Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Stigma diabolicum

leave a comment »

Elke hat Kapitel 28: Ahab gelesen und Ahabs Mal gesehen:

Elke HegewaldKapitän Ahab betritt die Bühne. Da steht er also auf seinem Achterdeck rum, der Langersehnte. Das war aber auch schon das Dramatischste, was dieses 28. Kapitel zu verkünden hat, oder? Ansonsten: ein bisschen ahnungsvolles Bauchgrimmen sowie besorgte Spekulationen über Scheffes Befehlsgebaren bei Ismael, der sich wohl auf seine schwindende Erzählerrolle im weiteren Handlungsverlauf vorbereitet, zunehmend eitel Sonnenschein und eine milde Brise auf Deck. Die sogar den finsteren bislang Unsichtbaren zunehmend ans Tageslicht lockt und beinahe hätte lächeln lassen…

Also wirklich. Auf die Gefahr hin, mit grünen Tomaten und Chowder-Bowls beworfen zu werden, frag ich mal ketzerisch: Hat der geneigte Leser (abgesehen von den eingeweihten, die eh Bescheid wussten und nur so tun als ob) von diesem Auftritt nicht was Spektakuläreres, Unheilschwangereres erwartet — und verdient? Wie hat er diesem Moment entgegengefiebert und wie viele Kapitel mit weit mehr Input über den Herrn der Pequod schon hinter sich gebracht und noch zu erwarten. Sogar von dessen Walbein — sei’s nun das rechte oder das linke — weiß er längst. Wen wundert es da noch, wenn die Moby-Projekt-Arbeiter sich “vor der Größe der Ereignisse in stubengelahrte Kniefieseleien” flüchten, wie der Wolf so schön zu formulabern pflegte? Und sich bei ihrer literierenden Waljagd vorübergehend bis an die Grenzen der Trägheit selber retardieren. Andererseits: Wer musste auch seine Erwartungen an des Leibhaftigen Erscheinen so auf die Spitze treiben?

Genug davon und ProvoZeter-Modus aus. Zumal uns doch immer eingebläut wird, positiv zu denken, nä. Und so gesehen ist diese gefühlte Ereignislosigkeit des bemotzten Kapitels nicht des guten Melvilles Schuld, sondern sein Verdienst. Und er uns, explizit was das nämliche Retardieren angeht, ein großer Lehrmeister, hihi.

Öhm… schreiten wir also mal zu einer gerafften Bestandsaufnahme der vorliegenden Nummer 28.

“Die Wirklichkeit übertraf jede Befürchtung. Kapitän Ahab stand auf seinem Achterdeck” macht sich in jedem Falle gut als filmische Drehbuchanweisung und ist eine echte Herausforderung für jeden Regisseur, oder? Womit wir dann allerdings — nicht wahr, Stephan? — schon wieder bei Gregory Peck oder Patrick Stewart und Konsorten wären.

Der Umgang des obersten Herrn der Pequod mit seinen Steuerleuten wird uns sicher noch anders als durch geschlossene Türen offenbar; auf die bunte und für ihr Handwerk überaus kompetente Vielvölkercrew scheinen sowohl Ismael als auch Melville selbst felsenfest zu bauen.

Ruthe, Verzeih mir, 8. August 2007Wäre da noch die Sache mit dem unheimlichen und leichenfahlen (Ganzkörper-?)Mal. Diese Kreuzigung, die — wie bereits festgestellt — nicht nur Generationen von Lektoren und Übersetzern zur Verzweiflung gebracht hat, sondern mich gleich wieder in diverse Spinnereien und diffus Aufgelesenes entführt, warum der Herman ihm eine solche anhängen mag. Deutereien und Spekulationen um diese auf dem Schiff wohl als Tabu gehändelte Zeichnung gibt es im Kapitel selbst ja reichlich — vom Zeitpunkt und der Art ihres Erlangens über ihr Ausmaß bis hin zu damit erworbenen übernatürlichen Fähigkeiten. Und zu allem Überfluss spuken in mir auch noch abergläubische Überlieferungen um unheimliche Körpermale (vornehmlich an Hexen und sonstigen vom Teufel Besessenen zu finden), die Satan höchstselbst verleihen soll und die sogar Eingang in die Rechtsliteratur gefunden haben. Warum auch nicht — hat denn nicht die überlieferte Gottlosigkeit seines historisch-biblischen Namensgebers und sein In-die-böse-Ecke-Rücken nicht auch unser entwurzelter Finsterling ererbt…?

Der Gezeichnete: Ruthe, 8. August 2007.

Written by Wolf

18. March 2008 at 12:01 am

Posted in Steuerfrau Elke

Leave a comment