Moby-Dick™

Leben mit Herman Melville

Archive for 2009

Fruit and Flower Painter

with one comment

Update for Immolated and Herba Santa:

I den in a garret
     As void as a drum;
In lieu of plum-pudding—
     I paint the plum!

               No use in one’s grieving,
                    The shops you must suit:
               Broken hearts are but potsherds—
                    Paint flowers and fruit!

How whistles my garret,
     A seine for the snows:
I hum O furtuna,
     And—paint the rose!

               December is howling,
                    But feign it a flute:
               Help on the deceiving—
                    Paint flowers and fruit!

 

William Adolphe Bouguereu, Une vocation, 1896Poems by Herman Melville. In 1860 Melville assembled a volume entitled Poems by Herman Melville, which failed to secure a publisher. No table of contents for this project survives, but several of the 1860 poems most certainly appear later in Timoleon and the unpublished Weeds and Wildings. At his death, Melville left twenty-five or so “miscellaneous” poems that do not fall into any project category. Among these are several neatly transcribed, fair-copy poems on high-quality yellow paper. According to Ryan, these works, here indentified as “yellow-paper poems,” predate Melville’s other manuscripts, which are inscribed on less refined paper. Although we cannot date the yellow-paper poems more specifically, they may have originally been included among the Poems of 1860. […]

Fruit and Flower Painter. Originally composed in the first person, the monologue concerns an artist (presumably male) who resorts to commercial painting to make a living and forget his “broken heart.” In revision, Melville shifts from first- to third-person female point of view, thus making the deceived artist a woman. Melville was not happy with his original title and considered four others including “Ashes of Roses.” The image, from Shakespeare’s Romeo and Juliet: “The roses in thy lips and cheeks shall fade to paly ashes” (IV.i.99), recurs in “The Swamp Angel“.

John Bryant: Tales, Poems, and Other Writings, Modern Library Classics 2002.

This is the first publication of both versions on the internet.

 

Fruit and Flower Painter

She dens in a garret
     As void as a drum;
In lieu of plum-pudding—
     She paints the plum!

               No use in my grieving,
                    The shops I must suit:
               Broken hearts are but potsherds—
                    Paint flowers and fruit!

How whistles her garret,
     A seine for the snows:
She hums Si fortuna,
     And—paints the rose!

               December is howling,
                    But feign it a flute:
               Help on the deceiving—
                    Paint flowers and fruit!

Image: William Adolphe Bouguereau: Une vocation, 1896.

Written by Wolf

31. December 2009 at 4:34 am

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No one to please or disappoint but myself

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Update zu Kapitel 44 oder 78774-mal E:

Page 0402009 sind wir mit der Hauptaufgabe in Moby-Dick™: die Kapitel durchzuhecheln, knapp zwei Kapitel vorangekommen. Es gibt Dinge, die ein DSL-Anschluss nicht beschleunigen kann.

Cohu hat’s im MetaFilter gefunden: Verheerend optimistisch äußert sich im Vergleich zu uns Matt Kish, der sich vorgenommen hat, nicht alle Kapitel, sondern alle Buchseiten seines Moby-Dick auszugestalten. Das Projekt heißt One Drawing for Every Page of Moby-Dick:

About this Moby-Dick project: […] Impulsively, I grabbed the first paperback edition of Moby-Dick I could find, which turned out to be the Signet Classic edition from 1992 with 552 pages. Looking back, maybe I should have thought things through a bit more since I’ve seen quite a few editions with around 400 pages, which would have saved me an awful lot of time. But that’s the way things turned out and that’s the edition I am sticking with even though it will take me at least a year and half of constant and daily work to complete. Probably more. I seem to be able to average about 20 to 25 pieces per month. Sometimes more, sometimes less.

Über ein Jahr will der Gute brauchen? Über solche Dimensionen der Zeitplanung lächelt unsereins ja nur milde, aber macht nichts, er ist ja noch jung (Jahrgang 1969). Außerdem hat er weder eine Künstlerausbildung noch eine Ausstellung — einfach nur angefangen.

Seine veranschlagten 20 bis 25 Kunstwerke pro Monat hält er bis jetzt ganz tapfer durch und dokumentiert sie, wie sich das gehört, in seinem gleichnamigen Weblog. Wenn alles gut geht (“And I have a full time job too. And a wife. And a life”), ist er im März 2011 mit Seite 552 fertig.

Kish arbeitet nicht, wie es nahe liegt, auf den Seiten eines einzelnen Buches, sondern auf papierenen Überresten, die er pauschal und darum knapp an der Wirklichkeit vorbeigeschrammt found paper nennt, aus einem Antiquariat, in dem er als Schüler gejobbt hat — abgelegte Landkarten, Diagramme, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Reparaturführer — aus dem unverkäuflichen Bodensatz von Bücherkisten, die vor über zwanzig Jahren schon zum zweiten Mal weggeschmissen wurden. So entsteht nicht ein Unikat, das im Lauf täglicher Maltraktion immer bunter, zerfledderter und — vielleicht — wertvoller wird, sondern viele, stark unterschiedliche Blätter, die aus ihrem Material erwachsen. Diese Kunst hat auch etwas Naturwüchsiges.

Die seitenweise Einteilung bedeutet auch, dass Kish sich pro Kapitel mehrmals inspirieren lassen muss. Jedes Blatt heißt nach einer Textstelle, die einen Satz oder länger dauert. So viel Impact gibt Moby-Dick also allemal her.

Das passiert nach dem Vorbild von Zak Smith, den man als wenig jugendfreien Multitechniker kennt:

So I illustrated Gravity’s Rainbow — nobody asked me to, but I did it anyway.

Leben mit Herman Melville und Thomas Pynchon, täglich gestaltend und mit einer Verbissenheit, die nicht nach Sinn und Entlohnung fragt. Das ist ein Geist, der mir doch sehr imponiert.

Weitermachen — das sag ich vor allem auch zu uns selber. Guten Rutsch.

Danke an Matt, Zak — und Cohu!

Page 086

Bilder: Matt Kish:

Page 040: “Yet what depths of the soul does Jonah’s deep sea-line sound!” [From Chapter IX: The Sermon.]

8.5″ by 11″
acrylic paint, collage and marker on found paper
September 15, 2009;

Page 086: “Cap’ain, you see him small drop tar on water dere? You see him? well, spose him one whale eye, well, den!” and taking sharp aim at it, he darted the iron right over old Bildad’s broad brim, clean across the ship’s decks, and struck the glistening tar spot out of sight. [From Chapter XVIII: His Mark.]

10.5″ by 8.25″
ink and marker on found paper
November 27, 2009.

Written by Wolf

30. December 2009 at 4:23 am

Posted in Moses Wolf

Moby-Dick und das Radio: Zu wüten gegen ein stummes Ding

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Mehr als ein Dutzend Hörstücke, die auf Melvilles Roman beruhen, wurden auch vom deutschsprachigen Radio produziert: von Ernst Schnabels dreiteiliger Fassung aus dem Jahr 1948 bis zum destillierten Klassiker im Fünf-Minuten-Format aus den 1990ern.”

weiß Julian Doepp; wir arbeiten daran, alle davon für die Bücherliste nebenan zu verifizieren.

Die neueste deutsche Hörspielfassung stammt von Dr. Klaus Buhlert (Bearbeitung, Komposition und Regie) und basiert auf der Übersetzung vopn Matthias Jendis. Das wirklich Neue an ihr ist, dass er nicht die Stellen herausholt, in denen viel Sturmgebraus und “Da bläst er!”-Schreie vorkommen, sondern die Möglichkeiten der Übersetzung nutzt, um die stilistischen Kapriolen, die Vielschichtigkeit und die viktorianische Gesellschaftskritik, deren Aktualität sich begründen lässt, ins Radio holt. Der Bayerische Rundfunk bringt auf Bayern 2 zwischen 27. Dezember 2009 und 5 Januar 2010 alle zehn Teile à 53 Minuten. Das mitzuverfolgen ist ein Stück Leben mit Melville; falls weder das Christkind noch die Stadtrbücherei das Hörbuch hergeben (vor der 2009er Komprimierung sollte man eher vorsichtig sein), haben Sie doch jetzt sicher auch Urlaub.

Der Bayerische Rundfunk über seine Produktion:

Bayern 2 bietet Live-Stream an, ist also überall empfangbar.

Danke an unseren Leser Mario Sacco für die Aufmerksamkeit!

Cover Herman Melville, Moby-Dick, Abenteuerhörspiel Der Hörverlag 2002

Bild: Amazon.de, Der Hörverlag München.

Written by Wolf

26. December 2009 at 12:23 pm

Posted in Moses Wolf

Was geschah mit Wolfs Schädel?

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Update zu Jahresendmeeressäugetiereschwanzflossenfigur:

Die Osterkerzen mussten weg, dafür war die phallische schon so weit runter, aber die Bücher im Hintergrund sind das ganze Jahr lang gut.

3 Kerzen Christmas Desk

Fröhliche Restweihnachten für alle!

Bild: selber gemacht; Weihnachtskarte: Hannah.

Written by Wolf

25. December 2009 at 11:03 am

Posted in Wolfs Koje

Verpasste Gelegenheiten 2009:

with 2 comments

Update zu Bleeding Life:

  • 30 Jahre The Wall (30. November);
  • 60 Jahre Tom Waits (7. Dezember);
  • Klimakonferenz” (Dezember),
  • Google Video lässt sich nichts mehr hochladen (März);
  • und die Vollversion It’s A Wonderful Life ist raus aus Google Video (Dezember).

Die gute Nachricht: Essen ist fertig. Ergänzungen?

Verpasste Gelegenheiten via Kim Shattuck

Bild: via Kim Shattuck;
Film: Mickey’s Christmas Carol, 1983 (die zweite Wahl nach dem Capra).

Written by Wolf

24. December 2009 at 3:56 pm

Posted in Meeresgrund

Playlist Unheilige Nacht

with 7 comments

Update zu Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu:

“Knecht Ruprecht schwang seine Rute und sprach:

Heißt es bei euch denn nicht mitunter:
Nieder den Kopf und die Hosen herunter?”

Theodor Storm: Unter dem Tannenbaum, 1863.

Die Auswahl muss leider subjektiv bleiben. Es fällt jedoch auf, dass vor allem aus der Weimarer Zeit besonders viele, gute und böse Gedichte überliefert sind, welche sich gegen die bürgerliche Tradition weihnachtlichen Feierns richten, die als überholt, verlogen und der politischen Situation unangemessen empfunden wurde.

Nicht aufgenommen wurden die seit einigen Jahren verbreiteten deutsch-englisch-makkaronischen “Christmaslieder” (etwa “When the last Kalender sheets/flattern through the winter streets/and December wind is blowing/then is everybody knowing/that it is not allzuweit,/she does come, the Weihnachtszeit” pp.), weil offenbar jede Veröffentlichung eigene Veränderungen nach eigenem Richtigdünken anbringt und deshalb keine feststehende Version davon zu ermitteln war. Hier ist offenbar mit Hilfe des Internets ein Volksgut im Entstehen, was ich für ein großartiges Ereignis halte. Schauen wir in zehn Jahren nochmal.

Für Deutschland gesperrt, jedenfalls nirgendwoher einzubetten sind Sarah Silverman: Give the Jew Girls Toys, 2005, und eine anständige Aufnahme von 7 O’Clock News/Silent Night von Simon & Garfunkel 1966 — das Stille Nacht mit den Radionachrichten im Hintergrund, was dermaßen anrührend ist, dass man es zu den Russen auslagern musste: RuTube.

Meine noch zugänglichen Lieblinge sind die Pogues und der Ringelnatz. Sie dürfen gerne Themenverwandtes in Wort, Bild und Ton beisteuern; gerade anglophone und maritim besetzte Beiträge finde unterbesetzt! Mit dem, was Google und Forestle auf “Seemannsweihnacht” finden, hat man keine Freude. Und wenn Sie Verbesserungen und fehlende Veröffentlichungsdaten wissen?

Alphabetisch nach Autoren:

 

Arnfrid Astel: Stille Nacht (1972)

Eine trockene Angelegenheit
dieses Weihnachtsfest.
Krümel vom Christstollen,
Tannennadeln auf dem Teppich.
Aus Langeweile singen wir falsch,
vögeln aus Verzweiflung.
Wir besaufen uns. Es ist zum Heulen.

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Paul Auster, untermalt von Tom Waits:
Auggie Wren’s Christmas Story, in: Smoke, 1995.

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F.W. Bernstein: Weihnachten in der Schule (1994)

Hör mal zu!
Auch du!
Wenn das Jahr zu Ende geht
wird es abends früher spät
alle tragen feste Schuhe
Ruhe!
Weißer Schnee füllt bald die Straßen
Markt und alles ist verlassen
will
Karlchen, sei doch still!
Willig kommt der Weihnachtsmann
hat ein rotes Röckchen an
hell wird jedes Licht
Peter, red jetzt nicht!
Und ein großer Kerzenschein
wollt ihr endlich ruhig sein!
Hüpfet über Stock und Stein —
Karlchen, dich sperr ich jetzt ein!
Und zu unsern Lieben
kommt aus Heu und Stroh
Ruhe endlich! Wo
bin ich steh’n geblieben?

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Biermösl Blosn mit Die Toten Hosen (Campino, der Wahre Heino, Lazy Lemmy): Still, still, still.
Die Studioaufnahme 1998 wurde einst zu einem Funny Forward mit einer schlichten, aber wirkungsvollen 3D-Animation erweitert,
die inzwischen weitgehend aus den Speicherplätzen verschwunden ist.

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Tarquin Britten: Credit Crunch Christmas, 2008.

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Get Well Soon: Christmas in Adventure Parks, 2008.

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Get Well Soon: Listen! Those Lost at Sea Sing a Song on Christmas Day, 2008.

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Heinrich Heine: Altes Kaminstück (1824)

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergeßne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Fraun, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloß;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentroß.

Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt —
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.

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Agnes Hüfner: Weihnachten zu Hause

Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all,
zur Krippe her kommet, in Bethlehems Stall/Pst!
Und seht, was in dieser hochheiligen Nach/Ruhe!
Könnt ihr nicht mitsingen/Der Vater im Himmel/
Na wird’s bald/für Freude euch macht.

O seht in der Krippe/leg die Puppe jetzt endlich weg/
im nächtlichen Stall/Hände auf den Tisch/
seht hier/Kopf hoch/bei des Lichtleins hellglänzendem/
zieh nicht son Gesicht/Strahl/
In reinlichen Windeln/du wäschst dir aber gleich mal die Hände/
das himmlische Kind/Schmutzfink/
viel schöner/abscheulich/und holder/und die Fingernägel/
als Englein/pfui Teufel/es sind.

Da liegt es/lümmel dich nicht so rum/ihr Kinder, auf Heu/
das gute Sofa/und auf Stroh/war teuer genug/
Maria/ich muss das schließlich wieder sauber machen/und Josef/
du könntest deinen Kindern auch mal was sagen/betrachten
es froh/immer hab ich den Ärger/Die redlichen Hirten/
ich geb mir doch bei Gott genug Mühe/ knien betend/
auf den Knien/davor/für euch/hoch oben/
aber ihr/schwebt jubelnd/rotzfrech/der Engelein/Flegel/Chor.

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Erich Kästner: Weihnachtslied, chemisch gereinigt (1928)
(Nach der Melodie: «Morgen, Kinder, wird’s was geben!»)

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bißchen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen —
lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht —
weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit…
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Anmerkung: Dieses Lied wurde vom Reichsschulrat für das Deutsche Einheitslesebuch angekauft.

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Klabund: Bürgerliches Weihnachtsidyll. (1927)

Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannenbaum! O Tannenbaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!

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Loriot: Advent. Erstsendung in Cartoon 11, 7. Dezember 1969.

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Gerhard Polt mit Gisela Schneeberger: Abfent, Abfent…!, 2001 (Audio).

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The Pogues featuring Kirsty McColl: A Fairytale of New York, aus: If I Should Fall From Grace With God, 1987. Besonders empfohlen wird die Demo-Version im Duett mit Ur-Pogue Cait O’Riordan, erhältlich auf Just Look Them Straight in the Eye!

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Joachim Ringelnatz: Einsiedlers heiliger Abend (1933)

Ich hab’ in den Weihnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.

Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.

Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abends noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.

Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.

Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.

Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat’s an der Türe gepocht,

Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: „Herein!”

Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.

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Dieter Süverkrüp: Stille Nacht, heilige Nacht (1972)

Stille Nacht, heilige Nacht!
Weihnachtsgeld wird gebracht
durch Herrn Ruprecht vom Lo-hohnbüro.
Schweigend geht die Belegschaft aufs Klo,
zählend, wie viele Krümel
gnädig vom Herrntisch gefalln.

Stille Nacht, heilige Nacht!
Falscher Trost. Oh, wie lacht
der Direktor mit randvollem Mund,
singt uns gnädig zu göttlicher Stund:
»Arbeitsfriede auf Erden!«
Wir fallen mal wieder drauf rein.

Billige Nacht, eilige Nacht!
Ratenkauf, leichtgemacht
durch der Engel Alleluja.
Die gehören zum Werbe-Etat.
Denn der Vater im Himmel
ist Präsident vom Konzern.

Stille Nacht, heilige Nacht!
Lichterbaum angemacht.
Und ein liebliches Liedlein gesingt!
Und ein Eierlikörchen getrinkt!
Und die Kinder geprügelt,
bis sie hübsch andächtig sind.

Gute Nacht, peinliche Nacht!
Fernsehspiel ausgemacht.
Und im Magen ein flaues Gefühl,
weil die Liebe nicht hochkommen will.
Noch zwei Nächte zum Schlafen.
Dann wieder rinn in’ Betrieb!

Stille Nacht, heilige Nacht!
Weihnachtsfest rumgebracht.
Großes Gähnen im Portemonnaie.
Überstunden tun immer noch weh.
Falscher Frieden auf Erden
feierten wir mit den Herrn.

Wilde Nacht, streikende Nacht!
Eines Tages, nicht ganz sacht,
pfeifen wir auf die Gnade des Herrn,
übernehmen mal wir den Konzern
und die Führung im Staate.
Das wird ein Weihnachtsfest wer’n!!!

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Kurt Tucholsky: Weihnachten (1918)

So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
          O Tannebaum!

Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
— bei Deutschen fruchtet keine Lehre –
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse grölt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
          O Tannebaum!

Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mit der Lammsgeduld?
Noch leben die Kanonenbrüder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, die Kriegsbrandstifter nieder!
Glaub diesen Burschen niemals wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
          O Tannebaum! O Tannebaum!
          Und alle Jahre wieder.

1918 vertont von Hanns Eisler; 1952 Bearbeitung von Ernst Busch: Deutsche Weihnacht.

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(Volksgut, ca. 1980)

Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus der Kneipe und konnte kaum stehn.
Auf Geschenke braucht ihr nicht zu hoffen:
Es hatte das ganze Geld versoffen.

Es wankte hin zum Tannenwald,
es hatte den Arsch voll Hannen Alt.
Gestern hab ich es wieder getroffen —
Denkt nur, da war es schon wieder besoffen!

Ich blieb gleich stehen und sprach es an:
“Sag, Christkind, wo ist der Weihnachtsmann?”
Da sprach es: “Auf den brauchst du nicht zu hoffen,
der liegt im Wald und ist besoffen.

Gemeinsam gingen wir zum Weihnachtsmann.
Mit glasigen Augen sah er uns an.
Er lallte: “Guten Tag, lieber Bruder, guten Tag, liebe Schwester,
leckt mich am Arsch, bald ist Silvester!”

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(Volksgut, ca. 1980)

Ich ging im Walde für mich hin,
recht weihnachtlich stand mir der Sinn.
Da sah ich ein frierend Mägdelein,
das wollt’ so gern gewärmet sein.

Ich nahm es mit zu mir nach Haus
und zog ihr die nassen Kleider aus,
und weil ich wusste, was sie denkt,
da hab ich sie auch reich beschenkt.

Da sah sie mich ganz böse an
und sprach: “Du bist kein Weihnachtsmann!”
Da sprach ich: “Meine Gute,
siehst du nicht Sack und Rute?”

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Tom Waits: Christmas Card From a Hooker in Minneapolis, 1978.

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The Who: Christmas (1969), in: Tommy (1975).

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Urs Widmer: Im heilig Stall

Es sprach der Ochs zum Es:
wie lieb er trinkt, der Jes.
Auch wir woll bisschen prostern
so bis so gegen Ostern.

Die Tier im heilig Stall
griff froh zur Flasche all.
Wed Es noch Ochs warn schüchtern.
Mar, Jes und Jos blieb nüchtern.

Jes schlief, Mar träumt, doch Jos
schaut auf sein Frau ziem bos.
Der Es sagt: Jos, übs Jahr
hast du vergess wies war.
Dann weihnacht es schon wieder
und du sing Weihnachtslieder.

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Paul Young: Love of the Common People, 1983.

Holzkrippe Oliver Fabel

Krippenspiel: Oliver Fabel, 2009; anständige Auflösung bei Media-Digest, 2. Oktober 2009.

Written by Wolf

22. December 2009 at 1:37 am

Posted in Laderaum

It may be your last (or it might have been Brooklyn)

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Update for Happy Christmas your arse, I pray God it’s our last
and But someone stole my record player:

Original Judy Garland

Have yourself a merry little Christmas,
it may be your last;
Next year we may all be living in the past.

Have yourself a merry little Christmas,
pop that champagne cork;
Next year we may all be living in New York.

No good times like the olden days,
happy golden days of yore,
faithful friends who were dear to us
Will be near to us no more.

But at least we all will be together,
if the Lord allows.
From now on, we’ll have to muddle through somehow,
so have yourself a merry little Christmas now.

Have yourself a merry little Christmas,
let your heart be light;
Next year all our troubles will be out of sight.

Have yourself a merry little Christmas,
make the yuletide gay;
Next year all our troubles will be miles away.

Once again as in olden days,
happy golden days of yore,
faithful friends who were dear to us
will be near to us once more.

Someday soon we all will be together,
if the fates allow.
Until then, we’ll have to muddle through somehow,
so have yourself a merry little Christmas now.

 

Poster Meet Me in St. Louis, 1944For Christmas 2007, songwriter Hugh Martin (aged 92 at the time) added one own updated version to the countless existing. Forget the Sinatra croon, Twisted Sister were doing fine.

Compelling what a deep-depressing threat there was in the original 1943 version that took MGM to have the lyrics mitigated — to live away from Louisiana Purchase Exposition in New York next year. Hey, it could be to Brooklyn seaside.

Movie clip and image: Meet Me in St. Louis, Metro-Goldwyn-Mayer 1944.

Crucial link: Chris Willman: There’s Something About Merry in: Entertainment Weekly, January 8, 2007.

Written by Wolf

20. December 2009 at 11:58 am

Posted in Rabe Wolf

Einnorden

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Update zu Seine erhabene Wildheit und Viscount Melvilles Reisen:

Seelen begegnen
sich nicht
auf neunzig
Grad Nord

sondern magnetisch
am Arsch
der Nordwestpassage:

Kurs Nord-Nordwest
muss reichen:

Ahoy sailor.

Alles für den Soundtrack: Blitzen Trapper: Furr aus: Furr, 2008. Vollbild und laut!

Bild: Truls Lynne Hansen: The road to the magnetic north pole, in: Ultima Thule, Ravnetrykk no. 7, University of Tromsø.

Literatur:

Written by Wolf

17. December 2009 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

Denn was Ihr Schwarz auf Weiß besitzt, könnt Ihr getrost nach Hause tragen

with 3 comments

Update zu A Whale Off Port Bow! und Schaafswolle to Moby Dick!:

Dawanda und Etsy sind nicht böser als das, was man daraus macht, das ist wie mit sehr scharfen Messern oder PowerPoint. Der menschliche Trieb, “kreativ” zu werden, hat schon giftigere Blüten getrieben als Handtaschen aus Buchcovers (zum Beispiel Buchcovers aus lizenzfreien Stock-Fotos). Und es ist schön, wenn sich solche Shops zu einer eigenen Domain emanzipieren, das schafft Speicherplatz für wichtige Manufakturen: Wann gestaltet endlich jemand eine diskutable Skinny Tie mit naturalistischem Klaviertastenmuster?

wissen-tragen.de, Handtasche Der Zauberberg, ausverkauft

Wissen tragen bietet keinen Moby-Dick an, erklärt sich jedoch gut versteckt zu Sonderanfertigungen bereit.

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O . L . T Press, Handtasche Moby-Dick

O . L . T Press macht ausschließlich Sonderanfertigungen und hat Kunden, die sogar die Ausgabe mit den richtigen Illustrationen bestellen, das gibt mildernde Umstände in der B-Note. Die nächstgelegenen Läden residieren in der Wiener Mondscheingasse 20 und der Berliner Friedrichstraße 71.

Weihnachtszuwendungen an Moby-Dick™ wie gewohnt auf mein bekanntes Konto bei der Postbank. Bitte nichts Selbergebasteltes.

Danke an Frau Wirtin Silke für die Aufmerksamkeit!

Bilder: Wissen tragen Cogitatio; O . L . T Press Le-Tan.

Written by Wolf

16. December 2009 at 3:32 am

Posted in Reeperbahn

Heinrich Heine: Seraphine

with 10 comments

Christian Johann Heinrich Heine (* 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Harry Heine; † 17. Februar 1856 in Paris):

X

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

„Mein Fräulein! Sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.“

XI

Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff
Wohl über das wilde Meer;
Du weißt, wie sehr ich traurig bin,
Und kränkst mich doch so schwer.

Dein Herz ist treulos wie der Wind
Und flattert hin und her;
Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff
Wohl über das wilde Meer.

In: Neue Gedichte: Seraphine.

F. Mende nimmt als Entstehungsdatum des ganzen Zyklus Ende August 1832 an. Demnach wären die 15 Gedichte eine unmittelbare Antwort auf die polizeiliche Verfolgung und gerichtliche Verurteilung der saintsimonistischen Führer Barrault, Enfantin, Chevalier und Duveyrier seit Januar 1832 (Verurteilung 27. August 1832). […]

Für die Aufnahme der neuen Lyrik H[eine]s in den Kiritken im Deutschland der dreißiger Jahre ist es typisch […], daß diese beiden Gedichte oft genannt, aber gegeneinander ausgespielt wurden. Man glaubte zum Greifen nahe den Widerspruch aufdecken zu können, dessentwegen man H. bekämpfte oder zurückzudrängen versuchte: das eine Ged. wurde als Beispiel für H.s Frivolität zitiert, hinter der man mehr oder weniger deutlich und unbehaglich den Politiker, den Doktrinär versteckt glaubte, das andere als Ausdruck des poetischen Genies, das man fördern, von dem man entzückt werden wollte. […] Mit schwarzen Segeln: Tod der befreiten Geliebten, Ariachne/Theseus-Mythos.

In: Heinrich Heine: Sämtliche Schriften, Vierter Band, herausgegen von Klaus Briegleb, 1971.

Das ist nicht die Sonne die untergeht, sondern die Erde die sich dreht: Tomte: Die Schönheit der Chance aus: Hinter all diesen Fenstern, 2003.

Written by Wolf

13. December 2009 at 10:34 am

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Der Zweck von Metaphern

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Update zu Dr. House und der Meta-Dick,
nebenbei zu The secret’s in the sauce und Stephans Billy Budd heute:

Hugh Laurie by the mayor of televisionFrau Fernseh war einst so freundlich, uns eine freundliche Begegnung mit Moby-Dick aus dem TV-Geschehen mitzuteilen, vermutlich nach dem Text in der deutschen Fansite Dr. House Fans zitiert. Inzwischen liegt im Hause Wolf die zweite Staffel Dr. House auf DVDs vor, was uns in die Lage versetzt, den Dialog in zuverlässigen Details wiederzugeben. Er handelt in der 17. Episode der 2. Staffel, All In, deutsch: In Not, Erstausstrahlung 11. April 2006, ab Minute 26:56:

Wilson: Hast du mal Moby-Dick gelesen?
House: (ironisch) Ist das ein Buch?
Wilson: Der Fall (der verstorbenen Frau) ist zehn Jahre her!
House: Zwölf.
Wilson: Zwangsvorstellungen sind gefährlich.
House: Nur wenn ich auf einem hölzernen Kahn stehen würde und sie ein Wal wäre. Ich glaube, da bin ich außer Gefahr.
Wilson: Dir ist doch klar, dass ich es als Metapher meine?
House: Und dir ist doch klar, dass Metaphern den Zweck haben, Leute von etwas abzuschrecken, indem man ihnen weismacht, es würde etwas Schlimmeres passieren als das, was wirklich passiert? — Gott, hätte ich doch eine Metapher, um das besser zu verdeutlichen.
Wilson: (typischer treudoof-zerknirschter Wilson-Blick)
House: Du kannst wieder zurückgehen. Keine Angst, dich wird schon keine Hexe auffressen.

Im Original:

Wilson: Have you read Moby-Dick?
House: It was a book?
Wilson: It was ten years ago!
House: Twelve.
Wilson: Obsession’s dangerous.
House: Only if you’re on a wooden ship and your obsession’s a whale. I think I’m in the clear.
Wilson: You do realize it’s a metaphor?
House: You do realize that the point of metaphors is to scare people from doing things by telling them that something much scarier is going to happen than what will really happen? — God, I wish I had a metaphor to explain that better.
Wilson: (typical gullible contrite Wilson look)
House: Go back to the game. Don’t worry, I’m not going to get eaten by witches.

Womit der Gelehrtenstreit eröffnet wäre, ob “I’m not going to get eaten by witches” mit “Dich wird schon keine Hexe auffressen” übersetzt werden darf.

Tatsächlich haftet der Art, wie Hugh Laurie in der Gestalt von Dr. House seinen unbelehrbaren Dickschädel samt seinem invaliden rechten Bein durch ein abgeschlossenes Szenario wuchtet, etwas entschieden Ahabeskes an. Es ist kein Boot, sondern das Princeton-Plainsboro Teaching Hospital (PPTH) in New Jersey, und House nicht der Schiffsoberste, sondern ein ständig vom Rausschmiss bedrohtes Genie, sein Ringen um Erfolg und Anerkennung und sein struppiges Charisma mit trotzig zur Schau getragenem Hinkebein aber könnten direkt aus Ahab-Darstellungen entlehnt sein, wie das onkologische Sensibelchen Wilson (Robert Sean Leonard) richtig erkennt.

Auch an Kulturbeflissene, die das anders sehen und “Krankenhausserie” allenfalls in abqualifizierendem Tonfall verwenden, ergeht Empfehlung für die gesamte Serie: Das ist gut gemachtes Fernsehen mit stereotypen, aber einfallsreich durchexperimentierten Drehbüchern, allerhand Wahrheitsfindung und einer Synchronstimme, die im Hinterkopf dröhnt.

House M.D., All In

Bilder: Hugh Laurie by the mayor of television, 24. November 2008;
Screenshot aus All In.

Written by Wolf

10. December 2009 at 3:46 pm

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Jesaja 9,1—6 (Von Jesse kam die Art)

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Update zu Belly of a Whale:

Das Röslein, das ich meine,
davon Jesaja sagt,
hat uns gebracht alleine
Marie, die reine Magd.

Michael Prätorius, 1609.

Virgin and Child with Balaam the ProphetDas Volk das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell, auf daß er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Du machst des Volkes viel; du machst groß seine Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast das Joch ihrer Last und die Rute ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie zur Zeit Midians. Und indem die dreihundert Mann bliesen die Posaunen, schaffte der HERR, daß sie im ganzen Heer eines jeglichen Schwert wider den andern war. Und das Heer floh bis Beth-Sitta gen Zereda, bis an die Grenze von Abel-Mehola bei Tabbath. Denn alle Rüstung derer, die sich mit Ungestüm rüsten, und die blutigen Kleider werden verbrannt und mit Feuer verzehrt werden. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; er heißt Wunderbar, Rat, Held, Ewig-Vater Friedefürst; darum so wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel. Und ich will die Schlüssel zum Hause Davids auf seine Schulter legen, daß er auftue und niemand zuschließe, daß er zuschließe und niemand auftue. Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir kommen, der in Israel HERR sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. Die Übriggebliebenen werden sich bekehren, ja, die Übriggebliebenen in Jakob, zu Gott, dem Starken, auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Stuhl Davids und in seinem Königreich, daß er’s zurichte und stärke mit Gericht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Nevertheless the dimness shall not be such as was in her vexation, when at the first he lightly afflicted the land of Zebulun and the land of Naphtali, and afterward did more grievously afflict her by the way of the sea, beyond Jordan, in Galilee of the nations. The people that walked in darkness have seen a great light: they that dwell in the land of the shadow of death, upon them hath the light shined. Thou hast multiplied the nation, and not increased the joy: they joy before thee according to the joy in harvest, and as men rejoice when they divide the spoil. For thou hast broken the yoke of his burden, and the staff of his shoulder, the rod of his oppressor, as in the day of Midian. For every battle of the warrior is with confused noise, and garments rolled in blood; but this shall be with burning and fuel of fire. For unto us a child is born, unto us a son is given: and the government shall be upon his shoulder: and his name shall be called Wonderful, Counsellor, The mighty God, The everlasting Father, The Prince of Peace. Of the increase of his government and peace there shall be no end, upon the throne of David, and upon his kingdom, to order it, and to establish it with judgment and with justice from henceforth even for ever. The zeal of the LORD of hosts will perform this.

primo tempore adleviata est terra Zabulon et terra Nepthalim et novissimo adgravata est via maris trans Iordanem Galileae gentium populus qui ambulabat in tenebris vidit lucem magnam habitantibus in regione umbrae mortis lux orta est eis multiplicasti gentem non magnificasti laetitiam laetabuntur coram te sicut laetantur in messe sicut exultant quando dividunt spolia iugum enim oneris eius et virgam umeri eius et sceptrum exactoris eius superasti sicut in die Madian quia omnis violenta praedatio cum tumultu et vestimentum mixtum sanguine erit in conbustionem et cibus ignis parvulus enim natus est nobis filius datus est nobis et factus est principatus super umerum eius et vocabitur nomen eius Admirabilis consiliarius Deus fortis Pater futuri saeculi Princeps pacis multiplicabitur eius imperium et pacis non erit finis super solium David et super regnum eius ut confirmet illud et corroboret in iudicio et iustitia amodo et usque in sempiternum zelus Domini exercituum faciet hoc

ΤΟΥΤΟ πρῶτον πίε, ταχὺ ποίει, χώρα Ζαβουλών, ἡ γῆ Νεφθαλὶμ ὁδὸν θαλάσσης καὶ οἱ λοιποὶ οἱ τὴν παραλίαν κατοικοῦντες καὶ πέραν τοῦ ᾿Ιορδάνου, Γαλιλαία τῶν ἐθνῶν, τὰ μέρη τῆς ᾿Ιουδαίας. ὁ λαὸς ὁ πορευόμενος ἐν σκότει, ἴδετε φῶς μέγα· οἱ κατοικοῦντες ἐν χώρᾳ καὶ σκιᾷ θανάτου, φῶς λάμψει ἐφ᾿ ὑμᾶς. τὸ πλεῖστον τοῦ λαοῦ, ὃ κατήγαγες ἐν εὐφροσύνῃ σου, καὶ εὐφρανθήσονται ἐνώπιόν σου ὡς οἱ εὐφραινόμενοι ἐν ἀμήτῳ καὶ ὃν τρόπον οἱ διαιρούμενοι σκῦλα. διότι ἀφῄρηται ὁ ζυγὸς ὁ ἐπ᾿ αὐτῶν κείμενος καὶ ἡ ράβδος ἡ ἐπὶ τοῦ τραχήλου αὐτῶν· τὴν γὰρ ράβδον τῶν ἀπαιτούντων διεσκέδασε Κύριος, ὡς τῇ ἡμέρᾳ τῇ ἐπὶ Μαδιάμ. ὅτι πᾶσαν στολὴν ἐπισυνηγμένην δόλῳ καὶ ἱμάτιον μετὰ καταλλαγῆς ἀποτίσουσι καὶ θελήσουσιν εἰ ἐγενήθησαν πυρίκαυστοι. ὅτι παιδίον ἐγενήθη ἡμῖν, υἱὸς καὶ ἐδόθη ἡμῖν, οὗ ἡ ἀρχὴ ἐγενήθη ἐπὶ τοῦ ὤμου αὐτοῦ, καὶ καλεῖται τὸ ὄνομα αὐτοῦ μεγάλης βουλῆς ἄγγελός, θαυμαστὸς σύμβουλος, Θεὸς ἰσχυρός, ἐξουσιαστής, ἄρχων εἰρήνης, πατὴρ τοῦ μέλλοντος αἰῶνος· ἐγὼ γὰρ ἄξω εἰρήνην ἐπὶ τοὺς ἄρχοντας, εἰρήνην καὶ ὑγίειαν αὐτῷ. μεγάλη ἡ ἀρχὴ αὐτοῦ, καὶ τῆς εἰρήνης αὐτοῦ οὐκ ἔστιν ὅριον ἐπὶ τὸν θρόνον Δαυὶδ καὶ τὴν βασιλείαν αὐτοῦ κατορθῶσαι αὐτὴν καὶ ἀντιλαβέσθαι αὐτῆς ἐν κρίματι καὶ ἐν δικαιοσύνῃ ἀπὸ τοῦ νῦν καὶ εἰς τὸν αἰῶνα· ὁ ζῆλος Κυρίου σαβαὼθ ποιήσει ταῦτα.

Прежнее время умалило землю Завулонову и землю Неффалимову; но последующее возвеличит приморский путь, Заиорданскую страну, Галилею языческую. Народ, ходящий во тьме, увидит свет великий; на живущих в стране тени смертной свет воссияет. Ты умножишь народ, увеличишь радость его. Он будет веселиться пред Тобою, как веселятся во время жатвы, как радуются при разделе добычи. Ибо ярмо, тяготившее его, и жезл, поражавший его, и трость притеснителя его Ты сокрушишь, как в день Мадиама. Ибо всякая обувь воина во время брани и одежда, обагренная кровью, будут отданы на сожжение, в пищу огню. Ибо младенец родился нам–Сын дан нам; владычество на раменах Его, и нарекут имя Ему: Чудный, Советник, Бог крепкий, Отец вечности, Князь мира. Умножению владычества Его и мира нет предела на престоле Давида и в царстве его, чтобы Ему утвердить его и укрепить его судом и правдою отныне и до века. Ревность Господа Саваофа соделает это.

עָם֙ הַהֹלְכִ֣ים בַּחֹ֔שֶׁךְ רָא֖וּ א֣וֹר גָּד֑וֹל יֹשְׁבֵי֙ בְּאֶ֣רֶץ צַלְמָ֔וֶת א֖וֹר נָגַ֥הּ עֲלֵיהֶֽם׃ הִרְבִּ֣יתָ הַגּ֔וֹי לא ל֖וֹ הִגְדַּ֣לְתָּ הַשִּׂמְחָ֑ה שָׂמְח֤וּ לְפָנֶ֙יךָ֙ כְּשִׂמְחַ֣ת בַּקָּצִ֔יר כַּאֲשֶׁ֥ר יָגִ֖ילוּ בְּחַלְּקָ֥ם שָׁלָֽל׃ כִּ֣י ׀ אֶת־עֹ֣ל סֻבֳּל֗וֹ וְאֵת֙ מַטֵּ֣ה שִׁכְמ֔וֹ שֵׁ֖בֶט הַנֹּגֵ֣שׂ בּ֑וֹ הַחִתֹּ֖תָ כְּי֥וֹם מִדְיָֽן׃ כִּ֤י כָל־סְאוֹן֙ סֹאֵ֣ן בְּרַ֔עַשׁ וְשִׂמְלָ֖ה מְגוֹלָלָ֣ה בְדָמִ֑ים וְהָיְתָ֥ה לִשְׂרֵפָ֖ה מַאֲכֹ֥לֶת אֵֽשׁ׃ כִּי־יֶ֣לֶד יֻלַּד־לָ֗נוּ בֵּ֚ן נִתַּן־לָ֔נוּ וַתְּהִ֥י הַמִּשְׂרָ֖ה עַל־שִׁכְמ֑וֹ וַיִּקְרָ֨א שְׁמ֜וֹ פֶּ֠לֶא יוֹעֵץ֙ אֵ֣ל גִּבּ֔וֹר אֲבִיעַ֖ד שַׂר־שָׁלֽוֹם׃ לם׳F׳רבה לְמַרְבֵּ֨ה הַמִּשְׂרָ֜ה וּלְשָׁל֣וֹם אֵֽין־קֵ֗ץ עַל־כִּסֵּ֤א דָוִד֙ וְעַל־מַמְלַכְתּ֔וֹ לְהָכִ֤ין אֹתָהּ֙ וּֽלְסַעֲדָ֔הּ בְּמִשְׁפָּ֖ט וּבִצְדָקָ֑ה מֵעַתָּה֙ וְעַד־עוֹלָ֔ם קִנְאַ֛ת יְהוָ֥ה צְבָא֖וֹת תַּעֲשֶׂה־זֹּֽאת׃ ס

Jesaja Kapitel 8-9, Tanach via Aleppo Codex

Bilder: Älteste bekannte Darstellung der Jungfrau Maria, Katakomben von Priscilla, Rom, spätes 2. Jahrhundert; Aleppo Codex

Lied: Michael Prätorius: Es ist ein Ros’ entsprungen, Thomanerchor Leipzig.

Written by Wolf

6. December 2009 at 12:01 am

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Dezembergewinnspiel: What about Carson: Way Below the Way

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Damit der Monat anfängt, wie er aufgehört hat, und Weihnachten auch auf Moby-Dick™ zu einem gewissen Recht kommt:

What about Carson: Way Below the Way, 2009.

Durchgehalten? Fünf Minuten, die für drei Tage Ohrwurm reichen. Und Sie werden von mir am Dienstag, den 22. Dezember 2009 in die Fürther Kofferfabrik aufs Carsons-Konzert eingeladen, wenn Sie mir in den Kommentar schreiben, warum ich das tun sollte. Es gilt den Eintritt und zwei Bier. Das ist ein Materialwert von 10 Euro, aber anreisen muss ich schließlich auch. Wenn Sie da nicht können — ich muss mir den Termin selber erst freischaufeln — wünschen Sie sich um den gleichen Aufwand — ein paar Sätze zum Thema “Warum ich?!” — eine selbstgebrannte und gut gereifte CD von der Urversion der Kapelle, Carson Sage and the Black Riders:

  • Final Kitchen Blowout (1993);
  • Walk With an Erection (5-song-EP 1993);
  • Great Music in Stereo (1995); oder
  • die neue (6 Lieder, schon von What about Carson): Singaling!! (2009).

Bis Sonntag, den 20. Dezember 2009 um Mitternacht können Sie bequem wissen, was Sie wollen — und vor allem, warum.

Cover Singaling, Luis 2009

Bild: Luis, November 2009.

Written by Wolf

1. December 2009 at 12:18 pm

Posted in Kommandobrücke

What about Carson: Humble Me

with 4 comments

Update zu Save my soul but bring your toys:

Die unterschätzteste Band der Welt What about Carson hat ein paar wahnsinnig schöne neue Lieder. Eins davon, Humble Me, hat das Zeug zum Klassiker. The incredible Linus zupft darauf eine Achtsaitige, die uns an einen Herrgott glauben lehrt: Die Phrase fängt mit unbeirrbarer Penetranz immer wieder von vorne an, geniert sich nicht, der Stimme ins Wort zu fallen, und bleibt sich sich selbst gleich. Das sagt: Es geht weiter.

Dass solche Lieder wachsen, ist ein Geschenk. Davor sollte man Respekt haben. Wenn Sie dergleichen verstehen, pfeifen Sie mit; wenn nicht, hören Sie weiter Formatradio.

What about Carson sind:

  • Edda Ruß (Gesang, Heimorgel);
  • Dietrich Pfund (Gitarre, Schlagzeug)
  • Andreas Linus Steinert (Gitarre, Mandoline, Banjo, Akkordeon, Gesang)

und spielen am 22. Dezember 2009 in der Kofferfabrik Fürth — und irgendwann im Frühling 2010 im Berliner deutsch-russischen Tschechow-Theater, um eine Blog-Lesung von Moby-Dick™ zu beschallen. Wir werden berichten — und Elke hat schon die Anwärmveranstaltung dazu organisiert, gestaltet, durchgezogen und verbloggt. Sehen wir uns da oder dort?

Written by Wolf

30. November 2009 at 12:06 pm

Posted in Reeperbahn

Mein kaltes Herz (I’ll be back to stay)

with one comment

Update zu Entschluss, Amerikas Goethe zu werden und Leben im Konjunktiv:

Sehr geehrter Herr Wolf,

Sie erhalten dieses Schreiben, weil Ihr Ruf zu uns gedrungen ist. Den Weg, auf dem dies geschehen ist, vermuten Sie ganz zu Recht in Ihrem Weltruhm.

Wir sind eine kleine, aber in klimatischer und strategischer Hinsicht überdurchschnittlich günstig gelegene, außerdem autarke Inselkolonie im Westen von Irland, von der Sie noch nie gehört haben sollten. Ob Sie in uns Elysion, Fiddler’s Green, Avalon, Walhall, Nirwana, Shangri-La, Arno Schmidts Gelehrtenrepublik, die Res Publica Literaria oder etwas anderes erblicken, obliegt Ihnen selbst; alles davon ist richtig, wenn Sie es so wollen. Haben wir doch Verträge mit sämtlichen geographischen Instituten und Herstellern kartographischer Werke auf der Welt, uns in ihren Atlanten und Globen unerwähnt zu lassen.

Bei uns finden jene weltweit tätigen und bekannten Künstlerinnen und Künstler aller Ausrichtungen ihr Zuhause, die den Rummel um ihre Person satt geworden sind. Für einen Jahresbeitrag, der bei dem Status unserer Siedler als unerheblich gelten muss, bieten wir ihnen ideale Lebensumstände, absolute Diskretion sowie die schlüssige Legende ihres Ablebens.

Gegründet wurden wir Ende 1791 von Wolfgang Amadeus Mozart, der mit 35 beschloss, sein Lebenswerk für diesmal abzuschließen und sich nicht länger mit Freimaurern und Neidern herumzuschlagen. Eben das ist der Grund dafür, dass sein Grab unbekannt blieb. Auf dem Seeweg zu uns schrieb er „La Paloma“ und starb Mitte des 19. Jahrhunderts betagt und zufrieden.

Wilhelm Hauff, Kreidezeichnung von J. Behringer, Wikimedia Commons1827 holte Mozart den deutschen Schriftsteller Wilhelm Hauff zu sich, dessen Werke er auf dem irischen Festland in englischer Übersetzung kennen und schätzen gelernt hatte. Wie Sie sich erinnern, lautet die offizielle Version, dass Hauff im Alter von 24 Jahren den Folgen eines “Nervenfiebers” erlag. In Wirklichkeit übte er noch direkten, ja freundschaftlichen Einfluss auf James Macpherson, den Herausgeber der Gedichte von Ossian, der ebenfalls hier seinen Lebensabend verbrachte. Sein Spät- und Hauptwerk wird ausschließlich bei uns auf dem wahrscheinlich sichersten Server der Welt gespeichert. Und das wird auch so bleiben.

Als erste Siedler begaben sich Jane Austen und eine Generation später alle sechs (sic) Brontë-Geschwister in derart gute Gesellschaft: Schicksale wie die unserer Siedler sind ein Frauenmagnet.

In jüngerer Vergangenheit haben sich Zeitgenossen wie Marilyn Monroe, James Dean, Grace Kelly, Jimi Morrison, Jimi Hendrix, Mama Cass, Brian Jones, Janis Joplin, Jörg Fauser, Jacques Brel, Peter Rohland, Keith Moon, Sid Vicious, Freddy Mercury, River Phoenix, Frank Zappa, Douglas Adams, Kurt Cobain, Sandy Denny und natürlich John Lennon angesiedelt.

Alle der Genannten führen hier das Leben, das sie sich wünschten, als sie erst noch berühmt werden wollten; ihr Wunsch erfüllt sich jetzt, hier bei uns. Referenzen darüber erhalten Sie unter bestimmten Vorkehrungen zur Diskretion, die wir seit dem Zuzug von Elvis Presley einhalten müssen, der sich leider heute noch regelmäßig in seinem Herkunftsland sichten lässt.

Wenn Sie, Herr Wolf, sich in unsere Bevölkerung einreihen wollen, bitten wir Sie um Ihre Nachricht. Wir unterrichten Sie hiermit darüber, dass Sie ab sofort in unserer Kartei potentieller Siedler geführt sind, und werden uns jederzeit an Sie erinnern. Ihre Akte wird garantiert noch am selben Tag gelöscht, an dem Sie in realiter versterben. Die Werke, die Sie als unser Staatsbürger hervorbringen, bleiben Ihrem Urheberrecht unterworfen. Unsere Regierung leistet sich diese Caprice, weil sie in unserer Geschichte noch nie missbraucht wurde: Die Vorteile, wenn Sie ausschließlich bei uns veröffentlichen, überwiegen.

Ihr Fehlen in der Gesellschaft wird sehr gut begründet sein. Wir haben die besten Erfahrungen damit gemacht, unseren Siedlern Automobilunfälle oder Erstickungen am eigenen Erbrochenen anzudichten. Sollten Sie eine bestimmte, mehr oder weniger spektakuläre Todesart wünschen, sprechen Sie uns an. Unsere Agenten und Mediengestalter sind weltweit führend in Nachrichtenlancierung und Public Relations.

Was Sie bei uns erwartet, ist ein Leben nach Ihren eigenen Vorstellungen. Unser Großklima wird vom Golfstrom bestimmt und ähnelt daher dem Irlands und der Azoren, wenngleich mit deutlich geringerer Regenwahrscheinlichkeit. Luft- und Wasserqualität sind weltweit beispiellos.

Unsere Regierungsform ist die Basisdemokratie. In unserem Falle hat sich dieses soziale Experiment als tragfähig erwiesen, weil wir bei unseren Einwohnern mit einer gewissen sittlichen Reife und verwandten Interessen rechnen können. Der einzige Fehler, den einer der immer nur nach Bedarf durchwechselnden Opinion Leaders je begangen hat, war das Erheben von Steuern; er wurde noch vor Ende des ersten Erklärungszeitraums korrigiert. Seitdem lebt jeder einzelne Siedler so autark wie die gesamte Kolonie.

Als Residenz können sich Ihr Traumhaus einrichten oder eine Wohngemeinschaft mit Künstlern nach Ihren Absprachen eingehen. Ihr Lebensunterhalt wird sich wie bisher aus dem bestreiten, was Sie ohnehin am besten können.

Unsere Industrie und Landwirtschaft arbeiten praktisch ohne Zukäufe von außerhalb, was bedeutet, dass Sie sich fortan von rückstandsfreien Lebensmitteln ernähren werden. Schnapsbrennerei und Brauereiwesen sind zu einer Blüte gelangt, an welcher in der restlichen Welt noch nicht einmal geplant wird. Es gedeihen alle gängigen natürlichen Drogen. Der nordöstliche Teil unserer Insel ist der Besiedlung durch eine Frauensekte vorbehalten, die sich als Gemeinschaft von Tempelhuren versteht.

Warten Sie nicht zu lange mit Ihrer Antwort!

Mit freundlichen Grüßen,
(Schnörkelstrich)
Population Key Manager

Dieses Schreiben vernichtet sich bei Luftkontakt nach sieben Minuten selbst.

Bild: Wilhelm Hauff, * 29. November 1802 in Stuttgart; † 18. November 1827 ebenda:
Kreidezeichnung von J. Behringer 1826, in: Helmut Hornbogen: Tübinger Dichter-Häuser.
Verlag Schwäbisches Tagblatt, Tübingen, 1989, Seite 94.

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Sommerliedchen: New World Trio: Kara Kara Kimbiay, 1971.

Written by Wolf

29. November 2009 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

Country Rap: Fuck You!

with 12 comments

Subject to changes. Music in progress by What about Carson.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

1.: Fuck that bastard always stopping
by at work, to start some mobbing,
sitting in my office rested,
in all my affairs interested,
and pretends a little chat,
though I don’t know a thing, just that
he’ll spread each word from me along,
especially those he got wrong.

Fuck that compulsively friendly
grinning fool, who accidentally
could not quite recall my story
save some words in his own glory:
Trust any quote midnight to twelve
you ripped from context by yourself,
and keep in mind that when you lose it
to be grateful when you use it.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

2.: Fuck all fuckers who are clever
enough to fuck, but later never
know what to do with little creatures
with hands and feet and facial features,
hunger, thirst, and mental needs,
whom they’ll keep in the deep-freeze,
next to junk-food and canned beer!
Fuck and blast them, hate and fear!

Fuck and hate them still, when they
raised their child to live and stay
at home and go to school
to work it out and play it cool,
not to grow up like these losers,
Mum and Dad, the hopeless boozers,
lying drunk in bed and soon
fuck away the afternoon.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

3.: Fuck all sickness and diseases
regardless if on soul or physis
that affect innocent folks
more often than the utter rogues
of a brazen health, while they
soft at heart fall lightly prey
to apoplexia and depression
after the depressed ones’ fashion.

Fuck when malady comes nearest
to the folks that you hold dearest
for living, loving, caring, kissing,
for the bloody thing won’t listen
when you helpless watch and cry:
There’s nobody to ask them why.
Blind infestation will not care:
No one promised life was fair.

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

4.: Fuck those girls who are just females,
and spend their time painting their toenails
to stay pretty and dumb, and never
anything but this endeavour:
standing in the clubs and bars,
feeling like the bloody stars,
and every time some douchebag blinks,
strip him off some freebie drinks.

Fuck them girls especially when
they take that douchebag home and then
enrage about their new apprentice
when he goes for her pink panties.
Fuck them all, hear me, Lord Jesus,
the fancymen like the cockteasers,
let all in celibacy fall:
Never let them be fucked at all!

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

5.: Fuck those boys who let their friends down
for a girl our of her nightgown,
new on block, all hair and tits,
with four seductively split lips,
for they gamble with their lives,
with their living, and their wives,
and tear down, what their happiness is,
with their cheating horny asses.

Fuck self-opinioned spare-time heroes
who are five days a week just weirdoes,
and Friday evenings get struck
by what their lives have else in stock:
Don’t mess with reality,
and accept my life and me
rule the world, at the least the town,
when I some day get around.

The Fürbitten: Fuck idiots who refuse to learn,
fuck I’m late with tax return,
fuck that bitch who would not kiss me,
fuck my world view shaped by Disney,
fuck my sweetheart is not here,
fuck bars with warm expensive beer,
fuck my sweetheart will not stay,
fuck my last beer yesterday,

fuck disharmonious flat sept chords,
fuck trains full of overslept hordes,
fuck bread and rolls with sesame strewn,
fuck guitar strings out of tune,
fuck screaming wreckless neckless kiddies,
fuck my ex who kept my favourite CDs,
fuck the songs by gay Rex Gildo,
fuck the batteries for my pocket lamp,

fuck ugly girls and drooling nerds,
fuck song lyrics with naughty words,
fuck the swine flu and the plague,
fuck Bond movies with Daniel Craig,
fuck fingerprints on DVDs,
fuck expired guarantees,
fuck the April Playboy bunny,
fuck I still depend on money.

fuck white socks in plastic sandals,
fuck September Christmas candles,
fuck potato-peeling labours,
fuck my moaning porno neighbours,
fuck useless music contraptions,
fuck my brainless preconceptions,
fuck my face on party snaps,
fuck awkward rhymes in country raps!

Chorus: Fuck yourself or fuck each other
fuck your knee or fuck your mother
fuck your fucking misery
but don’t fuck with my time and me!

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Written by Wolf

26. November 2009 at 3:28 am

Posted in Vorderdeck

Shut Up ‘N Play Yer Guitar

with 5 comments

Update zu Schnaps fürn Durscht:

Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.

Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater, 1810.

Wissen ist keine Schande. Es nützt halt nur nichts.

Sven Regener, 2009.

Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.

Kaiser Wilhelm II.

It’s fucking great to be alive.

Frank Zappa, 1940–1993.

Vielleicht hat sogar schon jemand das Radfahren verlernt, aber niemand kann vor sich selbst so tun, als wüsste er etwas nicht. Die Unschuld ist weg.

Es war eine Zeit, als die Jungs Gitarre lernten, um Kommunenorgien mit House of the Rising Sun zu untermalen: a / C / D / F // a / C / E7. Die Schwierigkeit war das F, vor dem Barré hatte jeder einen Heidenrespekt. So lange, bis sie ihn zum ersten Mal raushatten. Zehn Sekunden danach schüttelten sie den Kopf über ihre einstige Angst wie über ihre Kindheit, als sie allen Ernstes glaubten, im Radio wohne ein kleinwüchsiges Symphonieorchester.

Meine eigene Not hatte ich eher im gedankenschnellen Umrechnen von Flageoletten, dafür kriegte ich schnell spitz, was Powerakkorde sind, und grinste deshalb milde über Barrés. Was mir niemand sagte: dass man mit Gitarrespielen Mädchen beeindrucken kann, ich war immer nur aufs “Bier für die Musik” aus. Das verschaffte mir einen unschlagbaren Sympathievorsprung, weil ich’s nicht drauf anlegte, und bei der gleichzeitig anhaltenden Arbeit mit Kopf und beiden Händen wird man sowieso bis in den Vormittag hinein nicht besoffen.

Als ich nach meiner Lagerfeuerkarriere erfuhr, dass ich statt den Freigetränken die Mädchen hätte haben können, war meine Jugend verspielt. Aber ich konnte nie wieder so tun, als ob ich nicht wüsste, was ich verpasst hatte.

Gitarrespielen ist wie Weihnachten: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — man muss es gerne tun. Gitarrespielen, um Mädchen zu gefallen, ist wie Weihnachten seine Eltern zu besuchen: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — man kann nur Fehler machen. Gitarrespielen mit diesem Wissen ist wie die Erinnerung an Weihnachten in der Kindheit: Es hilft nichts, das Ritual einzuhalten — Kind ist man nur einmal.

Als ich anfing, nahm ich mir vor aufzuhören, sobald ich den Karten Dippler Blues von Peter Horton konnte. Irgendwann konnte ich sogar Tears in Heaven, aber es war egal. Ich verstieg mich dazu, meine Bob-Dylan-Lieder selbst zu schreiben, und brachte es zu so viel Perfektion, dass man den Dylan gar nicht mehr raushörte, und denen ich sie stolz zeigte, fanden es schade um die Zeit. Entweder war es Mist, dann gibt es keine Entschuldigung, oder es war gut, dann wär’s ja auch noch schöner, wenn nicht. Mädchen beeindrucken heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun — genau das muss Kaiser Wilhelm wirklich gemeint haben — und Gitarrespielen zur Unzeit — nach 22 Uhr oder über 22 Jahren — ist wie karfreitags Weihnachten feiern, und schluss ist mit Sympathievorschuss. Deshalb liegt einen Teilaspekt seines Lebens nicht gelebt zu haben überraschend nah am generellen Tod.

Vor Jahren stellte ich meine erste Gitarre, die den Hals bis zur Unspielbarkeit hängen ließ, aus sentimentalen Gründen einer Werkstatt für Instrumentenbau vor. Alle Alphamädchen, die ein Handwerk lernen, werden noch vor dem dreißigsten Lebensjahr was mit Medien machen, meistens Grafik, vor allem aber tragen sie einen blonden Pferdeschwanz und sind durch eventuelle Virtuosität nicht zu beeindrucken, weil sie von Natur aus in allem um ein Vielfaches besser sind. Meine zuständige wischte sich die Sägespäne von den Händen an der Küferschürze ab und erklärte die Patientin für tot. Dieser Wochen fange ich meine Monate mit geringfügig weniger Dispo an als zuvor und versuchte eine andere Werkstatt, denn Gitarrespielen ist wie Weihnachten: Es hilft nichts, Fehler zu machen — man muss das Ritual einhalten. Und man kriegt nie ein Pony, sondern immer einen Rollkragenpullover.

