und ein “und” reingehören.

    Die Geschichte, wie mich mal von Emden bis Nürnberg einer vollgeseiert hat, der für Hannes Wader “Heute hier, morgen dort” geschrieben haben wollte, muss ich auch mal bloggen – aber mit welchem fadenscheinigen Melville-Bezug bloß…?

    Wolf

    13. January 2008 at 7:28 pm

  6. Es gibt so schöne Texte von deutschen Liedermachern, und dann kam irgendwann Heinz-Rudolf Kunze. Hinterher kam Xavier Naidoo. Wenn man das mit der Hannes-Wader-Übersetzung von Green Fields of France vergleicht, kommen einem die Tränen.
    Es heißt übrigens Liebe, Schnaps und Tod (steht auf dem Cover der von mir GEKAUFTEN CD). Außer Reinhard Mey, der oft verkannt wird, war da auch noch Klaus Hoffmann beteiligt, der die drittschönste Amsterdam-Version gesungen hat, die ich kenne.
    Außerdem würde ich soooo gerne die Geschichte von dem Typ lesen, der dich von Emden bis Nürnberg vollgelabert hat. Falls es im Zug war, hättest du ja einen be-zug (Aua!) zu wem oder was auch immer.

    tante milli

    13. January 2008 at 8:47 pm

  7. Heißassa! Da sind sie ja, die Liederjan-Fans. Hab ichs nicht geahnt? ;o) Und danke der Aufmerksamkeit, ihr Guten.

    Und auf den Hannes Wader lass ich ja auch kaum was kommen, von dem hüt’ ich sogar noch einzwei vinylene Antiqutäten – zu DDR-Zeiten goldbestäubt. Auch wenn “Liebe Schnaps Tod” nach einer verheerenden Kombination klingt *g* – ich glaub eurem Urteil (vielleicht gerade deshalb).

    @Melville-Bezug: Wolf, der Wader ist doch auch ein alter Wal ;o)), wie Moby Dick heute hier, morgen dort. Außerdem hat er auch die Busch-Brechtsche Hanna Cash gesungen. Und von der bis zur Seeräuber-Jenny und den Piraten ists doch nicht mehr weit.*duck* – Aaach, es wird sich doch ein Aufhänger finden, jetzt wo du uns angefixt hast… :o)

    hochhaushex

    13. January 2008 at 8:49 pm

  8. Wolf

    13. January 2008 at 11:57 pm


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