Susi trägt den Hals wieder aufrecht und klingt so schön wie vor Zeiten. Allein die Auswahl, die einst Freiheit bedeutete, ist jetzt ein Sachzwang: Geblieben ist das Gitarrespielen um seiner selbst willen; der Sympathievorsprung ist kein Licht mehr, das man erwarten darf, wenn man den Lichtschalter bedient, sondern eine Kerze, die einem möglicherweise hingestellt wird. Wenn ein freundliches Mädchen sie bringt, hat man das größte Glück, das einem noch widerfahren kann. Wenn sie nichts Drängenderes zu tun hat, setzt sie sich daneben, um ein Weilchen zuzuhören. Sie stellt eine anteilnehmende Frage und gibt bereitwillig Auskunft, weil sie sich nichts vergeben wird. Wenn man etwas spielt, das ihr früher einmal gefallen hat, fühlt man sie an seiner Seite mitwiegen, sie legt den Finger beim Licht ihrer Kerze auf eine Stelle im Textblatt und sagt:

“Ui.”

Ihre Haare kitzeln von schräg hinten an der Wange, und ihr Lächeln wärmt mehr als die Kerze und ist echt. Aber der Wind verheißt einen langen Winter, die Kerze flackert bedenklich, und wenn sie wieder in die Wärme geht, am Ende ihre Kerze wieder einkassiert, darf man sie nicht zurückhalten. Was das war? Kein Verdienst mehr, sondern eine Gnade. Und ganz besonders jetzt ist es wie Weihnachten: Man kann es nicht einfach bleiben lassen.

Dass Susi gestimmt ist, sagt mir Moritz, indem er nicht sofort vom Bett aufspringt und das Gescholler flieht: Katzen sind Blueser. Dass ich Recht habe, sagt mir die Stimme aus dem Arbeitszimmer: “Ich versuch mich hier zu konzentrieren! Danke!”

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Written by Wolf

23. November 2009 at 7:31 am

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München am Meer X: 50 Jahre alte Fischstäbchen

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Update zur Schaafswolle und
Die Leere trägt jeder in sich allein:

Käpt'n Iglo im Taxi, bild.de, Fr 20. November 2009

Alle lieben ihn, jeder hat ihn schon mal gesehen: Käpt‘n Iglo aus der TV-Werbung. Diesen kantigen Seemann kennt wirklich jedes Kind. Mit schmucker Uniform und weißem Rauschebart macht er seit Jahren Werbung für die leckeren Fischstäbchen. Was keiner weiß: Der Seemann hat noch einen ganz anderen Job! Mitten in München.

Im echten Leben heißt der TV-Käpt‘n Gerd Deutschmann (74). Der Vater von zwei Töchtern blickt auf eine lange Karriere als Schauspieler zurück. Theater, Fernsehen, Werbespots: Der Hobby-Schwimmer hat alles gemacht.

In der Serie „Löwengrube“ spielte er zum Beispiel neben Christine Neubauer (47) einen Regierungsrat, im „Komödienstadl“ den Ehemann von Veronika von Quast (62). Vor der WM 2006 drehte Deutschmann zusammen mit Fußball-Weltstar David Beckham (34) einen Werbespot für Pepsi in Madrid. „Diese Jobs haben viel Spaß gemacht“, sagt er.

Doch der Werbe-Seebär hat noch einen ganz anderen Job: Er ist ein waschechter Münchner Taxier! Und das seit fast 45 Jahren!

„Früher, als ich noch Theater spielte, bin ich bis 13.30 Uhr Taxi gefahren, bin dann zur Probe und danach wieder ins Taxi.“ Die Ochsentour ging weiter: „Abends bin ich mit dem Taxi vors Theater, bin rein, habe gespielt und nachher weiter Taxi gefahren“, erzählt er.

Im Dezember 2008 wurde die Firma „Iglo“ auf den Münchner aufmerksam. „Bei einem Casting haben mich zwei Damen ausgesucht“, sagt er. Im Januar wurde in Kapstadt der Spot gedreht – seit März läuft er im TV. Inhalt: Käpt‘n Iglo geht mit Kindern auf große Fahrt. Als Proviant gibt‘s was? Genau: Fischstäbchen.

„Ich selbst esse täglich mindestens 120 Stück“, sagt der Käpt‘n augenzwinkernd. Und braust im Taxi davon…

Oliver Grothmann: Seit 45 Jahren! Käpt’n Iglo fährt Taxi in München, 20. November 2009.

Käpt'n Iglo im Fernseh, bild.de, Fr 20. November 2009

Bilder: Bild (Theo Klein, 20. November 2009).

Film: Käpt’n Iglo in Nürnberg! Frankenpirat (sic) am 18. Mai für 25. April 2009.

Written by Wolf

20. November 2009 at 7:29 am

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München am Meer IX: Schaafswolle to Moby Dick!

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Update zu Carta Marina:

A tramping of sea boots was heard in the entry; the door was flung open, and in rolled a wild set of mariners enough. Enveloped in their shaggy watch coats, and with their heads muffled in woollen comforters, all bedarned and ragged, and their beards stiff with icicles, they seemed an eruption of bears from Labrador.

Chapter 3.

Elijah! thought I, and we walked away, both commenting, after each other’s fashion, upon this ragged old sailor; and agreed that he was nothing but a humbug, trying to be a bugbear.

Chapter 19.

“Aye, Queequeg, the harpoons lie all twisted and wrenched in him; aye, Daggoo, his spout is a big one, like a whole shock of wheat, and white as a pile of our Nantucket wool after the great annual sheep-shearing.”

Chapter 36.

Herman Melville hat nach seinem Vorgänger White Jacket nur nachlässig festgelegt, was auf der Pequod die things to wear seien. Da muss erst eine Münchnerin kommen und für Sommer 2010 alles klar machen. Sie benutzt statt der Schreib- eine Nähmaschine und ist so gut wie Melville Herrin über ihren Stoff.

Das Jäckchen Fedallah finde ich recht kleidsam; was aber an einer gewissen Sympathie für das Model liegen kann. In solchen Schuhen kriegen Sie auch keine bessere Haltung hin.

Death to Moby Dick!

In Anlehnung an Herman Melville´s Roman „Moby Dick oder der Wal“ handelt „Death to Moby Dick!“ von den zwischenmenschlichen Beziehungen an Bord der „Pequod“.

Die drei Charaktere Ismael, Captain Ahab und der Harpunier Queequeg färben während der langwierigen Jagd nach dem weißen Wal unvermeidlich aufeinander ab und hinterlassen Spuren im Dasein der jeweils anderen.

Ismael´s fiktives, von Erinnerungen geprägtes Leben als einziger Überlebender, war der inspirierende Ausgangspunkt für diese Kollektion.

Die Serie, die wie oft bei Rückblenden in einer Nicht-farbigkeit gehalten ist, kombiniert typische Attribute der einzelnen Persönlichkeiten in ihrer Stofflichkeit und Stilistik. So trifft zum Beispiel ein düsterer Kapitänsmantel auf einen seidenen Pünktchenschal, ein weißes, sauberes Hemd auf eine mystisch angehauchte Weste mit langen schwarzen Fransen.

Den Titel verdankt die Kollektion dem Schlachtruf, der die Mannschaft an Bord anstachelte und der, nach deren Tod wie ein zynisches Echo nachhallt.

„Alles, was edel ist, trägt einen Anflug von Schwermut“
H. Melville
Moby Dick

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Bild, Text & Videos: Miriam Schaaf: Death to Moby Dick!, 2009 für Sommer 2010; Tobias Knipf. “SCHAAF ist ein neues Modelabel aus München, das sich momentan noch im Aufbau befindet, aber hohe Ziele verfolgt.” München, Astallerstraße 11, Eingang Guldeinstraße.

Written by Wolf

17. November 2009 at 12:11 am

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Das Hörbuch als Video: Kapitel 26 und 27: Ritter und Knappen

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Update zu Kapitel 25: Postskriptum:

Das 26. (11:03 Minuten) und 27. Kapitel (13:37 Minuten), beide Ritter und Knappen, sind fertig.

MyFlyAway MyFlyAway

Bilder: MyFlyAway, Fly und Fly, beide 4. Juli 2008.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobilder: Rockwell Kent: Chapter XXVI: Knights and Squires, Lakeside Press Edition; Starz.
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

15. November 2009 at 12:32 pm

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München am Meer VIII: Carta Marina

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Christina Dichterliebchen macht ein Update zu Hic sunt leones, New York 1660,
Die Einsamkeit des Langstreckenläufers, Heimkehr und Freitagsfisch:

Donna Ricci als Christina DichterliebchenWahrscheinlich muss jeder das einmal mitgemacht haben: Einst dachte ich, man werde gesund, leistungsfähig und begehrenswert davon, wenn man jeden Tag, womit ich jeden Tag meine, bei Bruthitze wie Hagelschlag elf Kilometer durch vier verschiedene Nürnberger Stadtteile rennt. An Werk-, Sonn- und Feiertagen, immer gegen vier Uhr morgens, eine Zeit, die aus dem Kalender gefallen ist, damit es nicht wahr sein konnte. Außer meinen Aufsichtspflichtigen erfuhr niemand je davon, den Rest der Tage glaubte ich es selbst kaum. Ich nannte es Dauerlauf, Jogging fand ich affig. Zurück kam ich jedes liebe Mal atemlos, verschwitzt und missgelaunt, klüger wurde ich jedenfalls nicht: Bei einer gewissen seelischen Disposition wird man davon nicht körperlich fitter, nur gleichgültiger gegen die eigene Erschöpfung. Etwas wie Spaß, Stolz oder sonst eine Abart der Euphorie empfand ich kein einziges Mal.

Vor allem trug ich täglich zwischen den beiden Muskelkatern in meinen Oberschenkeln ein elend verzweifeltes Ziehen, einhergehend mit unerträglich nervensehrenden Gedanken an gut gebaute Mannsbilder, oft auch an nackte, mir nicht persönlich bekannte Frauen, die sich in meiner überreizten Phantasie bildeten, meist fünf bis zehn Jahre älter als ich und der nachmaligen Nicole Kidman in Eyes Wide Shut nicht unähnlich, einschließlich der Brille. Die körperliche Begleiterscheinung “da unten” begründete ich vor mir selbst mit Erweiterung meiner Blutgefäße und Schweißfeuchtigkeit; genauer beschreibende Worte dafür gestattete ich mir so wenig wie eine Stunde zuvor jegliche Gehpause. In der Badewanne danach brauchte ich immer unverhältnismäßig lange, erst damit konnte ich mich in einen Zustand körperlicher Zurechnungsfähigkeit versetzen. Auch hatte ich mir einen handlichen Fichtenprügel aus dem Nürnberger Stadtwald auf 24 Zentimeter Länge zurechtgeschnitzt und sogar wasserfest lackiert. Weder verstand noch verstehe ich, was mich am nächsten Tag wieder losrennen ließ, es musste aber mit Sehnsucht und Durchhaltewillen zu tun haben. Mit vierzehn fing ich damit an, etwa drei Jahre fügte ich es mir zu. Jungfrau blieb ich bis wenige Tage vor meinem Dreiundzwanzigsten.

Irgendwann zog ich nach München — eine Stadt, in der offenbar gerade wegen ihrer Meerferne erstaunlich viele seemännische Aspekte herumstehen, und die als besonders gut “benutzbar” gilt — im Unterschied zu “nur zum Anschauen”, vor allem in geschlechtlichen Belangen (haben Sie sich mal gefragt, was an den Sommerabenden hinter den Büschen im Englischen Garten so verhalten rummelt?), und die mich erst richtig lehrte, wie die Sehnsucht nach der Ferne und inniger Zweisamkeit schmerzen kann. Bis heute überlege ich, ob mich wenigstens das klüger macht.

1886 wurde in der Münchner Stabi ein Exemplar der Carta Marina entdeckt.

Carta Marina

Bild: Olaus Magnus: Carta Marina von Nordeuropa, ab 1539.

Danke an Fishing in the Past!

Written by Wolf

9. November 2009 at 12:01 am

Novembergewinnspiel: A Wolf’s Gotta Do What a Wolf’s Gotta Do

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Update zu !מזל טוֹב:

Aus unserer jährlich fortgesetzten Dokumentarserie Chronik des Verfalls:

Sehwolf bei der Arbeit, 2009

Erraten Sie, welche Internetseite der Wolf, wie wir ihn auf Bilde schaun, aufgerufen hat, und was er warum damit treibt!

Jeder Versuch, der sich erkennbare Mühe gibt, gewinnt ein schönes Buch. Im Regal jucken:

  • Stephen Chboski: The Perks of Being a Wallflower;
  • Heinrich Heine: Buch der Lieder, ein Goldmanns Gelbes Taschenbuch von 1956, also noch sehr viel gelber als zur Veröffentllichung, aber ungekürzt; und als Sonderpreis:
  • Heinrich Heine: Im Pavillon am Jungfernstieg. Eine literarische Reise von Helgoland bis in den Harz, Reihe Die Bibliothek des Nordens bei Hoffmann und Campe, verlagsneu, kein “preisreduziertes Mängelexemplar”, original eingeschweißt.

Für das letztere muss allerdings schon was kommen. Dafür werde ich mich leichten Herzens zu weiteren Überraschungspreisen bewegen lassen: Sogar ein paar LPs sind da.

Bitte bis Sonntag, den 15. November 2009 um Mitternacht, in den Kommentar. Nicht drängeln, alle dürfen, und wie ich mich kenne, kriegen auch die meisten was. “Rechtsweg” hab ich überhört.

Bild: Egoshooting, 6. November 2009.

Written by Wolf

6. November 2009 at 6:21 pm

Posted in Kommandobrücke

Fünfzig Inseln, auf denen wir nie waren und niemals sein werden:

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Update zu Hood’s Isle and the Hermit Oberlus:

Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln, 2009.

Judith Schalansky, Atlas der abgelegenen Inseln

Nur weil sie da geboren ist, wo andere kuschelstudieren: in Greifswald. Süß, das Mädel, noch keine dreißig, blitzgescheit, wird es noch weit bringen im Leben. Erste Abenteuer in der Typographie; urdeutsch, in Fraktur, wie das so ist, wenn man nicht raus darf, mit der großen Freiheit ab 1989 war mit neun Jahren noch nicht zu rechnen und als sie da war, nicht abzusehen, wohin damit. Erste Männergeschichten in unverblümtem Trotz: Blau steht dir nicht. Der Untertitel ihres Meisterwurfs atmet deshalb unfehlbar alle Wehmut der Ozeane, nach denen er geordnet ist: Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde.

Gerade noch am Vertriebsdrachen vorbeigeschmuggelt, die Formulierung, würde man sich vorstellen, wenn nicht die Vorstellung sämtlicher Angestellten bei mare als Stand-ins für den frühen Wolf Larsen vordringlicher wäre. Die erste Auflage null Komma nix vergriffen, denn Sehnsucht ist menschlich. Träume sind der Fluch derer, die sich an sie erinnern, da hol der Klabautermann die 34 Euro für 144 Seiten: Wenn dieses Papier keine Erotik ist, was dann?

Man hat ja auch nie mit einer Sirene geschlafen, sondern nur mit sehr viel Glück mit einer Fischbrötchenfalterin am Rüganer Strand mit rötlichem Pferdeschwanz geflirtet, und wird niemals den Leuchtturmwärter von Tristan da Cunha auf sein Sofa laden, sondern mit sehr viel Glück einen freien Grafikkollegen, der als Junge gern Segelschiffchen gezeichnet hat. Verachten wir keinen von ihnen, denn sie sind es, die das Stück für Weihnachten verfügbar halten. Querstreifen stehen uns nicht.

Danke an Frau Scratch.

Written by Wolf

4. November 2009 at 1:58 am

Posted in Moses Wolf

Das Hörbuch als Video: Kapitel 25: Postskriptum

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Update zu Kapitel 24: Der Anwalt der Verteidigung:

Das 25. Kapitel (2:41 Minuten) ist fertig.

Ms. Charm, Become a SuicideGirl

Bild: Ms. Charm for Become a SuicideGirl.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobild: Rockwell Kent: Chapter XXV: Postscript, Lakeside Press Edition.
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

3. November 2009 at 12:01 am

Posted in Siedekessel

Das Hörbuch als Video: Kapitel 24: Der Anwalt der Verteidigung

with one comment

Update zu Kapitel 23: Die Leeküste:

Das 24. Kapitel (14:35 Minuten) ist fertig.

Fly Fly Fly, November 28, 2008

Bild: Fly Fly Fly, 28. November 2008.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Videobild: Rockwell Kent: Chapter XXIV: The Advocate, Lakeside Press Edition.
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

1. November 2009 at 1:11 pm

Posted in Siedekessel

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #33

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Song: John C. Reilly: Fathom the Bowl (3:44 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.

Buy CD in Germany and elsewhere.

Songs playlist.

Image: Cashboxx: wash away what I’ve done, December 31, 2007.

Lyrics:

1.: Come all you bold heroes, give an ear to me song
And well sing in the praise of good brandy and rum
It’s a clear crystal fountain near Ireland doth roll
Give me the punch ladle, I’ll fathom the bowl.

Chorus: I’ll fathom the bowl, I’ll fathom the bowl,
Give me the punch ladle, I’ll fathom the bowl.

2.: From France we do get brandy, from Jamaica comes rum,
Sweet oranges and apples from Portugal come.
But stout and strong cider are Ireland’s control
Give me the punch ladle, I’ll fathom the bowl.

3.: Me wife she do disturb me when I’m laid at my ease
She does as she likes and she says as she please
Me wife, she’s the devil, she’s black as the coal
Give me the punch ladle, I’ll fathom the bowl.

4.: My father he do lie in the depths of the sea
With no stone at his head but what matters for he
It’s a clear crystal fountain, near Ireland doth roll
Give me the punch ladle, I’ll fathom the bowl.

5. = 1.

[Edit:]

MetaGrrrl varied one of the verses, explaining:

And I’m bemused by all the sodden innuendo being omitted in those notes over there. My jolly band of wenches was fond of this added verse:

My husband don’t disturb me when we’re laid at our ease,
for he does what I like & he does what doth please;
my husband’s a stallion, no limp-legged foal;
for he’s the punch ladle to fathom my bowl.

[/Edit]

Explanatory liner notes by ANTI-:

A classic drinking song from Colonial times. To fathom here means to test the depth. Punch was once synonymous with the modern mixed drink. Sailors used to view it as an absolute daily entitlement. The grog ration in Nelson’s time contained nearly 12 ounces of rum by modern measure, daily.

Wikipedia:

“Fathom the Bowl” (Roud 880) is an English Drinking song, probably dating from the nineteenth century. The ingredients of punch include expensive spirits, too expensive for ordinary people. This has led to the suggestion that the song would be sung by smugglers. This might place it in the late eighteenth century or early nineteenth century. It might also explain the dead man at the bottom of the sea. On the other hand it might a song sung by wealthy middle-class young gentlemen or military officers, which gradually made its way down the social ladder. The use of the word “fathom” is the lesser used verb form, to measure the depth of something. This would rarely be used by non-sailors, which may also be taken to imply something about the lyricist.

The fact that the early versions are almost identical to current versions implies that it has been valued for the simplicity of the words. It is also very compact in geographical spread. Almost all collected version are from the south of England, and none were collected outside England.

The song implies a camaraderie with all those who hear the song and is ideal for singing in a chorus. Appropriately, there is a beer made by the brewery called “West Berkshire” called “Fathom the Bowl”. The earliest printed broadside are Such (London, between 1863 and 1885), Fortey (London, between 1858 and 1885), Hedges (London) and Pitts (London). The song was published in 1891 in a songbook, “English Folk Songs” by William Alexander Barrett. It was collected by Baring-Gould, Cecil Sharp (1907) and George Gardiner (Hampshire 1906). There is almost no variation in the text. It is also known as “The Punch Ladle” or “Bowl Bowl”.

Written by Wolf

30. October 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Power, Honor, Ambition, Future

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Update for Walgesänge mit Begleitung:

Captain Ahab, this is not a cat from cats we meet on tourThere is homework to be done, all over November! — Says who? — Says Captain Ahab, in their weblog entry Your chance to be heard in a Captain Ahab song!:

Your chance to be heard in a Captain Ahab song!

Ok, here’s the deal. You record yourself singing along with the supplied file, and you will be heard on the new Captain Ahab record, The End of Irony.

Download AhabChantForFans.mp3 & record yourself singing along!

The lyrics are, “Power, Honor, Ambition, Future” repeated over and over again. Please submit a dry, isolated track of yourself (and/or your friends) performing this chant to this email address: fanchant [at] captain-ahab.com by November 30, 2009. You can submit any format you wish, but we prefer to receive 48khz, 24bit aiff or wav files. It’s preferable to send a link to a file than to attach a file directly to an email – but both are acceptable.

Captain Ahab, from cats we meet on tourSee Captain Ahab’s Myspace site for music and video examples, because “There is one God that is Lord over the earth, and one Captain that is lord over the Pequod.—On deck!” (Chapter 109).

I consider this one fine campaign by one utter supportable band to create some expectably fine music, using what online networking can offer, and I specifically encourage you to send your singalong soundfiles to Captain Ahab.

When you are done, please let us know here on Moby-Dick™, too: Internet is about curiosity and knowledge (and cats).

 

Images: Jim Merson on this is not a cat and some other cuddly sailor from cats we meet on tour;
Sarah Sitkin.

Written by Wolf

26. October 2009 at 2:44 am

Posted in Reeperbahn

München am Meer VII: Freitagsfisch (Das Achterdeck)

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Kaufmännisch vernünftiges Update zu Von Lindau bis zum Fehmarnsund
und Frisches Basilikum:

Fangflotte Moby Dick München, Zenettistraße Schlachthof. Lkw-Reihe Parkplatz[Bild groß] Es ging auf das Ende des Tages zu. Plötzlich kam er an der Reling zum Stehen, und indem er sein Knochenbein dort in das Bohrloch steckte und mit einer Hand nach einer Want griff, befahl er Starbuck, jedermann achteraus zu schicken.

[…]

“Was macht ihr, wenn ihr einen Wal seht, Männer?”

“Ihn aussingen!” lautete die unwillkürliche Erwiderung aus einem Dutzend Kehlen im Chor.

“Gut!” rief Ahab mit wildem Beifall in seiner Stimme; die herzhafte Munterkeit bemerkend, in welche sie durch seine unerwartete Frage auf so magnetische Weise hineingeworfen worden waren.

“Und was macht ihr als nächstes, Männer?”

“Wegfieren, und hinterher!”

“Und was für ‘ne Melodie ist’s, zu der ihr pullt, Männer?”

“Wal ist tot oder kaputt das Boot!”

[…]

Moby Dick München, Zenettistraße Schlachthof. Eingang Fahrrad[Bild groß] “All ihr Toppsgasten habt mich schon zuvor Befehle über einen weißen Wal geben hören. Schaut her! Seht ihr diese spanische Goldunze?” — eine große große glänzende Münze in die Sonne haltend — “das ist ein Sechzehndollarstück, Männer. Seht ihr es? Mr. Starbuck, langt mir mal die Kleidkeule da her.”

Während der Maat den Hammer holte, rieb Ahab, ohne etwas zu sagen, das Goldstück langsam an seine Rockschößen, als wolle er dessen Glanz vermehren, und summte unterdes ohne Worte vor sich hin, dabei solch merkwürdig gedämpfte und unartikulierte Töne hervorbringend, daß es wie das mechanische Summen der Räder seiner Lebenskraft in seinem Innern schien.

Sowie er die Kleidkeule von Starbuck erhalten, trat er auf den Großmast zu mit dem emporgehaltenen Hammer in der einen Hand, wobei er mit der anderen das Goldstück herzeigte und mit hoch erhobener Stimme ausrief: “Wer von euch auch immer mir einen weißhäuptigen Wal sichtet mit runzliger Stirn und schiefem Kiefer; wer von euch auch immer mir jenen weußhäuptigen Wal sichtet mit drei Löchern, steuerbords in seine Schwanzflosse gestochen — paßt auf, wer von euch auch immer mir jenen selbigen weißen Wal sichtet, der soll diese Goldunze kriegen, Jungs!”

“Hurra! hurra!” riefen die Matrosen, als sie mit geschwenkten Ölhüten das Annageln des Goldstücks an den Mast bejubelten.

“Ist ein weißer Wal, sag ich”, nahm Ahab den Faden wieder auf, als er die Kleidkeule hinwarf; “ein weißer Wal. Sperrt die Augen nach ihm auf, Männer; haltet Ausschau nach weißem Wasser; wenn ihr nur eine Blase seht, singt aus.”

[…]

Moby Dick München, Zenettistraße Schlachthof. Fleisch- und Wurstwaren Gaßner Metzger- & Gastromarkt[Bild groß] “Gott segne euch”, schien er halb zu schluchzen und halb zu schreien. “Gott segne euch, Männer. Steward! geh das große Maß Grog holen. Aber was ziehest du für ein langes Gesicht, Mr. Starbuck; wollest du den weißen Wal nicht jagen? keinen Mumm für Moby Dick?”

“Ich hab Mumm genug für seinen schiefen Rachen, und für den Rachen des Todes auch, Kapitän Ahab, wenn es sich bei dem Gewerbe, das wir betreiben, nun mal so ergibt; aber ich kam, um Walen hinterherzujagen, nicht der Rachsucht meines Kommandanten. Wieviel Faß wird dir deine Rache eintragen, selbst wenn du sie kriegst, Kapitän Ahab? sie wird dir auf unserem Nantucketer Markt nicht viel Bares bringen.”

“Nantucketer Markt! Buhu! Doch komm näher, Starbuck; bei dir muß man die Wurzeln was weniges weiter unten ansetzen. Wenn Geld der Maßstab sein soll, Mann, und die Buchhalter ihr großes Kontor, den Globus, ausberechnet haben, indem sie’s mit Guineen umgürten, eine für jeden dritten Teils eines Zolls; dann laß dir sagen, daß meine Rache hier hohe Zinsen bringen wird!”

“Er schlägt sich an die Brust”, flüsterte Stubb, “wozu soll das gut sein? mir scheint, die klingt gewaltig, aber hohl.”

“Rache an einem tumben Tier!” rief Starbuck, “das dich einfach aus blindstem Trieb geschlagen hat! Wahnsinn! Wütend zu sein auf ein tumbes Ding, Kapitän Ahab, ist doch wohl gotteslästerlich.”

Moby Dick München, Zenettistraße Schlachthof. Hochformat mit Uhrturm[Bild groß] “Hör noch mal her, — die Wurzeln was weniges weiter unten. Alle sichtbaren Dinge, Mann, sind nichts als Pappmasken. Aber bei jedem Ereignis — beim lebendigen Handeln, der unerschrocknen Tat —, da streckt irgendein unbekanntes, aber doch vernunftbegabtes Etwas die Formen seiner Züge hinter der vernunftlosen Maske hervor. Wenn man schlagen will, so schlage durch die Maske! Wie kann der Gefangene je nach außen kommen, wenn er die Mauer nicht durchbrich? Für mich, da ist der weiße Wal nun diese Mauer, dicht an mich herangeschoben. Bisweilen denk ich, es ist nichts dahinter. Doch da ist genug. Er müht mich; er belastet mich; ich seh in ihm entfesselte Kraft, mit einer unergründlichen Arglist, die sie noch verstärkt. Dieses unergründliche Etwas ist’s hauptsächlich, was ich hasse; und sei der weiße Wal das Agens oder sei der weiße Wal der Meister, ich werd diesen Haß an ihm auslassen. Sprich mir nicht von Gotteslästerung, Mann; ich würd die Sonne schlagen, wenn sie mich beleidigt. Denn könnt die Sonne dieses tun, dann könnt ich jenes tun; denn hierin steckt auf eine Art stets ein gerechtes Spiel, Eifersucht regiert sämtlich’ Geschöpfe.”

[…]

“Gott behüte mich! — behüt uns alle!” murmelte Starbuck, leise.

Bilder: moby dick, Zenettistraße 11, 80337 München: Seit 1976 Fischlieferant der gehobenen Münchner Gastronomie und Hotellerie: Edelfische, Krustentiere und Muscheln aus fast allen Weltmeeren, Import direkt aus den Ursprungsländern, Spezialitätenforschung nach Auftrag.

Abholmarkt am Münchner Schlachthof hinter dem Wirtshaus im Schlachthof, Mitnahmemarkt über 1200 m², Lieferservice im Großraum München ab Warenwert von 150 Euro frei Haus. Parkplätze vor der Tür, Bus 152, Haltestelle Zenettistraße.

Text: Kapitel XXXVI: Das Achterdeck (Auszüge), Übersetzung Friedhelm Rathjen.

Clips: REAL Whaling 1 and 2: Enactment of a 19th century style whale hunt AND the trying-out of whale blubber. It mixes shots of the film’s cast edited in with footage of actual whaling that was done by whalers of Madeira (Portuguese islands), collected from 1956 John Huston Moby Dick film and provided by the incredible Hulton Clint.

Written by Wolf

23. October 2009 at 12:43 am

Posted in Fiddler's Green

Frank der Schwarm

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Update zu Hau den Schätzing und Lass den Schätzing in Ruhe:

Das macht der nämlich alles schon selber. Wozu man’s mit 52 noch alles bringen kann, gell?

Frank Schätzing als Mey Bodywear Unterhosenmodel

Models können schreiben:

Frank “Schwarm am Limit” Schätzing: Mey Bodywear, Oktober 2009.

Written by Wolf

18. October 2009 at 12:38 am

Posted in Meeresgrund

Märchenstunde morgen (heute nicht)

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Update zu Zu schusslig für die Metadaten, aber am Copyright-Symposium La Paloma pfeifen
und Absurd and Nonprofit:

Tuani, 6. März 2010Einer der größten Buchhändler Deutschlands verbreitet ungescholten: “Zwei Sachen konnte ich mir nicht vorstellen, Bücher und Süßwaren”. So konnte es geschehen, dass einer der nationalen Buchhandelsriesen Thalia eigentlich kein Buchladen, sondern zutreffender gesehen Teil der Parfümeriekette Douglas ist — zusammen mit bol.de und buecher.de.

Vermutlich ist es sogar politisch so gewollt, dass sich nicht mal mehr der interessierte Bürger merken kann, ob gerade vorgestern ProSieben die Deutsche Bahn aufgekauft oder Nestlé mit General Motors fusioniert hat oder umgekehrt, mir doch wurscht; für eine gesunde Paranoia reicht es zu wissen, dass praktisch alle Verlage und Buchhandlungen unter den Dächern von Bertelsmann, somit Random House, oder Holtzbrinck zusammenlaufen — falls die nicht inzwischen alle miteinander Gerhard Schröder oder einem Dubaier Scheich gehören, das müsste mir dann genauso wurscht sein und Ihnen bestimmt auch. Spätestens seit selbst Oberchecker Harry Rowohlt uns vorgerechnet hat, wie er einst als Springer-Gegner eingeschlafen und als Springer-Autor aufgewacht ist, ignoriere ich zu meinem Seelenheil alle Elefantenhochzeiten, das belastet nur mein Kleinsparer-CPU.

Eine der guten Seiten der grassierenden Buchmesse zu Frankfurt: Ein paar Tage muss in den Zeitungen was über Bücher stehen. Da hat Birk Meinhardt für die Süddeutsche Zeitung vom 14. Oktober 2009 den vorbildhaften Artikel An der Kette recherchiert und ausgesprochen mutig geschrieben, und wieder gibt’s keinen Journalistenpreis dafür, weil er online nur im unheilbehafeten jetzt.de stand und seither im Süddeutsche-Archiv zwei Euro kostet. Mich freut auch die darunter entstandene Diskussion, für die sich offensichtlich eigens neue User registriert haben, um Stichhaltiges beizusteuern. Solange man die Pro- und Contraseiten so ungefiltert nebeneinander stehen sieht, muss man beiden ihre Berechtigung zugestehen. Ich wäre selber gern auf der Seite inhabergeführter Kuschelläden. Aber.

Die wirklich überraschende und erfreuliche Information aus den Kommentaren: Manche der kleinen Kuschelanten machen mit ausgewähltem Sortiment und sinnvollem Marketing einen besseren Schnitt als der konkurrierende Thalia am Ort. Müsste “man” nicht trotzdem den Hugendubel am Marienplatz böse finden, ein paar Kilometer weiter: die Mayersche und eben Thalia? Und wenn der Büchermoloch dicht macht — eröffnen dann die ganzen zur Wahrnehmung alternativer Karrierechancen unbefristet freigestellten Mitarbeiter hehre Stätten der Hochliteratur, singen das Gaudeamus und florieren und erneuern das Volk der Dichter und Denker? Und selbst wenn — wollte “man” das? Und hat man nicht gerade in den Abteilungen der Rolltreppenbuchhandlungen schon begeisterte und begeisternd engagierte bis sympathisch krautsköpfige Buchhändlertypen angetroffen, in den ums Überleben rudernden Schreibwarenklitschen, die mal ein Buchladen werden wollten, hingegen desillusionierte Misanthropen, der Herrgott sei ihrer Rente gnädig?

Das, was ich anstatt eines Herrgotts habe, bewahre mich davor, Handyverträge bei Kaffeesiedereien abzuschließen — aber welche Bank kann bitte mit Geld umgehen? Muss sich dann mein Buchhändler noch darum scheren, ob in seinem Merchandise überhaupt irgendwas drinsteht? Beschaffen soll er sie, und zwar spätestens über Nacht, und das funktioniert im deutschen System der Barsortimenter sehr ordentlich, last time I tried.

Das ist ein langer Artikel, hoffentlich können heute die Leser wenigstens lesen. — Noch einer? Auch die Seite der Armut findet derzeit in den Feuilletons ihre Poesie. Kirsten Küppers und Dirk Knipphals für die taz vom 10. Oktober 2009: Schuften fürs Zauberbuch.

Nämlich für die erste vollständige deutsche Übersetzung von Walt Whitmans Leaves of Grass, Grasblätter (für 39,90 lächerlich billig).

Man vergegenwärtigt sich so selten, welcher wünschbare Grundbestand an Büchern eigentlich noch oder schon greifbar ist — und von allein wäre mir in Jahren nicht aufgefallen, dass eine Übersetzung von Herman Melvilles New Yorker Nachbarn und Jahrgangsvetter Walt Whitman schlichtweg fehlt. Bis Anfang September. Und wie steinig der Weg dorthin war, hat sehr wohl mit dem ersten Artikel von oben zu tun. Es ist ein ergreifendes, bestürzend wahres Märchen über einen, von dem ergebnisorientierte Schnelldreher-Dealer unmittelbar leben. Dabei handelt er noch über Hanser, einen der aufrechten Inhaberverlage auf der guten Seite. Sie werden weinen beim Lesen, und wenn nicht, schenk ich dem ersten, der sich das einzugestehen traut, ein Buch der Lieder von Heine.

Wehrlose fordern: Weg mit Hartz IV, Verantwortliche tun wie geheißen; Bildungshungrige rufen nach Büchern, Geldhungrige liefern wie bestellt; am Ende kläffen sich alle gegenseitig in berechtigtem Zorn an, weil als einzig auszumachender Verantwortlicher nur “der Zeitgeist” bleibt.

Aber ich bin zynisch, oder was?

meadon, Reading in the Waves, 10. Januar 2008

Schnelldreher: Tuani, 6. März 2010;
Wasser bis zum Hals: meadon: Reading in the Waves, 10. Januar 2008.

Written by Wolf

15. October 2009 at 1:51 am

Posted in Reeperbahn

Viscount Melvilles Reisen

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Update zu Melvilles Reisen:

(Bild groß.)

  1. Melville Bay englische Wiki;
  2. Melville Island/Kanada englische Wiki, Melville-Insel deeutsche Wiki;
  3. Lake Melville englische Wiki, Lage südöstlich außerhalb des Bildes bei Canada Centre for Remote Sensing:
    Detailed map of the region Lake Melville;
  4. Melville Peninsula englische Wiki, Melville-Halbinsel deutsche Wiki;
  5. Viscount Melville Sound englische Wiki, Melvillesund deutsche Wiki.

Nicht im Bild: Melville Island/Northern Territory/Australia, in englischer und deutscher Wiki vorhanden.

Alle benannt nicht nach Herman M., sondern Robert Dundas, dem 2. Viscount Melville, für besondere Verdienste um die Erforschung der Arktis, der 1851 beim (nicht am) Erscheinen von Moby-Dick im schottischen Melville Castle verstarb.

Leuchtglobus: Columbus Großglobus Glas: Der Großglobus von Columbus hat den mächtigen Durchmesser von 51 cm (üblich sind 26 bis 34 cm). Das ermöglicht einen Kartenmaßstab von 1 : 25 Mio., wie er sonst nur bei Atlanten möglich ist.

Tischmodell, mundgeblasene Glaskugel auf massivem Nußbaumholzfuß (32 cm Ø), messingfarben eloxierter Halbmeridian mit geprägter Breitenskala. Höhe 67 cm. Gewicht 14 kg. Kabellänge 330 cm.

Politisches (unbeleuchtet) und physisches (beleuchtet) Kartenbild mit Schummerung, Grauschummerung für die wichtigsten Gebirgszüge, Meridian mit genauer Gradeinteilung, Namensgut deutsch. Kartographische Darstellung in fein und sauber abgestuften Farbtönen auf dem neuesten geographischen Stand der Wissenschaft. Kartenbild aus 24 Farben wird auf die mundgeblasene Kristallglaskugel von Hand kaschiert. Columbus-Verlag von Paul Oestergaard in Schwaben und Räthgloben-Verlag zu Leipzig, via Manufactum, 1.349,00 Euro (Stand Oktober 2009).

Written by Wolf

10. October 2009 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Das ganze verkehrte Wesen (Frisches Basilikum)

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Wolf hat Kapitel 36: Das Achterdeck gelesen und macht ein Update zu I’ll Shoot the Sun:

… ein persönlich niemandem bekannter Mann mit einer Vorliebe für mittelmäßige Frauen, der diese Vorliebe gleichwohl nie ausleben hat können, weil er nämlich selbst für das Auftreiben mittelmäßiger Frauen viel zu schüchtern war, dieser Mann soll einmal gesagt haben, er wolle ja schon lange nicht mehr, stehe aber unabhängig davon jeden Morgen doch wieder auf, um einen weiteren Tag dranzuhängen an etwas, das er sich scheue, sein Leben zu nennen, und dann soll dieser Mann aus der Straßenbahn ausgestiegen sein, und zwar einfach so…

Benjamin Schiffner/Martin Sonneborn: Schaulimauli, in: Partner TITANIC August 2009, Seite 57.

… und next thing you know sehen wir ihn mittenmang der Mannschaft stehen, die sich auf dem Achterdeck um Captain Ahab versammelt, diesen Ismael, der sonsteinen Namen tragen kann, der niemanden interessiert, diesen Nobody und Jedermann, dieses Gefäß für Magermilch, hundertjährigen Portwein, Whisky oder flüssigen Teer gleichermaßen, diesen Mann, der voraussetzt, nicht zu leben, stillschweigend, aber schon gar nicht mal mehr ängstlich.

Helden sind zum Sterben da” — was auch heißt, sie müssen zuvor leben. Ist das schon Konsens, dass Ahab als Held betrachtet wird? Ab den anstehenden zwei Verfilmungen wird es einer.

Was wird da William Hurt die Dublone an den Mast nageln, sein gregorypeckstes Gesicht schneidend, wie wird er zischen, dass er selbst die Sonne schlagen würde, wenn sie ihn beleidigt, mit welchem Schuss-Gegenschuss wird Moby Dick (richtig: der Wal selbst ohne Bindestrich) seine erste namentliche Erwähnung finden, samt Personenbeschreibung:

einen weißköpfigen Wal mit runzliger Stirn und schiefem Maule […] der drei Löcher in seiner Steuerbordfluke trägt […] Aye, Queequeg, die Harpunen stecken allesamt verdreht und verbogen in ihm; aye, Daggoo, sein Spaut ist mächtig groß, wie eine Weizengarbe, und weiß wie ein Haufen unserer Nantucketwolle nach der großen Schafschur; aye, Tashtego, und sein Schwanz wedelt und flattert wie ein zerfetzter Klüver in einer Sturmbö.

Alle Zitate: Jendis-Übersetzung; hier: Seite 270 f.

So sieht er aus, der Titelheld, den die Harpuniere aus ihrer Berufserfahrung schon kennen, und dessen Namen wir persönlich niemandem bekannten Leser auf Seite 271 endlich so nebenbei erfahren — außerhalb des Umschlags; Tashtego spricht ihn aus. Nur gerecht: Was strummeln wir auf dem Sofa und lesen, statt einem Traum zu folgen. Oder einem monomanischen Rachegedanken wie der überaus lebendige Ahab.

Wobei wir denselben in keiner der Verfilmungen beobachten werden: wie er ab kurz nach dem Frühstück bis der Tag seinem Ende zugeht sinnend auf dem Deck einherklackert (Holzbein!). “Stunde um Stunde verstrich” — untauglich für jede Verfilmung in graphic novel style (außer, es wäre denn Nicolas-Mahler-Style) — trotzdem: Der Mann nimmt nur Anlauf,

wobei er so seltsam dumpfe und undeutliche Laute von sich gab, daß es sich wie das mechanische Summen anhörte, mit dem die Räder seiner Lebenskraft in ihm rotierten.

Die Steuerleute tuscheln schon. Das gibt etwas Vitales. Vielleicht schließt das Kapitel deswegen so explizit ans dreißigste an: “Nicht lange nach der Episode mit der Pfeife”, wo Ahab so kurzentschlossen die Pfeife über Bord gefeuert hat. Rauch aufgeben, länger leben.

Und wie er vor uns namenlosen Ismaels, zu deren größten Ereignissen es zählt, einfach so aus einer Straßenbahn auszusteigen, auflebt und uns teilhaben lässt. Langsam rückt er raus: “Das ist es, wofür ihr angeheuert habt!” (Seite 272) Hat er nicht ein großes Herz? Und einen großen Eimer Grog für alle hat er ja auch und eine Unze spanischen Goldes im Wert von sechzehn Dollar für einen von uns — bei der wir uns allerdings immer verwundern müssen, wie viel von dem Verkehrswert übrig bleibt, wenn Ahab in seiner Entflammung ihr ein Loch ins Herz, nein: durch die Mitte treibt. Wir Straßenbahnmatrosen trauen uns ja kaum einen angeschmuddelten Zwanziger wechseln zu lassen.

Warum er das macht? Weil er uns mitreißen will, der Großherzige? Quatsch: weil er uns braucht. Den Wal, der ihn entmastet hat, kriegt er niemals allein erlegt. Der Held ist kein Held für sich allein, er muss als einer angesehen werden. Da kann seine Rache so persönlich sein wie sie will, der Held muss sich über die anderen erheben und sie auf seine Seite bringen. Networking nennt das der namenlose Ismael in der Tram 27 Richtung Petuelring, und: “Man sollte sich mal mit anderen zusammentun”, so wie sich überhaupt oft Sätze mit “Man sollte mal” in ihm zusammendenken. Da kommt der lebenslodernde Ahab bei Starbuck, der Nummer 2 an Bord, aber an den Richtigen.

Der ist ebenfalls unter die Lebenden zu rechnen, mit Heldenpotenzial. Der ist weniger Feuer und Flamme, der ist seemannsgemäß das Wasser und bleibt in seinem Job, mit dem Blick auf den Nantucketer Wal Mart, nein falsch: Walmarkt:

Aber ich bin hierher gekommen, um Wale zu jagen, nicht um meinen Kapitän zu rächen. Wieviel Fässer wird dir deine Rache bringen, wenn sie dir denn gelingt, Kapitän Ahab? Sie wird dir wenig einbringen auf Nantuckets Markt.

Da kann Ahab nur drauf spucken:

Nantuckets Markt — pah! […] Mann, wenn Geld das Maß aller Dinge sein soll und eie Buchhalter ihr großes Kontor, den Erdball, ausgerechnet haben, indem sie ihn mit Guineen gürten, eine für jeden Drittelzoll — dann, so laß es dir gesagt sein, wird meine Rache reichlich Zinsen tragen — und zwar hier!

und schlägt sich an die dröhnende, hohl tönende Brust. Der Ton fällt Stubb auf, der sich allerdings geradezu darüber definiert, dass er immer noch Pfeife raucht. Und damit vertritt Ahab wohl die deutschromantische Ansicht, dass, wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen (Novalis) das ganze verkehrte Wesen fortfliege.

Ahab ein Romantiker, ein Idealist? — Daniel Göske, dem wir selbstverständlich jedes Wort glauben, weil wir hierin auf ihn angewiesen sind, wendet ein:

Ahab könnte Starbuck so weismachen wollen, daß seine monomanische Jagd auf den weißen Wal, den er als “Maske”, als Symbol des Bösen ausgibt, einem hohen idealistischen Ziel dient: dem allgemeinmenschlichen Streben nach letzter Erkenntnis. Dieser rhetorische Trick setzte damit materialistisches Gewinnstreben und philosphisch-ethische Wahrheitssuche in eins.

Hier liegt the little lower layer, die etwas tiefere Schicht oder die etwas niedriger angesetzte Lay. Ein Wortspiel, das Ahab hoffentlich selber versteht, das aber Melville wohl nur den entscheidenden Moment zu lange in seinen Bart geschmunzelt hat, um es doch noch zu unterdrücken, und unsereins zermartert sich das Hirn darüber; ab hier wird’s aber sowieso langsam zu kinky.

Zurück auf die Planken: Wie gesagt, könnte Ahab etwas weismachen wollen. Und was bitte bleibt von der Handlung übrig, wenn Moby Dick auf einmal nicht mehr böse, sondern nur von Ahab so eingefärbt ist? Ein Konflikt zwischen Ahab und Starbuck? Sind wir hier in der Weltliteratur oder einer Vorabend-Soap? Und worin soll der Unterschied zwischen matierellem Wert und letzter Erkenntnis liegen? In einem auf Kerzenlicht und frischem Basilikum über den Aldi-Spaghetti heruntergekochten Romantikbegriff? Denn wer ist hier der tragische Held und wer die international erfolgreiche Franchise-Kette? Und was davon sollte man genau verurteilen? Welchen der Idealisten, die nur zusammenrumpeln, weil sie beide Moral im Leibe haben? Komm, Göske, kauf dir eine Monatskarte und geh Straßenbahn fahren.

Das soll nicht einmal respektlos gegenüber Herrn Göske sein. Der Druck auf den Ohren rührt bei den wiederholt bemühten namenlosen Ismaels womöglich vom Außen-, nicht vom Innenmilieu des Kopfes. Selbst Schopenhauer, notorisch unverdächtig des unkontrollierten Optimismus, empfiehlt gegen Leiden an Herz und Kopf: Kunst. In diesem 36. Kapitel steckt ja nahezu alles drin, dabei haben wir bislang noch nicht mal den Drewermann mit reingezogen.

Ein anderer, der einem bei den Ermittlungen zu Melville immer wieder begegnet, ist Orson Welles. Der hat das Format, sich zum Wal zu äußern und ihn zu Ölen zu sieden, die uns die Herzen und Köpfe erquicken: Orson Welles — The One Man Band von 1995: ungekürzte 87 Minuten, Deutschland/Frankreich/Schweiz, deutsch-englisches Original mit Christian Brückner, including a clip from his one-man show of Moby-Dick with Welles playing all parts sans makeup or costume.

Wir anderen stehen um Orson Welles herum, gaffen mauloffen auf ihn wie die Mannschaft auf Ahab und warten, dass der Harpunenschaft voll Grog einmal nicht an uns vorüberzieht — gezeichnet von Selbstzweifeln, Lebensverweigerung, der Angst, dass man so lange auf wir wissen nicht was gewartet haben, bis es schon wieder vorbei ist, und der Hoffnung, dass da nicht noch was nachkommt, weil es uns eigentlich reicht.

Solcherlei Innenleben sind eine fremde Welt für Ahab. Der hört uns dabei zu und

die Winde wehten wieder, die Segel blähten sich, das Schiff stampfte und schlingerte wie zuvor.

Das allzeit indifferente Universum weiß es schon besser, und es wird Recht behalten. Über Helden und Verlierer kann es nicht mal milde lächeln: Es ist, wie es ist. Ganz wie in den letzten Worten 99 Kapitel später:

und das große Leichentuch des Meeres wogte weiter wie vor fünf Jahrtausenden.

weil es früher oder später aufs gleiche hinausläuft, welcher Art die Moral ist, die der eine oder der andere in seinem sterblichen Leib spazieren trägt: Am Schluss sind sie beide tot.

Immer diese leidigen Unterbrechungen des künstlerischen Schaffens durch das, was man sich scheuen muss, sein Leben zu nennen.

Written by Wolf

7. October 2009 at 12:06 am

Posted in Steuermann Wolf

Schnaps fürn Durscht

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Abt.: Leben mit Ringsgwandl.
Melodie: Good Riddance (Time of Your Life):
Original von Glen Campbell, sozialfähig durch Green Day.

1.: Der eine steckt gern Pfotzen ein, der ander haut zurück,
der dritte bleibt am Wochenend daheim.
Mein Vater frisst den Kuchen ganz, die Mutter bloß ein Stück,
und ich teil mich die Weihnachtsfeiertag zur Nachtschicht wieder ein.
          Der eine lebt bewusster, dem andern is des wurscht,
          der dritte sauft den Schnaps grad für den Durscht.

2.: Die eine mag den Sex recht gern, die andere halt net,
die dritte schaust du scharf an und sie legt sich.
Die vierte macht’s bei Finsternis nur samstags unterm Federbett,
die fünfte treibt am Stachus Neunundsechzig.
          Die sechste treibt’s am Männerklo, die siebte treibt’s im Wald,
          bloß mir is nackert schon im Bad zu kalt.

3.: Der eine lässt die Lätschen hängen, bis ihn einer fragt,
der ander grinst umso breiter, wenn ihm gar nicht danach is.
Der dritte hilft dann allen zwei, bevors ihm einer sagt,
und hat lieber kein Problem damit, nur ich merk den Beschiss.
          Der eine schubst den andern um, der dritte hält ihn fest.
          Des machen die so lang, wie man sie lässt.

4.: Der eine hat an Luxusdampfer am Starnberger See,
der ander hat kein Hemd und malt sich eins.
Der dritte hupft vom Hubschrauber in den jungfräulichen Schnee,
dafür hat er sein Hemd verkauft und braucht auch keins.
          Der eine lebt den Augenblick, der ander Ewigkeit,
          der dritte hat für sowas gar koa Zeit.

5.: Der eine laaft in Brooklyn rum, der ander stirbt im Bett,
und ich schau mir des noch a Zeitlang an.
Der eine raamt sich selber weg, der ander waaß noch net,
wann’s Zeit wird, weil man’s gar net wissen kann.
          Mir zeigt kein Mensch den Himmel, und drum zeig ich der Welt,
          wie man sich jeden Tag lebendig stellt.

Fade-out: Der eine lebt bewusster, dem andern is des wurscht,
der dritte säuft den Schnaps grad für den Durscht.
Der eine schubst den andern um, der dritte hält ihn fest.
Des machen die so lang, wie man sie lässt.
          ||: Der eine lebt den Augenblick, der ander Ewigkeit,
          der dritte hat für sowas gar koa Zeit. :||

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Written by Wolf

1. October 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck

Indian Summer Song

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What song does the new day you, fresh and green, sing?
Or does it just toiling and trouble you bring?
Does it sing you a country song, a-rush like the sea?
Does it bring fine young ladies and laughter to thee?

The days like the people return what you give:
In lives you read, in books you live.

Flaucher Collage: Moleskine, Photoausdruck, Druckbleistift 0,7 und 0,5, schwarze und rote Tinte mit verbogener, rostiger Gabel, Bandzugfeder und hübsches freundliches Mädchen mit Norton Critical Edition Moby-Dick.

Danke an das hübsche freundliche Mädchen am Flaucher!

Written by Wolf

28. September 2009 at 12:01 am

Posted in Kartenzimmer

Das tut nicht nur dem Seemann weh

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Zuerst wollte ich Elkes jüngste Abhandlung über Lili’uokalani — die Blume von Hawaii (Update, Update!) mit dem Lied Aloahe von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung garnieren. Die Idee wurde verworfen, weil das Lied zu zu starker Rum mit zu vielen Umdrehungen ist; das zieht jede Wissenschaft runter. Hat Elke doch ohnehin etliche Illustrationen dazugeliefert, die nicht mehr auf ihre kompakte Textmenge passten, da durfte man nicht noch mit allzu prominenten Klamaukeinlagen draufhauen.

Die Erste Allgemeine Verunsicherung, neben H.C. Artmann, guter Luft, einer dankenswert wenig verbreiteten Bierparodie, einer luxuriös pralinesken Todesverliebtheit, Komm, süßer Tod und Wolfgang Ambros Österreichs bester Exportartikel und gar nicht so verschieden von der Aufzählung, wie man unbedacht glauben möchte, trat passenderweise in mein Leben, als ich besoffen war.

Erste Lüge: Verkatert war ich. Bei einem Schulkameraden eingeladen, um Beethovens Fünfte auf Platte zu hören, zusammen mit noch einem, der für sowas zu gewinnen war, und unerfahren im Umgang mit Johnny Walker Red und Black Label. Mein Abend endete damit, dass ich auf dem Fußboden im Klo Clever & Smart-Heftchen las, mein nächster Tag fing an mit elenden Kopf- und Kreuzschmerzen, einem Muster auf der Stirn von der Klofußumpuschelung und einer Dose Tigerbalm, die ich auf dem Spiegelbrettchen fand und zur Hälfte für ich weiß nicht mehr was aufbrauchte. Ich erschien pünktlich zum Frühstück mit zwei weiteren Schulkameraden und stank entsetzlich nach Tigerbalm.

Das Radio lief. Erste Allgemeine Verunsicherung: Go, Karli, Go.

Sancta Caecilia, war das gut.

Dergleichen hatte man nie zuvor gehört. Schon gar nicht auf Bayern 3. Da lag genau der Tiefgang unter dem Text, von dem sich ein verkaterter Vorabiturient ernst genommen fühlen, und genug Gaudifaktor in der Musik, dass sich seine Kumpels, die mit ihrer Mittleren Reife schon mal was Gescheites lernen gegangen waren, ihre kleinstadtmittelständische Feierabendeuphorie rausholen konnten. Neu war der Mut zur Peinlichkeit, die Lust am indiskutablen Geschmack, um eines saudummen Lachers mit dreifachem Boden willen. Das war lustig, aber nicht blöd. Da konnte man mitsingen, ohne sich zu genieren, weil eine Message hat’s ja auch. Das konnte man bierselig auf Grillfeiern grölen, und erst wenn man den Ohrwurm nach Hause trug, merkte man den Trojaner: Moment mal, was lallen wir da eigentlich? Leicht halbseiden in Wortwahl und Gehabe, wie ein Callgirl, das keine Nutte geheißen sein will. So sexy, so unernst und so schamfrei aufreizend wie Ganzkörper-Fishnets unter einem Trenchcoat.

Verunsicherung waren mir nachmals das, was ich als mein erstes großes Rockkonzert betrachtete, die Geld oder Leben-Tour in der Erlanger Stadthalle 1986. Da hatte ich frisch den Führerschein und durfte allein mit Mutters Laubfrosch hin. Spätestens hier rückte Mastermind, Stimme nebst Gesicht der Band Klaus Eberhartinger in die Riege meiner Vorbilder auf: Zu dieser Attitüde eines rausgewachsenen Zuhälters passte also ein Lachen, und man konnte hochgescheite Sachen sagen, ohne dass es gleich jeder merkt. Groucho Marx goes Hugo Egon Balder, mein Typ war gerettet. Hinterher stand ich, platt von dem zurückliegenden Beschuss mit Kalauern und dieser unverschämt psychogenen Mischung aus Cabaret, Kabarett, Songwriting, Schlagerschnulze und Schweinerock, noch lange an den Laubfrosch gelehnt, rauchte eine und kam mir fürchterlich erwachsen dabei vor.

Heute erinnern sich die Aficionados, dass die Verunsicherung von Alfred Biolek in Bios Bahnhof vom Studentenkabarett in eine breite bundesdeutsche Öffentlichkeit gerückt wurden. Der Mann hat vor seiner Karriere als Witzigkoch immerhin Monty Python nach Deutschland gezerrt, ebenfalls ursprünglich ein Studentenscherz von Medizinern, das könnte nicht besser passen.

Damals waren drei Platten von ihnen bekannt: Spitalo Fatalo, À la carte und Geld oder Leben, alle prall vor zitierfähigen Reimen, die in der Literatur monolithisch herumstehen und seit der Erstverwendung durch den Haupttexter Thomas Spitzer auf ewig verbrannt und endlich mal einen Literaturpreis wert sind, kommt schon, ihr Stiftungen, wenigstens fürs Gesamtwerk. Manche dieser rhetorischen Diamanten entstehen durch den Reim österreichischer auf englische und hochdeutsche Wörter oder waghalsige Enjambements, die den Sätzen an Stellen das Kreuz brechen, die man vorher gar nicht gesehen hat, das geht freilich nur in so hochspeziellen Kontexten.

Später hörte ich läuten, dass es mehr als drei Platten geben, die Spitalo Fatalo nicht ihre erste, sondern dritte sein musste, und fuhr extra mit dem Zug ins grenznahe Salzburg, um mal in einem österreichischen Plattenladen zu kramen. Leider aussichtslos, alles voll Mozart, auch schön, und halbtags angestellter Kassenhausfrauen. Die Café Passé erschien erst später wieder als CD, ihre anerkannt allererste 1. Allgemeine Verunsicherung scheint es ins CD-Stadium geschafft zu haben, ist aber verschollen.

Go, Karli, Go (das spricht sich bitte knallhart kanzleideutsch aus, ohne englische Diphthongierung) blieb lange mein Lieblingslied, nicht zuletzt weil meine Kumpels mir einredeten, das Lied handle von mir.

Auf der gleichen Platte findet sich ihr einziges maritimes Lied. Ist aber gar nicht maritim. Sondern sozialkritisch. Merkt man bloß nicht gleich. Jedenfalls nicht besoffen unter Versicherungskauffrauen und Speditionssachbearbeitern. Typisch. Aloahe. Aus: À la carte, 1984. CD vergriffen, Text von Thomas Spitzer:

1.: Es war vor langer, langer Zeit
Eine Braut und ein Matrose
Im Hafen der Glückseligkeit.
Er gab ihr eine Rose.
Sie wollten sieben Meere sehn,
Die Braut und der Matrose,
Und allen Stürmen widerstehn —
Ay, das ging in die Hose.

Bridge: Heut steht sie in der Kombüse
und putzt traurig das Gemüse.
Legt sie sich nicht in die Riemen,
gibt es einen auf die Kiemen.

Refrain: Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloaho!
Frag nicht wieso.
Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloahö!
Bevor du untergehst, sag mir adieu.

2.: Die Mannschaft rackert im Akkord,
Es zittert der Matrose.
Täglich geht einer über Bord:
Zu viele Arbeitslose.
Die Angst macht seinen Rücken krumm:
Wo ist Dein Stolz, Matrose?
Zu wenig Mumm und zu viel Rum,
Ay, das führt zur Zirrhose.

Bridge: Und der Käpten treibt ihn an,
Hol ihn der Klabautermann!
Doch er denkt nicht an Meuterei,
Er fürchtet sich vorm schwarzen Hai.

Refrain: Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloaho!
Frag nicht wieso.
Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloahö!
Bevor du untergehst, sag mir adieu.

3.: Nur manchmal denken sie zurück,
Die Braut und der Matrose:
Was ist geblieben von dem Glück?
Eine verwelkte Rose.
Ihr Traumschiff ist ein alter Kahn,
Eine bediente Dose.
Sie haben sich total verfahrn,
Die Braut und der Matrose.

Bridge: Es ist kein Wind mehr in den Segeln,
nicht einmal mehr, wenn sie [kegeln].
Statt Liebe macht die Pest sich breit,
im Hafen ihrer Einsamkeit.

Refrain: Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloaho!
Frag nicht wieso.
Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloahö!
Bevor du untergehst, sag mir adieu.

Fade-out: Hey, hey, aloahe!
Das tut nicht nur dem Seemann weh.
Hey, hey, aloaho!
Uns ebenso.
Hey, hey, aloahe!
Das gibt’s nicht nur auf hoher See.
Hey, hey, aloahö!
Bevor du untergehst, sag mir adieu.

Text: Thomas Spitzer
Musik: Thomas Spitzer, Nino Holm, Eik Breit, Klaus Eberhartinger, Günter Schönberger
Sänger: Klaus Eberhartinger

Written by Wolf

25. September 2009 at 1:13 am

Posted in Laderaum

München am Meer VI: Von Lindau bis zum Fehmarnsund kennt man mich als Schäferhund

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Update zu Yarrrrr, sog i!:

Zur Feier des Talk Like a Pirate Day eröffnet am Heutigen das Oktoberfest zu München.
Wir bitten um freundliche Beachtung.

Des Fahrers Wunderhorn: F.S.K.: Diesel Oktoberfest aus: The Sound of Music, 1993;
in: Franz Dobler (i.e. der schnauzige Großstadtcowboy mit Tollwut, dem Jahrhundertsampler mit Johnny-Cash-Covers deutscher Kapellen sowie allerhand Country-Fachliteratur und Fressehau-Belletristik):
Wo Ist Zu Hause Mama, Trikont, 1995.
Musik: Justin Hoffmann, Thomas Meinecke, Michaela Melián, Carl Oesterhelt, Wilfried Petzi;
Text: Thomas Meinecke:

Diesel Oktoberfest

Dauernd auf der Autobahn
sechzehn Tonnen hintendran
unter der Haube ein Vulkan.
Ingolstadt nach Paderborn
die Stoßstange schreit immer, vorn
Jericho, des Fahrers Wunderhorn.

Feine Leute sind das hier
trinken Wein statt Spaten-Bier
der Spediteur und sein Geschmier.
Morgen wird er aufgehängt,
Dieselöl mit Blut vermengt —
morgen früh wird er aufgehängt.

Laila heißt mein Funkkontakt
ist der Lastzug abgeparkt
wird schon ihr Reißverschluss geknackt.
Von Lindau bis zum Fehmarnsund
kennt man mich als Schäferhund
Asphalt heißt der Liebe Untergrund.

In der Prominentenbox
frisst gegrilltes Fleisch vom Ochs
der Spediteur und sein Gesocks.
Morgen wird er aufgehängt,
Dieselöl mit Blut vermengt —
morgen früh wird er aufgehängt.

Auf Laila folgt die Lorelei
am Schmutzlappen die Polizei
schnappt sich mein Rasthofnackedei.
Klassenkampf, Geschlechtsverkehr
gaben einst ein Pärchen her
wirkungsvoller als ein spitzer Speer.

Wer trinkt seinen Scotch mit Eis
lechzt nach jeder Stöckelgeiß
der Spediteur und sein Geschmeiß.
Morgen wird er aufgehängt,
Dieselöl mit Blut vermengt —
morgen früh wird er aufgehängt.

Write Like a Pirate, 18. September 2009

Bild: Write Like a Pirate in Egoshooting, 18. September 2009;
Pirate Paw T-Shirt: Jack Wolfskin, vergriffen;
Nürnberger Stadtwurst: herzhaft gewürzt, mild geräuchert, nach fränkischer Rezeptur: Ponnath/Kemmath via Penny, 350 Gramm 1,99 Euro (Serviervorschlag).

Written by Wolf

19. September 2009 at 12:01 am

Er bläst wieder (und wieder)

with 8 comments

Update zu John Huston hat doch Recht:

Das hat 2006 jemand versäumt: zum 50. Jahrestag der Moby-Dick-Verfilmung von John Huston — das ist die mit Gregory Peck, die Sie als Kind so beeindruckt hat — wenigstens so weit zu restaurieren, dass auf der DVD das ganze Breitwandbild zu sehen ist und nicht immer nur der Ausschnitt in der Mitte. Und jetzt das:

Drehstart für TV-Event “Moby Dick”

“Moby Dick”, die Fernsehverfilmung des Klassikers mit Gregory Peck, wird bei RTL zu sehen sein. Wie die Tele München Gruppe nun mitteilte, realisiert sie die Neuverfilmung des gleichnamigen Literaturwerkes gemeinsam mit dem Kölner Privatsender, dem ORF und dem US-amerikanischen Produktionsunternehmen RHI sowie weiteren Co-Partnern. Die Hauptrolle übernimmt Oscar-Preisträger William Hurt (“8 Blickwinkel”, “A History of Violence”), der den einbeinigen, vom Wahn getriebenen Kapitän Ahab verkörpert. An seiner Seite spielt Ethan Hawke (oscarnominiert für “Before Sunset” und “Training Day”) den 1. Offizier Starbuck, der es als einziges Besatzungsmitglied wagt, sich Kapitän Ahab entgegenzustellen. Die Dreharbeiten unter der Regie von Mike Barker (“Der Seewolf”), die, laut Mitteilung, mit einem Gesamtbudget von 18,4 Millionen Euro als bisher aufwendigste Produktion in der 40-jährigen Geschichte der Tele München Gruppe gelten, werden ab Mitte September in Lunenburg, Kanada, und auf Malta stattfinden. Geplant seien “spektakuläre Szenen auf hoher See und State of the Art CGI-Animationen”. Den Zuschlag für die Ausstrahlung des Event-Zweiteilers erhielt der Fernsehsender RTL, die Fertigstellung ist für Herbst 2010 geplant.

teleschau/der Mediendienst via Nordsee-Zeitung.

München am Meer (danke, Lara!): Mit einem Aufwand wie noch nie mal wieder die Actionstellen rausziehen und William Hurt einen 3D-animierten Wal beschimpfen lassen, um Aufmerksamkeit zu schaffen für die großen Brüder. Das griechisch-tragische Aufbegehren der Sohnfigur ist mit Ethan Hawke besetzt, dem Hübschling für Abiturientinnen, Mädchen müsste man leider ganz schön reinschreiben, aber ist eigentlich irgendwo die Rede von dem langweiligen Ismael? Man wünscht der Unternehmung ja nur das allerbeste Gelingen, sonst klage. Hoffentlich werden sie rechtzeitig bis Herbst 2010 fertig, denn vermutlich zum 160. Jahrestag der Buchvorlage 2011 lässt sich Hollywood seinerseits nicht lumpen:

Bekmambetov to direct ‘Moby Dick’

Universal Pictures has made a splashy preemptive buy of “Moby Dick,” a reimagining of the Herman Melville whale tale that Timur Bekmambetov (“Wanted”) will direct.

Studio paid high six figures to Adam Cooper and Bill Collage to pen the screenplay.

The writers revere Melville’s original text, but their graphic novel-style version will change the structure. Gone is the first-person narration by the young seaman Ishmael, who observes how Ahab’s obsession with killing the great white whale overwhelms his good judgment as captain.

This change will allow them to depict the whale’s decimation of other ships prior to its encounter with Ahab’s Pequod, and Ahab will be depicted more as a charismatic leader than a brooding obsessive.

“Our vision isn’t your grandfather’s ‘Moby Dick,’ ” Cooper said. “This is an opportunity to take a timeless classic and capitalize on the advances in visual effects to tell what at its core is an action-adventure revenge story.”

Scott Stuber is producing with Jim Lemley and Cormac and Marianne Wibberley.

Both Stuber and Bekmambetov have deals at Universal. Bekmambetov will look to apply the visual flourish he displayed on the U summer hit “Wanted.”

“We wanted to take a graphic novel sensibility to a classic narrative,” said Collage. They brought it to the Wibberlys, the “National Treasure” scribes who are branching into producing and will team with Stuber. The project then caught the fancy of Bekmambetov and Lemley, who teamed with the helmer on “Wanted.”

Bekmambetov is developing a sequel to the Angelina Jolie starrer and is also mobilizing and producing a slate of modestly budgeted Russian-language films for Universal’s offshore distribution operations.

Cooper and Collage received credit on the comedy “Accepted” and more recently did rewrite work on the untitled Trump Heist movie, the Tom Bezucha-directed “The People’s House” and the McG-helmed “Nightcrawlers.”

WMA made the deal and repped the scribes, Bekmambetov and the Wibberleys.

Michael Fleming: Bekmambetov to direct ‘Moby Dick’.
Universal steers reimagining of Melville classic
,
Variety, 22. September 2008.

Also mal schluss mit dem kulturzickigen Gemaule — Melville kriegt auf einmal richtig Konjunktur; nicht nur in Gestalt von ein paar gelehrten Übersetzungsspielereien, sondern für spaßhungrige Leistungsträger. Dating couples in Spendierlaune und wild entschlossen, Lust zu empfinden. Bigtime, on the big screen. Mit PR-Aufwand, aber mal richtig. Weil Melvilleana modern sind und nicht modernd, und the writers reveren sogar Melville’s original text mit graphic novel-style. Ist doch schön.

Insiderwissen: Der Bootsbau für die amerikanische Version stammt von den Jungs bei Norseboat, also unter Beteiligung von David von Never Sea Land. Der Mann findet mit Liebe und Sachverstand regelmäßig die tollsten Mermaids aus dem Kunstschaffen aller Stile und Epochen, der kann sicher auch die richtigen Traditional Boat Replicas von Walfängern samt Beibooten.

Ein deutscher Zweiteiler aus neuen Macs und ein russisch gesteuerter Blockbuster mit schönen Schiffchen. Mehr Vorankündigung gucken:

Und wann gibt’s jetzt den 1956er Film als diskutable DVD, miau?

Norseboat, Traditional Boat Replicas

Vorerst keine Filmbilder: Norseboat.

Written by Wolf

17. September 2009 at 12:45 am

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Die Zeit vergeht rund um die Uhr (Die Vergangenheit ist birnenförmig)

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Update zu Anaxagoras’ Revenge:

Für mich isch des alles gar nemmer wichtig. Wenn’s dich amol hundert Meter so des Geröllfeld am Watzmann nunderbröselt hat, no weisch, dass es gewaldigere Dinge im Läbe gibt als die Erodik.

Uli Keuler

Sie war zu groß. Lass sie los. Lass sie nur.
Sie war zu lang und vorn zu flach.
Sie war dünn wie eine Wäscheschnur.
Sie passte nicht unter dein Schädeldach.
Gib ihr das grüne Schlauchkleid retour:
Die Zeit vergeht rund um die Uhr
und du hängst einem Mädchen nach.

Sie war zu groß, sie war zu lang — kein Aufhebens:
Du kennst mehr als vier Dimensionen. Mach
dir jetzt neue des irdischen Strebens.
Als der Leuchtturm von Pharos zusammenbrach,
warst du so kalt wie bei den sieben Toren Thebens.
Im Meer schwimmen neunzig Prozent allen Lebens
und du hängst einem Mädchen nach.

Sie war zu groß. Sie hatte nie Angst, sie verlör dich.
Sie war zu lang, und zu kurz reichte das, was sie sprach.
Sie bewegt nur den Mund; was du sagst, stört nicht.
Und du pfeifst noch beim Bumsen Bach
und vertonst Stephen Hawking, drum hör mich:
Die Vergangenheit ist birnenförmig
und du hängst einem Mädchen nach.

Cousin Mike, CD cover 32 Great Artists Long Tall Sally

Long Tall Sally: Cousin Mike, 3. April 2009 (mit CD-Download).

Written by Wolf

12. September 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck

Die Eltern ums Aufbleiben anbetteln und dann vorm Fernseher einschlafen (zu schusslig für die Metadaten, aber am Copyright-Symposium La Paloma pfeifen)

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Update zu Making Books und Irgendwas mit Büchern:

Gil Elvgren, Rare Edition, 1962Sigmund Freud und Katherine Jones haben 1939 ein Sachbuch veröffentlicht, in dem die Funktionsweise der Internet-Software Mosaic Navigator erläutert wird. “Madame Bovary” ist nicht von Gustave Flaubert, sondern von Henry James. Nicht Jean Paul schrieb den “Titan”, sondern Hermann Hesse. Daniel Defoes “Robinson Crusoe” gehört in die Abteilung “Hobby und Handwerk” und Stephen Kings “Christine” erschien bereits 1899, genauso wie Robert Sheltons Biographie des Rockpoeten Bob Dylan — groteske Beispiele aus Googles Buchsuche. Während Debatten darüber geführt werden, welche Bücher der Internetkonzern zu welchen Konditionen einscannen und im Internet anzeigen darf, wird eine andere Frage vernachlässigt: Die nach der Qualität der Mega-Datenbank.

[]

Dass viele Werke in völlig falsche oder unsinnige Kategorien eingeordnet werden, liegt Nunberg zufolge daran, dass Google die Kategorisierung der Verlage übernommen hat. Diese dient aber bloß dazu, dass die Bücher vom Handel in die richtigen Regale einsortiert werden. Wo kein Verlag eine Einordnung liefert, versucht Google sie aus den Metadaten zu gewinnen — mit oft haarsträubenden Ergebnissen. Eine Ausgabe von Herman Melvilles “Moby Dick” beispielsweise firmiert unter der Rubrik Computer. Google, so fasst es der amerikanische Sprachwissenschaftler zusammen, habe “einige der größten Wissenssammlungen erhalten und sie zurückgegeben in Form eines Buchladens in einem Vorstadt-Einkaufszentrum”.

Helmut Martin-Jung: Ahnungsloses Gefummel, in: Süddeutsche Zeitung, 9. September 2009.

Originalaufsatz: Geoffrey Nunberg: Google’s Book Search: A Disaster for Scholars in: The Chronicle of Higher Education, 31. August 2009:

An edition of Moby Dick is labeled Computers; The Cat Lover’s Book of Fascinating Facts falls under Technology & Engineering. And a catalog of copyright entries from the Library of Congress is listed under Drama (for a moment I wondered if maybe that one was just Google’s little joke).

Schussel Books: Gil Elvgren: Rare Edition/Hold Everything, 1962.

Written by Wolf

11. September 2009 at 12:01 am

Posted in Reeperbahn

Lili’uokalani — die Blume von Hawaii

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oder: Melville und die Königinnen der Südsee

Die Blume vom Plattenbau Elke macht einen Exkurs durch die Geschichte — als Würdigung zum 171. Geburtstag der Blume von Hawaii am 2. September:

When the inhabitants of some sequestered island first descry the “big canoe” […] rolling through the blue waters towards their shores, they rush down to the beach in crowds, and with open arms stand ready to embrace the strangers. Fatal embrace! They fold to their bosoms the
vipers whose sting is destined to poison all their joys…

Herman Melville in: Typee, Chapter IV

Elke HegewaldEigentlich sind sie sich gar nicht ähnlich, die schöne Gattin Mowannas, des Königs von Nuku Hiwa aus Herman Melvilles Roman, und Lili’uokalani, die letzte Regentin von Hawaii: die Erste – ein Naturkind, eine ‘Wilde’, wie Melville sie nennt. Ungezähmt trotz gegenteiliger Anstrengungen der hereingebrochenen Vertreter der Zivilisation und im reichen Schmuck ihrer kunstvollen Tataus schert sie sich den Teufel um mühsam andressierte Etikette. Die Zweite, hochgebildet und nach amerikanischen Standards christlich erzogen, mit dem Sohn eines Bostoner Schiffskapitäns verheiratet — eine weitsichtige Monarchin und in politisch-diplomatischen Gepflogenheiten durchaus bewandert. Und sie hätte nie, nie im Leben den Rocksaum gelüpft, um einer vollzählig angetretenen Schiffsmannschaft eine filigrane Tätowierung auf ihrer Rückseite vorzuweisen — sofern sie überhaupt eine hatte.

Tausende Meilen sind die Inselparadiese der beiden voneinander entfernt. Die Ferne ist näher gerückt in den anderthalbtausend Jahren, seit ein polynesischer Königssohn mit seiner Flotte von Auslegerkanus aufbrach, den Sternen und den Vogelschwärmen folgte und unter Segeln bis Hawaii kam, es zu besiedeln. Der stammte von den Marquesas. Wahrscheinlich besteht auch keinerlei Verwandtschaft zwischen den zwei Königinnen — auch wenn heut keiner mehr weiß, ob nicht der junge Häuptling von damals der Ururur…ahn der einen und auch der anderen war.

Liliuokalani of HawaiiJames Cook landete an marquesischen Gestaden. Auf Hawaii erst später, 1780. Vielleicht hätte er das lieber lassen oder sich dort besser betragen sollen, denn das zweite davon hat er nicht überlebt.

Als die zivilisierte Welt die Inseln entdeckte, schleppte sie unbekannte Krankheiten und allerlei neues Volk auf den Strand von Nuku Hiwa: Missionare und Walfänger, Pest und Cholera, Abenteurer und den Tripper. Auf den Strand von Hawaii — auch. Landräuber und Militärstrategen sprachen dort französisch, hier englisch.

König Mowanna und seine hübsche Königin arrangierten sich — arglos, naiv und unwissend. Ihr Paradies wurde annektiert: auf Französisch, kurz vor dem Erscheinen von Melvilles Typee Mitte des 19. Jahrhunderts. Die kluge Hawaiianerin wollte ein unabhängiges Paradies und Bildung für seine Kinder — kämpfend, mit politischer Diplomatie, ohnmächtig. Es wurde annektiert: auf Amerikanisch, kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert.

Des Typee-Autors marquesische Wildblume sprang einem Image als Popanz buchstäblich mit nacktem Hintern ins Gesicht — und schockierte einen Konteradmiral und eine Schiffsladung Matrosen. Die Blume von Hawaii wehrte sich königlich gegen das Popanz-Bild – und wurde von einem Bananen-Baron und seiner Truppe eingeschiffter Militärs gestürzt.

Die Marquesas sind bis heute französische Kolonie, deren Mutterland sich im Recht sieht für die Segnungen der Zivilisation, die es über sie gebracht hat. Hawaii ist seit dem 21. August 1959 der 50. Bundesstaat der USA, die sich 1993 mit der Apology Resolution bei den Hawaiianern für den Putsch von 1893 gegen deren Monarchie entschuldigten.

Die einstige Herrscherin über die Bucht und die Berge von Nuku Hiwa lebte ein Buch, das ein Amerikaner über sie, über einen Inselstamm in der Südsee und sie selbst, seine Fayaway schrieb. Die entthronte Herrscherin über die Eilande des Aloha State schrieb außer dem berühmten Aloha Oe noch ungefähr hundert andere Lieder — und ein Buch über Lili’uokalani und ihr Hawaii, 1898.

Wie ich schon sagte, sie haben eigentlich nichts miteinander gemein, die beiden Königinnen der Südsee, nicht wahr?

Queen Liliuokalani

Bilder: Liliuokalani of Hawaii: Wikimedia Commons;
Liliuokalani, Queen of Hawaii, full-length portrait, seated, outdoors, with dog, facing slightly left: The Library of Congress.
Leider nur sehr lückenhaft und schon gar nicht bildlich überliefert: Fayaway.

Written by Wolf

10. September 2009 at 12:01 am

Posted in Krähe Elke

Der Fluch des Albatros

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Vorläufige Stoffsammlung für
Kapitel 42: Die Weiße/Das Weiß des Wals (“I remember the very first albatross I ever saw” ppp.)
und Kapitel 52: Die Pequod trifft die Albatros/Die “Pequod” begegnet der “Albatros”,
in enger Verupdatung zu Barks’ Thierleben und Überall ist Entenhausen:

Der Entenhausener Bericht The Not-So-Ancient Mariner, empfangen und übermittelt durch Carl Barks, erschien deutsch als Der Fluch des Albatros (WDC 312) in TGDD 71, beide 1966. Heute am besten erreichbar in Die tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See, herausgegeben von Frank Schätzing (seufz!) im mareverlag, März 2006.

Der Gang der Handlung nach BarksBase:

Cover Walt Disney's Comics and Stories, The Not-So-Ancient MarinerDaisy hat beim Quiz der Wunderweiß-Waschmittel-Werke [Bluefog Blubber Company] eine Reise mit der »Korallen-Königin« [Fatsonia] gewonnen und fährt zusammen mit ihrer Tante Melitta [Aunt Drusilla] in die Südsee. Weil Gustav mit demselben Schiff fährt (er ist zur Beat-Weltkonferenz nach Samoa eingeladen), beteiligt auch Donald sich an dem Wunderweiß-Quiz. Er kann die letzten zwei Strophen aus dem Gedicht »Der Fluch des Albatros« [Ancient Mariner] und gewinnt ebenfalls eine Fahrt mit der »Korallen-Königin« — allerdings im Laderaum, wo er von Daisy nicht viel sieht. Er schleicht sich an Deck, wo er versehentlich einen Albatros abschießt — was letztendlich dazu führt, daß Donald über Bord geht. Die dadurch bewirkte Fahrtverzögerung hat zur Folge, daß Donald die Bordpreisfrage richtig beantwortet — und sich eine Kabine erster Klasse leisten kann.

Im Original wird die Ballade »The Rime of the Ancient Mariner« ([in der Fassung von] 1798) von Samuel Taylor Coleridge zitiert. CBVD enthält zusätzlich die Originalfassung.

Empfohlen werden ausdrücklich Gustave Dorés 1876er Illustrationen zu Coleridges Ballade. Aufallend an der deutschen Fassung ist der einleitende Satz: “Alle Seeleute glauben, daß es Unglück bringt, einen Albatros zu töten. Ob das wohl stimmt?”, der explizit vom Töten spricht, obwohl nach verbreiteten Fällen von Traumatisierung durch den Tod von Bambis Mutter der Tod aus allen Disney-Veröffentlichungen herausgehalten wird (einzelne Rückfälle, z.B. Mufasa in König der Löwen, 1994). Dieser, sofern es einer ist, Aberglaube stammt aus dem antiken Griechenland, wo der Albatros Poseidons Lieblingsvogel war.

Im deutschen Comic wird sichtbar, daß die Ballade aus dem Buch Seegedichte stammt, nach allem vernünftigen Dafürhalten ein fiktives Buch. Zumindest die letzte, geflügelte Strophe “Weh mir Frevler, dass ich schoss den Schicksalsvogel Albatros! Dreimal wehe, dass ich traf! Dafür trifft mich des Schicksals Straf’!” stammt eindeutig von der Hauptübersetzerin Dr. Erika Fuchs, der Rest ist wahrscheinlich ein Stück alte, anonyme Fan Fiction avant la lettre. Der Einfluss von Coleridge auf Barks ist heute als Parodie anerkannt: Die angeführte Strophe übersetzte Frau Fuchs aus dem Original bei Coleridge/Barks:

“God save thee, ancyent Marinere!
“From the fiends that plague thee thus—
Why look’st thou so ?’—With my cross-bow
I shot the Albatross.

Im Volltext nach der offiziellen Homepage der D.O.N.A.L.D.:

Der Fluch des Albatros

Gustave Doré, Ancient Mariner. I shot the albatrossSchaumgekrönte Wellen branden
gegen Kap Kanaster an.
Bald werd’ ich dort wieder landen,
wo dereinst mein Weg begann.

Wind frischt auf, und mit dem Brausen
fliegt mein Schiff in Richtung Watt.
Schon gewahr’ ich Entenhausen:
Heißgeliebte Heimatstadt!

Lichtbestreuter Hafen — endlich
fährt mein Kurs mich an den Kai.
Vor mir wird die Skyline kenntlich
— da erklingt von Luv ein Schrei.

Gellend klingt er, so als ginge
grad ein Topgast über Bord.
Mit dem nächsten Rettungsringe
eile ich zum Unfallort.

Doch das Meer liegt bleigegossen,
niemand aus der Mannschaft fehlt.
Über meinen Schreck verdrossen,
hab’ ich es dem Maat erzählt.

“Was Euch eben so verdroß,
das war der Ruf des Albatros.
Wehe dem, der ihn vernimmt:
Sein Schicksal ist vorausbestimmt.”

Kaum gehört, ist’s schon geschehen,
und das Unglück zieht herauf.
Vor mir türmen sich die Seen
bis auf Leuchtturmhöhe auf.

Wie ein Jux der Elemente
tanzt im Sund mein stolzes Schiff.
Backbord drohen Felsenwände,
steuerbord das Teufelsriff.

Da, die Durchfahrt! Und es schießt rein;
Gott hat uns den Weg gesucht.
Vor uns muß die Insel Kniest sein,
wir sind in der Gumpenbucht.

Still verdümpeln kleine Wellen,
denn der Sturm zog hier vorbei.
Doch wie tausende Tschinellen
hämmert wieder dieser Schrei.

Wer verdenkt mir meine Rage,
als ich seinen Ursprung such’?
Auf der höchsten Takelage
sitzt der Vogel wie ein Fluch.

The Not-So-Ancient Mariner, 1966, 1st pageUnd der Maat brüllt ängstlich: “Boss,
er ist zurück, der Albatros!
Zweimal wehe, wer ihn schaut.
Sein Leben ist auf Sand gebaut.”

Ich vergesse Ruh’ und Sitte
— dieser Vogel macht mich krank —
und betrete die Kajüte
mit des Käpt’ns Waffenschrank.

Knarrend öffnet sich die Türe
und ermöglicht mir die Wahl
aus dem glitzernden Spaliere
voller kaltem blauen Stahl.

Das Kaliber sei ein solches,
daß vom Opfer nichts mehr bleibt,
das die Federn dieses Strolches
bis zum Erdtrabanten treibt.

Gut gezielt: Ich expediere
durch der Waffe langen Lauf
diesem großen Unglückstiere
eine Ladung Blei hinauf.

Doch die brav getroffne Leiche
stürzt herab wie ein Geschoß.
Fragt mich nicht warum, ich weiche
ihm nicht aus, dem Albatros.

Weh mir Frevler, daß ich schoß
den Schicksalsvogel Albatros!
Dreimal wehe, daß ich traf!
Dafür trifft mich des Schicksals Straf’!

Bilder: BarksBase; Gustave Doré, 1876; I.N.D.U.C.K.S., 1966.

Written by Wolf

8. September 2009 at 12:01 am

Posted in Laderaum

München am Meer V: Yarrrrr, sog i!

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Update zu München am Meer IV: What I Heard about the Apple Barrel:

Piratenflagge weiß-blau, Orleansplatz Bayernmarkt

Moby-Dick™ ist zuständig für Wal-, nicht Wahlkampf, macht jedoch darauf aufmerksam, dass in der anstehenden Bundestagswahl eine Neuerung installiert wurde: eine wählbare Partei. Die Wahlbenachrichtigungen wurden versandt, Sie können seit Tagen Ihre Briefwahlunterlagen bestellen, es gibt keine Ausrede mehr. Und bevor Sie wieder verdrossen auf unseriöse Spaßparteien (F.D.P., CSU) ausweichen oder zu Hause Ihre Frau verprügeln:

Und: Nein, das ist möglicherweise keine fertig ausgebildete Regierungspartei. Das ist möglicherweise nicht mal eine voll einsatzfähige Oppositionspartei. Das ist aber eine politische Partei, von der man sich nicht von vornherein aus Gewohnheit rundumverarscht fühlen muss. Sie üben noch, und sie tun es anhand wichtiger Themen. Die Älteren unter uns erinnern sich, wie’s mal mit den Grünen war. Wenn schon in einer parlamentarischen Demokratie ein gewisses Ausmaß an Parteipolitik nicht zu vermeiden ist, dann doch bitte mit Leuten mit dem Herzen am richtigen Fleck. Endlich geht das mal. Übrigens ist die Zweitstimme die wichtige.

Das Bild ist vom Bayernmarkt am Orleansplatz in München — noch bis Sonntag, den 6. September, ist lustig. Beachten Sie Captain Ahabs Frau an der Ampel: Das linke Bein fehlt! (Vide From hell’s heart I stab at thee und Jürgens Ahabs Bein(e).)

Written by Wolf

4. September 2009 at 12:01 am

Posted in Fiddler's Green

Lieb, die Olle

with 8 comments

Update zu Walgesänge mit Begleitung:

Auf Myspace rumgurken ist was Feines. Ich hab dort fünfzigmal so viele Freunde wie im Facebook und kenn von keinem einzigen den Namen. Eine von ihnen will ein Matrosenmädchen sein, und nicht mal das stimmt. Sagt sie ja selber:

eigentlich bin ich gar kein richtiges matrosenmädchen. ne landratte bin ich. aber mein opa war matrose. deswegen darf ich mich auch so nennen, sagt der herr großpapa.

mein herz schlägt für wildes rumgeküsse, schmutzige schäferstündchen, mädchen und jungs mit eiern, ordinäres gefluche, old-school-tätowierereien, versoffene nächte, charles bukowski und heinz erhardt. und bier. und die schreiberei. die ist wichtig. die hab ich lieb, die olle.

und sonst… rock’n’roll.

ahoi.

Für solche herzlosen Gesellen allerlei Geschlechts, die davon noch nicht kaputt genug gegangen sind, bloggt sie (Obacht: Da sind schon mehrere Seiten aufgelaufen). Am Goethegeburtstag zum Beispiel sowas:

Matrosenmädchen ist ja gar nicht soKäthe war eine hübsche junge Dame. Alles andere als ein Fotomodell oder ein Mannequin, das wohl, aber mit so viel kleinen charmanten Makeln auf einem Haufen, dass man sie hinreißend finden musste. Ging gar nicht anders. Das süße Käthchen, das neben den hochgewachsenen Schönheiten aus dem Viertel viel zu kurz geraten wirkte, dessen Ohren ein bisschen zu weit abstanden, dessen Augen zu groß waren für das winzige Gesicht und das durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen „La Paloma“ pfeifen konnte. Aber das mit 15 schon so kokett war wie die übertrieben geschminkten Damen in der verruchten Bar „Zur roten Laterne“, in deren Fenstern des Nachts immer die roten Blinkeherzen so einladend leuchteten. Zu schade war Käthe sich selten, etepetete wie ihre Cousine, die feine Jette, wollte sie nie sein, das verabscheute sie, und so machte sie sich gern die Hände schmutzig, wenn alle anderen „Igittigitt!“ schrien. Und sie verschenkte ihr Herz, wann immer ihr danach war. Einmal schenkte sie es dem Bauernjungen Paul mit den roten Haaren, der ihr immer so sehnsüchtig nachglotzte, wenn sie auf dem Weg in die Stadt am Hof seines Vaters vorbei radelte. Paul war es schrecklich peinlich, dass stets ein Hauch Kuhscheiße und Hühnerfurz in der Luft lag, wenn er seiner Angebeteten begegnete. Aber Käthe küsste seine Bedenken einfach so weg. „Scheiß auf die Kuhkacke und die Eierdinger“, hauchte sie und sagte ihm dann, er habe die schönsten braunen Augen, die sie je gesehen habe. Das war nicht mal gelogen. Auch wenn sie dem schönen Heinz gestern noch etwas ähnliches gesagt hatte. Aber der hatte nun mal die schönsten grünen Augen, die Käthe je gesehen hatte.

Die Mädchen im Viertel zerrissen sich die Mäulchen über das Mädchen mit den Segelohren, das so anders war als sie. So unanständig und liederlich. Flittchen nannten sie sie manchmal und sahen sich dann verschämt um, ob sie auch ja niemand gehört hatte. Flittchen sagt man nicht laut.

Käthe wusste das, sie war ja nicht aus Dummsdorf, und eigentlich war es ihr egal. Aber da war gestern dieser Junge gewesen, der Neffe von Metzger Franz, ein Matrose, fast zu schön, um wahr zu sein, und er hatte sie so seltsam angesehen, als der Schlachter ihr ein Stück Fleischwurst geschenkt und dabei ihre Hand eine Sekunde zu lang festgehalten hatte. So, als wüsste er von all dem Gerede und ein bisschen so, als würde er sich vor ihr ekeln. Käthe hatte verlegen auf ihre Schuhspitzen gestarrt und sich geschämt. Dann hatte sie sich die Fleischwurst in den Mund gestopft und war davon gerannt. Geheult hatte sie nicht, nein, das war nicht ihr Metier, wie Mama immer sagte. Nein, das war es wirklich nicht und lieber hätte sie sich den großen Zeh abgehackt, als vor anderen Leuten salzige Suppe aus ihren Augen tropfen zu lassen. Aber durcheinander war sie. Nicht schön durcheinander, sondern dumm. Die Blicke des Matrosen hatten sie verunsichert. Zuerst. Jetzt machten sie sie wütend.

„Was bildet der sich eigentlich ein!“ schimpfte Käthe laut und stampfte mit beiden Füßen auf dem Boden auf. Dann schwang sie sich auf ihren grünen Drahtesel und sauste mit scharlachroter Rübe in die Stadt. Den Matrosen zur Rede stellen wollte sie, jawolljaja.

„Guten Tag, Herr Franz“, sagte sie mit fester Stimme, als sie die Metzgerei betrat.

„Guten Tag, Fräulein Käthe. Was kann ich für Sie tun?“ Der Metzger musterte Käthe unverhohlen, in seinen stumpfen Schweinsaugen blitzte es.

„Ich möchte bitte Ihren Neffen sprechen. Diesen Matrosen.“

„Soso. Jaaaaaaakob!“, schrie Herr Franz da. Seine Wangen glänzten rosig von Fett und Schweiß.

Wäh, dachte Käthe angeekelt. Wie konnte ich nur?

„Ja?“ Der schönste Kopf der Welt lugte hinter der Tür, die zur Schlachterei führte, hervor.

Und so wie man sie kennt, lässt sie einem das wieder stehen und warten bis in die Steinzeit, dass es weitergeht. Und weiter geht es dann doch nur mit katzengoldenem Satzgefunkel wie… aber nein, ich sag nix mehr, weil sie mir sonst nix mehr lesen bei ihr, wenn Sie das Beste schon kennen, reicht ja schon das da oben, complete and unabridged. Zu Ihrer Beruhigung kann ich aber sagen, dass sie in einzelnen Wörtern am besten ist, vielleicht sollte sie einfach mal eine Auflistung von tollen Wörtern hinschreiben, das geht ja schnell und kann sie gut, aber irgendwie würde doch auch was fehlen. Die Geschichte bestimmt.

Und die, ach Gottchen, sagen wir halt mal Philosophie dazu, oder wissen Sie ein besseres Wort dafür, sie weiß doch selber keins, weil sie gar keins braucht, die Philosophie, sagte ich, einer Schiffbrüchigen zwischen Tank Girl für die Generation 20plus, einer Amelia Earhart zu Wasser, wie sie vorm nächsten Verschallen in der Hafenkneipe mit einem damenhaft gedrechselten Glas voll Rum in der Faust eine neue Version ihrer Lebensgeschichte zum Besten gibt, und einer Poetry Slammerin, die zu viel Zeit im Bett verbringt, dafür einen Wortschatz hat.

Und Blut und Schleim und Dosensaft und Salzwasser. Ohne zu viel zu verraten. Klingt sowieso ekliger, als es bei ihrer Fingerfertigkeit dann unten rauskommt. Ist doch alles virtuell, das Flittchen macht doch nur Spaß. In transitivem wie intransitivem Sinne, ich hab sie durchschaut. Das Matrosigste an ihr sind nämlich die Segelohren, ätsch.

Matrosenmädchen. Home is nun mal where your heart is

Bilder: Matrosenmädchen, überaus privat, 2009.

Written by Wolf

1. September 2009 at 6:21 am

Posted in Wolfs Koje

O Mädchen mein Mädchen (10, 30, 50, 70, 250, 260)

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Update zu Entschluss, Amerikas Goethe zu werden
und The Sorrows of English-Speaking Goethe Fans
(und zu Lachen uns die Engländer mit ihrem großen praktischen Verstande aus und gewinnen die Welt auch irgendwie):

Es wird wohl 1999 gewesen sein: Die New Economy wusste noch nicht, dass ihre sprühende Energie ein letztes Aufbäumen war. Die florierende Softwareklitsche, in der ich als Drehbuchschreiber alt werden wollte, unternahm geschlossen einen Spontanausflug in den Englischen Garten, um die Sonnenfinsternis zu bewundern, und weil es eine Softwareklitsche war, nahm sie nicht mal den für Silvester angekündigten Y2K-“Virus” ernst. Fin de siècle war ein parodistischer Anklang an den letzten Jahrhundertwechsel; im schaulustigen Summen und Brummen des Englischen Gartens sprach mich zehn Minuten vor Eintritt der totalen Sonnenfinsternis ein durchaus ansehnliches Mädchen an, ob ich mit ihr hinter diesem Busch da drüben, wo sie einst ein prägendes Erlebnis hatte, noch einmal “Liebe machen” wollte, bevor wir alle tot seien, und ich schlug es aus. Den Menschen ging es ein letztes Mal gut.

Goethe, Mayfest, 1775, AusschnittDas hat Altvater Goethe sich zu seiner Zeit schon selbst ausrechnen können, dass am Ende des Jahrtausends sein 250. Geburtstag anstand: 1999 feierte man nebenbei auch noch Goethejahr. 2009 stelle ich weder fest, dass es irgend jemandem meiner Bekanntschaft auffallend “gut” ginge, noch dass der Buchhandel etwelche Saltos schlüge, um Goethen zum heutigen 260. zu gratulieren. Schlimm genug, dass die vollständige Coverage der Feierlichkeiten zu einem deutschen Nationalfeiertag von einem Freizeitblog kommen muss, der sich tunlicher mit dicken Fischen befassen sollte.

Etwas frischer in der Erinnerung auch der Jüngeren liegt das Mozartjahr 2006: Aus dem war auch schon im Sommer 2005 die Luft raus vor lauter Ankündigungen, wie toll alles wird, und Beteuerungen, wie zeitgemäß und mitreißend Mozart schon immer war. Und da entsinne ich mich einer Website, die Telephonklingeltöne aus Mozart-Themata zum kostenpflichtigen Download anbot; meine dadurch induzierte psychosomatische Akne klingt mittlerweile ab.

Dem Herrn Geheimrat, wie man vermuten darf, geht es gut, mit seinen 260 wahrscheinlich noch am besten von allen. Über Gedenktagen steht der drüber, allen voran über seinen eigenen. Eine Souveränität, die er mit fleißiger Vorsorge erreichen konnte: Als literarisches Debüt ein Bestseller, den man bis heute im Deutschunterricht kaputtquatschen oder wahlweise aus anderen als allein historischen Gründen lieb haben, den man sich kapitelweise telephonisch schicken lassen kann — was einen kategorialen Unterschied zu mozarteischen Klingeltönen darstellt! —, der jedenfalls zeitlos gültig geblieben ist und einen nie in Ruhe lassen wird — und im Spätwerk ein Pandämonium, das dem Sinn des Lebens ziemlich nahe kommt, so lässt sich in Frieden ruhen. Um den muss man sich also nicht verstärkt kümmern.

Wären wir zwanzig Jahre jünger, so segelten wir noch nach Nordamerika“, hat er 1819 der Aufzeichnung anheim gegeben, da war er 70. Mit 50, stellte er sich demnach vor, hätte er noch gern an der Besiedlung des Wilden Westens mitgewirkt.

Heute sind die Zeiten wieder danach, dass niemand von einigem Verstand einen Grund sieht, an seinem Geburtsort auszuharren, bis ihn die Sinn- oder die Wirtschaftskrise dahinrafft. Der amerikanische Westen ist erfolgreich besiedelt und riecht schon allenthalben nach Zusammenbruch, der Unterschied zu 1819 ist also: Weder mit 70 noch mit 50 wird jemand in Aufbruchsstimmung verfallen. Weil so eine Karriere heutzutage mit 30 gemacht ist.

Kamelopedia, Busenfreundin StrandkamelWeiter in der Rechnung: Junge Menschen werden heute unter dem Einfluss gehaltvoller Ernährung mit 10 Jahren geschlechtsreif, heiratsfähig im Sinne des Vermögens, eigene Nachkommschaft zu ernähren, werden sie mit 30 — einer psychologischen Altersschwelle, hinter der einem im Zug des gesellschaftlichen Lebens mit viel Glück vielleicht noch ein Stehplatz angeboten wird: In modernen Biographien klafft eine organisatorische Lücke von zwei Generationen.

Goethe erlebte, wie man, von der Bravo sozialisiert, sagen würde, “sein erstes Mal” mit 16 Jahren, was damals wie heute als statistisch normal und gesund angesehen wird. Und zwar mit einer drei Jahre Älteren, was als piquant angesehen wird, vor allem von beteiligten Personen um dieses Alter. Da war Goethe Jurastudent in Leipzig (was zusätzlich Naserümpfen über das herrschende Schulsystem aufwirft, in dem man kaum unter 18 sein Abi kriegt) und durfte immerhin theoretisch auf Erfüllung seiner naheliegenden Sehnsüchte hoffen. Und wie wir rückblickend wissen, ist aus beiden jungen Liebenden später noch was geworden.

Eine Definition von Normalität ist das statistische Mittel. Eine andere: das Wünschbare. Im Sinne der letzteren — gerechnet in Wertmaßstäben, die man nach diesem Vierteljahrtausend hinterfragen mag oder nicht — lebte Goethe bedeutend normaler als jeder rezente deutsche Michel, der einen Lebensunterhalt anstrebt und dazu noch unverschämt genug ist, nach einem Sexualleben in maßvollem Umfang zu schielen.

Nein, um Goethe, lebendig oder tot, muss man sich nicht sorgen. Danken wir ihm für seine durchwachsene Vorbildwirkung und wünschen wir das Glück uns selber, die wir es bitter brauchen können. Näheres dazu im Link der Woche, dem erfreulich breiten und tiefen Goethezeitportal der Münchner Uni.

Zur Fortführung einer angemessenen Goethe-Rezeption ergeht erneut die Frage von letztem Jahr: Was sind eigentlich die maßgeblichen englischen Übersetzungen und erreichbaren Ausgaben des Werther in den Fassungen von 1774 und vor allem 1787, was nicht mal der Metafilter so genau wusste?

O Mädchen mein Mädchen: Richard Tauber 1929 via Franz Lehár: Friederike, 1928 richtet sich schon an Goethes Zweite, 1770, diesmal eine drei Jahre Jüngere, der alte Feinschmecker.

O Mädchen Mädchen: Johann Wolfgang Goethe: Mayfest, 1775 (Ausschnitt);
Busenfreundin Schönkopf: Nu anonyme, 19. Jahrhundert, via Kamelopedia.

(Trivialwissen über junge Leute: Adolf Dallapozzas Enkelin heißt auf Youtube DistreSSedGirL und ist stolz auf ihren Opa.)

Written by Wolf

28. August 2009 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #32

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Song: Andrea Corr: Caroline and Her Young Sailor Bold (3:58 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.

Official website Andrea Corr;
songs playlist.

Buy CD in Germany and elsewhere.

Image: Kissing Sailor, Life Magazine, New York Times Square, August 14, 1945:
Old sailor bold Glenn Edward McDuffie has been found at last! — and immediately spoofed.

Lyrics:

1. There lived a rich nobleman’s daughter
Caroline is her name we are told.
One day from her drawing-room window
she admired a young sailor bold.

2. “Oh”, she cried, “I’m a nobleman’s daughter,
my income’s five thousand in gold.
I’ll forsake both my father and mother
and I’ll marry a young sailor bold.”

3. Says William, “Fair lady, remember
your parents you are bound to mind.
In sailors there are no dependence
for they leave their true lovers behind.”

4. And she says, “There’s no one could prevent me
one moment to alter my mind.
In the ships I’ll be off with my true love
and he never will leave me behind.”

5. Three years and a half on the ocean
and she always proved loyal and true,
her duty she did like a sailor
dressed up in her jacket of blue.

6. When at last they arrived back in England
straightaway to her father she went.
“Oh father, dear father, forgive me,
deprive me forever of gold.
Just grant me one favour I ask you
to marry a young sailor bold.”

7. Her father looked up on young William
in love and in sweet unity:
“And if I be spared ’til tomorrow,
it’s married this couple shall be.”

Explanatory liner notes by ANTI-:

A 19th century Irish folk ballad, probably first recorded by Joe Heaney in the early 1960s. This is the classic story of a young woman in love with a sailor who follows him to sea, dressed as a man. The unusual twist is that it all ends so happily.

Written by Wolf

27. August 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Die letzte Woge bricht (Brööörrr)

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Update zu Ja, wie gesagt, sie war ja noch so jung:

Original und Fälschung (um 1818).

Alle Bildrechte: Sven “Daily Ivy” Knoch: Kreidebleich auf Rügen, 20. Februar 2009 —
dem 6. Todestag von Ulrich Roski. All things by immortal power pp.

Written by Wolf

22. August 2009 at 12:02 am

Posted in Laderaum

Weite Welt

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Update zu If you accept the pain, it cannot hurt you:

0. Links die Bäume, rechts die Bäume,
und dazwischen Zwischenräume.

1. Links die Wände, rechts die Wände,
und dazwischen Gegenstände.

2. Links die Berge, rechts die Berge,
und dazwischen Gartenzwerge.

3. Links die Schaufel, rechts der Besen,
zwischen Borsten Lebewesen.

4. Salzbergwerke, Kernkraftwerke,
Schutzanzüge, Fichtensärge.

5. Links die Kleider, rechts die Leiber,
Modehighlights, nackte Weiber.

6. Arbeitsmarkt, Zuckerbrot, Peitsche,
Regenwetter, doofe Deutsche.

7. Bananen, Mangos, Kokosnüsse,
Planung, Konsulat, Beschlüsse.

8. Pass verlängern, Seemannskleidung,
und dazwischen Ehescheidung.

9. Links die Poller, rechts die Poller,
Hafenkneipe, Kaffeekoller.

10. Kein Putzlumpen, keine Lüftung,
Raucherlunge, Schnapsvergiftung.

11. Oben Captain, unten Deppen,
Karren karren, Säcke schleppen.

12. Links die Segler, rechts die Segler,
Cockpit voller Schieberegler.

13. Links die Masten, rechts die Masten,
die kaum noch aufs Kielschwein passten.

14. Backbord See, steuerbord Hafen,
und dazwischen Inselaffen.

15. Links die Inseln, rechts die Inseln,
vollgestellt mit Palmenpinseln.

16. Links die Boote, rechts die Boote,
Svalbård—Bornholm—Lanzarote.

17. Links die Yachtern, rechts die Frachtern,
Horizont von vorn bis achtern.

18. Kalfatern, spleißen, reffen, steuern,
Lee über die Reling reihern.

19. Links das Wasser, rechts die Sandbank —
Anlegemanöver, Landgang.

Gar nicht mal so schlechte Neufassung von Wreckless Eric 1978:
The Proclaimers: Whole Wide World, aus: Life With You, 2007.

Written by Wolf

20. August 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck

Heimkehr

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Christina Dichterliebchen dreht zu Mariä Himmelfahrt poetisch die sachliche, aber linktechnisch unrettbar verrottete Ulrike von Ungefähr zum Licht:

Donna Ricci als Christina DichterliebchenDie Tiere vermehrt, die Pflanzen gefährdet.
Vieles ist besser, nichts gut.
Urlaub wird überbewertet:
Man sollte gern tun, was man tut.

Soundtrack: 17 Hippies: Frau von ungefähr, aus: Ifni, 2004.

Geldstock Arthur mit Ableger

Geldstöckchen: Arthur und Ableger haben Sehnsucht, August 2009.

Written by Wolf

15. August 2009 at 12:01 am

Posted in Galionsfigur

Gewinnspielauflösung August

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Update zu Buch im Blut:

Elke entwächst den Buchstaben und filmschafft uns alle into oblivion:

Statt Oscar: 1. Platz im August-Gewinnspiel. Glückwunsch! — Und als Preis? Barnes: Stachelschwein, Nöstlinger: Gurkenkönig, King: Carrie oder Rosendorfer: Ruinenbaumeister?

Bild, Text, Konzept, Idee, Script, Lektorat, Grafik, Idee, Recherche, Kreation, Programmierung, Webmistress, Ringmistress, Illustration, Layout, Design, Typografie, Marketing, Vertrieb, Human Resources, Seitenpflege, Markenpflege, Kundenpflege, Art Buying, Art Direction, Creative Direction, Kontakt, Public Relations, Übersetzung, Content Management, Customer Relation Management, Moderation, Trost & Rat, Bühnenbild, Beleuchtung, Kulissenschieben, 1. + 2. Geige, Streicherensemble, Holz- + Blechbläser, Blechtrommel, Maultrommel, Klavier, Lead- + Rhythmusgitarre, Leading Vocals, Bass, Schlagzeug, Mundharmonika, Kamera, Soundtrack, Gaffer, Best Boy, Key Grip, Regie, Produktion, Casting, Catering, Peitsche, Zuckerbrot, Koch- und Backrezepte, Inbrunst, Hingabe, Zärtlichkeit, Freizeit, Blut, Schweiß, Tränen und Copyright: Elke the Hochhaushex.

Written by Wolf

10. August 2009 at 12:01 am

Posted in Kommandobrücke

Lang ist die Eisenbahnfahrt, kurz ein Leben

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Update zu Denn das Herz ist durstiger als Kehle:

Es ist nicht wichtig, was wer wem verleidet.
Es ist kleindumm, wenn jemand bös beneidet.

Es ist beneidenswert, was jemand heimlich leidet.

Wir alle leben so gern im Bequemen.
Was du je grübeltest und schriest und sangst — —

Es scheint mir gut, wenn du beim Abschiednehmen
Statt um dich selbst um einige Freunde bangst.

Letzte Abfahrt aus München, Gedichte dreier Jahre, 1932.

Joachim Ringelnatz hat inzwischen lange genug mit mir zu schaffen, dass die Leute, die mich gefragt haben, wie lange Joachim Ringelnatz denn schon mit mir zu schaffen hat, gestorben sind und volljährige Kinder hätten, wenn sie im Kindsbett gestorben wären (ein krauser Vergleich, der schon seinen Sinn hat, glauben Sie mir).

Ich hätte nicht damit gerechnet, dass mir immer noch neue Lieblingsgedichte von ihm auffallen könnten; Schiff 1931 ist mir weitgehend entgangen. Doch ganz praktisch, wenn die Seitenaufteilung der wechselnden Gesamtausgaben gelegentlich umgeschichtet wird: Die Hälfte des noch letztes Jahr empfohlenen Doppelpacks gibt’s heute als Taschenbuch.

Schiff 1931

Wir haben keinen günstigen Wind.
Indem wir die Richtung verlieren,
Wissen wir doch, wo wir sind.
Aber wir frieren.

Und die darüber erhaben sind,
Die sollten nicht allzuviel lachen.
Denn sie werden nicht lachen, wenn sie blind
Eines Morgens erwachen.

Das Schiff, auf dem ich heute bin,
Treibt jetzt in die uferlose,
In die offene See. — Fragt ihr: „Wohin?“
Ich bin nur ein Matrose.

Gedichte dreier Jahre, 1932. Seinem bewährten Hamburger Freunde Muckelmann (Carl M.H. Wilkens)

Dieses schulterzuckende “Ich bin bin nur ein Matrose” findet man oft — vielleicht sogar in sich selber. Bedauern kann erleichtern. Den Besten mag nicht alles vollends wurschtegal sein, helfen können sie trotzdem nicht, und dann halt hey.

Menschen, denen ich das geschenkt hab, kennen mich heute schon gar nicht mehr, der Inhalt ist immer noch der gleiche wie in den antiken Henssel-Backsteinen. Schön, wenn man im Leben doch ein paar Konstanten behält.

Noch einer zum Mitrechnen: Letztes Jahr um diese Zeit ist Ringelnatz 125 geworden, an ein großes Bohei darum erinnere ich mich nicht; deshalb wird er am 17. November seinen 75. Todestag feiern. Oder wir. Oder ach, Sie wissen schon. Alles Gute, Ringel.

Cover Joachim Ringelnatz, Sämtliche Gedichte, Diogenes

Weil man dem Buchhandel ja alles selber wegfeiern muss:

Gewinnspiel

noch bis Sonntag!

Bild: Na, wo wird’s schon her sein.

Written by Wolf

7. August 2009 at 12:01 am

Posted in Moses Wolf

München am Meer IV: What I Heard about the Apple Barrel

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Update zu München am Meer III: Der größte Buchladen Deutschlands:

We had some heavy weather, which only proved the qualities of the Hispaniola. Every man on board seemed well content, and they must have been hard to please if they had been otherwise, for it is my belief there was never a ship’s company so spoiled since Noah put to sea. Double grog was going on the least excuse; there was duff on odd days, as, for instance, if the squire heard it was any man’s birthday, and always a barrel of apples standing broached in the waist for anyone to help himself that had a fancy.

“Never knew good come of it yet,” the captain said to Dr. Livesey. “Spoil fok’s’le hands, make devils. That’s my belief.”

But good did come of the apple barrel, as you shall hear, for if it had not been for that, we should have had no note of warning and might all have perished by the hand of treachery.

Robert Louis Stevenson: Treasure Island, Chapter 10: The Voyage, 1883.

Apfeltonne. Ernte 2009, Klaräpfel für Apfelstrudel/Apfelmus o.ä., bitte mitnehmen zu verarbeiten, Irene 4. Stock, 6. August 2009

Ernte 2009, Klaräpfel für Apfelstrudel/Apfelmus o.ä.: Irene aus dem 4. Stock, 6. August 2009;
Robert Louis Stevenson recommended online version: Edited with an introduction and notes by Franklin T. Baker, A.M., Professor of English in Teachers College, Columbia University, New York, Charles E. Merrill Co., Copyright 1909.

Written by Wolf

6. August 2009 at 7:07 am

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Perliana

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Hille Perl die Waldfee, Uwe Arens, Sony MusicHille Perl sieht mich. Mich als erstes, als die Fahrstuhltür aufgeht, beim Kramen in CDs, ein Zeichen, aber wofür bloß. Sie tritt mit Los Otros und dem Stockwerkleiter instrumentenbeladen heraus und verteilt sich ums Podium.

Die größte Kaufhausabteilung für klassische Musik Deutschlands, die beim Beck am Rathauseck, macht Matinee. Ihre erste, weil Hille Perl mit ihren beiden Jungs gestern ein richtiges Konzert hatte und heute Abend schon weiter muss. Hab ich heute früh in der Zeitung gelesen: Ui, Hille Perl. Sofort hin. Von der Großmeisterin der Viola da Gamba und Professorin für Gambeninstrumente an der Hochschule für Künste Bremen hab ich eine CD mit abseitigen Bach-Konzerten, solo. Dafür, dass es Bach ist, macht die wirklich Spaß.

Hille Perl soll wohl gothic aussehen und wirkt wie die blühende Lebenslust. Sie ist schön wie Schneewittchen und sympathisch wie deine erste Liebe. Offener, klarer Blick, den sie mit jedem im spärlichen Publikum — zwei Sitzreihen sind nicht voll geworden — einmal wechselt, ansteckendes Lächeln. Sie erinnert sehr an eine Katze, eine schwarz-weiße, in Bewegungen und Färbung. Kurzes Röckchen mit hochraffinierten Netzstrumpfhosen, gehobenes Wolford. Los Otros, ihre Unterstützung Lee Santana (nicht verwandt) und Steve Player, sind schrullige Musiknerds. Schon beim Aufbauen der Instrumente ein eingespieltes Team, Frau Perl stimmt ihre Gambe noch vor dem Herausnehmen, im Kasten, an den Feuermelderkasten gelehnt. Das wird einen Sinn haben, irgendwas mit Resonanzkörper und Raumklang. Eine Combo, die bestimmt etwas aus dem macht, was sie vorzutragen gedenkt.

Ansage: Der Stockwerkleiter braucht ein Mikro, Frau Perl spricht ihre launigen, fachkundigen Worte unverstärkt, ihre Stimme trägt, einnehmend freundlich und unprätenziös. Himmel, die Dame ist als Professorin, Großmutter und Fee eine gleich dreifache Respektsperson, dabei möchte man jeden Moment hinaufrufen, ob sie hinterher auf ein Eis mitkommt. Wetten, dass sie Vanille mag?

Es gibt Auschnitte aus ihrer neuen CD Kapsbergiana, eine Sammlung aus einem Jahrzehnte lang verschollenen Notenbuch von einem gewissen Johann Hieronymus, vulgo Giovanni Geronimo Kapsberger, das kürzlich in der Universitätsbibliothek von Yale wieder entdeckt wurde: Libro terzo d’intavolatura di chitarrone. Das sieht Frau Perl ähnlich, dass sie sich auf sowas stürzt. Zum hundertelfzigsten Mal die Vier Jahreszeiten einfiedeln mögen derweil die Powermiezen, die als Mitnahmeartikel neben der Kasse liegen.

Eine Mutter hat zwei sehr kleine Mädchen mitgebracht und lagert sich mit ihnen neben den Sitzreihen an den Heizkörper. Frau Perl winkt ihr jüngstes Publikum zu sich und fragt sie aus, ob sie denn auch ein Instrument spielen. Es entsteht die paradoxe und doch sehr passende Situation, dass Frau Perl sich auf Augenhöhe mit kleinen Mädchen kauert und dabei auf ihrem Podest stehen bleibt. Die Mädchen wollen mal Geige lernen, worüber Frau Perl sich glaubwürdig freut.

Dann nimmt sie zwischen ihren Otros Platz. Blickewechsel, Sammeln, Ernstwerden. Der erste Bogenstrich summt durch die Abteilung, dass die CDs in den Ständern aneinander vibrieren. Lerninhalt des Vormittags: Die Wannenklampfen mit den irrsinnig überlangen Hälsen heißen schon nicht mehr Lauten, sondern Theorben. Und klingen unerwartet lustig: zwei verschiedene Sätze Saiten, bestimmt eine Oktave auseinander, die sich schon auf einem einzelnen Instrument gegenseitig ins Wort fallen und klimpern und hüpfen und brummen für zwei. Frau Perls Gambe hat keinen Ständer, sie muss ihn auf ihren Stiefelschäften lagern; leider obliegt sie der Unsitte, beim Musizieren die Augen zu schließen, was schon vor Nick Hornby verboten war. Das darf nur sie.

Das ist jetzt nicht wahr, dass diese Musik von 1626 ist, oder? Das wäre jedenfalls vor der Erfindung der Polyphonie, und das schnurrt und singt und quasselt durcheinander und überrascht an allen Ecken und Enden, und davon hat es viele. Kapsberger ein früher Bach, gar Mozart, ja Bob Dylan? Nein, aber auf dem CD-Cover steht, sie haben es los otrofiziert. Gute Arbeit anscheinend.

Sie wissen offensichtlich nicht im Voraus, was sie alles spielen werden, immer wieder sprechen sie sich ab, auch während der Stücke, wenn der Dritte ein Solo drischt — man darf es getrost mit modernen Ausdrücken belegen. Das Programm sitzt noch nicht blind, aber sie verstehen sich, und wozu hat Frau Perl den besten Ruf für Improvisation. Zwinkert sie zwischendurch immer wieder den kleinen Mädchen am Heizkörper mit den kugelrunden Augen und den aufgesperrten Mündern zu oder ist das mein Wunschdenken?

So altmodisch bin ich aber dann doch, um verpasst zu haben, dass Autogrammstunden jetzt Signing heißen. Meet & Greet ist dann für U-Musiker? Das Ende war zu schnell, ist aber organisch gewachsen, man vermisst nichts, muss nicht nach Zugaben grölen, es ist wie es ist und es ist gut. Ich stelle mich hinten an das Signing, wo sich alle drei Otros um einen Stehtisch ringen und Audienz halten, und überlege eine Ausrede, warum ich ihnen keine CD abkaufen werde — und zwar eine, die nicht lautet: “weil ich die für fünf Euro und nicht für die achtzehn neunzig, die der Beck für einen Aktionspreis hält, aus dem Amazonramsch raushol”, ich Notnickel. Vielmehr lausche ich, was Frau Perl mit ihren Verehrern zu bereden hat, man versteht sie weit. Sie lacht fröhlich, stellt ehrlich interessierte Fragen, hört zu, antwortet angemessen. Darf ich die mitnehmen?

Ich hab mein blanko Reinschrift-Moleskine dabei, das trifft sich gut. Mal sehen, ob Frau Perl sich mit anderen Kunstformen außer Musik auskennt. Das nehme ich mir vor, weil ich es ihr zutraue, nicht etwa, um sie reinrasseln zu lassen. Die Seite nach dem Ahab-Cartoon ist dran. Den Wunsch, dass sie darin blättere, verdränge ich, bevor er richtig aufkommt, denn Eitelkeit ist Todsünde. Frau Perl ruft gerade nach hinten einer Bekannten zu, dass sie gerade noch die Tourdaten in ihren Computer reinschreiben konnte — “dann is er gestorben!”

“Kannst du mir was zeichnen?”

Himmel, ich habe Hille Perl geduzt. Ich komme in die Hölle. Kaum winkt von fern eine Ahnung von Internet in einem Subtext, schon duzt sich’s wie von selbst.

Frau Perl lacht hell auf. “Zeichnen is ganz schlecht bei mir”, sagt sie. “Aber er hier hat Kunst studiert” und schiebt mein Moleskine ihrem Nachbarn zu. “You studied arts”, sagt sie zu ihm, “you draw him a picture.”

“I knew it”, mault er und füllt mit Grandezza den größten Teil der Seite mit einer vierbeinigen Spirale. “It’s a Kapsberger”, erklärt er dazu und schiebt das Buch weiter. Alle kritzeln was, Frau Perl zuletzt, sie schiebt das Buch in eine zweite Runde, sie balgen sich darum wie die jungen Hunde, die Seite wird ein Kunstwerk. Frau Perl schiebt es mir in die Finger:

“Schön so?” Es ist eine echte Frage.

“Klasse”, sag ich. Wenigstens Anfassen verkneife ich mir.

“Alles Gute!” nickt mir Frau Perl zu, kaum bekomme ich mein Buch verstaut.

“Danke für eure Arbeit”, sag ich, und vorsichtshalber: “Keep the good work up.” Das sagt man doch so, oder?

Das hat der Beck strategisch gut ausgedacht, dass man erst mit Frau Perl sprechen und dann an dem Tisch mit ihren neun CDs vorbei muss. Auf der Aguirre geht es um historische mexikanische Freiheitskämpfer mit girrenden Lauten und gurrenden Celli. Soll gut sein.

Autogramm Los Otros, Samstag, 1. August 2009

~~~|~~~~~~~|~~~

Bilder: Hille Perl by Uwe Arens/Sony Music;
Autogramm.
An ihren Videos muss noch üben: Hille Perl: Johann Sebastian Bach: Cello-Suite BWV 1011, Sarabande.

Written by Wolf

4. August 2009 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Augustgewinnspiel: Happy 190th, Herman!

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Update zu Happy 189th, Herman!:

Herman Melville hat uns so viel geschenkt.

Heute wird er 190.

Schenken wir ihm was.

Was kann einer, der rein technisch-rechnerisch nichts mehr braucht, brauchen? Lassen Sie sich was einfallen! Die nächsten Weihnachten liegen näher als die letzten, da können Sie diese empathische Fertigkeit schon wieder einüben.

  • Ein Gedicht?
  • Eine hübsch gestaltete Geburtstagskarte?
  • Ein Seemannslied?
  • Den dramatischen Versuch, den er in seinem monumentalen Gesamtwerk nie selber schrieb?
  • Eine lässliche Sachbeschädigung in Form Ihres Lieblingssatzes von ihm, mit Edding auf eine Kneipentoilette?
  • Eine Runde Schiffchenbauen, Weidenpfeifchenschnitzen, Bleistiftkritzeln, Musikmachen, Singen, Vorlesen und/oder Land Art an See, Wald und Flur mit dem eigenen Kinde als späten Trost für seinen erst abwesenden, dann versagenden Vater?
  • Eine Runde ganz doll Liebhaben mit einem significant other als spätes Vorbild, dass es wenig hilfreich fürs Lebensglück ist, wenn man seine Frau besoffen die Treppe runterschubst?
  • Ein paar Stunden Arbeit für einen sozialen Zweck als späte Anerkennung für seine zwanzig Jahre im ungeliebten Zolldienst?
  • Eine Spende an die AIDS-Hilfe als Unterstützung für ungelebte wie geoutete Schwule?
  • Johoho, und ne Buddel voll Rum?

Suchen oder denken Sie sich etwas aus, schenken Sie es ihm und erzählen Sie im Kommentar davon — was es ist, warum es ihn freuen wird und wie Sie es überreichen (der Vorteil ist: Der Mann ist tot und sieht, hört und riecht jetzt alles). Die großartigsten Ideen und Umsetzungen gewinnen ein schönes Buch, das ich übrig hab oder ohne mir einen Arm auszukugeln beschaffen kann, oder eine gebrannte CD (privat und legal). Es gibt so viele Preise, wie Sie Begeisterungsschübe bei mir auslösen. Immerhin nullt Herman Melville, da lass ich mich nicht lumpen. Sie dürfen an Ihrem Preis mitwünschen, ich streng mich auch an.

Dergleichen darf man nicht verschleppen: Zumindest die Idee sollten Herr Melville und meine bescheidene, lediglich vermittelnde Person bis Sonntag, den 9. August 2009 um Mitternacht kennen. Ans Werk.

Stadtgründungsfest München 2009, Liebst du

Bild: Liebst du?, Bayerisches Nationaltheater München;
Link siehe auch Walking Tour.

Written by Wolf

1. August 2009 at 12:01 am

Posted in Kommandobrücke

Das Ende des Pützpatzers

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Update zu 8 oder 9 oder 80 oder 90 Eimer und 2 E-Mails.

La Petite Twinkie, Concentrate, 20. April 2008Jürgen sagt:

Was mich daran erinnert, dass die Rathjen-Übersetzung im Juli ja im Taschenbuch kommt – und dann als kostenloses Lese-Exemplar auch ins Haus Wolf geliefert werden soll. Jedenfalls hat mir das die Dame vom Fischer-Verlag zugesagt… (Und ich hab’ ihr im Gegenzug eine Besprechung auf Moby-Dick™ zugesagt…)

Und Wolf darauf:

Ich krieg ein Leseexemplar? Hui, wow, wie find ich denn das… Fortgeschritten klasse find ich das ja. Besprechung zugesagt heißt, dass du sie schreibst? .ò)

Dieser Tage erfuhr auch ich durch eine ebenso überraschende wie überraschend gewichtige Post, mit welchem Wort ich ausnahmsweise Post meine, dass Jürgen schon am 28. Februar an Frau Ursula Kracht vom Fischer Verlag gemailt hat:

Hallo Frau Kracht,

mein Name ist Jürgen [Jessebird], ich arbeite in der Buchhandlung [Dings] in [Bums]. Mit großer Freude habe ich gesehen, dass Fischer im Sommer in seiner wunderschönen Klassiker-Reihe endlich auch den “Moby-Dick” bringt, noch dazu in der besten aller Übersetzungen: der von Friedhelm Rathjen. Ich habe Herrn [Buchhandelsvertreter] hoffentlich lange genug bearbeitet, so dass er wenigstens ein oder zwei Exemplare vorbestellt hat…?

Und dazu habe ich folgende Idee: Ich schreibe mit an einem Web-Projekt namens “Moby-Dick™” (unter ismaels.wordpress.com). Da lesen ein paar seltsame Gestalten den “Moby-Dick” und schreiben darüber. Wenn Sie eine bestimmt originelle Online-Besprechung der Fischer-Ausgabe haben möchten, dann senden Sie doch unserem Webmaster, Wolf Gräbel, eine Lese-Exemplar!

[Lieferadresse für wohlwollende Zuwendungen]

Der würde sich bestimmt freuen und seiner Freude auch Luft machen! Und dann könnte ich auch herausfinden, ob der “Pützpatzer”, der in der Ausgabe von Zweitausendeins drinsteckt, in dieser Ausgabe “behoben” ist… (Details unter http://planet9.wordpress.com/2008/01/10/moby-dick-ubersetzung-die-losung)

Schöne Grüße aus [Bums]!

[Unterschrift und Adresse für noch mehr wohlwollende Zuwendungen]

“Da lesen ein paar seltsame Gestalten den ‘Moby-Dick’ und schreiben darüber.” Herrschaften, was hab ich schon daran herumformuliert, wer hier eigentlich was tut, und so einfach wär’s gewesen. Die großen Wahrheiten sind ja immer die ganz einfachen (E=mc²). Also sagen wir es so schlicht wie möglich:

Das Leseexemplar ist da. Danke, Frau Kracht (verwandt?); danke, Jürgen!

Und das Spannendste: Der erwähnte Pützpatzer (cit. Rathjen/Jessebird, 2008) ist tatsächlich behoben. Es heißt jetzt in Kapitel 78: Zisterne und Pützen:

Ob’s nun so war, daß Tashtego, jener wilde Indianer, so unachtsam und leichtsinnig gewesen, für einen Augenblick seinen einhändigen Halt an den großen vertäuten Taljen, die den Kopf hielten, fahrenzulassen; oder ob der Platz, wo er stand, so trügerisch und schlickig; oder ob der Leibhaftige persönlich es gewollt, daß es so ausfalle, ohne seine besonderen Gründe dafür anzugeben; wie’s genau geschah, das läßt sich nicht mehr sagen; doch ganz urplötzlich, als die achtzigste oder neunzigste Pütz schlürfend hochkam — mein Gott! der arme Tashtego — der stürzte wie der entsprechend gegenläufige Zwillingseimer bei einem richtigen Brunnen kopfüber in dieses große Heidelburgher Faß hinunter und entschwand mit einem fürchterlichen öligen Gurgeln spurlos allen Blicken!

So steht

Whether it was that Tashtego, that wild Indian, was so heedless and reckless as to let go for a moment his one-handed hold on the great cabled tackles suspending the head; or whether the place where he stood was so treacherous and oozy; or whether the Evil One himself would have it to fall out so, without stating his particular reasons; how it was exactly, there is no telling now; but, on a sudden, as the eightieth or ninetieth bucket came suckingly up—my God! poor Tashtego—like the twin reciprocating bucket in a veritable well, dropped head-foremost down into this great Tun of Heidelburgh, and with a horrible oily gurgling, went clean out of sight!

Indigo Vapour, Cosy Sarah, 11. Februar 2007korrekt übersetzt in der neuen Ausgabe von Moby-Dick bei Fischer Klassik in der Übersetzung von Friedhelm Rathjen, Juli 2009, auf Seite 508. In den Hardcovers bei Zweitausendeins und mare stand noch auf Seite 484: “die achte oder neunte Pütz”. Das ist ein Übersetzungsfehler in einem minder schweren Fall (das “Heidelburgher Faß” hingegen ist keiner, vielmehr ein angemessen übertragener Melvillismus), der Herrn Rathjen nur unterlaufen konnte, weil er seine Übersetzungen unerschrocken gleich zweimal schreibt: das erste Mal von Hand; und da in einer reichlich doktoralen Handschrift. Jürgen hat’s gemerkt, Rathjen hat’s eingeräumt, ein Lektor bei Fischer hat’s verbessert. Sag noch einer, Weblogs hätten keine Macht.

Das Fischer-Taschenbuch enthält naturgemäß den gleichen Text wie das mare-Hardcover, das uns als Rathjen-Referenz maßgeblich bleiben soll. Denn das Taschenbuch enthält nicht: die bei mare zugehörige vollständige Einlesung von Christian Brückner, was auch denkbar unverschämt zu verlangen wäre — vor allem aber enthält es nicht die Illustrationen von Rockwell Kent. Bei fortschreitendem Lesen gewinnt die Übersetzung von Rathjen immer mehr gegenüber der von Matthias Jendis, die “nur” eine tiefgreifende Bearbeitung der Rathjenschen ist. Das bedeutet vor allem: Hardcover und Taschenbuch sind nicht seitengleich, was das Zitieren nicht gerade vereinfacht.

Die Verdienste der mare-Ausgabe sind ja ebendiese Brückner-Einlesung, nach der man unfehlbar noch lange diese verwegene, sensibel kratzige, blitzsauber dosierte Seebärenstimme mithören wird, und ebendiese Rockwell-Illustrationen, bei denen man ganz überrascht ist zu erfahren, dass sie darin erstmals in einer deutschen Moby-Dick-Ausgabe versammelt sind. Das Fischer-Taschenbuch behält bei: viele — nicht alle — begleitenden historischen Primärtexte aus dem Anhang von mare. Im einzelnen:

  • Owen Chase: Bericht vom Schiffbruch des Walfängers Essex;
  • Herman Melville: Notizen zum Bericht von Owen Chase;
  • Jeremiah Reynolds: Mocha Dick; oder der Weiße Wal des Pazifiks;
  • Herman Melville: Skizzen einer Walreise.

Immerhin: Der Mocha Dick von Jeremiah Reynolds gilt immer noch als wunder was für eine Rarität, dabei steht er seit Jahren leicht greifbar ungekürzt übersetzt bei Hugendubel rum, dank Herrn Rathjen und Kollaborateuren — allen voran Norbert Wehr; jetzt sogar als Taschenbuch, es gibt also keine Ausrede mehr. Das alles und noch mehr wurde 2001 von Rathjen für die Originalausgabe bei Zweitausendeins übersetzt. Ferner den gerade für Fachkollegen rasend interessanten Übersetzerbericht vom selben — dann noch Melvilles tabellarischen Lebenslauf, unterschiedlich von dem in der Auswahlausgabe bei Hanser und nicht in den Hardcover-Vorgängern — sowie, ebenfalls nicht in denselben und wie in den Fischer-Klassik-Ausgaben üblich, den Artikel zu Moby-Dick aus Kindlers Literaturlexikon, 3., völlig neu bearbeitete Auflage 2009 — übrigens von Klaus Ensslen und Daniel Göske, dem Herausgeber der Jendisschen Konkurrenzübersetzung bei Hanser.

La Petite Twinkie, Tick-tock, 12. März 2009Faustregel für Buchhändler-Azubis: Hanser-Hardcovers werden btb-Taschenbücher, mare-Hardcovers werden Fischer-Taschenbücher. So auch bei den beiden konkurrierenden Moby-Dick. Der Vorteil an Hanser-btb-Lizenzen: Sie bleiben seitengleich. Das bleiben die mare-Fischer-Migrationen normalerweise auch, nur hier hat’s weder für die Rockwell-Illus noch den Rest des Anhangs gereicht. Schade, das ist ein Verlust. Gerade der Rathjen taugt jedoch, so ohne die teilweise diskutierwürdigen Verbesserungen von Jendis, als Schnellvergleich, was bei Melville wirklich steht. Und dazu ist das Taschenbuch wirklich gut: als Arbeitsgerät. Auch wenn ich weiterhin so frei sein werde, mein feudales mare-Hardcover mit Bleistiftgeschmier zu verunzieren, kommt es bei dem Fischer nicht so drauf an. Rathjen und Jendis bleiben weiter Kopf an Kopf mit eher graduellen als kategorialen Qualitätsunterschieden, als K.o.-Argument zugunsten Rathjen bleibt bestimmt wieder übrig: Er kostet 12,50 Euro statt 13.

Ich finde selber nicht, dass man Kultur von 50 Cent abhängig machen sollte. Wovon sonst, weiß ich allerdings auch nicht.

Die Rathjen-Übersetzung als:

War das jetzt die von Jürgen versprochene “originelle Online-Besprechung”? Da schenkt man in Dreier-Teamwork einer seltsamen Gestalt einen nagelneuen 928-Seiten-Oschi, an dem fast noch die Druckerschwärze verwischt, und er schreibt darüber mäkelige Fremdvergleiche. Allerdings wette ich meinen nahezu melvilleanischen Seemansrauscheflauschebart, dass das gute Stück noch häufige Erwähnung finden wird. Nein, echt, ungelogen, uneingeschränkt, unbenommen: Ist schon ein tolles Buch. Kaufen.

Cover Moby-Dick, Fischer Klassik, Juli 2009

Lustige Bilder: La Petite Twinkie: Concentrate, 20. April 2008, und Tick-tock, 12. März 2009;
Indigo Vapour: Cosy Sarah, 11. Februar 2007, mit dem Zeug zum Lieblingsbild.
Ernsthaftes Bild (größer als bei Amazon wird’s nicht): Fischer Klassik, Juli 2009.

Written by Wolf

28. July 2009 at 7:57 am

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Lieblingswitz

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Update zu The Poet, the Physician, the Farmer, the Scientist:

Der Bauer aus Simonshofen hat sich was gespart und will die Welt sehen. Und mal schauen, wie’s in diesem “Schanghai” zugeht, von dem er in seinen Piratengeschichten gelesen hat.

Wartet auf den Bus nach Lauf. Steigt ein:

“Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

Sagt der Busfahrer: “Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Fahrst halt mit bis Lauf.”

Bauer fährt mit bis Lauf, geht zum Bahnhof: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Nürnberg kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt mit der S-Bahn nach Nürnberg. Geht an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Berlin kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt stundenlang bis nach Berlin. Geht an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Moskau kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt durch die Taiga bis Moskau. Geht an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Wladiwostok kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt mit der Transsibirischen bis Wladiwostok. Geht an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Harbin kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt bis Harbin an die chinesische Grenze. Geht an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

“Ja um Gottes willen, bis Schanghai hab ich nicht. Bis Peking kann ich Ihnen geben.”

Bauer fährt durchs fremde China. Geht in Peking an den Schalter: “Grüß Gott, einmal nach Schanghai bitte.”

Kriegt seine Fahrkarte nach Schanghai, fährt hin, schaut sich Land und Leute an. Nach vierzehn Tagen will er wieder heim. Geht an den Schalter:

“Grüß Gott, einmal nach Lauf bitte.”

Lauf links del Pegnitz odel Lauf lechts del Pegnitz?”

Fahrplan Moskau--Wladiwostok

Reportage: Aufgeschnappt 1988 im Gasthof Pillhofer, Nürnberg, gleich neben dem Bahnhof.

Bild: Bolzi.

Written by Wolf

24. July 2009 at 5:39 pm

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Durch den Schlick schrammen

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Update zu München am Meer III: Der größte Buchladen Deutschlands:

Da ist mir wieder ein ganz exquisites Blättchen unterlaufen.

Meeresküste mit Schiffen heißt es und ist von Johan Christian Clausen Dahl 1834 gezeichnet.

Es war in dem schönen, leider recht abgelegenen und daher vergriffenen Band Deutsche Romantik. Aquarelle und Zeichnungen, 2000 bei Prestel herausgegeben Jens Christian Jensen vom Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, der die gleichnamige Sammlung ebenda dokumentiert.

In angenehm altmodisch ausführlicher Akkuratesse stehen bei jedem einzelnen Bild Künstlerbiographien, Beschreibungen der Technik und des Zustands jeden Exponats sowie alles Notwendige, was man an Historie und Zusammenhängen weder in Wikipedia noch im Brockhaus findet. ISBN 3791324268, die ist googlefähig. Gefunden bei texxt in der Sendlinger Straße.

Der Band legt uns endlich einen Grund nahe, nach Schweinfurt zu reisen. Stilecht müsste man es heimlich tun und unter einem sach- und fachfremden Vorwand, am besten einen Strohmann vorschicken. Vergleichbar hat Georg Schäfer, ein ansonsten eher rechteckiger mittelständischer Firmenvorstand, seine Sammlung zusammengetragen. Seine Liebe zum aquarellistischen und zeichnerischen Treiben der deutschen Romantik, wie es unter Mitwirken von ausgebildeten Künstlern und noch mehr Dilettanten florierte, um nicht zu sagen: ganz so epidemisch wucherte wie heutigentags die Photographie mit Mobilfernsprechern, gestand er nur seiner Familie und engsten Freunden ein. Unabkömmlich in seinen Brotgewinsten, beauftragte er Agenten, Versteigerungen im ganzen Land zu anzureisen, und stattete sie mit großzügigen Budgets aus, um einen möglichst umfassenden Querschnitt durch seine bevorzugte Periode zu horten. In der Sammlung Georg Schäfer ist nichts wirklich vollständig, aber alles reichhaltig und bunt. Quantität kann eine Qualität sein.

Von Dahl hat Herr Schäfer etliche Blätter gesammelt, selbst innerhalb seines nicht gerade überhypeten Gesamtwerks immer noch nicht die bekannteren Dresdener Ansichten, sondern Nebenprodukte maritimen Anstrichs. Zum Beispiel diese hingeworfene Studie aus wenigen Strichen.

Aber wie das sitzt! Gemäß der Bildlegende ist es in Feder/Tinte und Pinsel/Tusche in Grau auf dünnem, weißem Papier ausgeführt. Eine abgespeckte, sparsame Technik für klare Ansichten. Es dürfte gar kein Strich mehr sein. Die Perspektiven jeden Details sind so geschwind und zielsicher mit der Feder eingefangen wie mit dem Auge wahrgenommen. Der Vergleich ist anachronistisch und darf mir als gewollt popkulturalisierend angekreidet werden — aber das ist die Meisterschaft eines Comiczeichners.

Ich kann Georg Schäfer gut verstehen. Mit ausreichenden Mitteln wäre es nicht meine letzte Idee, eine Sammlung wie die seine einzuhamstern. Das Buch kostet bei texxt noch weniger als auf Amazon, bisher war ich es nur zwei-, dreimal besuchen. Jedes Mal brauchte ich nicht unter einer halben Stunde für unser knospendes Techtelmechtel. Beim Anblick von dem Dahl fiel mir schon beim Kennenlernen umgehend die Klappe runter; gut, dass sie bei texxt für solche Fälle zwei Sofas in die Kunstbandecke gestellt haben (Kellergeschoß, hart backbord).

Als ich zuletzt aufwartete, standen zwei Exemplare feil. In dem linken davon fehlte ein paar Seiten vor dem Dahl ein Blatt, offenbar von einem begeisterten Kunstfreund in aller Eile schlampig und ohne Schneidewerkzeug noch aus dem selben Druckbogen gerissen. Noch ein exquisites Blättchen anscheinend, und: Nein, das war nicht ich. Wenn Sie kommen, um es zu erwerben, passen Sie also auf, dass Sie das unverstümmelte erwischen, oder — ein echter Tipp — verleiten Sie Münchens hübscheste Buchhändlerin, die jungische Magere mit dem ehrlich aufmerksamen Blick, Pferdeschwanz, entwaffnend freundlich aber diskret, zu einer Fachsimpelei über Buchpreisgestaltung. Dann hab ich wenigstens eine Ausrede, mir die 26 (statt 58) Euro zu sparen.

Dahls Biographie nach müsste 1834 die Ostsee Modell gesessen haben. Es sieht aber richtig aus wie Meer, auch wenn solche polnischen Baggerseen nicht einmal uns fränkische Hinterländler weiter scheren sollten.

Johan Christian Clausen Dahl, Meeresküste mit Schiffen, 1834

Bild: Johan Christian Clausen Dahl: Meeresküste mit Schiffen, Feder/Tinte, Pinsel/Tusche in Grau auf dünnem, weißem Papier, 1834, aus der Sammlung Georg Schäfer in: Deutsche Romantik. Aquarelle und Zeichnungen, München: Prestel 2000, Exemplar bei texxt, Sendlinger Straße 24, München, eigene Digitalphotographie Juni 2009.

Written by Wolf

22. July 2009 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Juligewinnspiel: Save the Grauwale!

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Christina Dichterliebchen macht sich zum Einstand lieb Dichterkind und verlost dem Wolf seine alten Schwarten für einen guten Zweck:

Donna Ricci als Christina DichterliebchenGrüß euch ahoi mitsammen, ich bin die Neue. Seit ein paar Wochen ist es mir eine Ehre *protz* und ein Vergnügen *stöhn*, die Website von Pax Terra ins Deutsche zu übersetzen. Wenn im deutschen Teil Fehler drin sind, ist es noch das Provisorium aus dem WordPress-Übersetzungsautomaten, dem ich mich alsbald zuwenden werde *hust*.

Pax Terra ist eine Art Greenpeace, nur jünger und webbasierter, und engagiert sich unter anderem für den Schutz der Grauwale vor der mexikanischen Magdalena Bay, wo sie sich jeden Winter bis Frühjahr massenweise zum Paaren, Gebären und Früherziehen einfinden (die Wale, nicht Pax Terra). Dann wimmelt und prustet dort alles, dass dem Ökologen — und übrigens auch dem Ökonomen — in uns allen das Herz im Leibe lacht. Warum Grauwale schützenswert sind, muss ich hier nicht rechtfertigen. Jedenfalls sind sie in der Magdalena Bay, ihrem überlebenswichtigsten Stammbiotop, wegen Überfischung gefährdet.

Meine Übersetzungsarbeit geschieht aus meinen beiden Grundbedürfnissen, Grauwale zu retten und Kohle zu scheffeln. Das erstere kannst du jetzt auch:

Wer mir glaubhaft machen kann, dass er bis zum Freitag, den 31. Juli 2009 um Mitternacht eine Summe Geldes an Pax Terra gespendet hat, gewinnt mit noch etwas mehr Glück, als ohnehin aus dem Bewusstsein entspringt, richtig gehandelt zu haben, eins von drei (eigentlich zwei…) Büchern:

Und nur unter innerem Protest eins, das ich wahrscheinlich sowieso unter fadenscheinigen Jury-Ausreden ganz einbehalten werde, also strengt euch mal an und überrascht mich mit irgendwas:

Über die Pax-Terra-Site geht’s noch nicht, du musst betterplace benutzen oder dich an Marc wenden. Ein freundlicher Mensch.

Deine Spendensumme soll hier im Kommentar genannt werden, damit sich jeder was schämt, der mit Centbeträgen rumkleckert, deine Adresse, falls du gewinnst, darf und sollte verdeckt bleiben.

Die Preise sind alles gebrauchte, gut erhaltene Exemplare, einwandfrei verwendbar für alles, wofür wir Bücher lieben (ein Freizeittipp gratis: Im ZVAB regelmäßig mitverfolgen, was sie schon wert sind!). Ein Bücherwunsch darf genannt, kann jedoch bei dem zu erwartenden Ansturm von Beteiligungen nicht garantiert werden.

Die zwei (lieber nicht drei…) Preise verteile ich ab Samstag, den 1. August 2009, nach einem komplizierten Algorithmus aus der Spendenhöhe, deiner Glaubwürdigkeit und meiner machtbesessenen Willkür (das leukämische Waisenmädchen mit blonden Zöpfen, das die Lose ziehen sollte, wurde leider gerade letzte Woche adoptiert und konnte nur unter Androhung physischer Sanktionen überzeugt werden, wenigstens die Bücher dazulassen).

Als Spendennachweis gilt mir dein Wort, weil Walretter gute Menschen sind — eine Logik, die mir mein Mathelehrer um die Ohren gehauen hätte, und die mir gerade deswegen besonders zusagt; außerdem fang ich hier nicht an, zu große und zu pixelige Scan-Attachments von raffeligen Überweisungszetteln zu kontrollieren, und wer wegen einem alten Mädchenbuch mich samt einer mittelgroßen Umweltschutzorganisation anschwindeln muss, kann bitte allein damit klarkommen.

Dies ist eine private Veranstaltung, von einem Rechtsweg kann deshalb keine Rede sein.

Pax Terra ist gemeinnützig, Spenden an sie sind deshalb steuerlich absetzbar. Also nicht zu zaghaft bemessene Summen, wenn ich bitten darf!

Film: Pax Terra, 2009.

Written by Wolf

19. July 2009 at 2:24 pm

Posted in Galionsfigur

Bilzbar

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Update zu Hervey Bay:

Beiträge zur Dokumentarischen Dialektlyrik.

A: Waddnä
mei Blogghiddn wenni erschd hob
af Nannduggedd oddä
in Nu Beddfodd ba di Seefoärä driim
oddä in dä Schdaabfalz hind
(zu meinä Schwesdä bauis ned naus
döi schbannäd mi blous dauänd
zum Erwän ei)
nou machi än Buff drinnäd aaf
mid Wassäbeddn
undärä roudn Ladern herass
di Bilzbar
zum schdeifm Benis hassz
un nou kennäs mi alle
am Oäsch leggng
un du wenzd äweng bläid laxd
sollmä di Erika glei ä Geld ferddimachng.

B: Des däzlld deä fei
innerä jedn Wäddschafd.

Saundregglöidlä: Fiddler’s Green (Germanisten in Erlangen Anfang-Mitte Neunziger, jahaa!):
The Mermaid, aus: King Shepherd, 1995. Scheißvideo, aber mit dem besseren Sound.

Written by Wolf

15. July 2009 at 7:23 am

Posted in Mundschenk Wolf

Fiep fiep

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Help save the most persecuted and misunderstood creature on this earth!

Sehr richtig. Most misunderstood nächst den Walen, die ja auch immer so unverständliches Zeug singen. Mir sagt besonders die Idee der Adoption zu.

Wenn Sie Ihr Geld einfach mir überweisen, machen Sie aber auch nix falsch: Einfach in PayPal meine E-Mailadresse und einen nicht zu zaghaft bemessenen Betrag eingeben — gerettete, glückliche, zutrauliche, flauschige Wölfe.

Bild: Save the Wolf mit Howling Acres Wolf Sanctuary.

Written by Wolf

8. July 2009 at 10:43 am

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Kapitel 136: Ahab geht von Bord

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Update zu Noch 101 bis Kapitel 136 (und Weiberfasching):

Moby-Dick Kapitel 136, Captain Ahab geht von Bord

(Flickr mit 300 dpi)

Meine eigene Lösung, frisch gemalt mit schwarzer Tinte auf Moleskine, gehighlightet mit Holzkohle. Eigentlich hab ich mir eine Collage vorgestellt, in der Gestalt, dass Ahab an einer Reling vorbeikollert, Stock-Fotos zum Drumrumkleben hab ich schon rausgesucht. Dann reifte jedoch der Beschluss, dass solche Cartoons gar nicht reduziert genug sein können, vor allem wenn eins nicht zeichnen kann.

Soundtrack sei trotzdem ein Collagenlied (“This ain’t Hollywood, life is never that good. She won’t come back with love in her sack, not a single picture of you in her wallet, the letters you wrote aren’t pinned up her bed”): The Tellers: Second Category aus: Hands Full of Ink, 2007. Die Artwork ist von by Deflower Prod..

Written by Wolf

6. July 2009 at 12:01 am

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You hear of no domestic afflictions; bankrupt securities; fall of stocks

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Elke fasst snugly stowed in casks in Kapitel 35: Im Masttopp die Ewigkeit!

Elke HegewaldA mariner sat in the shrouds one night,
The wind was piping free;
Now bright, now dimmed, was the moonlight pale,
And the phospher gleamed in the wake of the whale,
As it floundered in the sea.

Elizabeth Oakes Smith, zitiert in den Extracts.

Mast von unten

Das Meer.

Es hat so viele Züge und Mentalitäten wie das Jahr Tage. Dem Seemann bringt es Glück oder Verderben. Uns zieht es in seinen Bann, gießt in uns Ruhe und Stille, Stürme und wilde Sehnsucht. Mal ist es sanft und friedlich, mal unmutig und launenhaft. Heute singt es und murmelt und rauscht, morgen brüllt es und gurgelt und tost.

Das Meer hat viele Dimensionen, zuvörderst die der vielleicht einzig fassbaren Ewigkeit. Doch wann hat einer, der noch nie Ausgucksteher im Masttopp war, jemals gefühlt und geahnt, dass sich zur unendlichen Weite bis hinter den Horizont und Tiefe bis zum unheimlichen Grund auch eine Dimension der Höhe gesellt, von wenigstens hundert Fuß? Nicht jedermanns Sache, wie wir seit der Phobie eines Schiffskameraden wissen. Doch hat sie, wie ich finde, durchaus ihren eigenen Reiz von Freiheit, die Vorstellung, aus dem Blickwinkel und mit dem Schrei der Sturmmöwe hoch über den Schiffsplanken und den Schaumkronen der wogenden Wogen zu schweben. Frei von den schnöden Ärgernissen und immerwährenden Pflichtkämpfen der anstrengenden Welt…:

… a sublime uneventfulness invests you; you hear no news; read no gazettes; extras with startling accounts of commonplaces never delude you into unnecessary excitements; you hear of no domestic afflictions; bankrupt securities; fall of stocks; are never troubled with the thought of what you shall have for dinner—for all your meals for three years and more are snugly stowed in casks, and your bill of fare is immutable.

Allerdings birgt der Gedanke, hoch oben auf der Bramstenge stundenlang nur auf zwei dünnen Zweiglein zu balancieren, auch für Süßwassermatrosen, die ihre Höhenangst halbwegs im Zaume halten können, schon was Ungemütliches und ein flaues Gefühl in der Magengegend. Tsss… aber Sturmvogel sein wollen! — Vielleicht würde ja vorgelagert ein Ferien-Crashkurs auf der Gorch Fock helfen?

Und auch hier müssen wir wieder erfahren, dass nie alles Gute beisammen ist. Es sei denn, man steht weniger darauf, ein Südseewaljäger zu sein, und singt seine Wale lieber auf ‘nem Grönlandfahrer aus. Der nämlich Anspruch auf ein kuscheliges Krähennest mit Ofenheizung und Hausbar hat… hmmm, oder so ähnlich. Lest’s doch selber, mit welchem Komfort Papa Melville grinsend die Erfindung des guten Käpt’n Sleet ausstattet, der beiläufig der leibhaftige Vater der von ihm kreuz und quer zitierten Waljägerlegende William Scoresby ist.

Was wir noch lernen: dass eben jene Krähennester — oder auch die Bramdwarssaling-Zweiglein der südlichen Walfänger — die eigentliche Heimat unserer wohlbekannten Isolatos sind. Und der blassen pantheistischen Aussteiger — einer Spezies, die der Herman samt den Emersonschen Transzendentalisten und ihrem großen Vorbild Goethe mit spitzer Spötterzunge gut zu pieken weiß. Okay, letztere nun nicht explizit vor Ort, dafür aber im Mardi und im Briefgeflüster mit seinem Intimus Hawthorne. Vermerkt auch das Göske-Jendis-Gespann in seinem gutbestückten Nachwort (Seite 961).

Gern hätt’ ich mich ja noch ein bissel über den heiligen Säulenbewohner Stylites auf seinem P(f)osten ausgelassen, der da oben wenigstens noch gleichzeitig allen Wettern trotzen und predigen konnte. — Im Gegensatz zu den stummen und von braven kunstfertigen Handwerkern in Bronze gegossenen Säulenheiligen in aller Welt, die inzwischen nach ihrem lebendigen Ruhm längst sorgsam das Maul halten über dem Elend zu ihren Füßen… an irgendwas hat mich das erinnert. Aber man will ja nicht schon wieder langweilig ausufern.

Alles in allem ist das 35. doch so recht ein Kapitel für Träumer und Romantiker, möchte man meinen, die sich von den Wellen einwiegen lassen und nichts als meerblaue Weite aussingen. Doch unser guter Melville ist ein Schelm, wie man weiß. Nicht nur, dass er an dessen Ende den fast vollends Entschwobenen unsanft in der harten Realität… öhm, auf den alles verschlingenden Wassern aufschlagen und in cartesianischen Strudeln untergehen lässt. Nein, ich heg ja den begründeten Verdacht, dass er wieder mal den heimlichen Dramatiker raushängen lässt, der in dem ganzen munteren Geplauder und philosophischen Herumchillen schlitzohrig vor sich hin retardiert, um dann den ahnungslosen Leser mit dem nächsten Höhepunkt zu überfallen. Jaja, ahnungslos… denn der wird doch nicht schon das nächste, das Achterdeck-Kapitel ausspioniert haben…?

Schiff von oben

Bilder: Grännäs Marina AB; Ian Burns: From the crow’s nest of the Nooderlicht, 9. Oktober 2009.

Musik von unten: Flëur: Русалочка (Russalotschka — Die kleine Seejungfrau). Offizielle Website!
Musik von oben: Great Big Sea: Mary-Mac.

Written by Wolf

2. July 2009 at 7:15 am

Posted in Steuerfrau Elke

De taal die zij begrijpen

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Ancilla Tilla, Jahrgang 1985, Fetischmodel, verdientes Playmate und angeblich Most Sexy Vegetarian 2008, strippt für Wakker Dier. Nur so viel: Auf Youtube muss man sich dafür anmelden, es muss Ihnen also nicht gefallen. Nix zu danken. Oder doch: An Frau Scratch!

Written by Wolf

1. July 2009 at 7:54 am

Posted in Meeresgrund

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers

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Douglas Adams hatte Recht: Der Mensch sollte, egal wo innerhalb des Universums er sich bewegt, ein Handtuch mit sich führen. Besonders, wenn er sich schnell zu bewegen gedenkt. Am Münchner Stadtlauf zum Beispiel.

Das glaubt mir jetzt wieder kein Mensch — weder dass ich da angetreten bin, noch dass ein Handtuch dabei hilfreich sein soll. Vor Jahrzehnten hab ich aber schon Maude zu Harold sagen hören, dass man im Leben ab und zu was mitmachen muss, damit man nach dem Spiel in der Umkleidekabine was zu erzählen hat, und nachdem mein Training für den Viertelmarathon, was einfach professioneller klingt als “zehn Kilometer”, darin bestand, in der Woche davor zwei Zigaretten pro Tag weniger zu rauchen, hab ich mir wenigstens für den Weg das Handtuch um den Hals gehängt. Sieht gut aus, wenn man an einer Kamera des Regionalfernsehens vorbeihetzt, muss gegen den Schweiß nicht unterm Laufen aus der Hosentasche (hat Ihre Laufhose Hosentaschen? Sehen Sie!) gezwurgelt werden, und beim Festhalten mit beiden Fäusten weiß man, wohin mit den Händen. Das dämpft den Luftwiderstand, weil es die Silhouette reduziert, und man steht nicht ständig unter Versuchung, seinen lahmen Vordermann in die Schulterblätter zu boxen.

Die Gefahr ist nämlich enorm. Wer sich für den Stadtlauf in München anmeldet, bekommt für seine 28 Euro ein etwas windiges T-Shirt gestellt, neonorange und voller Werbung. Hauptsächlich für Sport-Scheck, den offensichtlichen Hauptsponsor, dann für die Abend-Zeitung, BMW, DAK und noch einige, kurz: Man rennt buchstäblich herum wie ein Fußballprofi. Am Start stellt man sich in drei Blocks auf. Am Sonntag, den 28. Juni pünktlich um 11.00 Uhr sind Marienplatz, Rosenstraße, Rindermarkt und Petersplatz bis weit in die Sendlinger Straße hinein (wer’s kennt) neonorange vor Lauflustigen. Allein meine Neugier trieb mich nach vorne in Block 1. Block 1 bedeutet, dass ich mir zutraue, zehn Kilometer in weniger als 40 Minuten zu laufen.

Das ist eine Kategorie, in der ich normalerweise nie denke. Zehn Kilometer sind eine Strecke, für die man in München die U-Bahn nimmt. Und die braucht dafür 20 Minuten oder was weiß ich wie lange, jedenfalls hat die etliche PS mehr als ich. Will man tatsächlich so weit zu Fuß, ist das eine Beschäftigung für einen Nachmittag.

Block 2 ist für Leute, die zwischen 40 und 60 Minuten brauchen, Block 3 für die Loser, die über eine Stunde rumtrödeln wollen. 40 oder 60 Minuten, wo soll da der Unterschied sein? Block 1 also — das bedeutet vier Minuten für fucking eintausend Meter. Und zwar zehnmal hintereinander.

Das neonorange Menschenmeer, das Sie jetzt beim Weiterlesen immer vor Ihrem geistigen Auge behalten dürfen, zählt begeistert den Countdown mit, und plötzlich laufe ich von Tausenden Vorder- und Hintermännern und -frauen angeschubst unter lauter sportlich trainierten Menschen mit, die in 40 Minuten, lieber noch weniger, als die schnellsten Helden von München gefeiert werden wollen. Na bitte, was zick ich denn die ganze Woche rum, denke ich innerhalb des ersten Kilometers ums Alte Rathaus, über den Odeonsplatz und in den Hofgarten hinein, läuft sich doch ganz flüssig.

Block 1 ist gar nicht so unpraktisch, denke ich weiter, da hat man mehr Leute hinter sich, die einen erst noch überholen müssen, und fängt nicht schon als Gearschter an. Heißt das im Sport nicht “Pole Position”?

Macht sogar Spaß, mal mitten auf der Straße laufen zu dürfen, die man sonst nur von eiligen Autos missbraucht kennt. Zwischen Absperrungen und unter Polizeischutz! Hinter den Absperrungen: Angehörige, denen die 28 Euro für ein zu dünnes Werbehemdchen zu blöd waren. Sehr viele Angehörige, Schaulustige, und ein paar Verblüffte, die so wie ich vor vier Wochen noch wie was von einem Stadtlauf gehört und auch keinen vermisst haben.

Noch innerhalb Kilometer 1 und 2 hat auch der letzte Verblüffte kapiert, was hier abgeht, und sie feuern uns Läufer von hinter den Absperrgittern aus an. Am meisten nerven die mit Augustinerflaschen in der einen und Zigarette in der anderen Hand, die es trotz dieser Behinderung fertig bringen, in sie zu klatschen und “Hopp! Hopp! Hopp!” zu rufen. Die meinen es sicher nett, halte ich ihnen zugute und schalte bewusst den größten Teil meines Wahrnehmungsapparates aus.

Das ist der zweite Tipp nach dem mit dem Handtuch: Gar nicht hinhören. Nicht hinschauen. Nicht empfinden. Der Trick ist, einen Fuß vor den anderen zu setzen, das kann doch nicht so schwer sein.

Und man tut es ziemlich oft. Auf Kilometer 3, das ist im Englischen Garten irgendwo um den Monopteros, fällt mir das auf: Es ist verdammt oft. Schon drei Kilometer gerannt und verfluchte Scheiße, da bleiben ja noch sieben.

Ich lege innerlich Musik auf. Manche Mitläufer (wie selbstverständlich ich solche Wörter schon benutze, gell?) führen ihre iPods aus, nur ich hab schon 1980 bei den Walkmans Musikkonsum abgelehnt, für den man Kopfhörer braucht. Man kapselt sich zu sehr vom Leben ab, denke ich immer, das ist unnatürlich und asozial. Statt dessen hab ich mir die Woche über geistig ein paar Lieder zurechtgelegt, die man als beflügelnden Ohrwurm auflegen kann. Nicht zu hektisch, nicht zu einschläfernd, nichts im Dreiertakt. Die Pogues natürlich, ein bisschen Carter Family, der Radetzkymarsch wurde nur kurz erwogen und verworfen. Und plötzlich finde ich mich in einer Menschenmasse wieder und denke Gedanken, die garantiert kein anderer zwischen Marienplatz und Kleinhesseloher See denkt: “Bury me underneath the willow, under the weeping willow tree.” Ganz toll. Aber iPod ist asozial, häh?

Mich beruhigt nur, dass jeder meiner paar tausend Vorderleute auf dem Rücken “Mach deinen Lauf!” stehen hat. Das liest man andauernd. Gar nicht so blöd eigentlich. Stimmt ja: Ich mache einen Lauf, und ob das meiner ist, 28 Euro hab ich dafür gelöhnt, also verpisst euch, ihr Frühschoppengesichter am Rand. Im Ohr Carter Family, die Fäuste um meine Handtuchenden. Huch, schon vier Kilometer. 40 Prozent, das geht doch schon fast als Hälfte durch.

So viele wir auch sind, läuft jeder für sich allein, macht jeder seinen Lauf, der Claim gefällt mir bei jedem Lesen besser. Die Schlange von Menschen außer Atem hat keinen Anfang und kein Ende, kein sichtbares jedenfalls, keine Ahnung, wie weit ich schon hinten liege. Hinter mir sind noch genug, dass ich keine Angst bekomme, als Schlusslicht ins Ziel zu laufen wie in der Schule immer, wo die Ersten schon auf der Hochsprungmatte Kamerun geklopft haben, während ich mit hängender Lunge bei 700 von 1000 Metern rumgegurkt bin.

In der Schule hab ich aufgegeben und mir leichten Herzens einen Sechser eintragen lassen, war ja kein Versetzungsfach, das doofe Sport. Der Gedanke ans Aufgeben kommt mir auch jetzt wie das Teufelchen auf der linken Schulter, aber der Gedanke an meine 28 Euro wie das Engelchen auf der rechten, und mal ehrlich: Wo soll ich denn jetzt mitten im fünften Kilometer noch hin? Nach Hause muss ich so oder so irgendwann, da bin ich doch nicht bescheuert und kehr jetzt noch um. Liedwechsel nach Woody Guthrie: “At my window sad and lonely often do I think of thee, and I wonder, little darling, if you ever think of me”, Fäuste fester ums Handtuch.

Im Sekundentakt werde ich links und rechts überholt, das bleibt nicht aus. Was mich aufbaut: Gelegentlich überhole auch ich jemanden. Manche Gesichter sind schon richtig vertraut, manche Hinterköpfe erst recht. Ein blonder Pferdeschwanz vor mir baumelt Hunderte von Metern meditativ vor meiner Nase herum, was mich vor einer Gehpause bewahrt: Lass ich mich jetzt schon von sehnenbeinigen Blondis abhängen, die grade mal halb so alt wie ich sind oder was? Nach einer ausreichenden Phase der Meditation setze ich zum Überholen an. Leider muss ich dazu zwei Leuten in die Hacken steigen. Das macht mir nichts mehr aus, schließlich steht mir auch dauernd jemand in den Schuhen. Das ist unvermeidlich, es wird hingenommen.

Auf Kilometer 5 die Versorgungsstation. Viele halten an, halten sich die Seiten und schwingen die Arme, weil ihnen das mal irgendein Sportlehrer beigebracht hat, die Pappbecher mit Mineralwasser werden zahlreich von den auf etwa hundert Meter aufgebauten Tapeziertischen gerissen und in Gesichter und über T-Shirts gekippt. Keine Zeit zum Anhalten, ich hab keine Lust, mir den Rhythmus zu versauen, und reiße mir nur einen Becher Wasser aus der Hand eines Sanitäters hinterm Tapeziertisch, die Apfelschorle dümpelt am nächsten Tisch in Waschwannen, wie sie meine Oma benutzt hat. Trinken unterm Laufen ist schwierig, aber nicht sehr wichtig. In meinem Gesicht landet viel weniger Wasser als auf meinem Hemd, durchsichtig ist es sowieso schon lange vom Reinschwitzen. Noch ein Tisch mit angefaulten Bananenfragmenten, wo sollen sie auch am heiligen Sonntag frische Bananen her haben, ja, die Krise, die Krise, auch da gilt die Marktruhe, und auch für Kalzium, und ihr, ihr lasst mal stecken, selbst wenn eure Exbananen in den 28 Euro mit drin waren. Das war die Halbzeit.

Die Schaulustigen säumen die ganze Strecke. Je größer die Kamera, desto nerv, am sympathischsten sind die Rentnerpaare im Regenschutz, die nicht groß anfeuern und nur in stillvergnügter Beobachtung den endlosen Gaudiwurm vorbeiziehen lassen. Woraufhin mir das Wetter auffällt: So muss ideales Laufwetter aussehen: weder Bullenhitze noch Hagelschlag, ob mir die Brille ein bisschen von oben vollgenieselt wird oder ob ich sie selber von innen vollschwitze, ist auch schon wurscht.

Besorgniserregend finde ich mit der Häufung den Leistungsgedanken, der offenbar viele antreibt. Bei meinen Mitläufern fällt er nicht so auf, außer bei den zwei IT-Solutions-Consultants, die in der GQ gelesen haben, dass man sich beim Laufen noch unterhalten können muss. “Letztes Jahr”, keucht der eine, “waren welche dabei, die haben ‘ne Stunde achtzehn gebraucht!” Der andere weiß: “Ach, da warn auch welche mit eins vierundzwanzig dabei. Und das warn noch nicht mal die Letzten!” Und dann lachen sie sich kaputt. Vorsichtshalber überhole ich mit einem souveränen Sprung übers dackelhohe Geländer in die Grasnarbe. Ich bin so gut.

Wir tragen alle das gleiche inzwischen durchnässte Hemd. Das verbindet, wie von den Sponsoren beabsichtigt. Die am Rand haben sich tatsächlich die Arbeit gemacht und Transparente gebastelt: “Durchhalten, Klaus!” Es wird gehalten von einer Mittdreißigerin, die anscheinend ihrem Männe beistehen will. Erschreckend ist die fünfjährige Krabbe mit dem Holzschild: “Schneller, Papa!” Welche Erwartungshaltung an Autoritäten wird hier gezüchtet? Sind überhaupt die 40 Minuten schon um? Oder die ganze Stunde? Eigentlich interessiert es mich gar nicht so richtig, niemand bezahlt mich hier für eine einzige eingesparte Minute. Ich will einfach nur lebendig wieder hier weg.

Zwischen Kilometer 6 und 7 entwickle ich einen Widerwillen gegen Massenveranstaltungen. Anscheinend ist es das, was mir statt einem toten Punkt passiert; übertrieben lebhaft war ich mit meiner Raucherlunge ja schon zu Anfang nicht. Es wird einen Grund haben, warum ich solches sinnentleerte Herumgehammel in meinem Leben bis heute so sorgfältig gemieden habe. Warum muss ich für eine Leistung, die ich erbringe, auch noch bezahlen? Und mir dabei in die Hacken steigen und von kahlrasierten Sonnenbrillenmonstern ins Genick pusten lassen? Die betrachten mich doch nur als Hindernis. Natürlich bin ich eins, und sie sind auch eins. Sie sind viele. Ich versuche diesen existenzialistischen Ekel zu unterdrücken, ich mag mich nicht damit. Aber wenigstens für einen guten Zweck hätte man die Kohle von all den Rennverrückten stiften können, doch nicht für Sport-Scheck und Abend-Zeitung, dass ich nicht müde grinse. Lieber für den Schutz der Grauwale oder irgendwas. Oder Querschnittsgelähmte, hahaha.

Ist das der Kleinhesseloher See, um den wir da herumrennen? Dann muss die Strecke hier langsam die Haarnadel machen. Da ist wieder das sportlich-dynamische Ehepaar, das einen Rennkinderwagen vor sich her schubst, die kleine junge Türkin hab ich schon mindestens dreimal an den belebtesten Ecken fast über den Haufen gerannt, wo sie gerne steht und den Kopf zu den Knien hinunterkrümmt, Stretching oder Seitenstechen. Der Geruch nach gärenden Parisern im Gebüsch kündet vom Sommer, der nach Maronen und Rotkappen sogar schon vom Herbst.

Sie haben die Strecke so verschlungen angelegt, dass ich nicht mehr durchblicke, ob der Teil der Schlange hinter dem Grünstreifen vor oder hinter mir liegt. Immer öfter lockt eine Abkürzung über eine Wendefläche für landschaftsarchitektonische Nutzfahrzeuge. Solche Stellen werden von Sanitätern und Security umstellt, nicht dass ich mich hinreißen lasse. Keine Angst, Jungs, ihr helft mir nicht und ich bescheiß euch nicht. Muss ich alles wissen? Nein, ich muss meinen Lauf machen.

Der Weg führt über eine Brücke über die Stadtautobahn, vor zehn, zwölf Jahren, als ich mir München systematisch erschlossen hab, wusste ich mal ihren Namen. Dass sie elend steil ist, weiß ich noch. Egal, ich nehme extra Anlauf, damit ich schnell drüberkomme. Ich spinne wirklich.

Die Strecke verlässt den Englischen Garten und wird wieder städtisch, die Fernsehteams und Transparentehalter ballen sich wieder. Ein Pulk Teenager thront auf einem Absperrungsgitter, sie johlen, betrachten das Zuschauen als Event und schwenken Schilder mit “Schneller, ihr faulen Säcke!” und “Wir grüßen die schnellsten Männer von Schwabing!” Die Frauen grüßen sie nicht.

Wie jetzt, schon acht Kilometer? Das war doch gar nix, ich renn gleich nochmal, 28 Steinchen sind auch Geld. Nochmal Zeit für Musikwechsel, mir fallen keine Lieder mehr ein, ein Intermezzo mit Shane MacGowan hab ich schon auf Höhe Bogenhausen verfeuert: “Kahaya! You fuck! To hell or to high water! I may have fucked your missus, but I never fucked your daughter!” Hopphopp, noch eins von Carter Family: “My Dixie Darling”. Das ist so eins, das sie auf Youtube gesperrt haben, fällt mir dazu ein, das unschuldigste Kinderliedchen der Welt. Ich vermisse das Internet, da kennt man sich wenigstens aus.

Hier war ich schon mal, vor 40 oder 60 oder 120 Minuten in entgegengesetzter Richtung. Der Rest ist ein Klacks, die Fußgängerzone zwischen Hofgarten und Marienplatz rennt man jeden Monat ein paarmal auf und ab, wenngleich weniger verschwitzt, und man bläst sich nicht im eigenen Atemrhythmus einzelne Schweißtropfen von der Nase auf seine Nachbarn. Und es stehen weniger Krankenwagen im Weg rum, wo sich die ganzen Zusammenbrecher von durchtrainierten Sanitätern mit Massagen und Pfefferminztee päppeln lassen. Und verfickte Scheiße nochmal denkt man nicht die ganze Zeit in lauter Flüchen.

Ins Ziel einlaufen ist unspektakulär bis zur Enttäuschung. Wahrscheinlich wurden noch die ersten paar hundert unter Jubel von Regenschutzträgern und Medienlumpen empfangen, inzwischen ist der Marienplatz so voll von neonorangen T-Shirts wie vorher, das Interesse an den jetzt noch Einlaufenden hat sich nivelliert. Mit An- und Heimreise ergibt das einen Zeitaufwand von keinen drei Stunden, und dafür macht man sich wochenlang vorher ins Hemd, manche trainieren allen Ernstes. Vollmarathon ist im Oktober, stand auf einem Flyer in den Teilnahmeunterlagen, alles im Preis. Tod, wo ist dein Stachel?

Kurz vor dem Ziel treffe ich den vernünftigsten Menschen des Tages: Eine knuffige rothaarige Studentin in knielangem Faltenrock hat sich ihr sichtlich nicht unter zehn Jahre altes neonoranges Stadtlauf-T-Shirt übergezogen und nickt jedem einzelnen Läufer freundlich zu. Ohne aufreizende Bierflasche in der Hand, und ohne aufdringliche Durchhalteparolen zu skandieren. Hübsches Gesicht mit vereinzelten Sommersprossen. Ein Mädchen, das Glück bringt. Sie steht in der Theatinerstraße rum und beweist Selbstironie. Beweis, beweis, beweis. In ihr breites, sonniges Feixen steht geschrieben: “Na? Wollt ihr nächstes Jahr nochmal?” Wenn du da auch wieder kommst, schon, hätte ich fast zu ihr gesagt, da bin ich schon vorbei.

Die Absperrung, die ums Alte Rathaus herumführt, heißt im Fachjargon von uns Sportlern Auslauf, glaub ich. Das Ziel ist kein bestimmter Punkt, sondern eine ganze Zone. Na gut, irgendwo werden sie schon gestoppt haben. Ich knie mich hin und fiesle mir den Single Use Chip vom Schnürsenkel, der akribisch meine Pinkelpausen und Querfeldein-Abkürzungen festgehalten hätte, und nach dem der Sport-Scheck meine persönliche Urkunde zum Download bereitstellen wird.

War’s das? Glaub schon. Ich stelle mich mit hinter eine Absperrung und schaue zu, wie nach mir Eintreffende von ihren significant others immer noch empfangen werden, als hätten sie gerade ohne Sauerstoffgerät alle bekannten olympischen Rekorde gebrochen, widerlich, gerade dass sie sich nicht sofort gegenseitig hinterm Fischbrunnen flachlegen.

Viele ziehen sich auf dem offenen Platz um. Würde ich auch gern. Hängebusen in Sport-BHs, bierbäuchige Silberrücken. Das hier bleibt besser mein Privatvergnügen, beschließe ich, mein Vater wäre nicht stolz auf mich. Der würde fragen, was ich dabei verdient hab, die 28 Euro würde er mir nochmal extra um die Ohren hauen.

Menschen, die sichtbar niemals barfuß gehen, stehen wackelig barfuß auf nieselnassem Pflaster. Ich mag Füße, wirklich, ich sehe gern hin und betrachte sie mit Sachverstand, manche Füße charakterisieren einen Menschen so gut wie sein Gesicht. Nur was sich hier klamm, geschwollen und gerötet in frische Socken krampft, ist zum Abgewöhnen. Macht aber nichts, meine Modelzehen haben bestimmt auch gelitten, wenn ich meine Hände so anschaue, und es gibt hier keine Preise für Schönheit. Für was anderes auch nicht. Meine Schuhe sind wirklich gut, bemerke ich dankbar. Keine Schmerzen. Logisch, kaum gebraucht. Außerdem von Sport-Scheck, Ihrem offiziellen Sponsor des 31. Münchner Stadtlaufs zwotausendneun. Was haben die Treter eigentlich damals gekostet? Jedenfalls noch D-Mark. Ich habe keine Wäsche zum Wechseln dabei, nur mein Handtuch. Mir hätte auch keiner auf den Turnbeutel aufgepasst, solange ich meine 40 und mehr Minuten als Leistungsträger unterwegs bin.

Mit geübter Handbewegung stecke ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen, nach dem Feuerzeug muss ich ungewohnt lange fummeln. Nicht zusammengeklappt, keine Minute Seitenstechen, und hinter mir laufen immer noch welche ein wie ein Kampfwespengeschwader — eigentlich okay für mein Trainingslevel, oder? Als ich aufgeraucht habe, bin ich wieder bei Atem.

Ich hab auch Lust auf Sex, fällt mir plötzlich auf, aber was für welche, aua, verflixt, das sind ja körperliche Schmerzen, dabei hätte ich gerechnet, dass mir die Schenkel von was ganz anderem weh tun. Muss an den geweiteten Blutgefäßen liegen. Das sind die Sachen, die einem im Schulsport keiner sagt. Machen wir uns nichts vor, morgen hab ich den Muskelkater meines Lebens, in die Badewanne muss ich also sowieso. Ich fasse mein Handtuch noch einmal fester um den Hals und walke zum Bus.

Fachliteratur: Alan Sillitoe: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers, 1959.

Rennsemmellied: The Carter Family: Bury Me Under the Weeping Willow, Bristol/Tennessee 1927.

[Edit:] Ist eben doch für einen guten Zweck:

Für jeden gelaufenen Kilometer wurden fünf Cent an das soziale Projekt ”Sport im Hort” gespendet. Dieses unterstützt ein breiteres Bewegungsangebot an Kinder- und Jugendtagesstätten. Der Spendentopf in Höhe von 13.245 Euro wurde im Anschluss an die Veranstaltung den Horten an der Rotbuchenstraße, der Konrad-Celtis-Straße und der Kindertagesstätte Starnberg am Hirschanger zugelost.

Sagen München 24 und Ganz München. Danke an Lara für die Aufmerksamkeit![/Edit]

Written by Wolf

29. June 2009 at 6:12 am

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Mein harmlos Sonettlein von den Katzen und Walen

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Update zu Von zum Beispiel den Walfischen:

Katzen sollten ewig leben!
Es würde mehr von ihnen geben
und öffentlich mit aller Kraft
würde ihre Weltherrschaft.

Wale sollten ewig leben!,
vom Nordmeer in die Südsee streben,
im Golfstrom aneinanderpappen
und die Meere überschwappen.

Katzen sollten Wale mögen!
Und Wale Katzen! Denn dann pflögen
all die Pelzschwänze und Fluken
die es je gab, mit uns zu spuken.

Es wär, das Meer, so nett, so voll.
(Nein, es ist schon, wie es soll.)

Nicolas Maher, Singende Wale nerven, Moby Dick das Musical, Titanic April 2009

Bild: Nicolas Mahler in: Titanic, April 2009.

Written by Wolf

24. June 2009 at 7:02 am

Posted in Mundschenk Wolf

Nichtschwimmerlied

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Das ist jetzt ein komplexes Kinderlied. Wenn ihr das vertonen wollt, müsst ihr viel Platz für Modulationen in der Lautstärke lassen. Es sollte klingen wie etwas, das Funny van Dannen mit Heinz Rudolf Kunze für die Toten Hosen geschrieben hat, um ihre Bühnenpräsenz zu testen und zu gucken, ob sie sich seit ihrem Crossover mit der Biermösl Blosn endlich was Achtsaitiges gekauft haben. Das führende Instrument sollte eine donnernde Stromgitarre bleiben. Oder nehmt besser zwei. An den ruhigen Stellen darf gern eine Spieluhr zum Einsatz kommen, da könnt ihr zur Not mit dem Synthi was tricksen. Dafür lass ich euch Freiheiten im Text: Ist ja die reine Zumutung, das à point auswendig zu lernen, wir sind ja nicht bei Eichendorffs. Hauptsache, ihr schmeißt die verschiedenen Chorusse nicht durcheinander, die sollten schon nach hinten zu an Irrsinn gewinnen. Der Verschönerung ist am meisten damit gedient, dass ich dafür kein Bild ausgesucht hab.

~~~|~~~~~~~|~~~

1. Franz war von denen, die wir hatten,
und an die ich mich finster erinnern kann,
einer von den stillsten Spielkameraden.
Er saß einfach neu in der Klasse und dann
hat ihn einer für den Nachmittag ins Freibad eingeladen;
dort saß er auf der Decke und erzählte, dass er gar nicht schwimmen kann.
          (Bridge)
          Natürlich dachten wir, das sagt der nur, damit ihn keiner nackig sieht,
          und ich schrieb in mein Aufsatzheft das salzkrustige Lied:
                    (Refrain)
                    Moby Dick — Walfischspeck —
                    fette Haare, Nageldreck,
                    wasserscheue Wasserratte warmer Bruder Franz,
                    komm mit in die Dusche und zeig uns deinen Monsterschwanz!

2. Franz, so sehr wir ihn nach Strich und Faden
verarscht haben — da hätte jeder andre bald
mal Opas Uzi mitgebracht und in unserm ganzen Laden
die Raufasern mit Blut und Hirn frisch angemalt —
Franz hörte gar nicht hin und erzählte uns, dass die Piraten
alle nicht schwimmen können, und hätten’s nicht so mit Gewalt.
          (Bridge)
          Sie kopierten mir im Lehrerzimmer mein Piratenlied.
          Wir stellten uns im Kreis um ihn und alle sangen mit:
                    (Refrain)
                    Moby Dick — Käpt’n Kidd —
                    dicke Eier, fit im Schritt,
                    Sabber am Sack, kein Haar am Kranz,
                    komm mit in die Koje und schwing deinen Monsterschwanz!

3. Franz kam immer mit schwimmen und hat nie den Rochen gebraten.
Während wir vom Fünfmeter hupften, passte er auf die Klamotten auf.
Einmal ging er mit mir im Nichtschwimmerbecken baden,
da sang er mir ein Lied von sich ins Ohr und ich schnallte, der Kerl hat mehr als ich drauf.
Er strafte mich mit seiner Freundschaft, das bedeutete sozialen Schaden.
Da trat ich nach ihm und schrie: “Hau ab, bevor ich dich verkauf!”
          (Bridge)
          Wegen zwei Minuten im Nichtschwimmerbecken, wo die ganze Schule es sieht,
          bin ich jeden Abend vor dem Bettchen gekniet:
                    (Refrain)
                    Moby Dick — Lebensglück —
                    Gott, ich will mein Geld zurück!
                    Mein Herz ist rein, erspar mir ab sofort die Geißel Franz
                    und erhäng das linke Schwein an seinem Monsterschwanz!

4. Franz kam mit uns in die Jahre, und wir taten
als ob wir gar nicht merkten, wie die Mädchen auf ihn stehen.
Nicht die schönsten, doch die meisten, und uns schwollen die Gonaden
und wir blieben trotzdem Jungfrau und auf einmal waren wir siebzehn.
Ich lag im Freibad vorm Gebüsch mit ein paar anderen Schwachmaten
und hab Franz da drin mit Lisa und ihrer Mutter rumfummeln gesehen.
          (Bridge)
          Was ein Seemann ist, der kann auch fischen, notfalls mit Dynamit,
          und unter seinem Fenster sang der Mädchenchor mein Lied:
                    (Refrain)
                    Moby Dick — Liebestrieb —
                    alle Bräute legt er flach und keiner hat ihn lieb.
                    Ein Matrose fängt sich alles was er will, aber nicht ganz,
                    und ein Harpunier bei rauer See peitscht mit dem Walfischschwanz.
                    (Fade-out)
                    Moby Dick — durchgefickt —
                    den Hafen und die Werft und das ganze Küstenstück.
                    Nebelschwaden, Gottesgnaden, Mädchenwaden, Strauchtomaten, Sozialdemokraten, süßer Leichtmatrose Franz
                    rumpelt in der Koje gedankenverloren zwei lesbischen Fischweibern eine Buddel voll Menses aus den Ohren und flucht auf seinen Monsterschwanz.

Written by Wolf

20. June 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #31

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Song: Ricky Jay & Richard Greene: The Fiddler/Roll the Old Chariot (1:34 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.

Official websites Ricky Jay, Richard Greene; song playlist.

Buy CD in Germany and elsewhere.

Image: The Mother Teresa of New Orleans: Fiddle Girl.

Fiddle tune: Roll the Old Chariot. Lyrics of the story of the fiddler:

Why upon this lovely day
must that wretched fiddler play?
All the sky once stainless blue
every note he strikes untrue.

Summer deep, embowered in flowers
silent music, in the hours
in the east a feather moon
man that fiddler out of tune.

God’s hand never slipped a mar
at the making of a star.
There no truce excuse yet made
for the bungler at his prey.

Explanatory liner notes by ANTI-:

One of the realities of shipboard life is being cooped up in a small space with the same people day after day. This fiddler is playing Roll the Old Chariot. Perhaps he’s playing it over and over and over. Murders have been committed for less.

Explanation for fiddle tune Roll the Old Chariot according to Arrr!:

The story goes that after Lord Nelson fell in the Battle of Trafalgar he was sealed in a cask of rum to preserve his body and, hearing this, the crew decided to drink their fill.

Written by Wolf

18. June 2009 at 6:29 am

Posted in Siren Sounds

Junigewinnspiel: Noch 101 bis Kapitel 136

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Update zum hiesigen From hell’s heart I stab at thee
und Jürgens Ahabs Bein(e):

Uns steht die letzte angekündigte Abhandlung zu Kapitel 35 ins Haus. Was man so hört, ist sie fast schon angefangen — hallo Elke! — und birgt die schöne Gewissheit, dass wir danach nur noch 100 Kapitel vor uns haben, das bisschen Epilog nicht eingerechnet. Hochgerechnet gibt es Moby-Dick™ bei gleichbleibender Lesegeschwindigkeit, damit es seinen Zweck erfüllt hat, also nur noch bis Ende 2017.

Die Zeit drängt, da wollen Sie in den verbleibenden achteinhalb Jährchen sicher noch mitnehmen, was geht. Da war your humble Logbuchschreiber nicht faul und hat ein 136. Kapitel konzipiert, und Sie dürfen mitschreiben. Die Illustration kann sich ohne weiteres mit denen von Rockwell Kent messen, fehlt noch der Text. Der kommt von Ihnen.

Captain Ahab rollt von Bord, Kapitel 136

Das ist ein Entwurf, den Sie ausgestalten helfen. Eine Reinzeichnung mit schwarzer Tinte auf zeitlosem Moleskine ohne die hässlichen Kästchen mach ich, wenn der Text steht. Ahabs Fortbewegungshilfen sollen etwas realistischer in Proportion zu seiner geclippten Person stehen, sein Gesichtsausdruck noch angepisster wirken und die Gangway von der Pequod etwas seemannspittoresker. Wie Abraham Lincoln sieht Ahab im kollektiven Gedächtnis ja schon immer aus.

Gesucht wird

  1. eine Kapitelüberschrift und
  2. was Captain Ahab in der angedeuteten Sprechblase sagt.

Schreiben Sie beides in den Kommentar und gewinnen Sie, mein willkürlich verteiltes Wohlwollen vorausgesetzt:

  • Karl May: In den Kordilleren, Band 13 der Bamberger Grünen Ausgabe — das Original! Altersbedingt angestaubt (1228. Tausend), sonst top erhalten; oder
  • Herbert Rosendorfer: Der Ruinenbaumeister, ein ausgemustertes Büchereiexemplar, daher mit allerlei Narben, die so ein Bücherschicksal schlägt, aber einwandfrei lesbar, jedenfalls mit intakter Bindung — noch ein weißes dtv mit Umschlagillustration von Piatti. Ein einziger grandioser Irrgarten aus Abschweifungen, keine Ahnung mehr, wovon. Es gab eine Rahmenhandlung im Nymphenburger Park zu München; das Beste war eine Parodie auf E.T.A. Hoffmann (schon wieder was mit Bamberg), die besser war als der Meister selbst.

Als preiswürdig wird jede Idee eingestuft, über die ich mindestens so sehr grinsen muss wie über meine eigene, die ich beizeiten schon verraten werde. Sie sind allesamt kluge Leser, bis unter die Ohren angefüllt mit dem, was im Feuilleton der zum Beispiel Bamberger Nachrichten “hintergründiger Humor” heißt, und schütteln sowas doch souverän aus den Fingerkuppen. Nichts anderes, als was Sie ständig beim New Yorker Cartoon Caption Contest tun. Belehren Sie meinen Glauben an die Faulheit der Menschen, dass ich nicht zwei, sondern mindestens zehn Preise vergeben müsste! Bis 30. Juni um Mitternacht ist Ihnen was eingefallen, ist das okay?

Dazu der sinnigste Soundtrack, der nur jemandem einfallen konnte:
MissinCat aka Caterina Barbieri: Back on My Feet aus: Back on My Feet 2009, hihi.

Written by Wolf

12. June 2009 at 6:58 am

Posted in Kommandobrücke

Nennt mich Arion

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Elke gratuliert Gospodin Puschkin nachträglich zum 210. in Gestalt eines Updates
zu Die Welt spricht Moby (und Moby spricht russisch)
und Und siehe! Zart wie Mondstrahlgluten, weiß wie der Schnee auf Bergesgrat:

Elke HegewaldAls Nachkomme eines äthiopischen Beuteprinzen in dritter Generation, welcher als des Großen Peters Mohr in die Geschichte einging, setzte er offenbar höchste Priorität in die Frage der Ehre. Diese wurde ihm am Ende zum Verhängnis, denn er starb jung, mit nur 37 Jahren, in einem Duell mit dem französischen Gospodin und Offizier Georges-Charles de Heeckeren d’Anthès – was ein Jammer für die Poesie der Russen und die ganze Weltliteratur ist.

Alexander Sergejewitsch Puschkin machte die russische Muttersprache, vor allem die des Volkes, gegenüber der “Sprache des Feindes” hof- und literaturfähig. Wurde doch bis zu Napoleons Einmarsch in Moskau 1812 in der russischen Oberschicht nur französisch gesprochen. Er war Goethes Zeitgenosse und seinen Namen, seinen Eugen Onegin oder sein Märchen vom Zaren Saltan kennen sogar Leute, die mit der russischen Literatur kaum was am Hut haben.

Seine Russalka-Variationen sind als Beitrag zur Mermaid-Szene auf Moby-Dick™ hier seinerzeit schon verewigt worden. Und auch sonst macht er sich gar nicht so schlecht unter uns Waljägern. Denn als Sankt Petersburger Küstensohn und – von dort verbannt – zeitweiliger Schwarzmeerreisender war er mit allen maritimen Wassern gewaschen und neben allem andern auch ein großer Poet des Meeres.

Ilja Repin, Iwan Aiwasowski, Puschkins Abschied vom Meer, 1877

Arion

Wir waren viele auf dem Kahn;
Die einen hingen in den Wanten,
Es stemmten unter Deck die andern
Die Ruder. Unser Steuermann
Stand weise schweigend auf der Brücke
Und steuerte das Frachtschiff still;
Und ich – von Glauben tief erfüllt –
Sang sorglos Lieder … Als voll Tücke
Uns eine Sturmbö überfiel …
Steuermann und Schiffer kamen um! –
Nur mich, den Sänger, hat’s im Sturm
Geheimnisvoll zurück zum Strand verschlagen, …
Ich sing die alten Lieder weiter
Und trockne meine nassen Kleider
Im Sonnenlicht, wo Felsen ragen.

(1827)

Wenn mal Zeit ist, raffe ich mich auch noch irgendwann zu einer Übersetzung resp. Nachdichtung seiner romantisch flammenden Ode „An das Meer“ (К море) von 1824 auf.

Er ist einer von denen, die für immer jung bleiben. Auch wenn er gerade am 6. Juni 210 geworden ist. С Днём рожденя, Александр Пушкин.

Bei seinen Erben (ja, auch die Sparte der neuzeitlichen Gitarrenlyrik darf sich getrost zu denen zählen) klingen Schiffsuntergänge so:

Auch dazu notieren wir uns den guten Vorsatz einer gelegentlich nachzuliefernden Übersetzung.

Bild: Ilja Repin (Puschkinfigur) und Iwan Aiwasowski (Landschaftshintergrund):
Прощание А.С. Пушкина с морем (Puschkins Abschied vom Meer), 1877.

Written by Wolf

9. June 2009 at 12:01 am

Posted in Krähe Elke

Chiemgirl Blues

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Update for First Song (Und Die Indianer Kriegen Amerika Zurück):

Anika Lindtner, immergut

1. Walked from my landlubbing home to Übersee
          back in 1984
Walked from Übersee to my homebound station
          back the same day once more
                    Even it was that hole around old Chiemsee
                    blue kingfisher birds flittered around the Kampenwand souvenir store.

2. And there she was sitting in the railway station beer garden
          resting her Meindls on her rucksack and a chair
When she was sitting in the beer garden of the railway station
          restauration licensed full-time open-air
                    Her looks were not friendly but her eyes closed anyway
                    and as the trains passed by the Chiemgau winds played in her hair.

3. She didn’t take the 7:03 to Rosenheim–Munich
          nor did she take the 7:50 to Traunstein–Freilassing too soon
She was one who wouldn’t grow to be a machine operator on the oceans
          nor ride in the sky fast and wild in a hot-air balloon
                    She neither belonged to Frauen- nor to Herrenchiemsee
                    and as she watered her Radlers down her glasses qualified her for a raccoon.

Anika Lindtner, immergut

These song lyrics are free for musical composition. Add solos, use melody twists, sound preferably like the Bananafishbones (Bad Tölz) doing Rocky Raccoon, and let me know your setting. The copyright be mine, sayeth the poet.

Lit.: The Beatles: Rocky Raccoon from the White Album, 1968;
Sten Nadolny: Netzkarte, 1980;
Tom Waits: Mule Variations, 1999.

Images: Anika Lindtner: das schöne an einem blog, May 24, 2009;
das erste mal ist immer gut, May 27, 2009;
Carsten Volkwein: Ein Waschbär am frühen Morgen auf dem Dach eines Wohnhauses, Albertshausen/Nordhessen, June 4, 2007.

Waschbär auf dem Dach

Written by Wolf

7. June 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck

Warum wir trotz allem Thomas Mann lieb haben

with 5 comments

Update zu Kein Wunsch, 125 zu werden: And Anxiety’s Plenty For Me:

Man kann viel gegen Thomas Mann einwenden und tut es auch. Ein widerwärtiges Großbürgerschätzchen muss er gewesen sein; kein Problem — oder eben doch eins —, dass er schwul war, aber dazu stehen hätte er ruhig dürfen, statt sich selbst samt seiner Familie mit dem aggressiven Depri aus seiner ungelebten Sexualität zu sekkieren. Damit hat er Frau und Kinder bis mindestens ins dritte Glied mit in seinen Sumpf gezogen, mehr Glieder sind es aus zeitlichen Gründen bis jetzt nicht. Ein richtig gelungenes Leben hat niemand aus seinem Umfeld, alle waren sie überschattet von diesem übellaunigen Monument von Oberhaupt, das eigentlich Goethe sein wollte und sich wahrsacheinlich für ihn gehalten hätte, wenn er nicht entschieden zu gescheit dafür gewesen wäre. Ein Hoher Sohn, ein übersteigerter Vater. Der Mann verkörpert alles, was man aus begründetem Selbstschutz hasst. Einfach ekelhaft.

Nicht einmal der Nobelpreis 1929 konnte ihn befriedigen: Daran hatte er zu mosern, dass er ihn für seinen Erstling, die Buddenbrooks bekam statt für sein Lieblingsbuch, den Zauberberg, das 800 Seiten lang einem jungischen Großbürgerschätzchen zuschaut, wie es sich sieben Jahre lang langweilt.

Und das ist die Stelle, an der wir aufhorchen sollten: Da hat er doch Recht, der Mann. Einen Nobelpreis für diesen belanglosen Schnelldurchlauf einer Familiengeschichte von Buddenbrooks? Der Zauberberg dagegen, die thematisierte Langeweile, die er jedoch mit einer so bestechenden Klarheit ausgewalzt hat, dass sie tatsächlich auf keiner der 800 Seiten langweilig wird, nur eins von ziemlich vielen, ziemlich dicken Folgebüchern? Sagt, was hatten die in Stockholm für Übersetzungen? Alles was recht ist: Da konnte sich der verknieste Krauterer ganz gut selbst einschätzen.

Alle Vorwürfe gegen Thomas griffen, wenn er sich mit seiner geradezu sprichwörtlichen allfälligen Ironie (allein schon das Wort…) von oben herab raushängen ließe, dass er sich gerade nur gemein macht. Das tut er nicht. Er schont sich nicht, er weiß, was er für ein Arsch ist, selbst noch in jedem Moment seiner Sitte, jedes Wort, und er braucht viele davon, in moralische Anführungszeichen zu setzen. Er ist unglücklich geblieben dabei. Er hat seine Lieben noch mitgerissen, was ihm vermutlich nicht recht war, aber es hat sich nun mal nicht anders ergeben. Für sein Leben war alles, was er tat, sinnlos, jeder heutige Freizeitpsychologe könnte ihm Besseres raten — aber ich glaube, dass er aufrichtig war. Er hat nichts geändert, er hat nur getan, was er am besten konnte: auf verdammt hohem Niveau schreiben.

Seine Bücher sind ernst, meist sogar tragisch, es geht viel um die Schmerzen des Künstlers, an denen er sicher selbst litt, und gegen die er mit einem Schnäpschen am Morgen anging, das er sich ins Arbeitszimmer hinterhertragen ließ. Wenn man sich auf den Tonfall einlässt, findet man an allen Ecken und Enden was zu grinsen. “Ohne Furcht vor dem Odium der Peinlichkeit” (Der Zauberberg, Vorwort) schickte er mehr oder weniger latent schwule Schreiber in Tod, Elend, Verdammnis, Bedeutungslosigkeit oder mehreres davon, und wenn er es mit seinen letzten paar Freunden verderben musste (in Wälsungenblut die dekadentesten Adelsbengel der Literaturgeschichte im Inzest aufeinanderhetzen! gegen Schluss von Doktor Faustus noch den süßesten aller Himmelsknaben ins Kindergrab senken! anhand allzu leicht entschlüsselbarer realer Vorlagen!) — aber so, wie er es sagt, liegt in allem ein menschlich umfassender Trost. Er hat Epigonen in Legion, aber das konnte nur er.

So gesehen ist er gar nicht so weit weg von Goethe, nur dass seine wenigen Gedichte noch mieser sind. Ver-dichten lag ihm nicht, er brauchte Platz, und davon jede Menge.

Jener Zauberberg und Doktor Faustus gehören zu den paar Büchern erheblichen Umfangs, die ich gleich zweimal durchgehalten hab und nicht anstehen werde, ein drittes Mal zu lesen, was ja alles Lebenszeit bedeutet; wegen dem letzteren hätte ich ums Haar angefangen, Musikwissenschaft zu studieren (Kontrabass vielleicht, Kontrabass ist cool. Im Seniorenstudium vielleicht), und im Tod in Venedig, der uns allen einst zahlreiche Deutschstunden sinnlos verlängern half, tritt eine Nebenfigur auf, und zwar zwei Mal, die er beim ersten Mal unnötig lang und breit beschreibt. Beim zweiten Mal noch einmal — aber jetzt mit einem vollständig anderen Wortschatz. Man muss sehr genau dabeibleiben, um überhaupt mitzukriegen, dass es die gleiche Person ist. Diese beiden Stellen haben mich, der ich über der Kunst der Personen- und Landschaftsbeschreibung die Vorzüge des Mediums Comic schätzen gelernt habe, sogar noch einmal zu Karl May getragen, der seine zusammenerfundene Schießbude der amerikanischen Great Plains mit einer sächselnden Geisterbahn bevölkert hat. Und es wurde besser davon. Ob Thomas Mann das gewollt hätte?

Es war sicher nicht seine Absicht, wohl aber sein Verdienst. Wahrscheinlich hätte er sich das dünne Haar gerauft und es als weiteres Zeichen künstlerischen Scheiterns gedeutet, oder schlimmer: von Missachtung und Unverständnis selbst noch des interessierten Publikums. Mein Wohlwollen für Vater Thomas Mann ist angelernt, aber solide, helfen kann ich ihm aber nicht. Und seine Künstlerschmerzen sind so echt wie die leise laufenden Tränen über seinem etwas verkniffenen, zwanghaft ironischen Lächeln.

Und das rettet ihn. Der Mann ist — leider — gut.

1929, vor 80 Jahren, bekam er seinen zähneknirschend angenommenen Nobelpreis. Von seiner Reise nach Schweden stammt ein Pressefoto, das ihn mit seiner Frau Katia am Bahnhof zeigt.

“Ja grüß Sie Gott, Herr Mann! Gut, dass wir Sie hier treffen. Wollen Sie nicht kurz mit Ihrer Frau für eine Photographie posieren?”

“Wir haben leider nicht viel Zeit, junger Mann. Die Bahn fährt auch ohne uns ab, wenn Sie verstehen.”

“Selbstverständlich, Herr Mann! Stellen Sie sich einfach hier auf und tun Sie so, als ob Sie Ihre Frau leiden könnten, es dauert ja nicht lange, ha, ha, ha…”

“Mir scheint, wir haben es hier mit einem Scherzbold zu schaffen, meine liebe Katia. Wir wollen ihm den Gefallen tun.”

“Belieben Sie doch gefälligst die werten Beine über Kreuz zu stellen, Herr Mann! Das wirkt sicher besonders intelligent!”

“Etwa so, junger Freund?”

“Ganz famos, Herr Mann! Man merkt sogleich den Fachmann, wenn ich so sagen darf, Herr Mann! Und rücken Sie doch Ihr kleidsames Henkelkissen ins Bild! Das weist Sie als besonders ausgebufften Weltreisenden aus!”

“Ganz wie meinen. Nun muss es dennoch genügen. Die Bahn, Sie wissen…”

“Selbstverständlich, Herr Mann! Wir haben Sie bereits ‘im Kasten’, wie wir Pressephotographen sagen. Haben Sie recht vielen Dank und viel Glück auf Ihrer Reise!”

So springt Deutschland mit seinen Helden um. Der Stern hat das Bild Ende 2001 aus den Tiefen des Ullstein Bilderdienstes ans Licht gezerrt, und selber bin ich ja auch nicht besser. Und Sie speichern es wahrscheinlich und empfehlen es als funny forward herum, wenn sich schon mal dergleichen von einem Dichterfürsten findet. Alles für die Kunst. Das hängt ihm jetzt 80 Jahre lang nach, dem Mann.

Heute wird er 134. Vielleicht waren das Gründe genug, 2010 zu einem kleinen Thomas-Mann-Jahr auszurufen. Der Buchhandel arbeitet zweifellos fieberhaft dran.

Thomas und Katia Mann 1929, Stern 51, 2001

Der Mann und seine Frau: Thomas und Katia Mann, Berlin 1929: Ullstein Bilderdienst für den Stern 51/2001.
Bildunterschrift: “Thomas Mann und seine Frau Katia 1929 in Berlin. Der Dichter mit Hut, Stock und Henkelkissen erhält in diesem Jahr den Nobelpreis.”

Written by Wolf

5. June 2009 at 12:01 am

Posted in Rabe Wolf

Most vexatious delays

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Update zu Elizabeth Shaw Melville unterbindet den ersten Manuskriptentwurf (1850)
und Chez Pierre:

Water, water, every where,
Nor any drop to drink.

Samuel Taylor Coleridge, The Rime of the Ancient Mariner, 1797

In ihrem Artikel “Herman Melville, Wife Beating, and the Written Page” (1994) [in American Literature, LXVI, 1 (1994) p. 123–150] warf dann Elizabeth Renker eine Frage auf, die nach der Dynamik der Publizistik nicht zum Verschwinden gebracht werden kann: Hat Melville, besoffen, seine Frau geprügelt und die Treppe hinuntergeworfen oder nicht? Bewiesen ist nichts, aber immer bleibt etwas hängen. Da seine Frau ihn 1868 verlassen wollte, muß es jedoch ziemlich schlimm gewesen sein.

Hans-Joachim Lang: Nachwort zu Pierre,
in: Herman Melville: Pierre, hg. Daniel Göske, Hanser 2002, Seite 660

Heute vor 133 Jahren, am 3. Juni 1876, erschien Clarel, das Produkt aus Melvilles Weltflucht bei G. P. Putnam & Company in New York. Elizabeth zu Catherine Lansing: “Congratulate us, for the book was published yesterday after a series of the most vexatious delays.” Das wird uns noch beschäftigen.

Written by Wolf

3. June 2009 at 4:55 pm

Posted in Moses Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #30

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Song: Martin Carthy & Family: Hog-Eye Man (2:45 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Official artist site; song playlist.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Miss Marjorie Joesting: Rock On: 1926.
Marjorie, the future Mrs. Arthur Lange, was both Miss Washington, D.C., and a Miss America runner-up at Atlantic City in 1926.
National Photo Company Collection glass negative, August 2, 1926.

Lyrics:

1. Oh, hand me down my riding cane,
I’m off to meet my darlin’ Jane.

Chorus: And a hog-eye!
Railroad navvy with his hog-eye,
Steady on a jig with a hog-eye-o,
She wants the hog-eye man!

2. Oh, the hog-eye man is the man for me,
Sailin’ down from o’er the sea. — Chorus.

3. Oh, he came to the shack where Sally did dwell,
He knocked on the door, he rung a bell. — Chorus.

4. Oh, who’s been here since I been gone,
Railroad navvy with his sea boots on. — Chorus.

5. If I catch him here with Sally once more,
I’ll sling me hook, go to sea once more. — Chorus.

6. Oh, Sally’s in the garden sifting sand,
Her hog-eye man sittin’ hand in hand. — Chorus.

7. Oh, Sally’s in the garden, punchin’ dough,
The cheeks of her arse go chuff, chuff, chuff! — Chorus.

8. Oh, I won’t wear a hog-eye, damned if I do,
Got jiggers in his feet and he can’t wear shoes. — Chorus.

9. Oh, the hog-eye man is the man for me,
He is blind and he cannot see. — Chorus.

10. Oh, a hog-eye ship and a hog-eye crew,
A hog-eye mate and a skipper too. — Chorus.

Explanatory liner notes by ANTI-:

A hog-eye was apparently a type of barge used in the canals and rivers of America from the 1850’s onward. Thus, “hog-eye man” was used in derogation by the deep water sailors who used this chantey at the capstan. Many of the original verses to this chantey were far too obscene to have ever found their way into print.

Written by Wolf

1. June 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Das Hörbuch als Video: Kapitel 23: Die Leeküste

with one comment

Update zu Kapitel 22: Frohe Weihnacht:

Das 23. Kapitel (3:51 Minuten) ist fertig.

Videobild: Ralph Preston hat Bulkington aus Moby-Dick 1990 ans Steuer in seinem Modell des Walfängers Charles W. Morgan 1840 gestellt. Buddelschiff 72 Liter, Durchmesser 55,88 Zentimeter, 11 Figuren, 7 Walboote, detailgetreue Takelage, 8000 Arbeitsstunden über 13 Jahre verteilt. Heute: Technisches Museum Berlin, für eine unbekannte Summe.

Natalie Haas on Celloes

Bild: Natalie Haas.
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007,
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Written by Wolf

27. May 2009 at 12:01 am

Posted in Siedekessel

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #29

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Song: Akron/Family: One Spring Morning (5:25 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Official band site; song playlist.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Playboy via Never Sea Land.

Lyrics:

It was one morning in the spring
I went on board to serve the king,
I left my dearest dear behind,
Who often times told me her heart was mine.

When I came back to her father’s hall
Inquiring for my jewel
Her cruel father this reply
Her momma says if you deny

Oh she has married another man
A richer man for all his life
A richer man for all his life
And he has made her his lawful wife

Oh God curse gold and silver too
And all false women who won’t prove true
For some will take and then will break
All for the sake of richery

Oh stop young man don’t talk too fast
The fault is great but none of mine
The fault is great but none of mine
Don’t speak so hard of the female kind

If I had gold you might have part
As I have none you’ve gained my heart
You’ve gained it all with a free good will
So keep my vows and hold them still

Since hard fortune around me frowns
I’ll sail this ocean round and round
I’ll sail this ocean until I die
I’ll quit my ways on the mountain high

Explanatory liner notes by ANTI-:

Whenever sailors go to sea, they risk the loss of everything left behind. Those left onshore wait with the uncertainty of when or whether the sailor will return. Sometimes, as in this British Isles ballad, they don’t wait.

Internal news: Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #9, the Spanish Ladies song by Bill Frisell, has been equipped with a censored image as well to become G-rated in Youtube’s eyes. Shame over William-Adolphe Bouguereau, 1885.

Written by Wolf

26. May 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

München am Meer III: Der größte Buchladen Deutschlands

with 6 comments

Update zu Kaufen und Flachlegen
und Alles Übersetzungsfrage:

Hugendubel München, Marienplatz: Maritimer Büchertisch, April 2009.

Herman Melville: Moby-Dick; oder: Der Wal. Deutsch von Friedhelm Rathjen, erstmals in einer deutschen Ausgabe mit allen 269 Illustrationen von Rockwell Kent, herausgegeben von Norbert Wehr. Im Anhang ein Essay von Jean-Pierre Lefebvre über “Die Arbeit des Wals”, zeitgenössische Dokumente aus dem Quellgebiet des Romans, u.a. von Owen Chase und Jeremiah Reynolds, ferner Melvilles Essay “Hawthorne und seine Moose” sowie sieben Briefe an Sophia Hawthorne und Nathaniel Hawthorne. Zweitausendeins Verlag 2004; hier: mit vollständiger Lesung von Christian Brückner auf zwei .mp3-CDs im marebuchverlag, 2007.

(Und ins Bild gedrängelt: Julien Green: Erinnerungen an glückliche Tage, Hanser 2008.)

Written by Wolf

24. May 2009 at 12:01 am

Posted in Fiddler's Green

München am Meer II: Captain’s Saloon

with 2 comments

Update zu Captain’s Blues:

Captain’s Saloon, Westenrieder Straße 31, München:
Nautik, Technik, Sport, Silber, Glas, Grafik — und “gefahrene” Schreibtische!

Written by Wolf

23. May 2009 at 12:01 am

Posted in Fiddler's Green

München am Meer I: If You Miss Me on the Harbour

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Update zu If You Miss Me on the Harbour,
The Poet, the Physician, the Farmer, the Scientist (My Antediluvian Baby)
und Ihr seid so gut:

Idealausguck aufs Kaufhaus Karstadt Oberpollinger vom Stachus aus.

If you miss me on the harbour
for the boat it leaves at three
take this snake with eyes of garnet
my mother gave to me.

Shane MacGowan and the Popes: The Snake With Eyes of Garnet, aus: The Snake, 1994.

Written by Wolf

22. May 2009 at 12:01 am

Posted in Fiddler's Green

Guardian of public virtue came ridin’ along

with 7 comments

Das muss ich jetzt erzählen: Endlich hab ich auch mal gegen die Community-Richtlinien von Youtube verstoßen. Ich bin böse, jaaaaa!

Jemand oder etwas nahm Anstoß daran, dass mein Video zu Robin Holcomb: Dead Horse nackte Frauenbrüste zur Schau stellte. Schlimmer noch: Jungfrauenbrüste! Ja, Seejungfrauenbrüste, wenn nicht gar noch Meerjungfrauenbrüste!

Selbstverständlich hat jemand oder etwas vollinhaltlich Recht. Wenn ich meiner zwölfjährigen Tochter in meinen bevorzugten Weltgegenden die Tiere des Waldes zeigen wollte und da hupft eine Seejungfrau hinterm Busch hervor und hängt die Hupen raus, so würde ich sie zur Ordnung rufen — die Seejungfrau, nicht meine Tochter. Vor allem so hässliche Hupen wie die, welche Herr oder Frau Isolated Instances of Non-Gravity für die Collage Darling vewendet hat.

Bei dieser grandiosen Schweinigelei von Good Ship Venus konnte man vorher so schlau sein und dem offenbar gerade gestern volljährig gewordenen Mädel züchtig die Bikinizonen verhüllen; noch böser als Ausdrücke wie “Hupen raushängen” zu verwenden und überhaupt zu wissen, was “Spreizbildchen” sind (schuldig geworden am 1. April 2009), bin ja nicht mal ich. In nimmermüdem Einsatz für unsere Leser wurde deshalb das Video selbstverständlich umgehend durch eine entschärfte Version ersetzt.

Gegen mein Youtube-Konto wurde eine Warnmaßnahme gemäß den Community-Richtlinien ergriffen, die in sechs Monaten abläuft. Weitere Verstöße können dazu führen, dass ich vorübergehend keine Inhalte mehr in YouTube posten darf bzw. mein Konto gekündigt wird. Youtube-Feind Nr. 1 — der sowieso andauernd dafür notorisch wird, dass er Videos von Element of Crime aufzurufen versucht, die für “mein Land” nicht verfügbar sind. Gut, dass wenigstens Moby-Dick™ seit 2007 R-rated ist, was in Deutschland einer Freigabe ab 16, in den USA sogar ab 17 Lebensjahren entspricht. Und außerdem bin ich neugierig, ob ich jetzt auch so viele Suchanfragen für “hässliche Hupen” wie bisher für “sexy Zehen” reinkrieg.

In diesem Sinne: Eleni Mandell: Afternoon, aus: Afternoon, 2004, die jugend- und hupenfreie Collage aus wenig Meer und viel Country.

[Edit:] Wir könnten auch anders. [/Edit]

Written by Wolf

19. May 2009 at 4:50 am

Posted in Kommandobrücke

Ja, wie gesagt, sie war ja noch so jung

with 3 comments

Update zu Melville total versaut:

Aus der Reihe “Verschollene Preziosen, unterdrückte Genies und schwule Seemänner”: Ulrich Roski.
Wiki, Website (gebaut von Sven “Daily Ivy” Knoch).

Des Schleusenwärters blindes Töchterlein, 1972;
durchsetzt mit Fachausdrücken aus der Binnenschifffahrt; Klavierversion.

Aus: Das macht mein athletischer Körperbau, 1971.
(Hätte gestern zum 17. Mai noch besser gepasst, aber jetzt haben Sie ihn 40 Jahre lang nicht gekannt.)

Written by Wolf

18. May 2009 at 2:58 am

Posted in Wolfs Koje

Save my soul but bring your toys

with one comment

Schon wieder ein Update zu Country Mermaid
(und nebenbei zu And it will be the last thing I do):

(Muss leider sein, außerdem wird’s nach unten zu spannender.)

Die Geschichte fängt an, wie seit den aristotelischen Poetiken des Barocks keine Geschichten mehr anfangen sollten: Ich lag im Bett und wachte mit einer Textschleife im Ohr auf. Wahrscheinlich schwebte ich sogar im dramaturgisch hilfreichen Ausnahmezustand eines Urlaubs, in dem man sich auf den Haupthandlungsstrang beschränken kann.

In groben Zügen hörte sich der Text schon so an, wie der aufmerksame, treue Moby-Dick™-Leser ihn kennt. Zur Erinnerung:

R.: Cowgirl is yearning
Mermaid is burning
Cowgirl is dreaming
Mermaid is screaming.

1. Cowgirl went the stormy sea to look
Mermaid showed her how the country shook
Cowgirl tried a big ship out without her shoes
Mermaid can’t take boots on but she even got the blues. — R.

2. Cowgirl called the winds and gave no damn two cities drowned
Mermaid watched her heart break, as the third one died she frowned
Cowgirl rode the whale and watered the electric bull
Mermaid can’t take step by step to unbreak the rule. — R.

3. Cowgirl pushed three buttons and the sirens all went on
Mermaid pulled the sailors down their boats now three are gone
Cowgirl shot the sirens out but only hit the boys
Mermaid Mermaid save my soul but bring your toys. — R.

Der Trick daran ist: Ich will nicht entscheiden müssen, ob es darin um ein oder zwei Mädchen geht. Von mir aus sehen Sie’s als zwei Seelen, ach, in einer Brust oder zwei widerstrebende Mächte, denen die Jungs auf dem Meer ausgesetzt sind. Und hey, das Meer symbolisiert so ziemlich alles, oder was haben wir bei Melville gelernt?

Auf jeden Fall sind es ein oder zwei sehr reizvolle Mädchen — Cowgirls, Seejungfrauen, Sirenen und wie solche Grenzgängerinnen zwischen den Elementen alle heißen blicken auf eine enorme Fanbasis herab. Schon wenn man sie im banalen Leben antrifft, erkennt man ihre mythische Dimension; mich wundert niemand, der von ihnen gebeutelt wird. Für diese Country Mermaid(s) stelle ich mir jemanden zwischen Idgie Threadgoode und Amelia Earhart (nicht identisch mit Elli Pirelli) vor, womöglich, ich wette was, auch noch mit roten Haaren. Solche sind hinreißend und machen einen fertig. Der Text ist demnach in seinem Surrealismus höchst lebensnah.

Ein mythischer Text mit dem Zeug zum Volkslied also. Erst mal in den Weblog damit, dann kann man’s vorzeigen. In den Monaten, seit ich das Ding geschrieben hab, gab es Anwandlungen, da wollte ich nicht mal der Urheber davon sein. Dergleichen wächst auf den Bäumen, wabert in der Luft, lauert als Nährstoff im Essen (meistens in Bier) und manifestiert sich nur durch jemanden. Volkslieder haben keinen Urheber, außer juristisch vielleicht. Das macht es zum Folk Song, was ein bisschen anders definiert ist als das deutsche Konzept vom Volkslied, aber nahe dran.

Und sobald die ersten vergleichenden Exegeten ankommen, um vorzurechnen, dass Ladyhawke genau die selben Reimwörter für den Refrain auf Paris is Burning verwendet hat, will ich mich noch nicht mal auf Kryptomnesie hinausreden — sondern darauf hingewiesen haben, dass es um andere Themen und vor allem eine grundlegend andere Musik geht. Im Marketing sagt man: Das kannibalisiert sich nicht. Als ich oben, anfangs der Geschichte, mit der Textschleife im Ohr aufwachte, mag das Radio gelaufen sein, vielleicht hat sogar der Zündfunk Ladyhawke gespielt. Vor erstaunlich wenigen Jahrhunderten lebten mehrere literarische Genres davon, dass sich, o Wunder, Herz auf Schmerz reimt, da ist Yearning auf Burning noch lange nicht ausgereizt.

Näher besehen ist der Vierklang aus Yearning/Burning/Dreaming/Screaming sogar überraschend tragfähig: zwei defensive und zwei aktive Wörter, je eins aus jedem Reimpaar — die in dieser Reihenfolge geradezu alleinstehend eine Geschichte konstituieren. Das funktioniert in der Reihenfolge 1–3–2–4 ebenso logisch wie in 1–2–3–4, liegt sauber geflochten wie ein Zopf vor uns und trägt offenbar die Wahrheit selbst in sich. Wünschen wir Ladyhawke, dass wenigstens sie da selbst drauf gekommen ist.

Das ist der Refrain. Die drei Strophen fackeln eine atmosphärisch stimmige Geschichte ab, die dem Cowgirl nautische und der Mermaid erdverbundene Merkmale zuweist — so ist das gedacht. Das Mädchen, das zwei ist, richtet aus Neugier, aus Mangel an Vorsicht und Sorgfalt, vielleicht auch aus blankem Mutwillen, ihre Jungs zugrunde. Ihr Schiff kentert, zwei Städte versinken, so sind die nämlich. Drunter mach ich’s nicht.

Alles in diesem Lied ist 2, wenn nicht gar 2×2, wobei die Paarungen eher entzweit denn gebildet werden — alles voller Melvilleanischer Ambiguitäten, Dialektik und — typisch Mermaid: Widerspruch. Den What about Carson bin ich deshalb dankbar, dass sie auf diesen anthrazitfarbenen Text eine übermütig gut gelaunte Melodie gebastelt haben — so konterkarierend macht sie das Gebilde plastischer als mit redundantem Runterziehen. Text und Musik bilden das einzige Paar des Liedes, und das kabbelt mitsammen. Und es ist das, von dem man am meisten hat, so als Zuhörer. Toller Job, die Herrschaften Carson.

Auf Textverbesserungen werde ich aufmerksam und freundlich hören. Co-songwriting, anyone?

Die Illustration Remix hat Paperboatcaptain nach einem E-Maildialog aus dem Untertitel Melvilleanean Country Mermaid Heartbeat Remix gebaut. Mir entfällt, wie das im Oktober bis November 2008 zeitlich ineinandergreift, und was Paperboatcaptains Inspiration dabei war. Meiner Erinnerung nach hat sie zugängliche Momente und kann von interessierten Leuten sicher in einer Wortwahl, die ihr zusagt, danach gefragt werden.

Überhaupt der Untertitel: Die englische Wortbildung und Syntax gehen hier ineinander über und bilden je nach der Lesart, in der man Adjektive von Substantiven unterscheidet, eine andere Semantik (got it…?): Ist es ein Country Mermaid Heartbeat Remix, der Melvilleanean aussieht? ein Mermaid Heartbeat Remix aus einem Melvilleanean Country? oder doch der Heartbeat Remix einer Melvilleanean Country Mermaid? Englischlehrer, you tell me.

Ein zufriedenstellender Text, der bildgebend Verfahrende zu sehr ordentlichen Collagen inspiriert — zu schade, um ihn tonlos in einem Weblog vergammeln zu lassen. Für die Vertonung wünschte ich mir jemanden, der mindestens Country kann, Seemannslieder wären vermessen gewesen: Für sowas waren immer nur Shantychöre zuständig, die nach Heidi Kabel klingen, was sich erst im jüngeren Independent-Geschehen gebessert hat. Es fällt tatsächlich auf: Seit wir paar durchgeknallten Kulturnerds Moby-Dick™ betreiben, versteht sich plötzlich noch jemand anders als Freddy Quinn auf Seemannsromantik. Was dabei Ursache und Wirkung ist, will ich gar nicht so genau wissen.

Was machen eigentlich Carson Sage and the Black Riders? Von denen war ich im ausgehenden 20. Jahrhundert mal sehr angetan — für ein zahlendes Mitglied bei Radio Z und bekennenden Hörer des Erlangener Radio Downtown, es ruhe in Frieden, waren die mal schwer zu überhören. Die verstanden sich als erste Folkpunkband Deutschlands, und in die Sängerin Edda war damals über Nacht halb Franken verliebt, als sie auf den Regionalcharts mit ihrer Gebirgsbachstimme Garten Mother’s Lullabye trällerte. Ein Seemannslied hatten die auch, schon 1993: eine energische Version von Sally Brown. Letzte CD leider schon von 1995, aber klasse war die, für mich war die nie alt oder gar weg. Herrschaften, die wären’s.

Und siehe, als ob man drauf gewartet hätte, covern die sich seit 2007 selber als What about Carson. In leicht gewechselter Besetzung, aber die Verliebestimme — who the heck is Lucinda Williams? — und das charmante Gerotze sind immer noch da.

Edda, in jeder, auch öffentlichkeitsbetreuender Hinsicht, die Stimme der Kapelle, konnte sich mit dem Text anfreunden, und was soll man sagen: Country Mermaid hatte am 2. Mai 2009 in der Bamberger Blues Bar (kenn ich nicht, klingt aber ganz lustig) Uraufführung. Den ganzen Terz mit der Übermittlung von Vorabversionen aus den Bandproben — die Ärmsten arbeiten ja noch mit MiniDisc, was weder der Mixer noch der Roadie aus meiner Nachbarschaft nachvollziehen können — soll man erheiternd und belehrend auffassen. Ein Probenmitschnitt mit dem Handy klang wie durch zwei Türen aus der Besenkammer, dafür stehe ich heute in stolzem Besitz einer tollen, kaum je gebrauchten MiniDisc. Das Wichtige ist: Es hat Ohrwurmqualität und der Band gefällt’s.

Die Uraufführung hab ich verpasst, die zweiten Aufführungen werden aber erfahrungsgemäß sowieso immer die besseren — und die Sänger sind textfest geworden und verteilen die Silben geläufiger auf die Melodie, gell, Edda? Also eine Woche später auf zum Brauereifest des Schanzenbräu — abermals verwirrender Weise nicht auf dem Gelände der Brauerei zu Gostenhof, sondern auf dem der Nürnberger AEG, Halle 50. Das Bier soll laut Edda das beste Nürnbergs sein, was sich meiner lückenhaften Kenntnis des Expat entzieht, weil es das Zeug zu meiner Nürnberger Zeit noch nicht gab — was man aber allein daran erkennt, dass der Saitenhengst Linus neuerdings über dem Bräu wohnt: basisdemokratisches Indiebier für basisdemokratische Indiebands.

Wie’s war? — Schwer zu finden. Man konnte sich an ein paar anderen Versprengten orientieren, die aussahen, als ob sie dringend auf ein Brauereifest strebten, einer von ihnen kannte die Handynummer des Bruders vom Veranstalter und konnte uns fernlotsen lassen. Außerdem: der Parkplatz voller Oldsmobile, von denen die mitgeführte Wölfin begeisterter war als von der lauten Musik, die keiner versteht, Ford Thunderbirds, Pontiac Sunbirds, tiefergelegte Chevrolet Pickups und in welche Überbleibsel der Sechziger man sein Geld noch so reinhängen kann. Schwer, über die entspannten Beine der dazwischen lagernden Punks einen Weg zu finden, irgendwo dröhnte Musik. Das Lied erkannte ich: die letzte Strophe Country Mermaid. Pünktlich zum Schlussakkord (G7, glaub ich) stand ich vor der Bühne.

Edda schwitzte vor Hitze, Begeisterung und Schanzenbräu Rot und rief: “Ist vielleicht der Wolf da?”

Himmel, die meint mich. Ich winkte. Die Band winkte zurück. “Welcome, Mr. Melville!” rief Edda noch, dann spielten sie Red is the Rose mit einem hinreißend zweistimmig a cappella zusammengeschnulzten Intro und den alten Lyrics-Killer Heather on the Moor und noch eins und eins, das ich gar nicht kannte.

Und dann mussten sie räumen, hinterher wollten Smokestack Lightning rauf, schließlich waren die auf dem Event-Flyer am größten gedruckt. Jemand erbarmte sich und verlangte nach “Zugabe!”

Meine Stunde — in der sich endlich mal der Archos AV400 von 2004 bezahlt machte. Außer Backups behalten kann der nämlich auch Tonaufnahmen. Klingt fast so gut wie das bandeigene Handy (vielleicht sogar wie eine MiniDisc) mit dem Vorteil, dass man die Sounddateien, die drin sind, auch wieder rauskriegt. Und meinen Enkeln kann ich jetzt erzählen: Die Leute haben dazu getanzt.

Hinterher musste es schnell gehen, Pouty und Linus fingen eilig mit dem Abbauen an, kaum dass Edda den Sprung ins Publikum zu mir runter tun konnte. So hab ich sie aufgekratzt und euphorisch vom Spielen gekriegt — und ein hinreißend herzlich freundliches (und verschwitztes) großes Mädchen erlebt. Das Gegenteil von einer Zicke. Die Gebirgsbachstimme wohnt in einem Pfundshaus.

Gleich darauf deckte sich Getümmel darüber. Die Bandjungs riefen Edda zu sich, nach hinten raus die Schießbude verräumen, schnellschnell, wir kriegen alle nix geschenkt. “Ich komm gleich wieder!” versprach Edda noch, was die Wölfin dazu benutzte, mich am Hemdzipfel zu ziehen, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass es hier heiß, voll und stickig sei. Wer da widersprechen wollte. Die ebenfalls mitgeführte Welpin der Wölfin spendierte Holundersaft, Thunderbirds mussten bewundert werden, und dann war’s schon wieder so spät und ein langer Tag und wir auch nicht mehr die Jüngsten.

Nächstes Mal wird sich wohl ein genaueres Kennenlernen mit allen drei Carsons einrichten lassen, es sind noch nicht alle Lieder der Welt geschrieben, am Ende sogar ein zusätzliches Seidel Schanzenbräu oder was immer vor Ort zum Ausschank kommt. Dass sie einen Country-Rap bestellt haben, kann ich ohne Preisgabe von Geheimnissen verraten; mehr als dass es der erste seiner Art wird, weswegen mir diesmal der Verdacht des Plagiarismus noch ferner liegen wird, weiß ich nämlich selber nicht.

Von Elke, unserem Mann in Berlin, weiß man, dass manche Städte für aufstrebende Bands Studios samt Equipment verleihen und ihnen sogar einen Tonmeister nebendran setzen. Das könnte Nürnberg ruhig mal für seine alten Recken Carson leisten. Bedienen können die ein Studio schon selber, schließlich reden wir hier nicht von Beschäftigungstherapie für zehnjährige Hiphopper, sondern einer Neustarthilfe für gestandene Zirkusgäule. Da hat Nürnberg bedeutend mehr davon, stimmt’s, Nürnberg?

Was genau hält einen eigentlich davon ab, eine neue CD zu bauen? Nach 15 Jahren mal wieder eine neue Platte von einer Kapelle zu kaufen, die man mal gemocht hat, finde ich nicht übertrieben — mir fallen aus dem Stand mindestens drei sehr viel beklagenswertere Comebacks ein.

Nochmal Elke: Die Gute hat Beziehungen zum Berliner Tschechow-Theater. Über’s Jahr winkt daselbst eine Weblog-Lesung mit Moby-Dick™, beschallt von What about Carson. Schreibt schon mal ein paar Lieblingsartikel, die ihr da vortragen wollt, Jungs — das geht an Jürgen und Stephan, oder muss ich wieder alles allein machen?

Soundtrack ist, was Wunder, der Mitschnitt vom 9. Mai der Country Mermaid. Auf Feinheiten in der Abmischung kann ich bei dieser Aufnahmetechnik keine Rücksicht nehmen — mal abgesehen davon, dass ich im Arrangement eine Fiddle oder wenigstens Steel Guitar vermisse. Betrachten Sie’s als Preview. Von zwei Leuten wurde innerhalb der ersten Woche eine Studioversion bestellt, es muss also ohnehin weitergehen. Bilder vom Event auf Flickr.

Abschließend lässt mir Miss Wet T-Shirt Nürnberg Edda “Mann o Mann, wie seh ich denn da aus” Ruß keine Wahl als fürchterlich anzugeben mit ihrer, jawohl, Stimme:

Wolf du bist ein echter Hammer!! Ich find das Youtübchen klasse und der Sound is gar nicht so schlecht. Schöner Live-Eindruck mit echten, riesigen Schweißflecken!

Was nach der dritten Strophe aus Cowgirl und Mermaid wird, heißt Realität außerhalb des Mediums. Neugierig wär ich schon gewesen: Was eine Geschichte ist, die hört ja nach ihrem Ende nicht auf zu funktionieren. In zehn Jahren vielleicht. Gut gemacht — und jetzt weitermachen.

What about Carson, Schanzenbräufest Nürnberg, 9. Mai 2009

What about Carson sind:

  • Edda Ruß (Gesang, Heimorgel);
  • Dietrich Pfund (Gitarre, Schlagzeug)
  • Andreas Linus Steinert (Gitarre, Mandoline, Banjo, Akkordeon, Gesang)

und spielen am Donnerstag, den 21. Mai 2009 in der Nürnberger Desi nachmittags und draußen, jedenfalls irgendwann zwischen 15 und 4 Uhr, auf dem Radio-Z-Sommerfest!

Written by Wolf

17. May 2009 at 8:30 am

Posted in Reeperbahn

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #28

with 5 comments

Song: Bryan Ferry & Antony,
which is Antony Hegarty from Antony and the Johnsons;
featuring Kate St John on oboe:
Lowlands Low (2:36 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Images: Alkalinemouse: just hanging around, April 6, 2009;
Uncle Kuntz: ^uk^ LOST takes another twist, May 4, 2009.

Lyrics:

Our packet is the island lass,
Low lands lowlands lowlands low.
There’s a laddie howlin’ at the main topmast,
Low lands lowlands lowlands low.

The old man hails from Barbados.
He’s got the name of Hammer Toes.
He gives is us bread as hard as brass.
Our junk’s as salt as Balaam’s arse.

(Solo)

The monkey’s rigged in a soldier’s clothes.
Now, where he got ’em from, no one knows.
We’ll haul ’em high and let ’em dry.
We’ll trice ’em up into the sky.
It’s up aloft that yard must go.
Up aloft from down below.

(Solo)

Lowlands, me boys, and up she goes.
Get changed, me boys, to your shore-going clothes.

Explanatory liner notes by ANTI-:

This is a classic halyard chantey once popular in the West Indies. Many of the verses are direct references to getting the sails aloft. The lowlands was originally a reference to the Netherlands.

And Hulton “Ranzo” Clint adds:

This is a direct copy/cover of the recording by Ian Campbell, not the of “tradition” generally. Basically, Stan Hugill learned it from a chanteyman named “Tobago Smith,” and he printed it in his 1961 book. Campbell, presumably, read it in that book and made the recording. [He changed the objectionable word “nigger” to “laddie.” However, this was a song sung by Black sailors, who used that word in those days. By use of the word “laddie,” I think it perpetuates the misconception that chanteys were the domain chiefly of English/Irish/Scottish.] There is little or no other documentation of the chantey outside of Hugill’s text, so it is really stretching that ANTI calls it “a classic halyard chantey.” Also, “lowlands” in this obviously has nothing to do with the Netherlands! Their liner notes are a bit sketchy…

Written by Wolf

12. May 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Mein Leben im Konjunktiv: Herz ist Trumpf

with 15 comments

Update zu Before Sunrise:

Sextant, 5. Mai 2009Jeden Tag les ich mein Horoskop in der Bild.
(Was dann? Was dann?)
Dann koch ich mir ein Ei, weil man ja fit sein will.
(Was dann? Was dann?)

Trio: Herz Ist Trumpf, 1983.

Altwerden steckt voller Vorteile. Zum Beispiel kann man, sobald man erst eine Zeitlang durchgehalten hat, halbwegs sicher sein, nicht mehr aus barem ennui Hand an sich zu legen. Man hat schon so viel gesehen und weiß jetzt, dass man nicht so ein Gewese um die eigene Person machen muss. Man fragt nicht mehr, ob das alles sein soll, und ist dankbar, wenn da nicht mehr kommt.

Dabei wollte ich auf der Welt nie etwas Weitergehendes vom Leben, als mich ins Bett zu mummeln und mir von einem klassischen Radiosender den Sinn der Kammermusik erklären zu lassen. Es kann doch nicht so schwer sein, jemanden mit einem so zurückgenommenen Lebenswandel für lau zu ernähren.

Im Gegenzug gäbe ich bereitwillig von meinem Wissen weiter. Einmal die Woche käme eine E-Mail, die mich nach dem Langsamen Satz in einem kaum noch gehörten Schubert-Stück fragt. Das gäbe meinem Ego Auftrieb.

Meine beste Freundin käme am nächsten Tag und tauschte meinen Bierkasten aus. Sie würfe die Schuhe von sich, lehnte sich gegen das Fußende meines Bettes, um ein wenig zu verschnaufen, und wir unterhielten uns über meine Leistungen der vergehenden Woche.

Mein tiefes Fachwissen wäre bekannt und gerne in Anspruch genommen. In meinem Berg von Kissen wäre ich umgeben von zahllosen Büchern über die Fachgebiete, die mich gerade in Atem hielten. Ein paar abseitige Frühromantiker um Bettine von Arnim, die Hauptwerke des Konstruktivismus, Herman Melville in Northwestern-Newberry-Fassung sowie in der aktuellen deutschen Übersetzung und bisschen was Musiktheoretisches.

Das Radio liefe den ganzen Tag. Oft hätte ich einen sehr schwer zu empfangenden Tropensender “drin”, denn mein Radio wäre ein extrem leistungsfähiger Weltempfänger mit einer märchenhaft teuren Antenne vor dem Fenster. Damit hörte ich Nachrichten auf Russisch und Gälisch und brächte mein Wissen über fernöstliche Populärmusik auf Stand. Wenn sie italienisch oder spanisch redeten, drehte ich geschwind weiter, weil mich das hektische, heißblütige Geplapper ungebührlich aufregte. Wenn ich Aufmunterung bräuchte, suchte ich diesen einen Country-Sender live aus Nashville heraus.

Alle zwei oder drei Tage schaltete ich meinen Laptop ein, um meine Mails abzufragen und nach dem Nötigsten zu googeln. Wenn ich ansehnliche Damen in provokanter Pose fände, würde ich sie unter Eigene Bilder speichern. Ganz selten einmal bekäme ich eine Mail des Inhalts, dass ich ein schamloser Parasit an der Gesellschaft sei. Sie müsste ich ungerührt daran erinnern, dass in anderen Kulturen Menschen wie ich als heilige Männer respektiert würden. Die Antwort, dass diese Kulturen untergegangen seien, ignorierte ich, weil ich anonyme Querulanten nicht ernst nähme.

Ja, ich hätte Feinde. Jedoch verwendeten sie einen Sprachschatz, der sie von vornherein disqualifizierte. Meine Freunde dagegen schätzten mich als steten Quell der Weisheit und Lebensfreude.

Ein Angebot, mich als Ziereremiten in einem nach der Mode des 19. Jahrhunderts angelegten Gartengrundstück anzustellen, würde ich geschmeichelt überdenken. Die Stelle wäre gut dotiert: freie Kost und Logis in einer einfachen, aber angemessenen Hütte. Dafür müsste ich regelmäßig dekorativ in dem Grundstück lustwandeln, in geistigen und moralischen Dingen stets Rat wissen und, angesprochen, was Weises sagen.

Leider müsste ich die Stelle trotz allem dankend ablehnen, weil ich ohnehin schon nichts anderes täte, von meinen Brosamen aber nicht immer gerade dann abgäbe, wenn es jemandem anders in den Sinn käme. Die Bedürfnisse meiner reduzierten Lebenshaltung bestritte ich auch ohne diese abhängig machenden Almosen.

Ich lebte viel von Kartoffeln und Kohl, dem köstlichsten Gemüse von allen wegen seines imposanten Gehaltes an Vitaminen. Fleisch? Selten. Und wenn, dann nur aus vertrauenswürdiger Haltung, die ihre Tiere so fair wie Kriegsgefangene behandelte. Den verderblichen Fisch ließe ich links liegen zugunsten der nahrhaften Nudel. Dann natürlich Brot, Molkereiprodukte sowie ausreichend Spirituosen und bewusstseinsbefördernde Rauch- und Rauschmittel.

Bei besonders aufgeräumter Laune büke meine beste Freundin mir gerne einen Gesundheitsschatt, den wir gemeinsam zu einer Kanne grünen Tees verzehrten.

In Bekleidungsfragen wäre ich so anspruchslos und haushälterisch wie mit allen anderen Äußerlichkeiten. Viele Kleider bräuchte man nicht, wenn man sich so wie ich kaum noch unters Volk begäbe. Ein Schlafanzug zum Wechseln, ein Morgenrock für kalte Tage und dicke Socken, das genügte mir alltags. Für meine kurzen Besorgungen hätte ich noch Jeanshosen und einige Hemden aus meiner Studentenzeit übrig. Für offizielle Anlässe ein sauberes Jackett. Sollte einmal eine Reise anstehen, kaufte ich mir aus Beständen zweiter Hand das Unabdingliche zusammen. Ein Paar gut eingelaufener Bergstiefel ist unverwüstlich und taugte auch für die allerstrengsten Winter. Ersatz für ein Stück, das nun wirklich ausrangiert werden müsste, wäre schon für den Gegenwert zweier Gläser Wein zu haben.

Im Kino wäre es bekanntlich so dunkel, dass man niemanden nach seinem Äußeren beurteilen könnte, in den Gaststätten säßen die Zecher allemal noch nachlässiger gekleidet als ich.

Ohnedies wäre ich in beiden Einrichtungen aus angeborener Sparsamkeit ganz selten und nur dann anzutreffen, wenn mich verzweifelt nach geistiger Anregung dürstete. Nach solch einem aushäusigen Exzess hätte ich eine Zeitlang wieder genug von menschlicher Gesellschaft.

Meine Nachbarn grüßten mich im Treppenhaus flüchtig. Sie wären einfache, aber grundanständige Leute. Wahrscheinlich hegten sie ihre volkstümlichen Vermutungen darüber, womit ich wohl meine Tage verbrächte, ließen mich jedoch in Ruhe. Die jungen Mädchen sähen in mir eine Art geheimnisvollen Fremden, der mitten unter ihnen wohnte. In ihren privatesten Momenten stellten sie sich vor, wie es wäre, mit mir allein zu sein. Immerhin wüchse mir kein Buckel oder eine andere Verunzierung. Ich stänke nicht. So viel wäre ich ihnen und mir selbst schuldig. Zu jeder Zeit wäre ich im besten Mannesalter, mit mir wäre grundsätzlich zu rechnen. So betrachteten und beobachteten mich meine Nachbarn aus respektvoller Ferne. Sie bräuchten mich nicht, und umgekehrt wäre ich froh darum, nicht auf ihresgleichen angewiesen zu sein. Wenn ich um die Ecke wäre, tuschelten sie mitsammen, denn meine Anmutung legte dergleichen nahe, ob ich früher zur See gefahren sei.

Aus vergleichbaren Gründen hätte ich noch nie ein Fernsehgerät besessen. Übrigens auch keinen Führerschein für irgend eine Art von Kraftfahrzeugen. Derlei irdische Nichtigkeiten belasteten nur alle verfügbaren Kapazitäten und lenkten vom Wesentlichen ab.

Immer wenn sich ein genügend großer Vorrat an Gedanken in mir angesammelt hätte, würde ich nicht zögern, ihn auf geeignete Datenträger umzuschichten. Meine theoretisch-philosophischen Ergießungen fänden Platz in einem elektronischen Schreibprogramm, später auf meinem mit großem Engagement betriebenen Tagebuch im Internet. Für meine Gedichte und anderes lediglich schön sein Wollende wäre bestes Papier das einzig in Frage kommende Medium. Mit schwarzer, englischer Tinte beschriebe ich Bögen schweren Büttens. Anstrengungen, die Resultate für bare Münze zu veröffentlichen, unternähme ich nicht, denn die Verlage wünschten leicht verdauliches, jedoch episch breites Lesefutter, zu dem mir die Zeit fehlte. In Wahrheit sähe ich mich als Meister des Fragments.

Was mir abginge, wäre allein die Zufriedenstellung meiner Geschlechtlichkeit. Darüber sollte ein großer Geist wie meiner jedoch erhaben sein. Wie der Buddhismus und die Tiefenpsychologie unabhängig voneinander lehren, ginge ein Übermaß an fleischlichem Tun auf Kosten der intellektuellen Tätigkeit. Deshalb würde ich meine wildwüchsigen Triebe bezähmen und hernach sublimieren. Am Ende des Tages auf einen geistigen Erguss zurückzublicken könnte ebenso, wenn nicht noch nachhaltiger befriedigen als ein körperlicher.

Meine beste Freundin bezeigte wie immer alles Verständnis der Welt dafür, obschon sie mich heimlich anhimmelte und geschlechtlich begehrte. Nicht anders wäre zu erklären, warum sie sich bei jedem Besuch in so aufreizender Weise des Schuhwerks entledigte und mit ihren ausdrucksvollen Zehen, die ich wie Tierchen in ihre selbst gestrickten Socken gekuschelt wüsste, meine Bettdecke zerwühlte, indessen wir meine jüngsten Arbeiten besprächen. Nicht etwa, dass ich das anstößig, gar widerwärtig fände. Als ungebundener Geist dächte ich mir eben meinen Teil.

Gelegentlich käme sie mit einem Stellenangebot aus der freien Wirtschaft an. Aber nein, mich überredete sie nicht zur Lohnsklaverei. Zu kostbar wäre mir meine hart erkämpfte Unabhängigkeit. Auch als der Lebenskünstler, der ich wäre, hätte ich genügend Sorgen um die Ohren. Da müsste ich mir nicht noch eine Familie aufbürden, womöglich noch Kinder. Die Welt rechnete es mir als Leistung ebensogut wie als Stigma an, der Vater von nichts und niemandem zu sein.

Ich wäre ein weit herumgekommener Mann, der die Fährnisse der Welt kennte, und hätte bereits ein Familienleben hinter mir. Mein vorausgegangenes Schicksal hätte angedauert, bis meine Mutter, die noch irgendwo leben muss, mir die Tür gewiesen hätte. Das wäre ein entscheidender Einschnitt in meinem Leben gewesen, der Eintritt zu meiner wahren Bestimmung.

Allenfalls wäre ich verliebt in die süße Stimme einer Moderatorin, die bei einem skandinavischen Sender regelmäßig zu meiner Badezeit etwas hunnisch anmutende Schlagermusik präsentierte. Mit munterem Geklingel sagte sie ihre Lieder an und vermittelte bestimmt höchst wissenswerte Fakten dazu. Von brühheißem Badewasser umspült, lauschte ich ihr hingegeben und malte mir aus, wie sie außerhalb meines Lautsprechers Umgang mit mir pflöge.

Als mutmaßliche Schwedin wäre sie natürlich groß, gerade gewachsen und rothaarig, mit einem Dekolleté wie Alabaster und langen, schmalen Händen wie aus nordischer Tanne geschnitzt. Sie verstünde sich auf die Herstellung und Zubereitung von Stockfisch und obläge einer liebenswerten Schwäche für die Preiselbeermarmelade ihrer thulischen Heimat. Man könnte sie sich trotz ihres elfengleichen Körperbaus leicht mit einer Holzkiepe auf dem Rücken vorstellen. Eigentlich wäre sie ein Geschöpf der Wälder, paradierte aber ebenso gut im Kleinen Schwarzen.

Sie spräche ein kindlich gebrochenes Deutsch mit einem hinreißend säuselnden Akzent. Manchmal verwechselte sie Vokabeln. Dann lachte sie glockenhell über ihre Ungeschicklichkeit auf und nähme einen noch rosigeren Teint an, sodass man sie einfach umhalsen müsste und stundenlang küssen. Wenn ich endlich groß herauskäme, wollte ich sie heiraten.

Nach meinem Bad riefe meistens meine Mutter an. Ich ließe sie den Anrufbeantworter vollquasseln, während ich mich dem erlesenen Genuss der ersten Zigarette nach dem Zähneputzen hingäbe, der sich nur wenigen erschließt. Eventuell rasierte ich mich sogar, weil mir das leise, aber beständige Jucken in der Kuhle zwischen Unterlippe und Kinn nach zwei oder drei Wochen lästig fiele. Mutters Nachricht auf dem Anrufbeantworter löschte ich.

Mit einer Flasche Bier machte ich mich fertig für die Nacht. Aus meinem raumgreifenden Bücherregal wählte ich meine Lektüre und läse und tränke mich bei nostalgisch knisternden LPs von Richard Wagner in den Schlaf.

Die Garderobe für den nächsten Tag wäre rasch zusammengestellt. Schließlich müsste ich nur zum Geldautomaten und weiter zu Aldi, das Abgehobene in Lebensmittel umzusetzen.

Glück? Ach Gott, Glück. Gehn Sie mir doch mit Glück. Wer strebte denn in meinem Alter noch nach diesem zerbrechlichen Zeug, und anständige Bürger begreifen sich ohnehin nicht hienieden, um pausenlos “glücklich” zu sein. Glück wäre die Abwesenheit von Schmerz, mehr geht nicht im Leben. Die Schönheit darin zu mehren, ist Arbeit und nichts, wovon man etwaige Glückszustände gewärtigen sollte.

Ein schönes, aber auch verantwortungsreiches Leben, was ich hätte. Da muss doch in Gottes Namen was zu deichseln sein.

Sextant, 5. Mai 2009

Bilder: Egoshooting, Mai 2009;
Soundtrack: Tracy Bonham: Sharks Can’t Sleep, 1996 (“No, it wasn’t okay.” Ruhig die Werbung abwarten!);
Sextant: Vroni, 2008.

Written by Wolf

6. May 2009 at 12:01 am

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Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren

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Update zu Brush your teeth for America!:

1851 war ein besonders günstiges Jahr für die Seefahrt: Die Qualifikation, Seemann zu werden, bestand in der Renitenz, sich zu rasieren, und Schopenhauer schrieb, ausnahmsweise nicht in seinem überzitierten, wenngleich fachkundigen Essay Über die Weiber:

Der Bart als Geschlechtszeichen mitten im Gesicht ist obszön. Daher gefällt er den Weibern.

Schatzkarte an mich: Ich könnte auch mal wieder (mich rasieren, mein ich).

Die Streuner: Männer mit Bärten, bekannt von den Ärzten in: Le Frisur, 1996.

Written by Wolf

5. May 2009 at 12:01 am

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Neues Kartenzimmer

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Update zur Kategorie Kartenzimmer:

Die Kategorie Kartenzimmer hat fünf ausgewechselte Bilder: Die bisherige Präsentation schien mir denn doch selbst für Cartoons zu pixelig und verschwommen. Die Illustrationen für die ersten fünf Einträge habe ich deshalb neu gezeichnet, diesmal in zeitloses, in (für Internetbegriffe) Ewigkeit gültiges Moleskine, und statt es im Zwielicht an den Kühlschrank zu tackern und mit null Kenntnissen über Ausleuchtung abzuknipsen, auf 300 dpi eingescannt. Ist doch gleich ganz was anderes.

Hochauflösend auf Flickr:

Einträge innerhalb des Weblogs:

Flickr Flickr Flickr Flickr Flickr

Written by Wolf

4. May 2009 at 12:01 am

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Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #27

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Song: Nick Cave: Pinery Boy (3:15 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Patrick Fraser: Ghostparties, April 2, 2009.

Lyrics:

“O father, o father, build me a boat,
Then down the Wisconsin I may float,
And every raft that I pass by
There I will inquire for my sweet Pinery Boy.”

As she was rowing down the stream
She saw three rafts all in a string.
And she hailed the pilot as they passed by
And there she did inquire for her sweet Pinery Boy.

“O pilot, o pilot, tell me true,
Is my sweet Willie among your crew?
Oh, tell me quick and give me joy,
For none other will I have but my sweet Pinery Boy.

Oh, auburn was the color of his hair,
His eyes were blue and his cheeks were fair.
And his lips were of a ruby fine;
Ten thousand times they’ve met with mine.”

“O dear dear lady, he is not here.
He has drownded in the dells I fear.
‘Twas at Lone Rock as we passed by,
Oh, there is where we left your sweet Pinery Boy.”

She wrung her hands and tore her hair,
Just like a lady in great despair,
She rowed her boat against Lone Rock
For a Pinery Boy her heart was broke.

Explanatory liner notes by ANTI-:

An early American folk ballad which tells of a young woman’s desperate search for her timber raftsman lover on the Wisconsin river. She takes to a raft herself to find him, but alas, he has drowned. This is the American version of an older British song, A Sailor’s Life [known by Fairport Convention].

Written by Wolf

1. May 2009 at 12:01 am

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Ihr seid so gut.

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Fast hätt ich vergessen zu vermelden: Das Osterwichteln hat ein Ende. Alle von euch — die überhaupt teilgenommen haben — haben sich einen Kopf, einige Mühe und ein bisschen Geldausgabe gemacht, Spaß gemacht haben alle Einsendungen. Alle Konterwichtel hab ich inzwischen auf den Weg gebracht und hoffe euch damit gerecht zu werden. Danke an alle!

Auch schon vorbei: Das Free Verse Project der Academy of American Poets: Man sollte ein englischsprachiges Gedicht in einer vergänglichen Form darstellen und photographieren. Das hab ich selbstverständlich allein deswegen nicht verlautet, weil ich einen Ansturm von Einsendungen meiner Leser befürchte und mit meiner eigenen gar keine Chance mehr hätte.

Mein eigener Beitrag war: Herman Melville: To ——— (The Weedy Stream). Und Sie machen sich ja überhaupt keinen Begriff, was so eine hundertjährige Vintage-Schreibmaschine wiegt, wenn man sie an die Isar schleppt. Und wie man bei so einer Unternehmung mit den Leuten ins Gespräch kommt! Besser als Gassigehen mit einem Border Collie. Das war ein Tipp für Singles.

Das Gedicht ist eins aus dem Nachlass von Melville, posthum in jener legendären Lebkuchendose gefunden, in der unter anderem Billy Budd lag. Es wird um 1860 eingeordnet, klingt mir aber nach bedeutend später, vor allem bei diesem wörtlichen Anklang an Poe.

Herman Melville, To---------. The Weedy Stream

Herman Melville: To ———

Ah, wherefore, lonely, to and fro
Flittest like the shades that go
Pale wandering by the weedy stream?
We, like these, are but a dream:
Then dreams, and less, our passions be;
Yea, fear and sorrow, and despair
Be but phantoms. But what plea
Avails here? phantoms having power
To make the heart quake and the spirit cower.

Wenn ich gewinne, das sag ich dann.

Written by Wolf

27. April 2009 at 12:14 am

Posted in Fiddler's Green

Tu es la vague, moi l’île nue

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Mise à jour pour Pour saluer Melville:

Jane Birkin, taz 5. Dezember 2008Bislang war nur mangelhaft erforscht, dass Jane Birkin noch andere Lieder kennt außer dem einen, das die Vorstellungskraft Pubertierender seit 1969 beflügelt.

Gainsbourg, der gewiefte Hund, hat nämliches Lied zuvor, im Dezember 1967, mit Brigitte Bardot aufgenommen. Das galt als das Original, bis es mit der Bardot nicht mehr so lief, was ich ihm auch gleich hätte sagen können: Hände weg von Mädchen, die ihren Lebensunterhalt darin sehen, ihre Backen aufzupumpen, aber auf mich hört wieder keiner.

Wie berechtigt die Revision der Duettparnerin war? Nun, Brigitte Bardot fällt durch Filmchen wie Viva Maria! (1965) und geiferndes Engagement gegen Schwule, Neger und arbeitsloses Gesindel auf, Frau Jane Mallory Birkin gönnt Carla Bruni ihre Karriere und redet von China und Birma, wenn man sie fragt, wie man mit 62 allemal noch ansehnlicher daherkommt als, sagen wir, ihre Kollegin Bruni, Lieder wie Meeresbrisen singt und glaubwürdig barfuß über den Bretagnestrand hüpft.

Je t’aime … moi non plus war die einzige Single, die ich meinen Eltern bei meinem Auszug geklaut hab. Was Gescheiteres konnten sie mir sowieso nicht mitgeben, und es klebten so viele Erinnerungen von mir daran.

Jane Birkin: Période bleue, de: Enfants d’hiver, 2008. Die hätte auf Deutsch sogar noch besser geklungen: als “Winterkinder”, aber siehe oben.

Jane Birkin 2008

Bilder: taz, Jane Birkin.

Written by Wolf

25. April 2009 at 12:01 am

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Von zum Beispiel den Walfischen

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600. Beitrag

Update zu Reality continues to ruin my life:

Ich will kein Käfer sein.

Im Schatten der Ärzte, 1985.

Katzen können sich mit jeder ihrer vier Pfoten an jeder gedachten Stelle ihres Körpers kratzen. Was sie, Säugetiere hin oder her, deutlich von zum Beispiel den Walfischen unterscheidet: gar keine Pfoten, viel zu weitläufiger Körper. So ein Walfisch möchte ich nicht sein, wenn ich etwa mit einer Qualle zusammengeriete.

Was können Walfische überhaupt? Singen? Na gut, immerhin besser als mein Wellensittich, Gott hab ihn selig.

Aber lange nicht so gut wie die Katze, zumal wie der Kater in männlicher Laune.

Was den Walfisch allerdings sehr eng mit meinem Wellensittich verbindet: Beide können nicht geradeaus gucken. Beider Augen sind nämlich denkbar unzweckmäßig links und rechts an den Köpfen angebracht.

Was mein Wellensittich zum Ausgleich wiederum besser kann als der Walfisch: den Kopf drehen, um eben doch geradeaus zu gucken.

Ferner kann die Katze sich vom Wellensittich ernähren. Umgekehrt der Wellensittich nicht von der Katze. Und auch der Walfisch hätte viel zuviel zu würgen, wenn er sich an Miez und Pieps vergreifen wollte. Bleibe er bei seinem Krill und verständige sich klagend mit seinesgleichen.

Am Walfisch vergreift die Katze sich nicht. So gerne sie Fisch zu sich nimmt, hat auch sie schon den Spruch gehört, dass ein Walfisch eigentlich kein Fisch sei; sicher weiß sie auch darum, dass die Erdbeere der Gurke näher steht als, sagen wir, der Brombeere. Sieht man ja an der Schwanzflosse.

Wo der Walfisch haust, ist es der Katze zu nass. Auch der Wellensittich schüttelt schon beim Gedanken an Walfischs feuchtes Domizil angewidert sein Gefieder. Und das bei dem Namen.

Der Walfisch kein Fisch, der Wellensittich wasserscheu. Nur eine Katze ist immer eine Katze. Vier zu null für die Katze.

~~~|~~~~~~~|~~~

Und weil gerade noch 2:34 Minuten Zeit ist: Redheaded Woman!

Spaß bei der Arbeit: Deke Dickerson and the EccoFonics: Redheaded Woman,
WRFG FM 89.3 studios in Atlanta, Georgia, Sagebrush Boogie show, 10. Februar 2000.

Written by Wolf

24. April 2009 at 2:47 am

Posted in Mundschenk Wolf

Der neue Blitzableitermann

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Update zu Übersetzung The Lightning-Rod Man: Der Blitzableitermann!
und Medienschau: Bücherfrühling!:

Liebe Schülerinnen, Schüler, Life-long Learners und Blitzableiterfans,

alles wird gut. Die seltene bis kaum je vorhanden gewesene Übersetzung The Lightning-Rod Man von Herman Melville, die bis vor wenigen Wochen einzige von Richard Mummendey 1964, ist überholt. Es gibt seit 4. März eine Neuübersetzung von Michael Walter und Daniel Göske. 34,90 Euro, die jeden Cent wert sind, vor allem, wenn Sie schauen, was sie noch alles dazu kriegen. Mit dem Taschenbuch rechne ich etwa Herbst 2010 bei btb und verlaute das dann auch. Und ab jetzt will ich hier keine Schnäppchenjägerkommentare mehr sehen, nur noch fachkundige, inspirierende und feinziselierte Anregungen besonnener Menschen, und davon jede Menge.

Bitte!

Danke, ich hab euch alle lieb.

Nochmal zum Mitsingen: Herman Melvilles Große Erzählungen bei Hanser anschauen, anlesen, anschaffen.

Retro Model Sari - the German pin up girl by Elisabeth Hackmann

Bild: Elisabeth Hackmann: Sari, the German Pin-up Girl and Retro Model: Zufriedene Sudentinnen in stillvergnügter Lerngruppe, WS 2008/2009.

Written by Wolf

22. April 2009 at 2:45 am

Posted in Reeperbahn

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #26

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Song: White Magic: Long Time Ago (2:35 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Suicide Girls on Myspace.

Lyrics:

A long time was a very good time,
Long time ago.
A long time was a very long time,
Long time ago.

Around Cape Horn we got to go,
Around Cape Horn to Calleao.

You give me the girl and you take me away,
A long long time in the hull below.

Around Cape Horn with frozen sails,
Around Cape Horn to fish for whales.

I wish to God I’d never been born,
A long long time in the hull below.

Around Cape Horn where wild winds blow,
Around Cape Horn through sleet and snow.

A long long time in the hull below,
A long long time in the hull below.

Explanatory liner notes by ANTI-:

By the 1890s this is said to have been the most popular halyard chantey of all. Probably African-American in origin, there are versions in German and Norwegian.

Written by Wolf

21. April 2009 at 1:12 am

Posted in Siren Sounds

Erdäpfelgulasch

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Update zu die fahrt zur insel nantucket und An Gorta Mór:

H[ans). C[arl]. Artmann, in: Grammatik der Rosen; Band 3:
Kleinere Texte aus den Jahren 1972 bis 1974, Seite 125 bis 129:

Gulasium bramborum aut bramborové gulaš: 2 libra bramboris cortate in aleas, 2 cepæ magnæ cortate in rotas, lardus porculi cortate in aleas maggiformas, papricium hungaricum (media, suaviter, media fortiter) sal, aqua calida.

(Vojtěch Delavigne SJ.)

Der erdapfel, erdtoffel, kartoffel, erd- oder grundbirne (soianum tuberosum), eine in die fünfte klasse, erste ordnung (pentandria monogynia), nach dem system des liebenswerten Linné gehörige pflanze, wird wegen ihrer mensch wie tier gleich angenehmen knollen überall in Europa, wo ein tätiger agronom zu finden ist, in großer menge angebaut und als sicherstes mittel gegen hungersnot hochgeachtet. Sie stammt eigentlich aus den niederungen Perus und wurde von daher zuerst im august 1565 durch einen sklavenhändler, nämlich Potaterley Hawkins, nach England gebracht, aber in Europa, das sich damals noch größtenteils an kapaunen und krametsvögeln sättigte, bald wieder vergessen. Im jahre 1585 brachte sie ein kaperkapitän aus Tavistock in Devonshire von neuem nach England; doch auch jetzt blieb sie noch lange zeit eine floristische sehenswürdigkeit in den lustgärten der großen. Beschrieben wurde sie zum ersten mal von dem trefflichen Gaspard Bauhin. Gegen ende des 16. jahrhunderts machte ein gewitzter italiener in Holland den ersten versuch mit ihrem anbau. Noch zu anfang des 17. jahrhunderts wurde sie als seltener leckerbissen an der königlichen tafel zu Paris verspeist. Erst als ein domnonischer edelmann aus Hayes bei Bodley sie 1623 aus Virginien nach Irland gebracht hatte, fand sie allmählich, doch immer nur langsam, eine weitere verbreitung. Ein gewisser Antonio Segnoretti führte sie zuerst 1710 im württembergischen ein; herr von Milkau 1717, bei seiner rückkehr aus dem Brabant, in Sachsen; Jonas Altströmer 1726 in Schweden, der jesuit und alchimist Vojtěch Delavigne 1740 in Österreich und Böhmen, und zur gleichen zeit etwa Graham, der erfinder des nach ihm benannten brotes, in Schottland ein. Seit 1750 wurde sie in ganz Mitteleuropa in gärten, und seit 1780 im freien felde immer allgemeiner angebaut. Man darf mit recht behaupten, daß der erdapfel die zeit der kapaune und krametsvögel abgelöst hat, eine wahrhafte demokratisierung unserer ernährung, die wir im grunde kurioserweise einem sklavenhändler zu verdanken haben.

Soweit die geschichte des erdapfels von seinen bescheidenen anfängen bis zu seinem völligen triumph auf den feldern des europäischen kontinents. Wie aber verhält sich der veritable kochkünstler angesichts dieser heute leider zur kümmerlichen beilage degradierten frucht? Ich stelle diesee frage rein rhetorisch und gehe sogleich in medias res: er bereitet das einzige original spezial-erdäpfelgulasch nach art des genialen Albertus Delavignus zu, diese kaum über Wien hinaus bekannte ambrosia des armen mannes. Es haben sich freilich durch zwischenkunft übelster modernster verschiedene afterrezepte breitgemacht, manche davon betiteln sich kartoffelgulasch oder prunken mit noch unsachgemäßeren bezeichnungen, was wunder, daß es sich dabei durchaus um schale schleimsoßen, fastensüppchen und schreckliche strafmähler handelt, aberrationen mit unverständigen essigzugaben, gewürzgürklein, knackwurstscheibchen, paradeiserscherzchen et cetera sonder grazie.

Im vergangenen herbst erst, sah ich in einer antwerpener privatversammlung einen völlig unbekannten Gauguin, ein gemälde aus der letzten schaffensperiode des meisters: To e patato tulasi. Es stellt eine robuste hübsche polynesierin dar, die, vor einer art zigeunerfeuer auf den fersen hockend, mit einem holzkochlöffel den inhalt eines allem anschein nach aus Frankreich eingeführten gußeisentopfes umrührt. Im tagebuch des malers konnte ich folgendes nachlesen (ich übersetze zum besseren verständnis ins deutsche): Nanitanaaupo kocht mir jetzt seit einigen tagen die mahlzeiten. Nanitanaaupo, die ich kurz Nani nenne, ist eine junge frau, die zu mir beim ersten anblick zutrauen gefaßt hat — und ich zu ihr. Ich fühle bei ihrer kost förmlich wie sich meine verlorengeglaubten lebensgeister zu regen beginnen. Zweimal in der woche bereitet sie mir potato tulasi zu, das inzwischen mein leibgericht geworden ist. Eine art scharfer soße aus zwiebeln, zu scheiben geschnittenen bataten, rotem pfeffer, pfeilwurzmehl und meerwasser. Ein wahres aphrodisiacum!

Ich muß gestehen, mir war beim lesen dieser zusammensetzung eines tahitianischen erdäpfelgulsches nicht sehr wohl zu mute, trotz meiner großen wertschätzung für Gauguin, trotz aller freundlichen gefühle für ein sonniges naturkind der südsee und dessen außerordentliche qualitäten in puncto küche und lager.

Ich möchte bei dieser gelegenheit am rande erwähnen, daß ich mich vor einigen tagen mit einem ungarischen freund über die orthodoxe zubereitung von erdäpfelgulasch unterhielt, über papriás krumpli, wie er es bezeichnete (was für mich schon eine nicht geringe zumutung war). Und obschon er im prinzip mit mir übereinstimmte, so hatte er dennoch die eher abwegige ansicht, etwas gemahlenen kümmel oder und pfeffer als unerläßlich zu finden, ja, er mißbilligte sogar das bestäuben der gewürfelten erdäpfel mit mehl! Das gulasch müßte, so sagte er, klar und durchsichtig wie consommé sein! Nein, nein, und abermals nein! Vielleicht fand sein vernacularer geschmack das reizvoll, allein mit feiner cuisine hat das nichts mehr zu tun.

Völlig abzulehnen sind allerdings ungewürfelte, wenn auch kleinste erdäpfel, wie Señor Sartén, der koch Alphon XIII. in seinem ansonst hochinteressanten memoirenwerk Cuarenta años despues beschreibt. Dieser nicht unbegabte mann berichtet doch tatsächlich über die von ihm ersonnenen patatas revolucionarias o golaches, ich zitiere: Peladas bastante cantidad de patatas lo más pequeñas posible, se lavan y escurren bien, se guisan como las demás en un frito de cebolla, ajo y tomate (sic!). Knoblauch und paradeiser und ungewürfelte erdäpfel! Kein wunder, daß bei dieser revolutionären küche die spanische monarchie zugrunde gehen mußte.

Ich könnte gewiß noch dutzende solcher appetitschmälernder rezepte anführen, doch was solls? Das einzig original spezial-erdäpfelgulasch besteht indessen aus drei grundelementen, zwei gewürzen und reinem wasser. Ich berechne die nötigen mengen für zwei mittlere esser:

          1 kg speckige erdäpfel
          30 dkg zwiebeln
          10 dkg würfelig geschnittenen bauchfilz
          1 gehäuften eßlöffel paprika (edelsüß und scharf zu gleichen teilen gemischt)
          1 gehäuften teelöffel salz
          heißes wasser

Man stelle nun zu beginn keinerlei yogaübungen an, allerdings sei man tadellos rasiert, der schnurrbart sei dem anlaß entsprechend gepflegt, man gehe noch einige minuten in den garten, betrachte das rosenrondell, erbaue sich kurz an den narzissen und schwertlilien, mache eine besinnliche runde um den teich, entwerfe tief durchatmend ein kleines gedicht. Darauf begebe man sich heiter lächelnd in die tadellos aufgeräumte küche, binde eine saubere weiße schürze vor, reinige nochmals fingernägel und hände, trockne diese mit einem vorgewärmten frottétuch, zünde die gasflamme an (kein elektroherd!), setze eine gußeiserne casserolle auf das feuer, lasse in dieser den würfelig geschnittenen bauchfilz aus. Inzwischen hat man die zwiebeln feinnudelig geschnitten, füge sie bei und lasse sie im heißen fett schön goldbraun rösten. Ist man so weit, stelle man die casserolle vom feuer und bringe die mit glattem mehl leicht gestaubten erdäpfelwürfel (ca. einen zoll im quadrat) dazu, rühre alles einige male um, stelle die casserolle wieder auf das feuer und warte, nach gelegentlichem umrühren, bis die erdäpfel gut blanchiert sind. Sodann nehme man die casserolle abermals vom feuer und überstreue alles mit dem paprika, rühre wieder um und gieße schließlich heißes, aber nicht kochendes wasser gerade soviel auf, daß die erdäpfel leicht bedeckt sind. Nun salze man nach geschmack und lasse das ganze zugedeckt bei kleiner flamme köcheln. Sind die erdäpfel gar, ist das gulasch praktisch fertig und kann serviert werden (suppenteller!). Wohlhabenderen leuten ist es erlaubt, dem erdäpfelgulasch noch einen schuß madeirawein beizufügen, für damen empfiehlt sich ein eßlöffel süßsaurer rahm (süßrahm mit einem spritzer limonensaft), der bei tische mit einer gabel in der gereichten portion verrührt wird. Dazu ißt man, wenn vorrätig, einige schnitten frisches kümmelbrot.

Written by Wolf

18. April 2009 at 3:39 pm

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I don’t think you’re happy enough

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Written by Wolf

16. April 2009 at 4:10 am

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We could have, we should have, we didn’t

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Update zu And it will be the last thing I do:

The Great Park, Stephen Burch, Sounds of nature, The Argus (Brighton newspaper)13/12/08. Feature on Woodland RecordingsThe Great Park in Person von Stephen Burch spielt mit Unterstützung von Liz Green am 19. April 2009 ab 20 Uhr im Münchner Südstadt. Auch zwei solche, die ohne weiteres meine Lieder vertonen dürften.

Anspieltipp The Great Park: We Could Have We Should Have We Didn’t;
Liz Green: Sit Down You’re Rocking the Boat.

Sie kommen doch auch, am Sonntag? Ich bin der lange Ungekämmte mit der Brille in Flip-Flops, weil das Südstadt bei mir um die Ecke liegt. Im Kneipenfenster hängt nur das Plakat für Liz Green, aber es kommen beide. Wer mir einen Ausdruck dieses Artikels vorzeigt, kriegt einen Absinth spendiert.

Bild (click big): The Argus (Brighton newspaper),
feature on Woodland Recordings, 13. Dezember 2008.

[Edit Freitag, den 17. April 2009:] Jetzt kann ich doch nicht am Sonntag, ich singe dann wie immer in Abwesenheit selber, und niemand muss mein sparsam blickendes Gesicht fürchten. Sparen Sie sich also den Ausdruck und kaufen Sie trotzdem dem Südstadt einen Absinth ab. Eine lohnende Ausgabe. Aber nur einen, am Montag ist die Nacht rum.[/Edit]

Written by Wolf

15. April 2009 at 12:13 am

Posted in Reeperbahn

The Poet, the Physician, the Farmer, the Scientist (My Antediluvian Baby)

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Update zu Gone Stag:

Thou art perfect then, our ship hath touch’d upon
The deserts of Bohemia?

Shakespeare: A Winter’s Tale III,3

Ich war ein lausiger Soldat. Ich war Urlaubssachbearbeiter bei den Fernmeldern in Kötzting, weil ich zu faul zum Verweigern war. Irgendwann war es mir egal, wie oft mein Geschäftszimmerfeldwebel, ein blaurasierter Wichtigtuer von fünfundzwanzig, mich am Tag anschiss. Ich hielt aus, versuchte einen Sinn darin zu sehen, Soldaten wenigstens ein paar Tage in Urlaub zu schicken, und wartete aufs Wochenende. An den Wochentagen besoff ich mich allabendlich viehisch und sang Lieder zur Klampfe.

Freitags zum Dienstschluss war es schon dunkel. Meistens war ich der Letzte in der Schreibstube, der die Schicht vom Fernmeldeturm abwartete und alle ins Wochenende schickte, bevor er zusperren durfte. Von der Kaserne ging es bis zur Bushaltestelle stetig bergab. Der letzte Bus des Tages, vielleicht sogar der einzige, was mich nicht wundern würde, fuhr vom Bahnhof aus nach Cham, von wo ein gewisser Bahnverkehr in Richtung Nürnberg herrschte. Dann wälzte er sich eine unverhältnismäßig lange und umständliche Strecke durch den Landkreis mit ein paar Ortschaften, deren Namen selbst ihre Einwohner vergessen. Jedes Mal war ich der einzige Fahrgast.

Schon in der zweiten Woche, in der ich mitfuhr, erwartete der Busfahrer mich, ein junger Schnauzträger mit Fußballermatte. Wir grüßten uns stumm. Zwei arbeitende Mannsbilder in ungeliebten Jobs zur falschen Zeit am falschen Ort, solche erkennen einander. Er wartete nicht auf weitere Mitfahrer und warf den Diesel an, sobald ich saß. Auf dem vorderen Sitz, damit ich möglichst schnell wieder rauskam, mein kleines Sturmgepäck neben mir auf dem Fensterplatz. Er stellte Bayern 3 an, weil klar war, dass man das mit mir machen konnte.

Einmal grüßte er mich nicht mehr. Er wartete, bis ich saß, warf seinen Diesel an und fing an, wie es sein Job war, mit seinem Geschaukel durch die Oberpfalz. Auf Höhe Chammünster fragte er: “Stört’s, wann i rauch?” Ich hatte ihn noch nie sprechen gehört.

“A wo”, sagte ich, “i rauch höchstens mit.”

“Mogst aa oa?” fragte er und schüttelte, ohne den Blick von der Landstraße zu wenden, sein Zigarettenpäckchen in meine Richtung. Er nahm den Zigarettenanzünder vom Armaturenbrett, ich kramte in meinen Grünzeughosentaschen. Wir rauchten stumm. Das war seine Entschuldigung dafür, dass er nicht gegrüßt hatte.

In diesem Moment brach auf Bayern ein neues Lied los. Ein altes, damals schon, so alt wie ich, 1968. Atlantis von Donovan. Und plötzlich konnte Cham mit seinem Bahnhof, mit seinen Zügen in meine Heimat, gar nicht weit genug weg liegen. Der Busfahrer rauchte und bekam einen Blick, wie ihn Seeleute, Cowboys und Country-Musiker haben — Leute, die viel in die Ferne sehen, den Horizont absuchen — Männer, die Dinge kommen sehen. Er wischte sich die Augen, vielleicht weil ihm Rauch hineingekommen war.

Das Lied dauerte fünf Minuten, dann passierten wir das Chamer Ortsschild. Noch nie war mir Cham so vertraut vorgekommen; ich wusste, wo man zum Bahnhof abbiegen musste, wo das Moonlight lag, in dem die Nicki verkehrte, zwei Gassen weiter in der Altstadt sollte noch ein neunzigjähriger Bürstenbinder praktizieren, und dass ich da vorn am Eck mal ins Mephisto wollte.

Verkehrsdurchsage. “Des is a Musik”, sagte ich atemlos, er sah mir meine Geschwätzigkeit nach. Unsere Zigaretten waren gleichzeitig ausgegangen.

“Nächste Woch!”

“Nächste Woch.”

Fünf Minuten erinnerten sich zwei Mannsbilder, die nicht hierher gehörten, daran, dass der Mensch eine Stimme hat. Nicht nur eine innere, die nach zu vielem Schreien nach Liebe heiser wird. Dass der Mensch träumen darf und warten, dass etwas anfängt, aber sich nicht wundern, wenn er den Moment verpasst hat.

Ich habe nie herausgefunden, ob das gut ist oder schlecht. Lieder wie Atlantis lehren uns an eine höhere Instanz glauben, denn sie sind ihr Medium. Und gerade Schleifen wie Way down below the ocean, where I wanna be, she may be kann man endlos vor sich hin singen, mindestens bis nach Nürnberg, sicher bis nach Amerika. Der eine greift mit ihnen im Ohr Sachen an, dem anderen genügt das Wissen um ihre Melodie. Das sind die, die ihr Leben verrauschen lassen. Wieder unter denen jammern die einen darüber, die anderen lernen es nach ein paar Jahrzehnten der Verzweiflung endlich hinzunehmen. Das sind die Weisen.

Wahrscheinlich ist schon die Frage nach Gut oder Schlecht unzulässig. Es ist wie es ist, und fürs Universum ist die Schöpfung damit erledigt, oder was sonst lernen wir aus Büchern wie Moby-Dick? Man muss sich nicht persönlich getroffen fühlen, wenn man einem Lied wie Atlantis begegnen darf. Schon gar nicht, während man durch die meerferne Oberpfalz gondelt.

In der nächsten Woche grüßten der Busfahrer und ich uns stumm. Auf Höhe Chammünster fragte er: “Stört’s, wann i rauch?”

“A wo”, sagte ich, “i rauch höchstens mit.”

Bayern 3 spielte Nicki.

Lied: Donovan: Atlantis, 1968, auf: Barabajagal, 1969.

Written by Wolf

14. April 2009 at 12:24 am

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Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #25

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Song: Loudon Wainwright III
(yes, that’s right — that one who appeared in several episodes of M*A*S*H):
Good Ship Venus (3:15 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Ms. Camille on Driftwood: MPL Studios.

Lyrics:

On the good ship Venus
by Christ you should have seen us
the figurehead
was a whore in bed
sucking a dead man’s penis.

The captain’s name was Lugger
by Christ he was a bugger
he wasn’t fit
to shovel shit
from one ship to another.

And the second mate was Andy
by Christ he had a dandy
till they crushed his cock
on a jagged rock
for cumming in the brandy.

The third mate’s name was Morgan
by God he was a gorgon
from half past eight
he played till late
upon the captain’s organ.

The captain’s wife was Mabel
and by God was she able
to give the crew
their daily screw
upon the galley table.

The captain’s daughter Charlotte
was born and bred a harlot
Her thighs at night
were lily white
by morning they were scarlet.

The cabin boy was Kipper
by Christ he was a nipper
he stuffed his ass
with broken glass
and circumcised the skipper.

The captain’s lovely daughter
liked swimming in the water.
Delighted squeals
came when some eels
found her sexual quarters.

The cook his name was Freeman
and he was a dirty demon
and he fed the crew
on menstrual stew
and hymens fried in semen.

And the ship’s dog was called Rover
and we turned the poor thing over
and ground and ground
that faithful hound
from Teneriff to Dover.

When we reached our station
through skilful navigation
the ship got sunk
in a wave of spunk
from too much fornication.

On the good ship Venus
by Christ you should have seen us
the figurehead
was a whore in bed
sucking a dead man’s penis.

Explanatory liner notes by ANTI-:

Among the filthiest series of limericks ever collected and written down, this gem was first put to paper by Christopher Logue in Count Palmiro Vicarion‘s Book of Bawdy Ballads [available in Amazon.com and in Germany], courageously published by the notorious Olympia Press (Maurice Girodias) in 1956. Maurice was a much persecuted man. He also published Lolita and Lady Chatterley’s Lover. Old time sailors would surely have been proud.

Wikipedia (stub, to date of January 18, 2009):

Good Ship Venus, also known as Friggin’ in the Riggin, is a bawdy drinking song devised to shock with ever increasingly lewd and debauched sexual descriptions of the eponymous ship’s loose moralled crew. The tune usually used (especially for the chorus) is “In and Out the Windows”. The lyrics, as with all folksongs, show variations — sometimes vast changes from performance to performance and from singer to singer. […]

The usual rhyming structure for this song is the limerick AABBA structure. The sexual lexis used throughout the poem is limited in its depravity only by the respective singer’s gratuitous imagination.

British punk band The Sex Pistols recorded a version which appears on their Great Rock ‘n’ Roll Swindle album. The American Thrash metal band Anthrax covered the Sex Pistols’ version. […]

Whenever a ship was required in The Goon Show, it was often named the “Good Ship Venus” or “HMS Venus”, one of several references to dirty jokes the Goons managed to get past the 1950s BBC censors. […]

Shout-out: Exactly these recent days, Mr. Hulton Clint published another shanty for adult listeners — and singers: Seraphina from Salty Dog’s Uncensored Sailor Songs. Listen if you can.

Written by Wolf

12. April 2009 at 12:01 am

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Zwischenostern (If you accept the pain, it cannot hurt you)

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Es verlautet: Der Zürcher KEIN & ABER, dessen Hervorbringungen man unbesehen zusammenkaufen kann, sobald sie nur erscheinen, veranstalten einen besonders schönen Wettbewerb: Sie sollen den Namen für den 89. Band der Vegetarischen Abenteuer Bibliothek finden. Das geht bis 31. Mai, die ersten 88 bibliophilen Bände mit Lesebändchen aus Tofu und essbarem Schutzumschlag gibt’s schon vorher.

Fast so schön wie das

—> Osterwichteln <—

auf Moby-Dick™, gell? Sie denken doch dran? Auch daran, dass heute der letzte Tag vor Ostern ist, an dem die Post geöffnet hat? — Nein, am Samstag schaffen Sie’s nicht mehr, da trocknen Sie Ihre Karfreitagstränen oder wenn Sie Heide sind, schlafen Sie Ihren Feiertagskater aus.

Hugh MacLeod, How to be creative

Bild: Hugh MacLeod: Ignore Everybody. Endlich eins für hinter den Spiegel, vor allem von der Größe her — auch wenn die neueren Checklisten aus dem Themenkreis Live Your Life and Be Yourself (oder umgekehrt) eher empfehlen: “Stop blogging” und “Don’t worry about finding an inspiration. It comes eventually” doppelt vorkommt. Über eins von beiden kann man ja dann den Tesafilm kleben. Dieses ewige zwanghafte Kreativsein ist ja ebenso überschätzt.

Danke an Cara aus der Fehlerteufelei!

~~~|~~~~~~~|~~~

Maritimer Osterohrwurm: Wreckless Eric: Whole Wide World 1978,
bekannt aus Stranger Than Fiction 2006.

Written by Wolf

9. April 2009 at 1:21 am

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Raubein, Großmaul, Hasardeur, Hallodri — der tollste Hecht aller Zeiten

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Update zu Herz des Positivismus:

Wer etwas wie diesen Roman schreibt, sollte dann auch die Hauptrolle spielen müssen.

Daniel J. Gall: Hochseeabenteuer gesetzter mittelalter Herren oder todgeweihte Piraten, 2. Juli 2007.

Marlon Brando, Donald Cammell, Madame Lai, Cover marebuch April 20091979 war der Roman fertig, durfte aber nicht zu Lebzeiten der beiden Autoren veröffentlicht werden. Heißa, was das für ein Bestseller geworden wäre.

Marlon Brando und Donald Cammell schätzten sich ein Leben lang gegenseitig, ihre Freundschaft pflegten sie anhand hochfliegender Filmprojekte. Ihr Werden, Vergehen, Durchspielen, Beatmen, Verkaufen und Begraben wechselten wie Liz Taylors Ehemänner, ein Film kam dabei nie zustande. Immerhin den Roman Fan Tan, für den man wenigstens keine Schauspieler zusammencasten, Funds raisen und Produzenten beknien musste, sondern den man in regelmäßigen Südseeurlauben in der Palmenhütte zusammenschreibseln konnte, hat Brandos Witwe China Kong 2005 von David Thomson vollenden lassen und freigegeben. Die deutsche Fassung erschien 2007 als Madame Lai wo sonst als beim marebuchverlag und jetzt im April 2009 ebenda als Taschenbuch.

Eine grandiose Räuberpistole ist es geworden. Über Marlon Brandos Genie als Darstellungsarbeiter wurde im Lauf eines halben Jahrhunderts das Nötige gesagt, Donald Cammell hat 1968 mit Performance Tarantino vorweggenommen: nichtlineare Erzählweise, Schnitte wie in Musikvideos, Cut-ups, überdeutliches Gevögel als Kunst und Drogenverherrlichung nicht zu knapp — man kann es gut oder schlecht finden, wegweisend auf alle Fälle.

So ein Regisseur versteht sich natürlich besonders gut mit einem Schauspieler, der sich ab einem gewissen Ruhmespegel (der Mann hinterließ 20 Millionen Dollar und eine Inselkette in der Südsee) raushängen lässt, dass er’s eigentlich nicht mehr nötig hat, und sich seine Rollen, wenn überhaupt, danach aussucht, ob die Schauspielerin, mit der er seine Sexszenen hat, hübsch genug ist. Ihre Romanschreibeurlaube betrachteten die Kumpels als Familienangelegenheit.

Diesen Geist atmet auch Fan Tan. In den Worten des marebuchverlags liest sich das:

Madame Lai ist die ungefilterte Essenz von Marlon Brandos Träumen, Fantasien und Obsessionen — das Vermächtnis eines entfesselten Genies, in dem in einem Sturm aus Sex und Verbrechen zwei Giganten aufeinanderprallen.

Die beste einsehbare Besprechung von Ray Young puts it like this:

Marlon Brando, Donald Cammell, Fan TanThere’s been some talk in the press about how the novel’s main character, Anatole ‘Annie’ Doultry, is the kind Brando would have loved to play on screen. But this thin sketch of a man floats over a hackneyed plot, one that was to have been fleshed out (with co-author Donald Cammell, the film director) for a movie that never went beyond the planning stages. Brando and Cammell’s combined notes—napkin doodlings? inebriated rants? audio tapes encrusted with lunch?—were culled together by film critic David Thomson, whose stamina and endurance should not go unnoticed. Filling less than three hundred pages, Fan Tan is a numbing chore to read, and Thomson’s task would’ve pushed a lesser man to the brink.

Not that the work is entirely without purpose or narrative structure. Strikingly odd imagery comes alive during all-too-brief passages, such as one concerning an hallucinatory drug experience, and another with a tortured man’s consumption of his own toe. But they’re outweighed by so much rambling nonsense, tiresome blather about prison cockroach races and the rather bland profile of the soldier of fortune making shaky deals with a Dragon Lady.

Nor is it easy to picture Brando as ‘Annie,’ a character more suited to the Robert Mitchum of, say, Josef von Sternberg’s Macao wandering onto the set of Sam Fuller’s China Gate, tussling with Angie (‘Lucky Legs’) Dickinson in yellow face. Flat and underdeveloped in its irony and cynicism, the prose has a dash of old school jingoism and the tourist’s eye for Asian culture. As if to underline its own shortsightedness, the novel barely notices its one readily available metaphor, the structure of the Chinese casino game of Fan Tan in relation to ‘Annie’ in his everyday house of cards.

Da mag er Recht haben. Es kann aber auch um die Story hinter der Story gehen — dass die zwei Filmfreaks sich in einem Roman ausgetobt haben, den sie schon immer mal lesen und verfilmen wollten, bevölkert mit schönen Frauen asitischen Gepräges und ausgepichten Piratenhallodris, die sie sogar sein wollten. Ego-Literatur, wie man sie gerade im jungen Jahrtausend von Pubertierenden jeglichen Alters kennt und praktischerweise nach den ersten drei Beispielen nicht mehr bis zu Ende lesen muss. Einem gewissen brainsplatter fiel 2007 zum Hardcover auf:

Kleinigkeiten, die auffallen und unstimmig sind: ist es wirklich wahrscheinlich, daß ein Waffenschmuggler in Südostasien 1927 über den erst 1922 in englisch erschienen Tractatus Logico-Philosophicus räsoniert? Glauben die Chinesen tatsächlich an Wiedergeburt oder sind das nicht doch eher die Inder? Was ist mit “Schlehdorn” gemeint? Schlehe, Schwarzdorn oder keins von beiden?

Zum fast geflügelten Wort im Buch wird der Satz: “…, aber das ist eine andere Geschichte” mit dem Brando – ja, was eigentlich? Ich weiß es nicht. Bekommt Doultry nach langem hungern Essen gebracht, klingt das bei den Autoren so: “Im Mahlwerk seines Mundes erwachten die Speicheldrüsen unter dem köstlichen Anflug leichter Stiche.”

Stimmt ja alles. Trotzdem bleibt es dabei, dass das Setting mit der raubauzigen Schießbude von Personal und dem hanebüchenen Seemannsgarn von Plot einfach Spaß machen.

Randbeobachtung zum Kleine-Mädchen-Beeindrucken: Die deutsche Ausgabe ist möbliert mit einem Vorwort von Truman Capote, das Taschenbuch auch mit einem von der o.a. Witwe. Wenn wir unterstellen, dass er das zeitnah zur Fertigstellung des Romans 1979 geschrieben hat — zur Erstveröffentlichung 2005 waren alle Beteiligten schon tot –, war das drei Jahre, nachdem er im Alter von 52 als bester Nachwuchsdarsteller einen Golden Globe gewonnen hatte; Brando dagegen polierte sein Vermächtnis ein letztes Mal in Apocalypse Now auf. Warum so schnell, das Vorwort, und wozu ins Leere, werde ich mal weiter beobachten.

Es hat viel von Joseph Conrad: die Südsee voller europäischer Käuze, die am anderen Ende der Welt ihr Leben verändern, mit einem Anspruch ins Allgemeingültige — geschrieben von einem (respektive zweien), deren Baustelle eigentlich woanders lag: die von Conrad im polnischen Übersetzungsgewerbe (die britische Seefahrt war ja schon biografisches Fremdgehen), die von Brando und Cammell in Hollywooder Szenediskotheken. So hätte Conrad geschrieben, wenn er bei Sinnen gewesen wäre. Der eine lebt’s, der andere nicht, wieder andere wenigstens als Räuberpistole.

Unterstützet Moby-Dick™ und erwerbt Fan Tan und Madame Lai!

Trailer: Performance, 1970.

Written by Wolf

8. April 2009 at 12:07 am

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Grabstein

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Jesse Woodson James: 5. September 1847 in Centerville, Missouri; † 3. April 1882 in Saint Joseph, Missouri.

Nicht jeder Henker hat eine hübsche Tochter die kein Blut sehen kann

Nicht
jeder Henker hat
eine hübsche Tochter
die kein Blut sehen
kann

Franz Dobler: Grabstein
aus: Jesse James und andere Westerngedichte, Bommas Verlag Augsburg 1992

Bild: Annie, Bertha und Cynthia am C-Turm im E-Garten, Oktober 2002.

Written by Wolf

3. April 2009 at 4:23 pm

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Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #24

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Song: Jack Shit: Boney (1:55 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Images: A fine selection of multi-originated pictures on the topic Walk Like a Pirate.

Lyrics:

Boney was a warrior
A warrior a terrier
Boney beat the Prussians
The Austrians, the Russians

Boney went to school in France
He learned to make the Russians dance
Boney marched to Moscow
Across the Alps through ice and snow

Boney was a Frenchy man
But Boney had to turn again
So he retreated back again
Moscow was in ruins then

He beat the Prussians squarely
He whacked the English nearly
He licked them in Trafalgar’s Bay
Carried his main topm’st away

Boney went a-cruising
Aboard the Billy Ruffian
Boney went to Saint Helen’s
He never came back again

They sent him into exile
He died on Saint Helena’s Isle
Boney broke his heart and died
In Corsica he wished he stayed

Boney was a warrior
A warrior a terrier
Boney was a warrior
A warrior a terrier

Explanatory liner notes by ANTI-:

Boney is, of course, Napoleon Bonaparte, whose exploits are recounted in much abbreviated, but fairly accurate fashion in this halyard or fore-sheet chantey. The chantey probably originated from a street ballad of the times.

Written by Wolf

2. April 2009 at 1:42 am

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Osterwichteln

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Die Menschen, so leicht sie’s haben könnten, wollen keine suspekten Gewinnspielpreise vom bösen Märchenonkel, schon wieder gleich Ostern und weit und breit kein Geschenk. Dabei kriegt jetzt von mir jeder eins.

Schenken Sie mir was zu Ostern, und Sie kriegen etwas Vergleichbares von mir zurück: Wer mir ein Buch schickt, kriegt eine fast einwandfrei erhaltene Rarität aus dem, nun ja, Antiquariat. Wer mir eine CD von seinen aktuellen Ohrwürmern aufnimmt, kriegt eine von mir, die nicht zwingend von The Muffs oder The Singing Adams sein muss. Wer mir was bastelt — worunter auch Bildermalen, Gedichteschreiben und Sockenstricken fällt –, kann mich von so genannter wichtiger Arbeit abhalten, weil ich mir dann auch sowas ausdenken muss, und wer mir falsch verstandene Liebesbriefe, einen Nacktputzer für Ostermontag oder Spreizbildchen schickt (nämlich welche von sich selbst, aber kommt drauf an), muss sich hinterher nicht wundern. Um die marketingpsychologisch bedeutsame Grenze von zwanzig Euro einzuhalten, reden wir nicht so sehr über Geschmeide denn über schöne Postkarten. Ist mir sowieso lieber.

Meine Adresse ist erstens ziemlich verbreitet, zweitens problemlos erstalkbar und drittens kein Geheimnis für freundliche Menschen. Weil’s meine Idee war, schicken Sie zuerst. Kann ich bis zum ersten Posttag nach Ostern, das wäre am Dienstag, 14. April, was haben?

Als Zugeständnis an den 1. April: Götz Widmann & Holger Brömel:
Hank starb an ‘ner Überdosis Hasch,
live im Coffeeshop Joint Venture, Arnhem 1996,
auf: Harmlos 2006
(für die Freaks: a-Moll/G-Dur Turnaround).

Written by Wolf

1. April 2009 at 12:01 am

Posted in Kommandobrücke

Powerpoint zur teutschen Litteratur des 19. Jahrhunderts

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Update zu Entschluss, Amerikas Goethe zu werden:

Johann Wolfgang (von) Goethe August (von) Goethe

Johann Wolfgang (von) Goethe Johann Heinrich Voß

Johann Heinrich Voß Achim von Arnim

Achim von Arnim Clemens Brentano

Clemens Brentano Bettine Brentano

Clemens Brentano Achim von Arnim

Bettine Brentano Achim von Arnim

Achim von Arnim August (von) Goethe

Bettine von Arnim geb. Brentano Johann Wolfgang (von) Goethe

Written by Wolf

31. March 2009 at 3:24 am

Posted in Rabe Wolf

An Gorta Mór

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Elke macht preußische und irische Kulturgeschichte:

Elke Hegewald„Wat der Bauer nich kennt, det frissta nich“, musste schon der Alte Fritz vor über zweieinhalb Jahrhunderten zur Kenntnis nehmen. Denn seine preußischen Bäuerlein wollten um nichts in der Welt die Kartoffel, dieses seltsame Gewächs aus der Neuen Welt, auf ihren Äckern anbauen. So beschloss er kraft seiner Wassersuppe ohne Kartoffeln und kraft kaiserlicher Befugnis, seine Untertanen zu ihrem Glück zu zwingen. Zumal selbige sich ungefragt und stetig vermehrten und zudem immer wieder Hungersnöte durchs Land marodierten, denen es etwas entgegenzusetzen galt.

Am 24. März 1756, fast auf den Tag genau vor 253 Jahren, ordnete also Friedrich II. per Kartoffelbefehl an, dass auf den brandenburgischen Feldern das knollige Saatgut aus- und zur Ernte zu bringen sei:

Wo nur ein leerer Platz zu finden ist, soll die Kartoffel angebaut werden, da diese Frucht nicht allein sehr nützlich zu gebrauchen, sondern auch dergestalt ergiebig ist, daß die darauf verwendete Mühe sehr gut belohnt wird. (…) Übrigens müßt ihr es beym bloßen Bekanntwerden der Instruction nicht bewenden, sondern durch die Land-Dragoner und andere Creißbediente Anfang May revidieren lassen, ob auch Fleiß bey der Anpflantzung gebraucht worden, wie Ihr denn auch selbst bey Euren Bereysungen untersuchen müsset, ob man sich deren Anpflantzung angelegen seyn lasse.

Friedrich II.: Circular Ordre. 24. März 1756

Immerhin dauerte es auch danach noch etliche Verordnungen und an die dreißig Jahre, bis der nahrhafte, wohlschmeckende Erdapfel sich in deutschen Landen durchgesetzt hatte. Mjamm, und was wären wir heut ohne ihn.

Robert Warthmüller, Der König überall, 1886

In Irland geschah Umgekehrtes. Die Kartoffel, von der dort heute im Gegensatz zu anderen Gegenden keiner mehr so recht weiß, wie sie da hingekommen ist (die Legenden reichen bis zu Plünderungen der Vorräte aus gestrandeten Wracks der besiegten spanischen Armada), hatte die Bevölkerungsexplosion zur Folge statt zur Ursache. Sie war schon am Ende des 17. Jahrhunderts zum billigen und fruchtbaren Sattmacher auf der Grünen Insel geworden, wo die kleinen Pächter unter den Abgaben an Getreide und Tierprodukten für die britischen Landlords stöhnten.

Die existenzielle Abhängigkeit vom Knollenanbau war durch die herrschenden Zustände quasi selbst gemacht. Und führte auf dem durch die britischen Zollschutzmaßnahmen zur Agrarregion degradierten Eiland zusammen mit der Wirtschaftspolitik der englischen Herrscher 1845–1849 in eine nationale Tragödie: Die aus Nordamerika eingeschleppte Kartoffelfäule (blight) vernichtete mehrere Jahre hintereinander die Ernte und verursachte die Große Hungersnot (The Great Famine), von den Iren in ihrem Gälisch An Gorta Mór oder auch An Drochshaol genannt. Unter diesem Namen ist das Drama in die Geschichte und tief in das Gedächtnis des Volkes eingegangen.

Die Folgen waren katastrophal. Die kleinen Pächter, welche weiterhin die geforderte volle Pacht an Exportgütern den Engländern in den Rachen werfen mussten, konnten selbige nicht mehr aufbringen. Sie wurden zu Tausenden mit Gewalt von Haus und Hof vertrieben. Die berüchtigten Brecheisenbrigaden unter Polizeischutz rissen – wie beim Ballinglass Incident — ihre Häuser nieder, den Nachbarn wurde verboten, sie zu beherbergen. Sie irrten im Land umher, strömten in die Städte und krepierten am Wegesrand an Hunger und Seuchen. Und die so notwendige Hilfe für das zugrunde gehende Volk der Iren zerfaserte zu einem erheblichen Teil in politischen Grabenkämpfen auf der Mutterinsel. Auf- und Widerstand gegen das Elend und die Abhängigkeit von den Briten formierten sich, wurden jedoch leicht niedergeschlagen. Nicht ohne eine Saat zu hinterlassen, aus der dereinst ganz anderes als Kartoffeln wachsen sollte.

Den Hungernden blieben zwei Möglichkeiten: sterben oder auswandern. Für viele wurde die Kleinkriminalität zu einem Ausweg, der Deportation nach Australien hieß. Vielleicht sind sie unterwegs einem Nantucketer Walfänger begegnet. Andere vielleicht nicht, die versuchten, mit Kind und Kegel ihr Glück in Kanada und den USA zu finden. And Thousands were sailing — gen Westen.

Henry Doyle, Emigrants Leave Ireland, 1868The island it is silent now
But the ghosts still haunt the waves
And the torch lights up a famished man
Who fortune could not save

Did you work upon the railroad
Did you rid the streets of crime
Were your dollars from the white house
Were they from the five and dime

Did the old songs taunt or cheer you
And did they still make you cry
Did you count the months and years
Or did your teardrops quickly dry

Ah, no, says he, ’twas not to be
On a coffin ship I came here
And I never even got so far
That they could change my name

Thousands are sailing
Across the western ocean
To a land of opportunity
That some of them will never see
Fortune prevailing
Across the western ocean
Their bellies full
Their spirits free
They’ll break the chains of poverty
And they’ll dance

In Manhattan’s desert twilight
In the death of afternoon
We stepped hand in hand on Broadway
Like the first man on the moon

And “The Blackbird” broke the silence
As you whistled it so sweet
And in Brendan Behan’s footsteps
I danced up and down the street

Then we said goodnight to Broadway
Giving it our best regards
Tipped our hats to Mister Cohan
Dear old Times Square’s favorite bard

Then we raised a glass to JFK
And a dozen more besides
When I got back to my empty room
I suppose I must have cried

Thousands are sailing
Again across the ocean
Where the hand of opportunity
Draws tickets in a lottery
Postcards we’re mailing
Of sky-blue skies and oceans
From rooms the daylight never sees
Where lights don’t glow on Christmas trees
But we dance to the music
And we dance

Thousands are sailing
Across the western ocean
Where the hand of opportunity
Draws tickets in a lottery
Where e’er we go, we celebrate
The land that makes us refugees
From fear of Priests with empty plates
From guilt and weeping effigies
And we dance

Phil Chevron for The Pogues
on If I Should Fall From Grace With God, 1988

Und gerieten damit oft genug doch nur vom Regen in die Traufe. Geschwächt durch Hunger, Krankheit und Seuchen überlebte ein großer Teil von ihnen die unsäglichen hygienischen Zustände und die Überfahrt auf den meist katastrophal ausgestatteten Emigrantenseglern nicht. Auf manchen Schiffen starben bis zu 40% der Hoffnungssuchenden. Was ihnen den Namen Coffin Ships eintrug und in den Wahlländern den Empfang mit offenen Armen für die Einwanderer erheblich in Grenzen hielt.

Den Ihren, die es auch nach der Landung nicht mehr geschafft haben, konnten die Iren wenigstens Denkmäler setzen. Auf solchen ist dann wie auf Kanadas Grosse Isle etwa zu lesen:

Thousands of the children of the Gael were lost on this island while fleeing from foreign tyrannical laws and an artificial famine in the years 1847–8. God bless them. God save Ireland!

Das hielt auch den Unmut und Kampfgeist wach. Wahrscheinlich ebenso wie die Tatsache, dass die Kinder der Grünen Insel im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ganz, ganz unten anzufangen hatten. Wie der Umstand, dass sie die schwerste, dreckigste Arbeit zu dreckigsten Löhnen taten und sich in der einheimischen Arbeiterschaft damit alles andere als Freunde schufen. Wie der aus trauriger Wahrheit entstandene geflügelte Sarkasmus, dass unter jeder amerikanischen Eisenbahnschwelle ein Ire begraben ist. Wie der nahezu völlige Untergang der gälischen Muttersprache unter den Auswanderern und das mit den Hungertoten unwiederbringliche Dahinsterben eines Teils ihrer kulturellen Identität. Wie der Kampf auf der richtigen Seite des amerikanischen Bürgerkrieges — als Warm-up für den eigenen.

Über zwei Millionen Iren kehrten in den zehn Jahren nach dem Beginn von An Gorta Mór in einem schmerzhaften Exodus ihrer Heimat den Rücken. Dazu zähle man die geschätzte Million der Toten. Und konstatiere, dass im Jahre 1841 das kleine Völkchen seine höchste Bevölkerungszahl ever von 8,1 Millionen und bei anhaltender Auswanderung 1901 mit 3,5 Millionen irischer Iren ihren Tiefpunkt und somit etwa die Einwohnerzahl einer Stadt wie Berlin erreicht hatte. Dann erschauert man schon heftig, wie dicht eine Nationalität, unverwechselbar wie jede andere auch, samt ihrer so sympathischen Kultur an den Rand des Aussterbens gebracht werden konnte, oder? Selbst heute reicht der Bevölkerungsstand der gesamten Insel noch bei weitem nicht wieder an den vor der Großen Hungersnot heran.

Vielleicht ist deshalb der Zusammenhalt der Iren überall in der Welt so groß, wie auch ihr Bewusstsein, wo sie herkommen. Sie halten die Erinnerung an das Schicksal ihrer Vorfahren in sich und ihren Kindern am Leben. – Wer nix davon weiß, darf sich gerne an einer kleinen Geschichtslektion via Youtube-Bildungsfernsehen erproben:

Und wer nicht glaubt, wie tief ihnen das alles nach Generationen heute noch geht, der höre gefälligst nur einmal auf ihre Hingabe und Inbrunst beim Absingen der Fields of Athenry beim Konzert ihrer Lieblings-Folkband oder in der irischen Fankurve eines Fußball- oder Rugby-Stadions.

The Jeanie Johnston

The Jeanie Johnston was the most famous of all the Irish emigrant ships.

It was a well-run ship and unlike other ‘coffin ships’ of its time, the Jeanie Johnston never lost a passenger to either the sea or disease.

The Jeanie Johnston was built in Quebec in Canada in 1847. It was purchased by Nicholas Donovan, a merchant from Tralee in CountyKerry, as a cargo cum passenger ship. He used the vessel to import timber and foodstuffs to Ireland and transported passengers on the return journey to U S and Canada.

The Jeanie Johnston made at least 16 voyages from Tralee to Baltimore, NY and Quebec between 1848 and 1855, carrying 200 passengers & a crew of 17 on each voyage lasting approx. 47 days.

Jeanie Johnston in Story Finder

Bilder: Robert Warthmüller: Der König überall, 1886;
Henry Doyle: Emigrants Leave Ireland, 1868;
Jeanie Johnston: Pilgrims Passages, 2007.
Videos: British Pathe Limited.

Extra recommendation for the annotated Pogues lyrics on Poguetry!

Written by Wolf

29. March 2009 at 12:01 am

Posted in Krähe Elke

In dem aufgesperrten Rachen befindet sich Raum für zwölf erwachsene Personen

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Jürgen macht ein Update zu Leben und Sein in absteigender Größe:

Von Walen wusste ich damals noch nicht viel, kannte aus dem artenreichen Gewimmel eigentlich nur zwei Exemplare, deren Gegensätzlichkeit ein kleines Mädchen mehr verstörte als man denkt: das eine ein prall aufgeblasenes und verschmitzt grinsendes Spielzeugvieh, das andere riesengroß, tot und als präparierte Volksattraktion auf dem Marktplatz der heimatlichen Kleinstadt tief im Binnenland aufgebahrt – ein ebenso traumatisches wie tränenschwimmendes Erlebnis.

Elke, 11. Oktober 2008

Jürgen Jessebird SchmitteDaran anknüpfend habe ich das hier gefunden:

Röhl's Riesen-Walfisch-Ausstellung, 5. März 1887

Erschienen im Dürener Anzeiger vom 5. März 1887 — und dann mehrfach wieder. Text:

Auf dem Altenteich in Düren
Unwiderruflich Sonntag den 13. März Schluß
Röhl’s Riesen-Walfisch-Ausstellung
Größte Sehenswürdigkeit der Welt!
Riesen-Walfisch (Skelett) Länge 82 Fuß, Gewicht 10.642 Pfund, der Kopf allein 4000 Pfund. Ohne Concurrenz!
Dieser Fisch wurde von mir selbst am 16. Februar 1884, Morgens 7 Uhr, unweit Hammerfest im nördlichen Norwegen eingefangen.
NB. Dieses größte und gewaltigste Skelett der Welt wurde in den größten Städten Norwegens und Schwedens ausgestellt, als in Christiania, Gotenburg, Stockholm, und erfreute sich eines lebhaften Zuspruchs.
NB. Im Berliner “Aquarium” durch den Besuch Allerhöchster Herrschaften und in Dresden von Sr. Maj. König Albert von Sachsen und Ihrer Maj. Königin Karola nebst allerhöchstem Gefolge durch Besuch ausgezeichnet, worüber Diplome vorliegen.
In dem aufgesperrten Rachen befindet sich Raum für zwölf erwachsene Personen!
Entree 30 Pfg.
Ganze Schulklassen nach Übereinkunft
Von Morgens 9 Uhr bis Abends 9 Uhr geöffnet.
Hochachtungsvoll
Cpt. Gust. Röhl

Stadt- und Kreisarchiv Düren, veröffentlicht im Jahrbuch des Kreises Düren 2009

Wale als Volksattraktionen sind also nichts Neues…

Written by Wolf

28. March 2009 at 12:01 am

Posted in Meeresgrund

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #23

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Song: Mary Margaret O’Hara: The Cry of Man (3:06 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Marilyn Monroe et al. for Creme Nivea Moisturizer
via Never Sea Land, October 5, 2007.

David Coulter on the musical saw.

Lyrics:

1. There is a crying in my heart
That never will be still,
Like the voice of a lonely bird
Behind a starry hill.

2. There is a crying in my heart
For what I may not know,
Infinite crying of desire
Because my feet are slow.

3. My feet are slow, my eyes are blind,
My hands are weak to hold.
It is the universe I seek
All life I would enfold.

4. = 1.

Explanatory liner notes by ANTI-:

Here is a musical setting of a poem by Harry Kemp (1883–1960). Kemp was famous (or infamous) as a bohemian and boxcar poet. He lived much of his life in Greenwich Village. He also lived in shacks, rode freight cars, and as a young man, ran away to sea.

The views spread in the video and below feature Marilyn Monroe, who committed to Bert Stern in 1962 that she got her proverbial beauty from Nivea Skin Moisturizing Lotion. Video: 1950s advertising illustration; curiosidades image: utilizando a loção Nivea, probably for The Seven Year Itch, already in 1955.

Marilyn par sempre, curiosidades, using Nivea Skin Moisturizing Lotion
My feet are slow, my eyes are blind.

Written by Wolf

27. March 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Up the rigging very leisurely

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Jürgen hat Kapitel 35: Im Masttopp gelesen:

Jürgen Jessebird SchmitteIch stand schon mal auf dem Münchener Olympiaturm – und fragte mich, ob der Boden wohl hält.

Ich stand schon mal auf dem Berliner Fernsehturm – und fragte mich, ob man sich wirklich gegen die Scheiben lehnen sollte.

Ich stand schon mal auf dem Petersdom in Rom – und fragte mich, wie ich da wieder runterkommen sollte.

Jürgen im Masttopp, ca. 1975Und das Foto zeigt mich in jungen Jahren nicht etwa beim Ersteigen des Klettergerüsts – sondern am höchsten Punkt meines Aufstiegs. Die Verzweiflung im Blick rührt daher, dass ich ja auch wieder runter musste. Rückwärts (Urlaub in Ostfriesland, ca. 1975).

Falls Sie es noch nicht verstanden haben, lieber Leser: ich leide unter Höhenangst. Ein äußerst unangenehmes und ziemlich nutzloses Gefühl. Was das mit Moby-Dick zu tun hat?

There you stand, a hundred feet above the silent decks, striding along the deep, as if the masts were gigantic stilts, while beneath you and between your legs, as it were, swim the hugest monsters of the sea,…

Hundert Fuß – das sind über dreißig Meter! Am Ende eines langen Stocks (etwas anderes ist ein Mast doch nicht!), der auf einer Nussschale festgemacht ist, die im Meer umher geworfen wird. Einen noch wackligeren Platz kann man sich kaum denken, oder? Allein die Vorstellung verursacht mir feuchte Hände. Und dann ja auch nicht in einem Krähennest, sondern gänzlich ohne Sicherung, nur auf zwei schmalen Brettchen:

Your most usual point of perch is the head of the t’ gallant-mast, where you stand upon two thin parallel sticks (almost peculiar to whalemen) called the t’ gallant crosstrees.

Und dann beschreibt der Herr Melville auch noch seinen (bzw. Ismaels) Aufstieg in den Masttopp als einen kleinen Sonntagsspaziergang, komplett mit freundlichen Plaudereien:

For one, I used to lounge up the rigging very leisurely, resting in the top to have a chat with Queequeg, or any one else off duty whom I might find there; then ascending a little way further, and throwing a lazy leg over the top-sail yard, take a preliminary view of the watery pastures, and so at last mount to my ultimate destination.

Entweder ist Melville der Fluch der Höhenangst völlig fremd – oder er gibt sich hier bewusst so nonchalant, um darüber hinweg zu täuschen. Immerhin, er gesteht dem Neuling zu, dass er sich da oben unwohl fühlen darf:

Jürgens SchlingernHere, tossed about by the sea, the beginner feels about as cosy as he would standing on a bull’s horns.

Aus ganz persönlichen Gründen also mag ich nicht mehr zu diesem Kapitel sagen. Pantheismus und die alten Ägypter, Nelson und Napoleon – da können sich andere mit vergnügen. Mir reicht die Vorstellung von schwindelnder Höhe und wildem Umhergeworfenwerden. Mehr braucht’s gar nicht.

Und vielleicht soll’s uns auch gar nicht mehr sagen: wir sitzen alle mal im Masttopp und werden herumgeschleudert. Und wenn wir uns nicht gut festhalten, dann versinken wir im Chaos um uns herum…

In diesem Sinne: freuen wir uns auf das Achterdeck! Fester Boden unter den Füssen (relativ)!

Bilder: Allesamt von Jürgen, ca. 1975, 2008, 2009.

Written by Wolf

24. March 2009 at 12:01 am

Posted in Steuermann Jürgen

Pee and the Sea

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Update zu Weiberfasching:

Schiffe ruhig weiter,
wenn der Mast auch bricht.

Christoph August Tiedge: Urania

Keith Thompson, LeviathanMan kann Wasser trinken. Man kann es auch lassen. Giraffen sind während des Saufens wehrlos. Schiffer während des Gegenteils:

„Wenn eine Wasserleiche angespült wird, schaut man oft erstmal, ob der Hosenschlitz auf ist“, sagt Jürgen Albers von der BSU in Hamburg. Die Zahl dieser Todesfälle sei aber zurückgegangen.

Lübecker Nachrichten: Offene Hose als Indiz. Segler starb beim Pinkeln, 17. März 2008

Where’s the interest? — UNESCO says:

This year on World Water Day, we call attention to the waters that cross borders and link us together.

Happy Weltwassertag!

Bild: Keith Thompson: Leviathan.

Written by Wolf

22. March 2009 at 12:01 am

Posted in Meeresgrund

All About Funtown

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Update for Sympathy for the Record Industry:

The videos for the one and only The Beards CD have been completed:
Funtown, Sympathy Records 2002. Buy it in Germany and elsewhere.

The new videos are # 8, 9, 11:

And the whole CD including the 11 videos can be one of your prizes in the Spring Contest.

Written by Wolf

21. March 2009 at 12:01 am

Posted in Reeperbahn

Frühlingsgewinnspiel: Und jetzt kommst du

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Nachdem das erste Gewinnspiel im März in grundlegender Weise unbemerkt geblieben ist, folgt zum Frühlingsanfang eins, das möglicherweise das Niveau der täglichen 200 Leser von Moby-Dick™ eher erreicht.

Stellt euch vor, ihr seid frisch zusammen. Noch überlegt ihr, ob ihr überhaupt verliebt seid, aber eure Hormone wallen in Wellen, und die Anzeichen sind stark: Keine Ruhe lässt euch die Ergebenheit im Blick des anderen, wenn es ein-, zweimal am Tag die letzten Regularitäten mit seinem Ex per SMS abwickelt, wie schicksalhaft es ist, dass ihr auf die Minute gleich Feierabend habt, möglicherweise sogar ein Stück Arbeitsweg mitsammen, was das andere mit seinem Leben schon angefangen hat, solche Kleinigkeiten wie eine Buchstabenkombination in der Mailadresse, die eine alte Sehnsucht in euch anrührt, der Flaum um die Ohrmuschel im Gegenlicht, ihr versteht, was ich meine — oder einfach nur der Umstand, gemocht zu werden und einmal auf der richtigen Seite der Liebe zu stehen. Ihr wünscht euch eine höhere Instanz über euch oder fangt sogar an, eine zu vermuten, die euch gleichzeitigen Urlaub verschafft. Anscheinend ist wohl doch etwas wie Liebe in euch, denn am liebsten werdet ihr ihn damit verbringen, es dreimal am Tag zu treiben. Und jetzt sagt eins zum anderen:

“Pass auf. So wie jetzt, so will ich dich immer küssen, wenn ich mit dir schlafen will.”

“Und ich muss dann sofort mitmachen.”

“Du würdest mir keinen Kuss verweigern. Du willst es doch auch.”

“Einen Kuss niemals. Du weißt, wie es Moses mit dem Roten Meer erging.”

“Und wenn ich dich so küsse, weißt du, wozu du eingeladen bist.”

“Zeig.”

“…”

“…!”

“…”

“… — : … : — !”

“…!!”

“Puh!”

“Und jetzt kommst du.”

“Ohh ja, fast.”

“So doch nicht. Zeig mir, wie du mich küssen wirst, wenn du mit mir schlafen willst.”

Stellt euch vor, so redet ihr. Und jetzt: Führt den Dialog fort. Aus männlicher oder weiblicher Sicht (was aufs selbe hinausläuft), in zwei überwältigenden Taktschlägen (so viele sollten es schon sein) oder auf vibrierenden zwei Seiten (mehr sollten es nicht werden), und gewinnt

  • The Muffs: Happy Birthday to Me, 1997;
  • The Beards (so ähnlich wie The Muffs): Funtown, 2002 (einschließlich elf Videos); oder
  • Natalie Merchant: The House Carpenter’s Daughter, 2003 (eine archäologische Folk-CD mit Ureinspielungen, die selbst Haudegen wie der Carter Family entgangen sind).

Die Preise sind keine Original-CDs, sondern private Brände. Weil dieses Gewinnspiel so ziemlich das privateste ist, das es geben kann, ist das legal. Wegen des zu erwartenden Ansturms an Beteiligungen kann es nur einen Sieger geben. Beurteilt wird: Brillanz. Ich erwarte eure Lösungen bis 1. April um 0 Uhr.

Frühlingserwachen: deathwhat, 26. Juli 2008; Gysmnater, 26. Januar 2008.

Written by Wolf

20. March 2009 at 12:01 am

Posted in Wolfs Koje

A ship, gentlemen

with 3 comments

Update zu Alles Übersetzungsfrage:

And it's the green shamrockDer Literarische Katzenkalender 2009 — every home should have one — erklärt mir die ganze Woche vom 16. bis 22. März lang:

Denn Sie können eine Katze genausowenig wie ein kleines Mädchen zu etwas zwingen, was sie nicht will; und Sie können beide nicht dazu zwingen, Sie zu lieben.

Paul Gallico

In B. Traven. Biographie eines Rätsels von Karl S. Guthke, die schon allein deswegen monumental ausgefallen ist, weil über den Mann praktisch nullinger bekannt war, als ich seine Gesamtausgebe gekauft (und gelesen!) hab, steht complete and unabridged die Urfassung vom Totenschiff. Anfang von Fragment II, um 1924:

A ship, gentlemen, may go mad as well as a man does. — What d’ye say? Just wait a minute, sir. Can you build up a ship from dead wood? No, sir, you cannot. You might make your ship as well from papier-maché. If you send it out on the high sea, in the end, it will be just the same. — Made from iron nowadays, you say? Well, as for the iron, every learned man will tell you that iron is as lively as wood.

Nicht mal mehr die Pequot, also die richtigen jetzt, sind ausgestorben. Sind seit 1983 als Indianerstamm und eben nicht als kärgliche Sippe anerkannt und betreiben seit 1992 das profitabelste Spielkasino in Indianerhand überhaupt. Wollen wir’s ihnen gönnen.

Außerdem muss ich wohl mal wieder einen Wikipedia-Artikel gründen: Der Eskimo oder Inuit Trade Jargon ist ein belegbares Pidgin zwischen Walfischern und Eskimos, eine Art Lachoudisch (was wiederum eine Art Schillingsfürster Jenisch ist, aber egal) auf Wirtschaftscetologisch. (Im Gegensatz zu den Pequot) ausgestorben, als Nantucket groß wurde und den Walfang globalisierte, nach anderer Quelle erst ab 1870 bis kurz ins 20. Jahrhundert hinein. Viel mehr müsste schon gar nicht mehr drinstehen, das Verzwickteste an Wiki ist ja immer nur die Einordnung in die Kategorien.

Was uns das alles sagt? Keine Ahnung, ich dokumentier das nur. Hier ist Weblog, nicht das Kontor der Walfängerwerft.

Dass man auch dauernd alles selber machen muss: Am Märzgewinnspiel beteiligen sich nicht mal mehr die, die es angeht. Und doch, das ist das Schöne daran, wurln und wulchern die Wellen weiter über dem größten Teil der Erdoberfläche, der spätestens seit Melville, aber eher noch seit Cooper, unter so vielen anderen Sachen als Vergleich für Bewusstseinszustände herhalten kann, und die Schiffe darauf sehen auch so ganz gut aus, und der philosphische Gehalt der Inseln von Mardi war wahrscheinlich sowieso nicht auf einer A4 zu fassen. Wenn mich wer sucht, ich bin Sankt Patrick feiern.

Written by Wolf

17. March 2009 at 10:48 am

Posted in Reeperbahn

Das Hörbuch als Video: Kapitel 22: Frohe Weihnacht

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Update zu Kapitel 21: Es geht an Bord:

Das 22. Kapitel (13:01 Minuten) ist fertig.

Videobild: Sharon Shea: Lightship Nantucket, Rowe’s Wharf, Boston Harbour:

VinategeBuilt in 1950, the Nantucket Lightship was the last Lightship station in use before being replaced by unmanned buoys. From 1975 to 1983, the Nantucket was stationed off Nantucket Island. Refurbished by her new owners in 2000, she is decorated for Christmas and spends the month of December moored in Boston Harbor.

Bild: Roaring Twenties;
Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Nur noch bis Montag, 16. März (einmal werden wir noch wach!):

Märzgewinnspiel!

Season’s greetings.

Written by Wolf

15. March 2009 at 12:01 am

Posted in Siedekessel

Das Hörbuch als Video: Kapitel 21: Es geht an Bord

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Update zu Kapitel 20: Alles rege:

Newsflash: Die anstehende Schließung der Upload-Funktion in Google Videos ist berechtigt: Vimeo ist um etliche Kategorien schöner, handlicher, familiärer und allgemein brauchbarer, sogar als Youtube. Warum sind da nicht längst alle?

Das 21. Kapitel (8:38 Minuten) ist fertig.

Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Bild: Omi liest die Praline, hört Buddy Holly und träumt von Opi, Copyright unbekannt;
Videobild: Rockwell Kent: Chapter XXI: Going Aboard, Lakeside Press Edition.

Nur noch bis Montag, 16. März:

Written by Wolf

13. March 2009 at 12:01 am

Posted in Siedekessel

Das Hörbuch als Video: Kapitel 20: Alles rege

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Update zu Kapitel 19: Der Prophet:

In der U-Bahn dem Sitznachbarn mit Knoblauchfahne und seiner lautstarken Diskussion über die aktuellen Charts entfliehen, in „Die Stadt der träumenden Bücher“ ziehen und hoffentlich nicht wieder die richtige Haltestelle verpassen. Während dem Spaziergang an der Isar Christian Brückner und seiner Interpretation von „Moby Dick“ lauschen oder mit Ingrid Noll untreue Ehemänner ermorden. Ich weine um Anne Frank, die mit ihrem Tagebuch mehr Geschichte vermittelt als stundenlanger Unterricht es je könnte und kämpfe dank Sergej Lukianenko gegen die unheimlichen Gestalten der Unterwelt.

Karla Paul: Buchkolumne, in: Und jetzt? Ein Plädoyer für die Literatur, 1. März 2009

Newsflash: Google Videos wird “demnächst” seine Upload-Funktion einstellen. Kapitel 20 wird deshalb das letzte Video auf dieser Plattform sein. Kann jemand eine andere (außer Youtube) empfehlen? Ich liebäugele mit Vimeo wegen seiner antiquierten Anmutung.

Das 20. Kapitel (7:10 Minuten) ist fertig.

Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Bild: Loverly Ukraine Sympathizer: Sympathy Records;
Videobild: Aunt Charity Anderson, Mobile, Alabama, 16. April 1937.

Noch bis Montag, 16. März:

Written by Wolf

11. March 2009 at 12:03 am

Posted in Siedekessel

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #22

with 2 comments

Song: Richard Greene & Jack Shit: Shenandoah (instrumental, 2:58 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Ruth’s own favourite body part, summer 2008.

Explanatory liner notes by ANTI-:

This beautiful American song was originally used by river boatmen and voyageurs on the Ohio and Missouri rivers. It became a popular capstan chantey among deep water sailors. Shenandoah is said to have been a chief of the Oneida tribe.

Shenandoah River joins the Potomac River at Harpers Ferry, West Virginia, where abolitionist John Brown and 21 men started their Raid on Harpers Ferry, attacking the Federal armory from October 16 to 18th 1859 to initiate a slave rebellion — whilst Shenandoah Valley would be the site of battles from 1862 to 1864 in the Civil War arising from incidents like that — including Kernstown, First and Second Battle of Winchester, Cross Keys, Opequon Creek, Fisher’s Hill, and Cedar Creek.

Herman Melville was aware of John Brown’s hanging, though, of course, not of all the blood yet to be spilt, when in 1859 he wrote his early Battle-Piece:

The Portent

Hanging from the beam,
     Slowly swaying (such the law),
Gaunt the shadow on your green,
     Shenandoah!
The cut is on the crown
(Lo, John Brown),
And the stabs shall heal no more.

Hidden in the cap
     Is the anguish none can draw;
So your future veils its face,
     Shenandoah!
But the streaming beard is shown
(Weird John Brown),
The meteor of the war.

Written by Wolf

9. March 2009 at 2:41 am

Posted in Siren Sounds

Belly of a Whale

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Update for That same image selves see in all rivers, in oceans, in lakes and in Welles
and Walgesang in seiner Sprache:

Full texts of







* 1:1 Now the word of the LORD came to Jonah the son of Amittai, saying,
* 1:2 Arise, go to Nineveh, that great city, and cry against it; for their wickedness is come up before me.
* 1:3 But Jonah rose up to flee to Tarshish from the presence of the LORD, and went down to Joppa; and he found a ship going to Tarshish: so he paid the fare thereof, and went down into it, to go with them to Tarshish from the presence of the LORD.
* 1:4 But the LORD sent out a great wind into the sea, and there was a mighty tempest in the sea, so that the ship was like to be broken.
* 1:5 Then the mariners were afraid, and cried every man to his god, and cast forth the wares that were in the ship into the sea, to lighten it of them. But Jonah was gone down into the sides of the ship; and he lay, and was fast asleep.
* 1:6 So the shipmaster came to him, and said to him, What mean you, O sleeper? arise, call on your God, if so be that God will think on us, that we perish not.
* 1:7 And they said every one to his fellow, Come, and let us cast lots, that we may know for whose cause this evil is on us. So they cast lots, and the lot fell on Jonah.
* 1:8 Then said they to him, Tell us, we pray you, for whose cause this evil is on us; What is your occupation? and from where come you? what is your country? and of what people are you?
* 1:9 And he said to them, I am an Hebrew; and I fear the LORD, the God of heaven, which has made the sea and the dry land.
* 1:10 Then were the men exceedingly afraid, and said to him. Why have you done this? For the men knew that he fled from the presence of the LORD, because he had told them.
* 1:11 Then said they to him, What shall we do to you, that the sea may be calm to us? for the sea worked, and was tempestuous.
* 1:12 And he said to them, Take me up, and cast me forth into the sea; so shall the sea be calm to you: for I know that for my sake this great tempest is on you.
* 1:13 Nevertheless the men rowed hard to bring it to the land; but they could not: for the sea worked, and was tempestuous against them.
* 1:14 Why they cried to the LORD, and said, We beseech you, O LORD, we beseech you, let us not perish for this man’s life, and lay not on us innocent blood: for you, O LORD, have done as it pleased you.
* 1:15 So they look up Jonah, and cast him forth into the sea: and the sea ceased from her raging.
* 1:16 Then the men feared the LORD exceedingly, and offered a sacrifice to the LORD, and made vows.
* 1:17 Now the LORD had prepared a great fish to swallow up Jonah. And Jonah was in the belly of the fish three days and three nights.
* 2:1 Then Jonah prayed to the LORD his God out of the fish’s belly,
* 2:2 And said, I cried by reason of my affliction to the LORD, and he heard me; out of the belly of hell cried I, and you heard my voice.
* 2:3 For you had cast me into the deep, in the middle of the seas; and the floods compassed me about: all your billows and your waves passed over me.
* 2:4 Then I said, I am cast out of your sight; yet I will look again toward your holy temple.
* 2:5 The waters compassed me about, even to the soul: the depth closed me round about, the weeds were wrapped about my head.
* 2:6 I went down to the bottoms of the mountains; the earth with her bars was about me for ever: yet have you brought up my life from corruption, O LORD my God.
* 2:7 When my soul fainted within me I remembered the LORD: and my prayer came in to you, into your holy temple.
* 2:8 They that observe lying vanities forsake their own mercy.
* 2:9 But I will sacrifice to you with the voice of thanksgiving; I will pay that that I have vowed. Salvation is of the LORD.
* 2:10 And the LORD spoke to the fish, and it vomited out Jonah on the dry land.
* 3:1 And the word of the LORD came to Jonah the second time, saying,
* 3:2 Arise, go to Nineveh, that great city, and preach to it the preaching that I bid you.
* 3:3 So Jonah arose, and went to Nineveh, according to the word of the LORD. Now Nineveh was an exceeding great city of three days’ journey.
* 3:4 And Jonah began to enter into the city a day’s journey, and he cried, and said, Yet forty days, and Nineveh shall be overthrown.
* 3:5 So the people of Nineveh believed God, and proclaimed a fast, and put on sackcloth, from the greatest of them even to the least of them.
* 3:6 For word came to the king of Nineveh, and he arose from his throne, and he laid his robe from him, and covered him with sackcloth, and sat in ashes.
* 3:7 And he caused it to be proclaimed and published through Nineveh by the decree of the king and his nobles, saying, Let neither man nor beast, herd nor flock, taste any thing: let them not feed, nor drink water:
* 3:8 But let man and beast be covered with sackcloth, and cry mightily to God: yes, let them turn every one from his evil way, and from the violence that is in their hands.
* 3:9 Who can tell if God will turn and repent, and turn away from his fierce anger, that we perish not?
* 3:10 And God saw their works, that they turned from their evil way; and God repented of the evil, that he had said that he would do to them; and he did it not.
* 4:1 But it displeased Jonah exceedingly, and he was very angry.
* 4:2 And he prayed to the LORD, and said, I pray you, O LORD, was not this my saying, when I was yet in my country? Therefore I fled before to Tarshish: for I knew that you are a gracious God, and merciful, slow to anger, and of great kindness, and repent you of the evil.
* 4:3 Therefore now, O LORD, take, I beseech you, my life from me; for it is better for me to die than to live.
* 4:4 Then said the LORD, Do you well to be angry?
* 4:5 So Jonah went out of the city, and sat on the east side of the city, and there made him a booth, and sat under it in the shadow, till he might see what would become of the city.
* 4:6 And the LORD God prepared a gourd, and made it to come up over Jonah, that it might be a shadow over his head, to deliver him from his grief. So Jonah was exceeding glad of the gourd.
* 4:7 But God prepared a worm when the morning rose the next day, and it smote the gourd that it withered.
* 4:8 And it came to pass, when the sun did arise, that God prepared a vehement east wind; and the sun beat on the head of Jonah, that he fainted, and wished in himself to die, and said, It is better for me to die than to live.
* 4:9 And God said to Jonah, Do you well to be angry for the gourd? And he said, I do well to be angry, even to death.
* 4:10 Then said the LORD, You have had pity on the gourd, for the which you have not labored, neither made it grow; which came up in a night, and perished in a night:
* 4:11 And should not I spare Nineveh, that great city, wherein are more then six score thousand persons that cannot discern between their right hand and their left hand; and also much cattle?
‘Shipmates, this book, containing only four chapters — four yarns — is one of the smallest strands in the mighty cable of the Scriptures. Yet what depths of the soul does Jonah’s deep sealine sound! what a pregnant lesson to us is this prophet! What a noble thing is that canticle in the fish’s belly! How billow- like and boisterously grand! We feel the floods surging over us; we sound with him to the kelpy bottom of the waters; sea-weed and all the slime of the sea is about us! But what is this lesson that the book of Jonah teaches? Shipmates, it is a two- stranded lesson; a lesson to us all as sinful men, and a lesson to me as a pilot of the living God. As sinful men, it is a lesson to us all, because it is a story of the sin, hard-heartedness, suddenly awakened fears, the swift punishment, repentance, prayers, and finally the deliverance and joy of Jonah. As with all sinners among men, the sin of this son of Amittai was in his wilful disobedience of the command of God — never mind now what that command was, or how conveyed — which he found a hard command. But all the things that God would have us do are hard for us to do — remember that — and hence, he oftener commands us than endeavors to persuade. And if we obey God, we must disobey ourselves; and it is in this disobeying ourselves, wherein the hardness of obeying God consists.

‘With this sin of disobedience in him, Jonah still further flouts at God, by seeking to flee from Him. He thinks that a ship made by men, will carry him into countries where God does not reign, but only the Captains of this earth. He skulks about the wharves of Joppa, and seeks a ship that’s bound for Tarshish. There lurks, perhaps, a hitherto unheeded meaning here. By all accounts Tarshish could have been no other city than the modern Cadiz. That’s the opinion of learned men. And where is Cadiz, shipmates? Cadiz is in Spain; as far by water, from Joppa, as Jonah could possibly have sailed in those ancient days, when the Atlantic was an almost unknown sea. Because Joppa, the modern Jaffa, shipmates, is on the most easterly coast of the Mediterranean, the Syrian; and Tarshish or Cadiz more than two thousand miles to the westward from that, just outside the Straits of Gibraltar. See ye not then, shipmates, that Jonah sought to flee world-wide from God? Miserable man! Oh! most contemptible and worthy of all scorn; with slouched hat and guilty eye, skulking from his God; prowling among the shipping like a vile burglar hastening to cross the seas. So disordered, self-condemning is his look, that had there been policemen in those days, Jonah, on the mere suspicion of something wrong, had been arrested ere he touched a deck. How plainly he’s a fugitive! no baggage, not a hat-box, valise, or carpet-bag, — no friends accompany him to the wharf with their adieux. At last, after much dodging search, he finds the Tarshish ship receiving the last items of her cargo; and as he steps on board to see its Captain in the cabin, all the sailors for the moment desist from hoisting in the goods, to mark the stranger’s evil eye. Jonah sees this; but in vain he tries to look all ease and confidence; in vain essays his wretched smile. Strong intuitions of the man assure the mariners he can be no innocent. In their gamesome but still serious way, one whispers to the other — “Jack, he’s robbed a widow;” or,”Joe, do you mark him; he’s a bigamist;” or,”Harry lad, I guess he’s the adulterer that broke jail in old Gomorrah, or belike, one of the missing murderers from Sodom.” Another runs to read the bill that’s stuck against the spile upon the wharf to which the ship is moored, offering five hundred gold coins for the apprehension of a parricide, and containing a description of his person. He reads, and looks from Jonah to the bill; while all his sympathetic shipmates now crowd round Jonah, prepared to lay their hands upon him. Frighted Jonah trembles, and summoning all his boldness to his face, only looks so much the more a coward. He will not confess himself suspected; but that itself is strong suspicion. So he makes the best of it; and when the sailors find him not to be the man that is advertised, they let him pass, and he descends into the cabin.

‘”Who’s there?” cries the Captain at his busy desk, hurriedly making out his papers for the Customs — “Who’s there?” Oh! how that harmless question mangles Jonah! For the instant he almost turns to flee again. But he rallies. “I seek a passage in this ship to Tarshish; how soon sail ye, sir?” Thus far the busy captain had not looked up to Jonah, though the man now stands before him; but no sooner does he hear that hollow voice, than he darts a scrutinizing glance. “We sail with the next coming tide,” at last he slowly answered, still intently eyeing him. “No sooner, sir?” — “Soon enough for any honest man that goes a passenger.” Ha! Jonah, that’s another stab. But he swiftly calls away the Captain from that scent. “I’ll sail with ye,” — he says, — “the passage money, how much is that, — I’ll pay now.” For it is particularly written, shipmates, as if it were a thing not to be overlooked in this history,”that he paid the fare thereof” ere the craft did sail. And taken with the context, this is full of meaning.

‘Now Jonah’s Captain, shipmates, was one whose discernment detects crime in any, but whose cupidity exposes it only in the penniless. In this world, shipmates, sin that pays its way can travel freely, and without a passport; whereas Virtue, if a pauper, is stopped at all frontiers. So Jonah’s Captain prepares to test the length of Jonah’s purse, ere he judge him openly. He charges him thrice the usual sum; and it’s assented to. Then the Captain knows that Jonah is a fugitive; but at the same time resolves to help a flight that paves its rear with gold. Yet when Jonah fairly takes out his purse, prudent suspicions still molest the Captain. He rings every coin to find a counterfeit. Not a forger, any way, he mutters; and Jonah is put down for his passage. “Point out my state-room, Sir,” says Jonah now. “I’m travel-weary; I need sleep.” “Thou look’st like it,” says the Captain, “there’s thy room.” Jonah enters, and would lock the door, but the lock contains no key. Hearing him foolishly fumbling there, the Captain laughs lowly to himself, and mutters something about the doors of convicts’ cells being never allowed to be locked within. All dressed and dusty as he is, Jonah throws himself into his berth, and finds the little state-room ceiling almost resting on his forehead. The air is close, and Jonah gasps. then, in that contracted hole, sunk, too, beneath the ship’s water-line, Jonah feels the heralding presentiment of that stifling hour, when the whale shall hold him in the smallest of his bowel’s wards.

‘Screwed at its axis against the side, a swinging lamp slightly oscillates in Jonah’s room; and the ship, heeling over towards the wharf with the weight of the last bales received, the lamp, flame and all, though in slight motion, still maintains a permanent obliquity with reference to the room; though, in truth, infallibly straight itself, it but made obvious the false, lying levels among which it hung. The lamp alarms and frightens Jonah; as lying in his berth his tormented eyes roll round the place, and this thus far successful fugitive finds no refuge for his restless glance. But that contradiction in the lamp more and more appals him. The floor, the ceiling, and the side, are all awry. “Oh! so my conscience hangs in me!” he groans, “straight upward, so it burns; but the chambers of my soul are all in crookedness!”

‘Like one who after a night of drunken revelry hies to his bed, still reeling, but with conscience yet pricking him, as the plungings of the Roman race- horse but so much the more strike his steel tags into him; as one who in that miserable plight still turns and turns in giddy anguish, praying God for annihilation until the fit be passed; and at last amid the whirl of woe he feels, a deep stupor steals over him, as over the man who bleeds to death, for conscience is the wound, and there’s naught to staunch it; so, after sore wrestlings in his berth, Jonah’s prodigy of ponderous misery drags him drowning down to sleep.

‘And now the time of tide has come; the ship casts off her cables; and from the deserted wharf the uncheered ship for Tarshish, all careening, glides to sea. That ship, my friends, was the first of recorded smugglers! the contraband was Jonah. but the sea rebels; he will not bear the wicked burden. A dreadful storm comes on, the ship is like to break. But now when the boatswain calls all hands to lighten her; when boxes, bales, and jars are clattering overboard; when the wind is shrieking, and the men are yelling, and every plank thunders with trampling feet right over Jonah’s head; in all this raging tumult, Jonah sleeps his hideous sleep. He sees no black sky and raging sea, feels not the reeling timbers, and little hears he or heeds he the far rush of the mighty whale, which even now with open mouth is cleaving the seas after him. Aye, shipmates, Jonah was gone down into the sides of the ship — a berth in the cabin as I have taken it, and was fast asleep. But the frightened master comes to him, and shrieks in his dead ear, “What meanest thou, O sleeper! arise!” Startled from his lethargy by that direful cry, Jonah staggers to his feet, and stumbling to the deck, grasps a shroud, to look out upon the sea. But at that moment he is sprung upon by a panther billow leaping over the bulwarks. Wave after wave thus leaps into the ship, and finding no speedy vent runs roaring fore and aft, till the mariners come nigh to drowning while yet afloat. And ever, as the white moon shows her affrighted face from the steep gullies in the blackness overhead, aghast Jonah sees the rearing bowsprit pointing high upward, but soon beat downward again towards the tormented deep.

‘Terrors upon terrors run shouting through his soul. In all his cringing attitudes, the God-fugitive is now too plainly known. The sailors mark him; more and more certain grow their suspicions of him, and at last, fully to test the truth, by referring the whole matter to high Heaven, they fall to casting lots, to see for whose cause this great tempest was upon them. The lot is Jonah’s; that discovered, then how furiously they mob him with their questions. “What is thine occupation? whence comest thou? thy country? what people?” but mark now, my shipmates, the behavior of poor Jonah. The eager mariners but ask him who he is, and where from; whereas, they not only receive an answer to those questions, but likewise another answer to a question not put by them, but the unsolicited answer is forced from Jonah by the hard hand of God that is upon him.

‘”I am a Hebrew,” he cries — and then — “I fear the Lord the God of Heaven who hath made the sea and the dry land!” Fear him, O Jonah? Aye, well mightest thou fear the Lord God then! Straightway, he now goes on to make a full confession; whereupon the mariners became more and more appalled, but still are pitiful. For when Jonah, not yet supplicating God for mercy, since he but too well knew the darkness of his deserts, — when wretched Jonah cries out to them to take him and cast him forth into the sea, for he knew that for his sake this great tempest was upon them; they mercifully turn from him, and seek by other means to save the ship. But all in vain; the indignant gale howls louder; then, with one hand raised invokingly to God, with the other they not unreluctantly lay hold of Jonah.

‘And now behold Jonah taken up as an anchor and dropped into the sea; when instantly an oily calmness floats out from the east, and the sea is still, as Jonah carries down the gale with him, leaving smooth water behind. He goes down in the whirling heart of such a masterless commotion that he scarce heeds the moment when he drops seething into the yawning jaws awaiting him; and the whale shoots-to all his ivory teeth, like the Lord out of the fish’s belly. But observe his prayer, and so many white bolts, upon his prison. Then Jonah prayed unto learn a weighty lesson. For sinful as he is, Jonah does not weep and wail for direct deliverance. He feels that his dreadful punishment is just. He leaves all his deliverance to God, contenting himself with this, that spite of all his pains and pangs, he will still look towards His holy temple. And here, shipmates, is true and faithful repentance; not clamorous for pardon, but grateful for punishment. And how pleasing to God was this conduct in Jonah, is shown in the eventual deliverance of him from the sea and the whale. Shipmates, I do not place Jonah before you to be copied for his sin but I do place him before you as a model for repentance. Sin not; but if you do, take heed to repent of it like Jonah.’

While he was speaking these words, the howling of the shrieking, slanting storm without seemed to add new power to the preacher, who, when describing Jonah’s sea-storm, seemed tossed by a storm himself. His deep chest heaved as with a ground-swell; his tossed arms seemed the warring elements at work; and the thunders that rolled away from off his swarthy brow, and the light leaping from his eye, made all his simple hearers look on him with a quick fear that was strange to them.

There now came a lull in his look, as he silently turned over the leaves of the Book once more; and, at last, standing motionless, with closed eyes, for the moment, seemed communing with God and himself.

But again he leaned over towards the people, and bowing his head lowly, with an aspect of the deepest yet manliest humility, he spake these words: ‘Shipmates, God has laid but one hand upon you; both his hands press upon me. I have read ye by what murky light may be mine the lesson that Jonah teaches to all sinners; and therefore to ye, and still more to me, for I am a greater sinner than ye. And now how gladly would I come down from this mast-head and sit on the hatches there where you sit, and listen as you listen, while some one of you reads me that other and more awful lesson which Jonah teaches to me as a pilot of the living God. How being an anointed pilot-prophet, or speaker of true things, and bidden by the Lord to sound those unwelcome truths in the ears of a wicked Nineveh, Jonah, appalled at the hostility he should raise, fled from his mission, and sought to escape his duty and his God by taking ship at Joppa. But God is everywhere; Tarshish he never reached. As we have seen, God came upon him in the whale, and swallowed him down to living gulfs of doom, and with swift slantings tore him along”into the midst of the seas,” where the eddying depths sucked him ten thousand fathoms down, and”the weeds were wrapped about his head,” and all the watery world of woe bowled over him. Yet even then beyond the reach of any plummet — “out of the belly of hell” — when the whale grounded upon the ocean’s utmost bones, even then, God heard the engulphed, repenting prophet when he cried. Then God spake unto the fish; and from the shuddering cold and blackness of the sea, the whale came breeching up towards the warm and pleasant sun, and all the delights of air and earth; and”vomited out Jonah upon the dry land;” when the word of the Lord came a second time; and Jonah, bruised and beaten — his ears, like two sea-shells, still multitudinously murmuring of the ocean — Jonah did the Almighty’s bidding. And what was that, shipmates? To preach the Truth to the face of Falsehood! That was it!

‘This, shipmates, this is that other lesson; and woe to that pilot of the living God who slights it. Woe to him whom this world charms from Gospel duty! Woe to him who seeks to pour oil upon the waters when God has brewed them into a gale! Woe to him who seeks to please rather than to appal! Woe to him whose good name is more to him than goodness! Woe to him who, in this world, courts not dishonor! Woe to him who would not be true, even though to be false were salvation! Yea, woe to him who, as the great Pilot Paul has it, while preaching to others is himself a castaway!’

He drooped and fell away from himself for a moment; then lifting his face to them again, showed a deep joy in his eyes, as he cried out with a heavenly enthusiasm, — ‘But oh! shipmates! on the starboard hand of every woe, there is a sure delight; and higher the top of that delight, than the bottom of the woe is deep. Is not the main-truck higher than the kelson is low? Delight is to him — a far, far upward, and inward delight — who against the proud gods and commodores of this earth, ever stands forth his own inexorable self. Delight is to him whose strong arms yet support him, when the ship of this base treacherous world has gone down beneath him. Delight is to him, who gives no quarter in the truth, and kills, burns, and destroys all sin though he pluck it out from under the robes of Senators and Judges. Delight, — top-gallant delight is to him, who acknowledges no law or lord, but the Lord his God, and is only a patriot to heaven. Delight is to him, whom all the waves of the billows of the seas of the boisterous mob can never shake from this sure Keel of the Ages. And eternal delight and deliciousness will be his, who coming to lay him down, can say with his final breath — O Father! — chiefly known to me by Thy rod — mortal or immortal, here I die. I have striven to be Thine, more than to be this world’s, or mine own. Yet this is nothing; I leave eternity to Thee; for what is man that he should live out the lifetime of his God?’

Shipmates, the sin of Jonah was in his disobedience of the command of God. He found it a hard command. And it was, Shipmates. For all of the things that God would have us do are hard. If we would obey God, we must disobey ourselves. But Jonah still further flaunts at God by seeking to flee from Him. Jonah thinks that a ship, made by man, will carry him into countries where God does not reign.

He prowls among the shipping like a vile burglar hastening to cross the seas. And as he comes aboard, the sailor’s mark him. The ship puts out. But soon the sea rebels. It will not bear the wicked burden. A dreadful storm comes up. The ship is like to break. The bosun calls all hands to lighten her: boxes, bails, and jars are clattering overboard. The wind is shrieking. The men are yelling.

– I fear the Lord! cries Jonah. The God of Heaven who hath made the sea and the dry land!

Again, the sailors mark him: Wretched Jonah cries out to Him! Cast him overboard. For he knew.

For his sake, this great tempest was upon them.

Now behold Jonah: taken up as an anchor and dropped into the sea, into the dreadful jaws awaiting him.

And the Great Whale shuts to all his ivory teeth like so many white bolts upon his prison. And Jonah cries unto the Lord, out of the fish’s belly. But observe his prayer, Shipmates. He doesn’t weep or wail. He feels his punishment is just. He leaves deliverance to God. And even out of the belly of Hell, grounded upon the ocean’s utmost bones, God heard him when he cried.

And God spake unto the Whale. And from the shuddering cold and blackness of the deep, the Whale breeched into the sun and vomited out Jonah on the dry land. And Jonah, bruised and beaten, his ears like two seashells, still multitudinously murmuring of the ocean, Jonah did the Almighty’s bidding.

And what was that, Shipmates? TO PREACH THE TRUTH IN THE FACE OF FALSEHOOD.

Now Shipmates, woe to him who seeks to pour oil on the troubled waters when God has brewed them into a gale. Yea, woe to him who, as the Pilot Paul has it, while preaching to others is himself a castaway. But delight is to him who against the proud gods and commodores of this earth stands forth his own inexorable self, who destroys all sin, though he pluck it out from the robes of senators and judges! And Eternal Delight shall be his, who coming to lay him down can say:

– Oh Father, mortal or immortal, here I die.
I have driven to be thine,
more than to be this world’s or mine own,
yet this is nothing
I leave eternity to Thee.

For what is man that he should live out the lifetime of his God?


Written by Wolf

7. March 2009 at 12:55 am

Posted in Laderaum

Märzgewinnspiel: A Voyage Thither and So Long

with 4 comments

Am 16. März 1849 erschien Mardi, and a Voyage Thither, Herman Melvilles Fingerübung zu Moby-Dick, bei Richard Bentley in London. Vor gleich 160 Jahren.

Melvilles monumentaler dritter Roman — da war er 29 — wurde erst 1998 zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt — von Rainer G. Schmidt, was ihm den Paul-Celan-Preis eintrug; besser anerkannt kann man nicht übersetzen. Ein sperriges und unterschätztes Werk und damit ein typischer Melville.

Obwohl danach noch etliche Romane unterschiedlichen Erfolgs kamen, ist Mardi Melvilles Einstieg in die Lyrik, lange bevor er den Ehrgeiz entwickelte, die amerikanische Lyrik zu revolutionieren, und sei unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Als Roman steht er in Prosa, die sich aber als gebundene Rede lesen lässt: Der Text fließt stellenweise rhythmisch, seine Struktur baut Lieder nach, darübergeordnet sind die Kapitel, die verschiedenen Südseeinseln wie ein Rundgesang zugeordnet sind. Aus Gesprächen von Seeleuten und Südseeinsulanern entsteht ein umfassendes Gesamtbild des Menschen und der Welt an sich. Wie in der Bücherliste vorgestellt, bewusst etwas kategorial anderes als die ersten beiden autobiografischen Reiseerzählungen, die sowieso niemand glaubte; nach wenigen Kapiteln ausgefranst und übergebordet zu einem Standardwerk der Groteske auf der Basis einer krausen, nachvollziehbar bleibenden pantheistischen Seebärenphilosphie. Im Unterschied zu Moby-Dick gibt es darin eine Liebesgeschichte. Auch deshalb: ein typischer Melville.

Mit diesem Wissen: Malen, zeichnen, fotografieren, collagieren oder von mir aus: modellieren Sie bis zum 16. März, Mardis 160. Jubiläum, das Titelbild zu einer eventuellen zweiten deutschen Übersetzung (nicht dass meines Wissens eine anstünde)! Mindestens auf DIN A4, außer Ihre Technik lässt nur kleinere Formate zu, und so, dass sie’s hinterher auf den Scanner kriegen. Foto geht auch — normalerweise ist das allerdings ein Thema für einen großen Gobelin.

Gewinnen Sie dafür wie üblich, weil sich dergleichen ruhig verbreiten darf, entweder:

  • 1 CD mit 26 Liedern von The Muffs (privater Brand wie gehabt und jetzt schon nicht mehr in dieser Form rekonstruierbar);
  • 1 CD von Carson Sage and the Black Riders (heute What about Carson wie vorgestellt, private Brände):
    • Final Kitchen Blowout (1993);
    • Walk With an Erection (5-song-EP 1993); oder
    • Great Music in Stereo (1995);
  • 1 Kopie Herman Melville: The Lightning-Rod Man auf Deutsch in der Übersetzung von Richard Mummendey, ca. 10 Seiten. Sehr selten und stark nachgefragt; oder
  • 1 Erlaubnis für einen Gastbeitrag auf Moby-Dick™ über was Sie wollen außer (doofem) Porno und Verherrlichung von Frank Schätzing.

Werden die Preise schon langweilig? Dann verlose ich für besondere Leistungen eine apokryphe LP von Motorpsycho, und LP bedeutet hier: Vinyl und einen Durchmesser, der kleiner ist als der von den LPs, an die sich die Alten und Altmodischen unter uns erinnern: The Desperate Deeds of Ringo. A Story of the Wild West (auf Amazon in allen Ländern nur als CD), die ganz unerhört nach Country, Punk, dem ersten Spaghettiwestern mit John Wayne, Ennio Morricone, Whisky, Dreck und jenem amerikanischen Westen klingt, wie wir ihn alle lieb haben — und von der ich mich sehr ungern trennen werde. Da muss ich überzeugt werden, also strengen Sie sich ruhig an.

Und zwar bis 16. März 2009 um Mitternacht bitte.

Werkzeugkasten:

Amazon, Mardi, 2 Bände Hardcover Achilla Presse

Entreact Melodram (Brotzeit):

Story from the Wild West: Motorpsycho: So Long, aus: The Desperate Deeds of Ringo. A Story of the Wild West
und das ist noch nicht mal das beste von der Platte.

Written by Wolf

6. March 2009 at 1:52 am

Posted in Kommandobrücke

Fay Away

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Writers are liars, my dear.

Erasmus Fry

Update for the lost Chapter 18½ and Anaxagoras’ Revenge. The song lyrics are free for composition and will bear any style of music, except Country, Western, sextains and related, and the few you don’t like.

On fourth of
March in 1846
the first British
edition of Typee:
A Peep at
Polynesian Life
was
published no more
by the name
of Narrative of
a Four Months’
Residence among the
Natives of a
Valley of the
Marquesas Islands
Melville’s
first whole and
wholesome novel by
John Murray in
filthy foggy faraway
London after the
keeper of truth
and the bereaved
of sailor dreams
added three chapters
to make believe
he lived what
he told and
told what he
lived and you
nevermore my Fayaway

Chorus: girl not only
are you perfect
you are unpretending
too and anyway
a young woman
which excuses everything

assign and withdraw
your crumbs ad
lib until I
I find words
for you that
I used not
to use for
you in a
sunny time and
foreign island not
from me and
not for you
taking your prides
but not all
of them you
have enough maybe
your really are
too good for
writers are liars
my dear which
is a bowl of
rubbish because of
course you are
and the best
with all your
brains and your
adept hands and
your pretty feet
and your significant
arts and your
rewarding skills and
your everything that
looks good which
you would prefer
not to hear
in your close
to shy modesty
strong and beautous
more than Fayaway

Chorus: for not only
are you perfect
you are unpretending
too and anyway
a young woman
which excuses everything

you unfold and
pick and tell
with all your
nature given silence
taboos and live
on what strays
in your heart
just existing along
doing all that
is essential though
nothing that isn’t
so warm and
heating and undesigned
as a white
whale’s chill by
being yourself’s Fayaway

Chorus: since not only
are you perfect
you are unpretending
too and anyway
a young woman
which excuses everything

I desperately sang
to you which
you would not
hear of and
I now am
tired of in
having a bunch
of followers on
the Internet only
obliged to choose
which career to
avail and call
it cultivating your
amity girl you
never will sail
close to Fayaway

Chorus: and not only
are you perfect
you are unpretending
too and anyway
a young woman
which excuses everything

John La Farge, Girl In Bow Of Canoe Spreading Out Her Loin Cloth For A Sail Samoa Aka Fayaway

As I turned the canoe, Fayaway, who was with me, seemed all at once to be struck with some happy idea. With a wild exclamation of delight, she disengaged from her person the ample robe of tappa which was knotted over her shoulder (for the purpose of shielding her from the sun), and spreading it out like a sail, stood erect with upraised arms in the head of the canoe. We American sailors pride ourselves upon our straight, clean spars, but a prettier little mast than Fayaway made was never shipped aboard of any craft.

Herman Melville: Typee, Chapter 18, available from March 4th, 1846.

Image: John La Farge (1835–1919): Girl In Bow Of Canoe Spreading Out Her Loin Cloth For A Sail Samoa Aka Fayaway,
oil on canvas, reproduction via 1st Art Gallery.

Written by Wolf

4. March 2009 at 12:01 am

Posted in Vorderdeck, Wolfs Koje

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #21

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Song: Lucinda Williams: Bonnie Portmore (3:36 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: MyFlyAway: Moving, August 20, 2008.

Lyrics:

O Bonny Portmore, you shine where you stand,
And the more I think on you, the more I think long.
If I had you now as I had once before,
All the lords in old England would not purchase Portmore.

O Bonny Portmore, I am sorry to see
Such a woeful destruction of your ornament tree,
For it stood on your shore for many’s the long day
Till the long boats of Antrim came to float it away.

All the birds in the forest they bitterly weep,
Saying “where will we shelter or where will we sleep?”
For the Oak and the Ash they are all cutten down,
And the walls of Bonny Portmore are all down to the ground.

O Bonny Portmore, you shine where you stand,
And the more I think on you the more I think long.
If I had you now as I had once before,
All the lords in old England would not purchase Portmore.

Explanatory liner notes by ANTI-, based on the Wikipedia article:

This Celtic song mourns the destruction of the hardwood forests of Ireland, primarily for English military and shipbuilding purposes. The Great Oak of Portmore stood near Portmore castle on the shores of Lough Beg.

Written by Wolf

3. March 2009 at 2:58 am

Posted in Siren Sounds

We are the masters; otherwise there could be no poetry

with 8 comments

Update und Abschluss des Februargewinnspiels: It means just what I choose it to mean:

The Complete Illustrated Lewis CarrollIhr schafft mich. Der Monat fängt grandios an. Obgleich sich wieder “nur ” die üblichen Verdächtigen am zweiten Februargewinnspiel des Jahres auf Moby-Dick™ beteiligt haben, weiß ich jetzt wenigstens wieder, warum diese Leute hier unbesehen und unkorrigiert mitschreiben dürfen: because they can.

Die Aufgabe, in Anknüpfung an Lewis Carrolls so hoch- wie tiefphilosophischen Originaldialog einen Dialog zwischen Humpty Dumpty und einer weiteren Figur eigener Wahl philosophischen Inhalts zu erstellen, der mich zum Grinsen bringt, wurde von beiden vorbildlich bewältigt. In eine echte Gewissensnot stürzen sie mich deshalb bei der Preisverteilung: Was schämen sollte ich mich, dass ich für beide eingegangenen Beiträge nur einen Preis und, na gut, einen Trostpreis zu vergeben hab. Ich hab mir die Überlegung nicht leicht gemacht und mach jetzt trotzdem einfach irgendwas, weil es eine richtige, unanfechtbare Lösung nicht geben kann. Aben sich sowieso beide rausgeredet, dass sie gar nix wollen und ja nur außer Konkurrenz laufen. Das habt ihr jetzt.

Und das für ausgerechnet Humpty Dumpty, der bei aller Arroganz immer noch verbreitet:

“When I make a word do a lot of work like that,” said Humpty Dumpty, “I always pay it extra.”

“Oh!” said Alice. She was much too puzzled to make any other remark.

“Ah, you should see ’em come round me of a Saturday night,” Humpty Dumpty went on, wagging his head gravely from side to side, “for to get their wages, you know.”

Aber

Alice didn’t venture to ask what he paid them with; and so you see I ca’n’t tell you.

Außerdem besteht nur eine halbe Verpflichtung gegenüber Worten, wie Roger W. Holmes in The Philosopher’s Alice in Wonderland, The Antioch Review, Vol. XIX, No. 2, Summer 1959 ausführt:

One thinks of a Soviet delegate using ‘democracy’ in a UN debate. May we pay our words extra, or is this the stuff that propaganda is made of? Do we have an obligation to past usage? In one sense words are our masters, or communication would be impossible. In another we are the masters; otherwise there could be no poetry.

Der Trostpreis, eine kleine, schmucke Insel-Ausgabe Alice hinter den Spiegeln, das ist der zweite der beiden Alice-Romane von Lewis Carroll, in dem Humpty Dumpty vorkommt (in der Übersetzung von Christian Enzensberger: Goggelmoggel), geht an Jürgen, welcher da schreibt:

Ein Dutzend Eier reicht noch nicht!

Jürgen Jessebird SchmitteHumpty-Dumpty saß am Rand einer Klippe und ließ seine dünnen Beinchen über dem aufgewühlten Meer baumeln. Just in diesem Moment kam ein großer Wal vorbei geschwommen.
„Hallo, Humpty-Dumpty,“ sagte er. Der Wal hatte eine tiefe und angenehm klingende Stimme, ein klein wenig näselnd, aber das überrascht ja nicht, wenn man sich seine anatomischen Eigenheiten vor Augen führt.
„Ich grüße dich, Moby-Dick,“ erwiderte das Ei. Auch Humpty-Dumpty hatte eine erstaunlich tiefe Stimme. Und auch er – wen wundert’s – näselte ein bisschen.
„Fürchtest du dich gar nicht?“ wollte Moby-Dick wissen, denn er war so gewaltig, dass er fast bis an den Rand der Klippe und damit an Humpty-Dumptys Füße heranreichte.

„Wovor sollte ich mich fürchten?“

„Nun, ich könnte dich … zerbrechen!“
„Ach, das! Nein. Nein, das Ende meiner Existenz als Ei ist nicht möglich.“
„Nicht möglich!? Was soll das heißen? Bist du etwa unsterblich?“
„Natürlich! Ebenso wie du und jeder andere. Obwohl für ‘mich’ nur ‘ich’ unsterblich bin. Für dich sieht es vielleicht nicht so aus. Aber das kann mir ja egal sein.“
Der Wal schüttelte sich, dass die Gischt wie ein Regenschauer über Humpty-Dumpty niederging.
„Hmmhmm – ich glaube nicht, dass ich das verstehe!“
Das Ei rückte noch ein klein wenig näher an den Rand der Klippe und schaute auf den großen weißen Wal hinab.
„Wenn du auf dem Meer schwimmst und sagen wir, irgendwann nach links abbiegst, einfach so.“
„Backbord, aye.“

„Meinethalben auch backbord. Jedenfalls hättest du da ebenso gut nach rechts – also, äh, steuerbord abdrehen können? Nicht wahr?“
Der Wal hätte die Achseln gezuckt, hätte er welche gehabt. So runzelte er nur die Stirn.
„Hätte ich machen können. Warum?“
„Glaubst du, dass du die Welt verändert hast, dadurch, dass du nach backbord statt nach steuerbord geschwommen bist?“
Moby-Dick kniff seine ohnehin schon kleinen Augen zusammen.
„Die Welt verändert? Na, vielleicht. Vielleicht hat ein Tintenfisch auf meiner Steuerbordseite Glück gehabt und wird nicht gefressen, kann Nachwuchs kriegen und in Ruhe alt werden. Und der auf der Backbordseite eben nicht. Meinst du das mit ‘Welt verändern’?“
Humpty-Dumpty lachte übers ganze Gesicht. „Genau, du alter Rollmops, genau das meine ich! Und genau das ist eben nicht so! Statt dessen hast du gewählt in welcher Welt du leben willst.“
„In welcher Welt…?“ Moby-Dick war so verwirrt, dass er die Sache mit dem Rollmops einfach durchgehen ließ. „Was meinst du damit? Wie viele Welten gibt es denn bitteschön?“

„Unendlich viele! Das ist ja das wunderbare! Mit jeder bewussten oder unbewussten Entscheidung erzeugst du neue Wirklichkeiten! Schau her…“
Humpty-Dumpty schnippte einen kleinen Kieselstein ins Meer.
„In dieser Welt habe ich mich entschieden, den Stein ins Meer zu werfen. In einer anderen habe ich es nicht getan. Und dann gibt es noch eine Menge anderer Möglichkeiten, in denen ich den Stein vielleicht nur an eine andere Stelle gelegt habe oder hinuntergeschluckt oder auf dich geworfen oder…“
„Ich habe es begriffen! Aber was soll das alles?“
„Nun, das großartige ist, dass ‘ich’ in allen dieser Welten existiere! Es gibt unendlich viele Versionen von mir. Ich manchen Welten bin ich schon zerbrochen worden, zu Rührei oder Spiegelei geworden, für Pfannkuchen verwendet oder zum Frühstück verspeist worden. ‘Ich’ bin schon tausendmal gestorben. Und doch bin ‘ich’ noch immer hier. Denn wenn ich irgendwo sterbe, dann hört diese Realität einfach für ‘mich’ auf. Du könntest mich jetzt zerbrechen. Dann würde ich in dieser Welt, in der wir beide uns unterhalten, sterben. Du würdest das sehen und die Konsequenzen tragen. Ich aber bin einfach fort. Und in einer anderen Realität würden wir uns weiter unterhalten, denn dort ist nichts geschehen!“
Moby-Dick schwamm ein paar Hundert Meter ins offene Meer hinaus.
„Darüber muss ich nachdenken…“
„War schön, mit dir zu plaudern!“ rief Humpty-Dumpty ihm hinterher und wedelte mit seinen Ärmchen in der Luft. Moby-Dick sah nicht mehr, wie das Ei das Gleichgewicht verlor, über die Klippenkante stürzte und in tausend Teile zersprang…

Elke HegewaldDer Hauptpreis, ein schnulli erhaltenes Exemplar The Complete Illustrated Lewis Carroll, geht an Elke für ihre Fortsetzung:

Hinter den Spiegeln und auf allen Meeren

segelschiff-1

buchstabe-n2-zuatürlich war er nicht zersprungen, der kleine, beinebaumelnde Humpty Dumpty mit seiner großen Arroganz und zur Schau getragenen Besserwisserei. Jedenfalls nicht in meiner (einen) Welt hier. Obwohl die ja eher als alle andern diejenige ist, in der die Unordnung eines verschütteten Potts Kaffee nicht wieder in die Ordnung einer Tasse voll der köstlich duftenden und dampfenden Morgenerweckung zurückschwappen kann. Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik. Was wollt ihr, stinknormale Entropie das. Aber ich schweife schon wieder ab.

Zurück zu unserer Geschichte. Was also war aus Humpty Dumpty geworden, als der Wal ihm den Rücken gekehrt hatte, aus seinem Übermut nach dem Hochmut – und nach dem Fall?

Er war haarscharf an den spitzen Zacken der Klippe vorbeigesaust und in die salzigen Fluten des Meeres gefallen. In panischer Angst vor dem Ertrinken und ohne auch nur den leistesten Gedanken an die Unsterblichkeit in seinem Eierkopf rief er noch Moby-Dick um Hilfe – vergeblich. Das Rauschen der Wellen verschluckte sein Näselstimmchen.

mermaid-romant-via-never-sea-landDoch er ging nicht unter. Nachdem er hilflos eine Weile in den unendlichen Ozean hinausgetrieben war und kurz bevor er zum Solei wurde, verhedderte er sich in den Maschen eines Fischernetzes. – Die Mannschaft des Segelschiffes, auf dessen Bordwand er für einen Moment den Namen “Pequod” lesen konnte, fing gerade ihr Abendbrot. Die Männer hatten alle Hände voll zu tun mit den zappelnden Fischen auf den Planken und keiner von ihnen bemerkte Humpty Dumpty, der unbeachtet gegen eine Taurolle kullerte, die mittschiffs herumlag. In der machte er es sich gemütlich und schlief nach der ganzen Aufregung augenblicklich ein…

Er erwacht im ersten Morgenrot mit dem Gesicht in Richtung Heck. Und reibt sich ungläubig die Augen – eine Geste, die er bei sich selber durchaus unüblich nennen würde. Dort achtern hockt im dämmerigen Gegenlicht ein Mädchen, spärlich bekleidet und mit nassen Haaren bis zum Po, aus denen es gerade das Wasser zu wringen sucht. – Eine Seejungfrau? Eine echte Mermaid…?

So schnell ihn seine dünnen Beinchen tragen, eilt er zu ihr. Und schafft es irgendwie, wenn schon nicht auf ihren Schoß, so doch wenigstens auf ihre Handfläche zu klettern.

“Wer bist du, wie kommst du hierher? Und was willst du hier?”

Sie bläst sich eine Locke aus der Stirn:
“Auf einem Wal bin ich hergeritten. Und was soll ich hier schon wollen – mitsegeln!”

Durch ihren nahen Anblick verwirrt, entgeht ihm völlig, dass sie die Frage nach ihrer Herkunft elegant ignoriert.

“Das hier ist ein Walfänger, voller rauer Kerle, die mit Harpunen und Walspeck um sich werfen. Da ist kein Platz für so ein junges, hübsches Ding…”

“Wer sagt das? Du? Bist du der Kapitän? Oder Gott? Dann herzliches Beileid, denn im Masttopp sind letzthin entrückte Pantheisten gesichtet worden. Die wissen nix von von Gott in persona. Ha, und wie so ein melancholisches Träumerle da oben “sein Ich [vergessen] und die mystische See zu seinen Füßen für das sichtbare Abbild jener tiefen, blauen, unergründlichen Seele [halten], die Menschheit und Natur durchdringt”* – das kann ich auch, träumen sowieso. Im übrigen bin ich älter als du denkst…”

“Mit solchen Traumtänzereien wirst du aber hier keinen Ruhm abräumen. Auf sowas wie dich hat der Kapitän gerade gewartet, Mädchen.”

“Seltsam, dass gerade du von Ruhm sprichst. Du warst doch der, der solche Wortblasen genau das bedeuten lässt, was er draus macht, und nichts anderes – oder?”

“Öh… woher weißt du…? Nun, dann nennen wir es Nützlichsein, Pflichterfüllung… Sagen wir nicht Ruhm, sondern…hm, Glück – durch Einsicht zum Beispiel oder den guten Zweck. Glückseligkeit ist sowieso solch ein Wort, dass viel besser zu euch Mädchen passt.”

Humpty Dumpty schickt einen Blick, in dem gespanntes Lauern und ein kleines Grübeln miteinander uneins sind, zu ihr hinüber. Sie rollt sich auf den Bauch, balanciert ihn vorsichtig zwischen den Fingern und schaut ihm geradewegs in die Augen:

“Jaah, jaah, blaaablaaa! Vom heldischen “A man’s gotta do what a man’s gotta do” bis zum Ruhm ist’s ja bei euch Kerlen nicht weit. Schlepp ruhig den alten Kant auch noch hier an: wem planvolles Handeln fehlt, der wird zur Beute seiner Triebe! Pflichterfüllung! Pffft… frag mal den alten Ahab, wie der die für sich zurchtgezimmert hat – und seinem vernichtenden Trieb doch Sklave ist. Hatten wir hier alles schon mal. Euch kommt immer euer krankes Ego dazwischen.”

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“Was weißt du schon vom alten Ahab! Und deine Argumente und deine Logik sind keine, sind… sind Weiberlogik! Die passt in k e i n e Welt.”

“Tsss… was weißt du schon von uns Weibern! Hast nicht mal ‘ne Taille – von einem knackigen Hintern ganz zu schweigen. Wer kleine Mädchen beeindrucken kann, ist noch lange kein Frauenversteher. — Logik? Ach geh, als hättest ausgerechnet du die erfunden. Und selbst wenn – mehr fällt dir dazu nicht ein? Du warst doch immer so spitzfindig wortgewandt in deinem Humpty-Dumptyismus. Ich glaube, du lässt nach, Eiermännchen. Ist das das Alter?”

“Das kommt nur, weil du mich so durcheinander bringst, bin ja schon ganz wirr im Kopf.. Aber das Wort Humpty-Dumptyismus gefällt mir, trotz deiner Respektlosigkeit, Kleines. Und die Frage ist immer noch, wer…”

“Hach, humpty dumpty du doch, was du willst, ich bleib jedenfalls hier. Das mit den Kerls krieg ich schon hin… – Kennst du das Lied von der Seeräuber-Jenny? Oder das von der Dirne Evelyn Roe, das der alte Seebär-Busch gesungen hat?”old_humpty_dumpty-zustre

“Unterbrich mich nicht dauernd. Frauen! Die Frage ist immer noch… Waaas? – Seeräuber-Jenny? Evelyn Roe?? Himmel! Du willst doch nicht enden wie d i e?”

“Hab ich das gesagt? Ich hab nur gefragt, ob du die kennst. I c h meine immer noch, was ich sag. Tsss, und das dir! Magst du etwa keine Piratenlieder? Hey, nu reg dich mal nicht so auf, ich hab mir schon immer meine Wirklichkeit selber erfunden – und ‘ne Menge dabei gelernt. Du doch auch. Keine Angst, ich komm schon nicht unter die Räder… öhm, Wellen.”

“Du machst mich noch wahnsinnig, Mädchen. Nach Wörtern, meinetwegen sogar Worten die Wirklichkeit humpty-dumptyisch aussehen zu lassen, ist nicht alles. Die Frage ist…”

“Und du willst beim alten Carroll gelernt haben? – Wirklichkeit kann man nicht aussehen lassen – die ist das, was wirkt, deswegen heißt sie ja auch so. Na, und bin ich etwa keine?”

“Und was für eine! Ich weiß schon nicht mehr, was real und was Fantasie ist. Aber hast du denn noch nie etwas von der wahren Welt gehört?”

“Wahre Welt? Was soll das sein? Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners – ist leider nicht von mir, könnte aber von mir sein. Und real ist nicht wirklich, du Superwortverdreher. Wirklich ist nur das, was wir von der Realität wissen – wenn es überhaupt eine gibt…”

“Hör auf! Die Frage ist doch, ob du…”

“Die Frage ist, wer die Macht hat – und das ist alles. Tja, hab ich von dir gelernt.”

“Du bist… bist doch nicht… Vorsicht! Neiiiiiiin….!”

Weiter kommt er nicht. Beim Hervorbrechen der ersten Sonnenstrahlen hinterm Horizont hat sie, unbeschwert und spontan, wie es Mädchen nun mal tun, ihre Hand gehoben, die Augen abzuschirmen. Die Hand, auf der das Ei gesessen hatte. Es gleitet haltlos und nur noch der Schwerkraft gehorchend an ihrem Handgelenk vorbei nach unten. Und zerschellt auf den Planken.

Alice aber tänzelt auf denselben und Barfüßen mit wohlgereihten Zehen nach vorn zum Bug, wo ein einsamer Seemann an der Reling lehnt. Das Schiff krängt ein bisschen nach Lee, gerade genug und gerade rechtzeitig, dass sie das Gleichgewicht verliert und dem Skipper in die hilfreichen Arme fällt. Von dem man im Gegenlicht nicht erkennen kann, ob es der Käpt’n selber ist oder einer von der Mannschaft. – Und keiner ist da, dem auffiele, dass es doch vollkommen windstill ist…

Keiner?

schmitz_mobyMoby-Dick hebt backbord den Kopf aus dem Wasser. Sieht auf das Mädchen, das er letzte Nacht hergetragen hat und das die Geschichte des Skippers, der Pequod und vielleicht auch seine eigene durcheinanderbringen wird. Schaut auf die Eierschalen und den klebrigen Fleck, der unter der südlichen Sonne zu trocknen beginnt. “Soviel zum ‘Weltverändern’, Eierkopp – wir sehn uns in deiner nächsten.”

Er überlegt ein bisschen, ob die alten Herren Melville und Carroll ihm das hier wohl sehr übel genommen hätten. Stubst noch einmal sanft, doch voller Übermut mit seiner gewaltigen Stirn gegen die Bordwand und schwimmt, den alten Kindervers vor sich hin summend, davon…

“Humpty Dumpty sat on a wall,
Humpty Dumpty had a great fall,
All the King’s horses and all the King’s men,
Couldn’t put Humpty together again.”

*Zitat aus: Herman Melville. Moby-Dick. In der Übersetzung von M. Jendis, Kapitel 35, Seite 266.

Bilder: Segelschiff – via. Mermaid. Tim Thompson, 1999. Via Never Sea Land. “Humpty Dumpty”. James Mc Partlin, 2003 – via Epilogue.net. Humpty Dumpty (modifiziert) – via. Schmunzel-Moby-Dick: keine Ahnung.
Song: Carson Sage and the Black Riders: Sally Brown. Aus: Final Kitchens Blowout. Via wolfgpunkts youtube.

Glückwunsch und falls ihr ihn nicht längst tragt, den Titel B.E.L.U.G.A. (Belesener Experte für Lustige Und Gelehrte Ansichten) für beide!

Written by Wolf

2. March 2009 at 12:01 am

The Roof Is On Fire (Burn Motherfucker)

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Update zu Streng dein Hirnkastl an, Glory. Glory und Geopfert:

Herman Melville in Battle-Pieces and Aspects of the the War, 1866,
nach Douglas Robillard, Hg.: The Poems of Herman Melville:

The House-Top: A Night Piece

July, 1863 – The Draft Riots

No sleep. The sultriness pervades the air
And binds the brain—a dense oppression, such
As tawny tigers feel in matted shades,
Vexing their blood and making apt for ravage.
Beneath the stars the roofy desert spreads
Vacant as Libya. All is hushed near by.
Yet fitfully from far breaks a mixed surf
Of muffled sound, the Atheist roar of riot.
Yonder, where parching Sirius set in drought,
Balefully glares red Arson—there-and there.
The Town is taken by its rats—ship-rats.
And rats of the wharves. All civil charms
And priestly spells which late held hearts in awe—
Fear-bound, subjected to a better sway
Than sway of self; these like a dream dissolve,
And man rebounds whole æons back in nature.
Hail to the low dull rumble, dull and dead,
And ponderous drag that shakes the wall.
Wise Draco comes, deep in the midnight roll
Of black artillery; he comes, though late;
In code corroborating Calvin’s creed
And cynic tyrannies of honest kings;
He comes, nor parlies; and the Town redeemed,
Give thanks devout; nor, being thankful, heeds
The grimy slur on the Republic’s faith implied,
Which holds that Man is naturally good,
And—more—is Nature’s Roman, never to be scourged.

 

Übersetzung Prof. Dr. Helmbrecht Breinig, Erlangen, in: Poetischer New York-Führer, 2005:

Das Hausdach: Ein Nachtstück

Juli 1863 – die Einberufungs-Unruhen

Kein Schlaf. Die Schwüle bleiern in der Luft,
Sie lähmt den Geist – Bedrückung, wie sie spürt
Der Tiger, gelbbraun, im Schatten des Gestrüpps,
Als Fieber seines Bluts, zum Raubzug drängend.
Unter den Sternen dehnt die Dächerwüste
Sich leer wie Libyen. Alles ruhig hier.
Doch immer wieder brandet aus der Ferne,
Gedämpft, Aufruhrgebrüll der Renegaten.
Dort, wo des Sirius Sengen Dürre brachte,
Glüht rot der Dämon unheilvoller Brände.
Die Ratten dieser Stadt – von Schiff und Kai –
Nehmen sie mit Gewalt. All jener Zauber,
Zivil und priesterlich, der jüngst durch Furcht
Die Herzen bannte, bess’rer Herrschaft unterwarf
Als der des Selbst, vergeht wie Traum; der Mensch
Wird um Äonen zur Natur zurückgeworfen.
Gegrüßt sei drum das dumpfe Dröhnen, dumpf
Und tot, das schwere Schleifen, wanderschütternd.
Der weise Drakon kommt im nächt’gen Grollen
Schwarzer Artillerie; kommt, wenngleich spät;
Bekräftigt Calvins Credo durch Erlass,
Die zynische Tyrannei aufrechter Könige;
Er kommt, und er verhandelt nicht; die Stadt,
Erlöst, dankt ihm devot, und ignoriert
Den Schandfleck auf der Republik Doktrin,
Wonach der Mensch gut von Natur aus sei,
Mehr noch, als Römer der Natur, niemals zu geißeln.

The part for the preisbewusste Grundkurs Englisch: Herman Melvilles Auseinandersetzung mit den Draft Riots, das sind: den New Yorker Einziehungskrawallen vom 13. bis 16. Juli 1863, vermutlich zeitnah niedergeschrieben und damit früher als die meisten Gedichte für seinen Band Battle-Pieces and Aspects of the War 1866.

Ein ungenannt bleibender nächtlicher Beobachter kommentiert das Geschehen vermutlich von Melvilles Hausdach in der New Yorker 104 East 26th Street aus (Manhattan Midtown South Central).

Reimloser Blankvers, häufig stark alliterierend, aber als durchgehaltenen Stabreim kriegt ihr das nur verkauft, wenn ihr in der letzten Klausur mindestens 13 Punkte hattet, in einem Referat mal Powerpoint eingesetzt habt oder das Klassenbunny seid.

Zu Herman Melville in Downtown New York City siehe die Walking Tour; zu den Unruhen siehe In the Shadow of Slavery, im Civil War Home und Mr. Lincoln and New York.

Wenn ihr den Mehrzweckraum kriegt, leiht euch euer Englischlehrer bestimmt mal Gangs of New York von Scorsese 2002 dazu, der ist voll krass: ab 16, extrem blutig, zehn Oscar-Nominierungen, zwei Golden Globes, Daniel Day-Lewis als harter Knochen, Cameron Diaz für die Jungs und für die Mädels DiCaprio. 160 Minuten, da kriegt ihr glatt zwei Doppelstunden rum. Conclusion of the part for the preisbewusste Grundkurs Englisch.

Melville bezieht sich in seinen Battle-Pieces stärker als sein Altersgenosse, Nachbar und Kollege Walt Whitman in seinen Hymnen an Lincoln auf konkrete Schlachten des Amerikanischen Bürgerkriegs. Die Draft Riots gehören als die bis dahin blutigsten Unruhen in der Geschichte des städtischen Amerika — übertroffen von den Indianergemetzeln — auch dazu, außerdem wurden zur Wiederherstellung der Ordnung Regimenter aus der örtlich nächstgelegenen Schlacht, der von Gettysburg unter Major General Dix herbeibemüht.

In New York wüteten die sozial Schwachen gegen ein Schicksal, das die Zerschlagenden bereits ereilt hatte: die unversehens eingetretene Wehrpflicht für den Bürgerkrieg, der des Bürgers nicht mehr war, von der man sich freikaufen konnte, aber wer in Five Points wohnt, bringt der 300 Dollar auf? Da schoss der ehemalige irische Kartoffelbauer auf seinesgleichen, der Deutsche auf den Deutschen und der Sklave, der als Söldner nur noch sein Leben etwas schneller zu verlieren hatte als auf dem Baumwollfeld, auf alle zusammen, die seinen Job wollten, wenngleich gegen ehrliche Bezahlung. Es war sicher ein unerfreuliches Bild. Dabei klingen 120 Tote eigentlich nach wenig; nicht in Zahlen fassbar sind das abgefackelte Waisenhaus für schwarze Kinder, die elf gelynchten Neger, dazu Polizisten und Milizionäre, die Tausende von obdachlosen Familien und der Sachschaden, worunter es mir immer so um das American Museum des frühen Pendants zu Walt Disney P.T. Barnum Leid tut. Die ganzen Unruhen samt ihrer Niederschlagung sind nicht der letzte Grund dafür, dass der Bürgerkrieg Amerikas Nationaltrauma werden musste.

Melville, der noch 1851 im Moby-Dick den demokratischen Gott gefeiert hatte, zeigt sich 1863 angewidert von der entfesselten Herrschaft eines blutdürstigen Mobs; “in code corroborating Calvin’s creed” meint die calvinistische Lehre von der Verderbtheit der Menschen. “Sirius”, der Hundsstern, deutet vermutlich auf die Hitze der Hundstage, verschärft durch die tagelangen Stadtbrände. “Drakon” ist der unleidig strafende griechische Gesetzgeber, der allein Abhilfe schaffen kann, klar. Die auffallend gehäuften Tierbilder sagen uns, dass solche Barbarei eher in den Dschungel gehörte denn in den Inbegriff der zivilisierten Stadt.

Die Vorstellung von der grundsätzlichen Güte des Menschen, auf der die amerikanische Verfassung aufbaut, ist in Trümmer gehauen — entweder von Melville oder von den Aufrührern, die er so missbilligt: Plötzlich unterstützt die Stadt, dass ihre freien Bürger und die Leibeigenen — wie im alten Rom — gegeißelt werden. Es ist alles eine große Verzweiflung an der natürlicherweise selbstbestimmten Existenz und über die Unzulänglichkeit menschlicher Moralvorsätze. Nicht mehr sehr demokratisch, was Melville da herunterbetet — jedoch nicht weiter verwunderlich.

Melvilles eigene Fußnote zu seiner Beobachtung, dass man rebounds whole æons back in nature, von Breinig nicht mitübersetzt, lautet:

“I dare not write the horrible and inconceivable atrocities committed,” says Froissart, in alluding to the remarkable sedition in France during his time. The like may be hinted of some proceedings of the draft-rioters.

Die drei Tage in New York wie der Hundertjährige Krieg. Wenn das keine Übertreibung ist, dann eine ziemlich starke Parallele. Und Melville ist in diesen Tagen nicht als besonders emotionaler, sondern dauerhaft bedrückter Mensch vorzustellen; The House-Top ist sogar noch eins seiner klarsten, nachvollziehbarsten Gedichte, in denen er sich eben nicht in absichtlich verschleiernden Chiffren ergeht: Nächste Stunde kriegen wir zum Vergleich Magian Wine.

Es ergeht abermals explizite Empfehlung für Helmbrecht Breinigs Poetischen New York-Führer. Der Mann forscht und lehrt in Erlangen, sieht recht umgänglich aus, und heute bereu ich’s, dass ich nie eine Veranstaltung von ihm wahrgenommen hab.

Weiß gar nicht, wieso mir das jetzt einfällt, aber “Holocaust” bedeutet ja zuerst mal “Brandopfer”. Das verwendet ihr mir in eurem Grundkurs bitte nicht oder habt es wenigstens nicht von mir, ja?

Soundtrack: Bloodhound Gang: Fire Water Burn (Donkey Version), aus: One Fierce Beer Coaster, 1996.

Written by Wolf

27. February 2009 at 5:51 am

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #20

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Song: Bono: A Dying Sailor to His Shipmates (4:45 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Eleanor Hardwick: shipwrecks, voyage and nautical daydreams, September 22, 2008.

Lyrics:

Oh wrap me in my country’s flag
and lay me in the cold blue sea.
Let the roaring of the waves
my solemn requiem be,
And I shall sleep a pleasant sleep,
while storms above their vigils keep.

My Captain brave shall read for me
the service of the silent dead,
and yay shall lower me in the waves,
when all the prayers are said.
And I will find my long, long home,
among the billows and the foam.

Farewell my friends for many a league,
we’ve sailed together on the deep.
Come let us shake our hands,
I’ll sail no more, but shipmates wear for weep.

I’m bound above, my course is run,
I near the port, my voyage is done.

Explanatory liner notes by ANTI-:

A haunting ballad of the 19th century whaling ships. As well as being musical, sailors often displayed great poetic ability, as in the lyrics of this powerful song.

Written by Wolf

25. February 2009 at 12:18 am

Posted in Siren Sounds

Call me Ödipus (Vorübergehender Wahnsinn in ungewöhnlich jammervoller Stunde)

with one comment

Wolf hat Kapitel 35: Im Masttopp gelesen
und macht ein Update zu Mutter, lass mich dein Söhnchen sein:

     Roll on, thou deep and dark blue Ocean — roll!
     Ten thousand fleets sweep over thee in vain;
     Man marks the earth with ruin — his control
     Stops with the shore; upon the watery plain
     The wrecks are all thy deed, nor doth remain
     A shadow of man’s ravage, save his own,
     When, for a moment, like a drop of rain,
     He sinks into thy depths with bubbling groan,
Without a grave, unknell’d, uncoffin’d, and unknown.

     Roll’ an tiefblauer Ocean, roll’ an!
     Es fegen spurlos dich zehntausend Flotten,
     Der Mensch zerstört das Land, soweit er kann,
     Doch auf der Flut ist dein Werk: auszurotten!
     Und vor dem Greul der Menschen, dieser Motten,
     Bleibt keine Spur, — ihr Schatten höchstens blos
     Wenn stöhnend er zu deinen tiefen Grotten,
     Ein Regentropfen, sinkt in deinen Schoos,
Vergessen — ohne Klang — sarglos und grabeslos.

Lord Byron: Childe Harold’s Pilgrimage, 1818, Canto the Fourth, CLXXIX. stanza,
übs. Adolf Böttger, Leipzig 1854.

In die Kneipe nehm ich ja immer Schreibzeug mit. Irgendwer fragt immer, was man da zu schreiben hat. Je nach Konstitution des Fragenden macht man dann eine gedeihliche Bekanntschaft, ist fürchterlich mit künstlerischem Schaffen beschäftigt oder hat am Ende wenigstens einen schönen Brief geschrieben. In Münchens einziger Hafenkneipe Zur Gruam ist das besonders wichtig, damit die kontaktfreudigen paar Jahrhunderte Knast, die sich dort jeden Abend versammeln, einem das Messer nur in den Thekenplatz und nicht in den Ranzen rennen.

Whaleman at the Masthead. J. Ross Browne, Etchings of a Whaling Cruise. New York, Harper Brothers 1846Einer blitzte weniger wild mit den Augen als die anderen. Geradezu umgänglich wirkte er. Als ich von meinem Schreibwerk aufschaute, fragte er:

“Was schreibst’n da?”

Na bitte, es funktioniert immer.

“Sag ich dir, wenn du mir sagst, was du hier treibst.”

“Das gleiche wie du. Umschauen, ausgucken, zurück in den Mutterleib streben und gleichzeitig in ein frühes Grab.”

“Immer diese Freudianer.”

“Selber einer, wenn du das so schnell merkst.”

“Du bist auch hier drin wegen Hafenkneipe?”

“Sicher. Als mannhafte Station zwischen Mutterschoß und seliger ewiger Ruhe.”

“So hab ich’s noch gar nicht gesehen. Schiffen traut man’s zu, aber Kneipen…”

“Man kann nicht immer nur segeln.”

“So tot bist du schon?”

“Nicht toter als du. Ich bin nur öfter am Wasser.”

“Und wie ich deine John-Lennon-Brille einschätze, meistens darüber. Im Ausguck.”

“Süßwasserwalfänger.”

“Und? Bläst er oft?”

“Nicht, wenn ich oben bin.”

“So siehst du aus. Was treibt dich denn dahin? Andere verstecken sich in einem ruhigen Job beim Zollamt oder so.”

“Hat doch unser gemeinsamer Freund Melville später auch getan. Jetzt ist noch die Zeit, das Leichentuch in einer gewissen Größe auszusuchen.”

“71 Prozent der Erdoberfläche, nicht schlecht.”

“Bescheidenheit kommt erst mit dem Alter.”

“Wenn du wie der Schmied mit Mitte siebzig Frau, drei Kinder, Haus und Hof versoffen hast?”

“Ja, das sollte genügen. ‘Ein Vagabund im Trauerkleide, ohne Mitleid für [m]ein Elend, [m]ein graues Haupt ein Spott für blonde Locken.””

“Mir kommen die Tränen.”

“Das sollten sie. Du bist nämlich auch so einer.”

“Zwei Jahre und zwei Bücher zuvor, im Redburn, hat sich das noch viel lebensfreudiger angehört, findest du nicht?”

“Doch, unbedingt. ‘Träume und Sehnsüchte, sein Glück zur See zu versuchen’, das hält nicht weit über die Pubertät hinaus. Außerdem war das 1849 eine Auftragsarbeit.”

“Und 1851 weiter mit ‘hegen fast alle Menschen, ob sie’s wissen oder nicht, in etwa dieselben Gefühle für das Weltmeer’?”

“Klar. ‘Auf ewig vereint sind Wasser und Tiefsinn.'”

“Und nach den zwei Erfolgsbüchern hat er nicht da weiter gemacht, sondern dort, wo er vor drei Büchern mit dem Mardi eingebrochen ist.”

“So geht Thanatos!”

“Warum hängen sich dann nicht alle deine Kollegen bei der ersten Nachtwache an der Besanstenge auf?”

“Würdest du dir das wünschen? So ein andauernder Selbstmord, ohne sterben zu müssen, das ist doch was Praktisches. Und die Weiber stehn drauf, wenn man ihnen die Fackel trägt.”

“In Form von Walrat?”

“Du bist gut, Mate.”

“Ist aber nicht viel mit Weibern auf hoher See, oder trefft ihr viele Sirenen?”

“Nur innerlich. Das muss schon so sein. Die innere Mutter ist noch lange nicht befriedigt.”

“Igitigitt, seid ihr widerlich.”

“Gar nicht. Ist doch alles freudsch.”

“Gesundheit.”

“Langsam kommst du drauf. Das ist weder ein Ansinnen, Muttern flachzulegen noch Vatern zu erschlagen, die ganze Einrichung von Wohnstätten, Herstellung von Nahrungsmitteln…”

“Prost übrigens.”

“Prost. Und dass du dir was überwirfst, bevor du in die Kneipe rennst, das ist schon genug Nachbildung von Ureinheit mit deiner Mutter.”

“Call me Ödipus.”

“Du mich auch.”

“Kennst du noch mehr Bücher?”

“Eins vor Moby war schon dran, eins danach, Israel Potter, kenn ich noch.”

“Was steht drin, sag?”

“‘Die Einsiedelei im Wald ist die Zuflucht des engherzigen Menschenhassers; die Hängematte auf dem Ozean ist das Asyl für die Betrübten großmütigen Geistes. Der Ozean läuft über von natürlichen Tragödien und Unglück, und der Kummer eines Menschen ist nur ein einziger Tropfen in dieser Wasserunendlichkeit des Schreckens’, das steht drin.”

“Was du alles weißt.”

“Man kommt rum.”

“Bist du denn so betrübten Geistes?”

“Nicht mehr als die natürliche Grundbetrübnis von unsereinem. Oder findest du mein Gebaren besonders bedrückt?”

“Wenn du so fragst… könnte das aber auch am geistigen Gebräu liegen.”

“Na klar, weil Denken und Fühlen aus lauter chemischen Reaktionen besteht.”

“Was sagt Freud dazu?”

“Will ich gar nicht wissen.”

“Über die Art von Witzelsucht, die wir gerade an die Nacht legen, sagt er schon was.”

“Und zwar?”

“Na, die ganze Arie mit Schutzdistanz, den Schmerz fernhalten und Coolsein.”

“So eine Illusion von geistiger Überlegenheit und Leckmichamarsch?”

“Mit Betonung auf Illusion.”

“Held sein, ohne zu leisten.”

“Passt doch. Wie leben, ohne sterben zu müssen.”

“Und irgendwann sterben, ohne zu leben zu müssen.”

“Siehst du, was ich meine?”

“Klar. Lachen, um nicht weinen zu müssen.”

“Steht da nichts dazu bei deinen großmütig begeisterten Betrübten?”

“Im Pierre? Doch: ‘Wenn sich in ungewöhnlich jammervoller Stunde die Gelegenheit dazu bietet, finden manche Menschen ihre hysterische Erleichterung in einem wilden verdrehten Humor, der um so verlockender ist, da er dem Anlaß vollkommen entgegensteht… Die kühle Krittelei der bloßen Philosophen würde solches Betragen wohl mehr oder minder als vorübergehenden Wahnsinn bezeichnen, und vielleicht ist es das ja auch, da in den unerbittlichen und unmenschlichen Augen der schieren, unverdünnten Vernunft jeglicher Gram, sei’s um uns selber, sei’s um andere, nur blanke Unvernunft und Irrsinn ist.'”

“Jetzt hör aber auf. Das kannst du dir so merken?”

“Ins Internet komm ich selten.”

“Naja, so in euren Walfanggründen habt ihr’s wohl mehr mit Bordfunk.”

“Nichts, was ich vermisse.”

“Dann kennst du auch die Shanty-Sammlung von Hulton Clint gar nicht.”

“Sollte ich?”

“An der Stelle rentiert sich Internet wirklich. Der ist den Moby-Dick-Film mal durchgegangen…”

“Den kenn ich! Den von 1956 mit Gregory Peck, nä?”

“Ja, der andere zählt nicht. Und in dem hat er die Shanties rausgezogen und zeigt, dass John Huston nicht ausschließlich gestelltes Studiomaterial hergenommen hat. Zwei Videos voll.”

“Nicht? Sondern?”

“Live-Mitschnitte. Es hält jedenfalls dem Wissen deines Gewerbes stand.”

“Nicht zu fassen.

“1956!”

“Mhm. Und woher kommt das in diese ganze Schlaf-, Todes- und Witzelsucht rein?”

“Na, ich dachte, das ist der Moment, an dem so ein Ausguck auch mal aufwacht.”

“Nicht, wenn er’s vemeiden kann.”

“Ach ja, ich vergaß. Du bist so einer von den Pantheisten aus Kapitel 35.”

“Jaja, der Schluss. Aber geh mir doch mit Gott.”

“Ad vocem gehen: Gehn wir noch ins Gap?”

“Die andere hiesige Hafenkneipe?”

“Was dieses verträumte Städtchen an Stelle von Hafenkneipen so hat.”

“Ist eigentlich ganz gut sortiert, dafür, dass es nicht mal einen Hafen hat.”

“Muss man hier eigentlich zahlen?”

“Du wolltest mir sagen, was du da schreibst.”

“Och, ich schreib mit.”

“Mami, Mami, ich bin im Internet.”

“Das kostet dich die Zeche.”

Lieder: Moby-Dick: Video 1, Video 2, 1956;
Freddy Quinn: Junge, komm bald wieder, 1963.
Fachliteratur: Eugen Drewermann: Moby Dick oder: Vom Ungeheuren, ein Mensch zu sein. Eine tiefenpsychologische Deutung, 2004 (und entgegen der Amazon-beschreibung nicht auf 340, sondern 560 Seiten).
Bild: Whaleman at the Masthead: courtesy of J. Ross Browne: Etchings of a Whaling Cruise, New York: Harper Brothers, 1846.

Written by Wolf

23. February 2009 at 12:01 am

Medienschau: Bücherfrühling!

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Update zu Alles Clarel:

Cover Herman Melville, Billy Budd, Matrose. Die großen Erzählungen

Ab 4. März hält Hanser den letzten Band seiner Melville-Ausgabe feil; es gibt die vier größeren Erzählungen Bartleby, der Notariatsschreiber, Benito Cereno, Die Encantadas oder die verwünschten Inseln und Billy Budd, Matrose in neuen Übersetzungen von Michael Walter und Daniel Göske und ausführlichem Kommentar vom letzteren. Beim Verlag kann man schon mal reinlesen.

Kein Grund zu zweifeln, dass es wieder ein Band wird, der die nächsten paar Jahrzehnte maßgeblich bleibt; von den 34,90 Euro für die 576 Seiten wird jeder Cent gerechtfertigt sein. Mir macht nur die Verlagsdarstellung Sorgen, die schon fast aufatmet: “schließt die letzte Lücke in seinem unvergleichlichen Werk”. Moment mal, auch wenn nur eine Werkauswahl angekündigt und die Biografie sehr groß war, heißt das jetzt, dass Hanser die ganze Lyrik und Essayistik kampflos den Österreichern überlässt? Mardi ist sei längerem an die Nordlichter vergeben, und Typee, Omoo, Redburn, White-Jacket und den Confidence-Man gibt’s dann gar nicht, oder wie?

Dass Hanser seine Melvilleana so grundlegend möbliert, freut mich so objektiv wie eigennützig, aber so wird das nix mit dem Melville-Boom, über den sich der Beteiligte Alexander Pechmann 2005 so gefreut hat.

Wo ich schon beim Rumzicken bin: Müssen die Islas Encantadas, zu deutsch: Galápagos-Inseln, wirklich verwünschte statt verwunschene Inseln heißen?

Erzählen Sie mir, wie’s ist, ich warte wieder aufs Taschenbuch vom Ramsch.

Written by Wolf

22. February 2009 at 3:39 pm

Posted in Reeperbahn

Medienschau

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Update zu Überall ist Entenhausen:

Die gute Nachricht:

Ich bin jetzt Kim Shattucks Freund, hähä. Dabei ist die verheiratet. High-school-Abschluss 1981, selbstständig seit 1991, macht neuerdings verstärkt auf Fotografin (“I’m a musician and photographer. Sometimes I’m a photographer and a musician”), gibt als Lieblingsmusiken Thelonious Monk, Dean Martin und Charlie Parker an.

Die andere gute Nachricht:

Harry Rowohlt hat noch einmal seine alten Leitzordner durchgekramt. Neu ab 1. März und vorbestellbar: Gottes Segen und Rot Front: Nicht weggeschmissene Briefe zweiter Teil.

Kim Shattuck HeilDie beschepperte Nachricht:

Gleichwohl fragt sich, wem mit dieser Entzauberung der Comic-Parallelwelt gedient ist. Gelüftete Geheimnisse sind nichts mehr, an dem sich des Lesers Vorstellungskraft entzünden könnte. Vielmehr birgt das Zeigen von Straßennetzen, Panoramen und Geländereliefs die Gefahr, Fantasie abstumpfen zu lassen. Insofern scheint das Begehren, selbst das Reich der Fiktion noch zu kartografieren, seinerseits vermessen.

Kim Shattuck tingelt gerade mit ihren Mitte-Ende 40 mit ihren Muffs durch Spanien, Harry Rowohlts Rentnerhobby wird fraglos wieder das vergnüglichste seit der Erfindung von Sex und selbsteingelegten Gurken, dafür soll der Doktor Hendrik Werner vielleicht mal ein bissel Klavier spielen lernen, wie wär’s?

Noch bis 1. März: Februargewinnspiel!

Bild: Nick Sjobeck: Kim Shattuck sucht ihr Heil in Deutschland.

Das Gute-Laune-Lied featuring Kim kurz nach ihrem High-school-Abschluss mit Mitte 30:

Lied: The Muffs: Outer Space on Drew Carey’s Mr.Vegas’ All-Night Party HBO special, 28. Juni 1997. Für dieses Alter ist das eine gute Aufnahme, die man sehr laut stellen kann.

Written by Wolf

21. February 2009 at 3:12 pm

Posted in Moses Wolf

Weiberfasching

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Auf ein Schiff gehört niemand, der nicht über die Reling pinkeln kann.

Sehr alte Seemannsregel
(Die meisten toten Seeleute werden nämlich mit offenen Hosen irgendwo angespült).

Klaus Kramer: Das Bild der Frau an Bord:
1867 bis 1900: Sirene, Yachting Girl, Steuerfrau;
1901 bis 1960: Yachting Girls.

Volker Dornemann, Pippi geht von Bord, 16. Mai 2008

Hoppetosse: Volker Dornemann, 16. Mai 2008 (:: volkertoons ::).

Written by Wolf

19. February 2009 at 11:53 am

Posted in Wolfs Koje

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #19

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Song: Bob Neuwirth: Haul on the Bowline (1:30 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Jay French Studios: The Mythic Beauties series, 2005.

Lyrics:

1. Haul on the bowline, homeward we are going.
Haul on the bowlin’, the bowlin’ haul!

2. Haul on the bowline, before she starts a-rolling.

3. Haul on the bowline, the Captain is a-growling.

4. Haul on the bowline, so early in the morning.

5. Haul on the bowline, to Bristol we are going.

6. Haul on the bowline, Kitty is my darling.

7. Haul on the bowline, Kitty comes from Liverpool.

8. Haul on the bowline, It’s far cry to pay day.

Explanatory liner notes by ANTI-:

This may be one of the oldest chanteys known. The bowline was an important rope in sailing vessels dating back to the middle ages. After the 1500s, with the advent of stays’ls, the bowline diminished in importance and this chantey was used at tacks and sheets.

Plus: Extended bonus track by Hulton Clint, cutting himself off in alternate lyrics and three voices at his kitchen table, and explaining in 5:33 minutes:

A triple mega-dose of HultonClint!

One of the most widely recorded/notated chanteys, probably due to its simplicity and transparency, “Haul on the Bowline” is also conjectured to be one of the oldest known. The so-called “bowline” that it mentions has not been used “for any rope on which a shanty would be sung” (Doerflinger 1951) since at least the early 17th century. However, what was called the bowline then was equivalent to what was later called the foresheet; hence, this is a foresheet chantey. It entails just one, hard pull at the end of every refrain.

Hugill’s tune has a bit that differs from all other common versions (the low note is on the root, not the third).

I have taken some verses from Harlow’s published version as well, and of course added my own about favorite topics like Fujian Oolong and winter drawers.

Perhaps due to its supposed age, this was one of the chanteys used in the 18th century-set first part of the 1977 TV drama “Roots.”

Also found in:
LA Smith 1888, Doerflinger 1951.

See the whole “Shanties from the Seven Seas” project.

Written by Wolf

16. February 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds

Sympathy for the Record Industry

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Update for yesterday:

The Beards are:

Their debut record is: Funtown, Sympathy Records 2002. Buy it in Germany and elsewhere.

  1. This Girl
  2. True Confessions
  3. My Pillow
  4. T.S. Eliot
  5. 1000 Years
  6. Make It In America; live performance at SCC
  7. Big Dumb World
  8. Sidewalks
  9. All About You
  10. Her Flowers
  11. Thalassocracy

The Beards, Funtown, Cover 2002 via Amazon.com

Great thanks to The Beards, Sympathy Records, and Youtuber andi1964!

Written by Wolf

15. February 2009 at 12:01 am

Posted in Laderaum

(Versteht jemand den Text?)

with 4 comments

Update zu Before Sunrise:

Wie ich das überblicke, ist annähernd die gesamte P.E.Q.U.O.D. Fan von den Muffs geworden, hähä. Die raubauzige Sängerin Kim Shattuck war 1983 bis 1991 bei The Pandoras und ist seit 2001 bei The Beards. Wie schön, dass die alle ähnlich klingen; diese happy music macht nämlich einen unbändigen Spaß und geht mit den ganzen Vorgänger-, Nachfolge- und Nebenprojekten nicht so schnell aus.

Zum Valentinstag schenk ich uns ein Beards-Lied, das ausnahmsweise nicht ganz so wüst rumschrottet, sich darum für diesen Samstag besonders zum Hineinkuscheln eignet und mit einem richtigen durchkonzipierten und ausgefeilten Video belegt wurde: My Pillow. Der Bob-Dylan-Pfotzenhobel, stilecht mit Ständer, macht’s.

Das ist aus der Funtown von 2007, die Ken Blackmore ausprobiert hat: “Oh, and if you play it on your PC, each track is a homemade video — how cool is that?”

Wenn mich jemand sucht: Ich bin Beards- und Pandoras-Lieder saugen. Es ist eine Lust, im 21. Jahrhundert zu leben.

Ach ja: Noch bis 1. März: Februargewinnspiel!

Written by Wolf

14. February 2009 at 12:01 am

Posted in Mundschenk Wolf

Anaxagoras’ Revenge (Since The Best Girl Is Yet To Big Bang)

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Update for First Song:

Con spirito ma non troppo

Chorus: There’s no mind without a brain,
you can’t find a love in vain,
there’s no social interaction without you
(and you and you and you and you…).
Sing your dirge without a pyre
like your smoke requires a fire,
and some antecedent intercourse, too.

1. (Then) Don’t have sex with what you can’t,
skip the maid and meet your hand,
and the ups and downs and pros and cons therethrough.
Primum Movens is the first
thing to come, but when rehearsed,
even your mind might come into existence anew.

2. You never get a chance without taking it,
in the world there is no love without making it,
Spontaneous Generation never left the sea.
There’s no proof that God’s not faking,
but you live only when aching
frae abiogenesis to eschatology.

3. Evolution’s come to stay,
so retribution has its way.
Salt your Primordial Soup, stand for your last meal in a queue,
sigh, defy, and shanghai,
bid your sanity goodbye,
but if you’re a lucky sailor, your monster creates you.

Auch dieses Lied ist zur Vertonung freigegeben. Es sollte eindeutig klingen wie etwas, das Monty Python für einen Männerchor gehalten hätten; nicht ganz so juhumäßig wie Knights of the Round Table und lange nicht so poguös wie Drunken Lullabies von Flogging Molly vielleicht, wenn Sie folgen können.

Image: Made Explicit: Awesome picture of my grandmother, February 11, 2006.

Written by Wolf

13. February 2009 at 4:32 am

Posted in Vorderdeck

Das Hörbuch als Video: Kapitel 19: Der Prophet

with one comment

Update zu Kapitel 18: Sein Zeichen:

Das 19. Kapitel (8:53 Minuten) ist fertig.

Copyright Lesung: marebuchverlag Hamburg, 2007.
Sprecher: Christian Brückner;
Copyright Übersetzung: Zweitausendeins Frankfurt/Main, 2006;
Buch mit 2 .mp3-CDs kaufen.

Bild: Katharina Müller: Where the heart is. I, 16. November 2008.
Videobild: A fresco of Saint Ilia (Eliah) from the Rila Monastery, Bulgaria

Written by Wolf

10. February 2009 at 3:05 am

Posted in Siedekessel

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #18

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Song: Martin Carthy: The Mermaid (2:23 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Rudi Hurzlmeier: Mädchen am Meer (Girl at the Sea), Inkognito Satire-Karten, 2008.

Lyrics:

As we lay musing on our bed,
So early morn at ease,
We thought upon those lodging beds
Poor sailors have at sea.
Though last Easter day in the morning fair,
We was not far from land,
We spied a mermaid sitting on a rock
With a comb and a glass in her hand, in her hand,
With a comb and a glass in her hand.

And first come the bosun of our ship
With courage, stout and bold:
“Stand fast, stand fast, brave lively lads,
Stand fast, brave hearts of gold.
For our gallant ship, she’s gone to wreck,
She was so lately trimmed,
The raging seas have sprung her good,
And the salt seas all run in, run in,
And the salt seas all run in.”

And up then spoke our cabin boy,
Oh, a well spoke boy was he:
“I’m sorry for my mother dear,
I’m lost in the salt, salt sea.
For last night, last night, the moon shone bright,
And you know that she had sons five,
Tonight she may look in the salt, salt waves
And find but one alive, alive,
And find but one alive.”

For boats, for boats, you fair Plymouth girls,
Don’t you hear how the trumpet sound?
For the want of a boat our good ship is lost
And the most of the young men drowned, oh drowned,
And the most of the young men drowned.

As rendered in Ralph Vaughan Williams and A.L. Lloyd:
The Penguin Book of English Folk Songs, 1959.

Explanatory liner notes by ANTI-:

A traditional ballad that illustrates the deeply superstitious nature of sailors. In the old days, the sighting of a mermaid could foretell certain doom for the ship.

Written by Wolf

9. February 2009 at 1:21 am

Posted in Siren Sounds

Februargewinnspiel 2: It means just what I choose it to mean

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Update zu The still unannotated Melville:

Ein Gewinnspiel, das einen Monat dauern soll und nach drei Stunden gelöst wird, so geht das ja wohl nicht, auch wenn der Februar gar so kurz ist. Machen wir einfach noch eins, euch helf ich.

Lewis Carroll, Alice Pleasance Liddell, The Beggar Maid, 1858 via skipofgorthDer Preis: The Complete Illustrated Lewis Carroll bei Wordsworth 1998, noch mit einem anderen Einband als heute auf Amazon, ein Bild steht unten. Wenige Bleistiftanmerkungen, auf dem Einband innen mein Name, der gravierendste Mangel ist eine Kerbe oben im Schnitt, etwa einen Millimeter tief. Ist aber sehr sauber eingeschnitten und beeinträchtigt weder beim Lesen noch beim Blättern — und rührt daher, dass ich diesen Backstein mal als Unterlage zum Sägen von Parkettrauhspunden hergenommen hab. Das Stück war mein Arbeitsexemplar aus dem Handapparat des Traditionsunternehmens discreet monsters, um dem Sinn anglophoner Redewendungen nachzuspüren; so wichtig wie der Shakespeare daneben. Sie erringen außer den beiden Bänden Alice mit den richtigen Illustrationen von John Tenniel die beiden Bände Sylvie and Bruno, The Hunting of the Snark, das lyrische Werk, die Stories, alle mathematischen Hirnklimmzüge und A Miscellany, alles auf 1170 Seiten, nach elf Jahren kaum gegilbt. Ich trenne mich davon, weil ich eine Ausgabe mit besser reproduzierten Bildern gefunden hab. Für Ihre Zwecke reicht’s, wetten?

Die Aufgabe: Meine Lieblingsstelle aus Alice in Wonderland — genauer: dem zweiten Band Through the Looking-Glass — war immer die mit Humpty Dumpty: Das unsympathisch selbstüberzeugte fette Ei erfindet buchstäblich von oben herab die Sprach- und Bewusstseinsphilosophie, jedenfalls die semantische Pragmatik darin, und Konstruktivismus, Intentionalismus, Semiotik, Agnostizismus und Eristik gleich mit. Alles in einem sechs- bis siebenschlägigen Dialogpingpong, für den der Punkt bei ihm bleibt. Wenn das mal keine Größe hat. Die Stelle geht:

John Tenniel, Humpty Dumpty and Alice“I don’t know what you mean by ‘glory,'” Alice said.

Humpty Dumpty smiled contemptuously. “Of course you don’t – till I tell you. I meant ‘there’s a nice knock-down argument for you!'”

“But ‘glory’ doesn’t mean ‘a nice knock-down argument,'” Alice objected.

“When I use a word,” Humpty Dumpty said in a rather a scornful tone, “it means just what I choose it to mean – neither more nor less.”

“The question is,” said Alice, “whether you can make words mean different things.”

“The question is,” said Humpty Dumpty, “which is to be master – that’s all.”

Alice was too much puzzled to say anything, so after a minute Humpty Dumpty began again.

“They’ve a temper, some of them – particularly verbs, they’re the proudest – adjectives you can do anything with, but not verbs – however, I can manage the whole lot! Impenetrability! That’s what I say!”

Und Sie sind aufgefordert, einen Dialog zu erfinden. Muss nicht lang sein, Sie haben ja gesehen, in welcher entwaffnenden Prägnanz Carroll die entscheidenden Disziplinen der Philosophie kinderfreundlich konstituieren konnte (und ist ja auch nur ein Februargewinnspiel). Ihre Version muss auch gar keine Jahrhunderte überdauern, sondern mich zum Grinsen bringen, und wie leicht ich zu erheitern und auch sonst zu beeindrucken bin, erleben Sie an dieser Stelle ebenfalls ständig.

Ihr Dialog soll sich zwischen Humpty Dumpty und einer weiteren Person Ihrer Wahl ereignen: der vorgefundenen Alice, deren Vorbild Alice Liddell, Ihnen selbst oder dem anderen großen käsegesichtigen Unsympathen der Weltliteratur: Moby Dick — the question is which is to be master — und irgendwie mit Philosphie zu tun haben. Honoriert wird Ihr Mut zur Brillanz, da ist mir dramaturgisch wurscht, wer den Dialog gewinnt.

Wenn ich sehr gut aufgelegt und Sie spürbar bemüht sind, werde ich in meiner grenzenlosen Generosität geneigt sein, als Trostpreis sogar noch Alice hinter den Spiegeln draufzulegen, ein schmuckes Insel-Bändchen in deutscher Übersetzung von Christian Enzensberger, featuring Humpty Dumpty und die Tenniel-Illus, weil ich’s übrig hab. Muss die Stadtbibse mal aufn Müll gestellt haben.

Einsendeschluss ist wieder Sonntag, 1. März um Mitternacht. Bitte in den Kommentar, oder wenn Sie schon vorher fertig sind und Ihr Produkt bis zum Stichtag geheim wissen wollen, weil die Konkurrenz nicht schläft, können Sie’s auch mailen.

Aufgerufen sind vor allem auch des gestaltenden Schreibens mächtige Menschen von außerhalb der P.E.Q.U.O.D.: Wir sind hier eine private im Unterschied zu einer kommerziellen, aber bei weitem keine geschlossene Gesellschaft!

The Complete Illustrated Lewis Carroll, Wordsworth 1998

Bilder: Lewis Carroll: The Beggar Maid featuring Alice Pleasance Liddell, 1858,
heute mal in der Wiedergabe von skipofgorth, 18. Mai 2008;
Alice mit Humpty Dumpty: John Tenniel für Through the Looking-Glass, 1871;
Alice vor den Spiegeln: selber gemacht.
Soundtrack: Aimee Mann: Humpty Dumpty aus: Lost in Space, 2004.

Written by Wolf

5. February 2009 at 5:17 am

Posted in Kommandobrücke

7 cervicals, 13 thoracics, 6 lumbars, 4 sacrals, and 21 caudals

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Update zu That’s Chevrotainment
und 1 Tonne Nagetier:

Newsflash: Kommt soeben rein: PLoS ONE hat eine Meldung vom 11. November 2008, die am 23. Dezember verifiziert wurde, freigegeben, und Bild der Wissenschaft schläft nicht.

Fossile Vorfahren der Wale brachten ihren Nachwuchs an Land zur Welt

Paläontologen haben in Pakistan die fossilen Überreste eines Vorfahren der Wale gefunden, der seine Jungen noch an Land zur Welt brachte. Das 47,5 Millionen Jahre alte Fossil besteht aus dem Skelett eines Muttertiers, das ein Ungeborenes in sich trug. Das Ungeborene lag in einer Position im Bauch der Mutter, so dass es mit dem Kopf voran zur Welt gekommen wäre – genau wie die Landsäugetiere heute ihren Nachwuchs zur Welt bringen. Bei heutigen Zahnwalen hingegen kommt der Nachwuchs mit dem Schwanz voran zur Welt.

Die Forscher hatten für ihre Studie Fossilien zweier Walvorfahren untersucht, die bei Ausgrabungen in Pakistan entdeckt worden waren. Es handelte sich dabei um die Reste eines männlichen und eines weiblichen Tieres. Die Tiere stammten aus einer ausgestorbenen, Archaeoceti genannten Unterordnung der Säuger. Die Vertreter dieser Unterordnung bewegten sich zunächst noch überwiegend an Land auf vier Beinen, verlegten jedoch ihre Lebensweise immer mehr ins Wasser. Neuere genetische Untersuchungen zeigten, dass sie wohl gemeinsame Vorfahren mit den heutigen Flusspferden hatten.

Unter den Fossilien fanden die Wissenschaftler um Gingerich auch winzige Zähne, die sie zunächst für die Reste eines kleinen Weibchens hielten. Doch dann erkannten die Wissenschaftler, dass es sich um ein Muttertier handelte, das einen Fötus in sich trug. Aus der Lage des Tieres schließen die Wissenschaftler, dass die Jungen bei diesen Walvorfahren noch wie heutige Landsäuger mit dem Kopf voran zur Welt kamen. Wegen der Gefahr des Ertrinkens werden junge Zahnwale wie der Pottwal oder der Delfin heute in der Regel mit dem Schwanz voran geboren. Im Lauf der Evolution muss sich die Geburtslage der Jungen also irgendwann umgedreht haben.

ddp/wissenschaft.de – Ulrich Dewald

Skelett vom Wal MK1888

Bild der Wissenschaft: Ulrich Dewald: Landgeborene Meeressäuger, 4. Februar 2009;
Quelle: New Protocetid Whale from the Middle Eocene of Pakistan: Birth on Land, Precocial Development, and Sexual Dimorphism,
11. November 2008/23. Dezember 2008/4. Februar 2009.
Bild: Skelett vom Wal, 1888, Meyers Konversations-Lexikon von 1885–1890, 4. Auflage.

Written by Wolf

4. February 2009 at 5:24 am

Posted in Meeresgrund

Februargewinnspiel: Drei Leben and still counting

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Update zu Der alte Mann und der Miez:

Katzencontent reloaded und tolle Preise!

Oscar, Unsinkable Sam

Zu den wichtigsten hands auf einem Schiff gehören die paws: Zumindest über die anglophonen Marinen weiß man, dass sie Schiffskatzen nicht nur halten, sondern sie mit Dienstgraden und besseren Sozialleistungen und aufrichtigerem Respekt als unsereinen ausstatten. Unsinkable Sam oder Oscar hieß der Schiffskater gleich dreier Schiffe der Kriegsmarine und der Royal Navy während des Zweiten Weltkrieges. Negativ gesehen brachte er allen dreien kein Glück, positiv gesehen hatte er zumindest diese drei Leben.

Der schwarz-weiß gefleckte Kater war ursprünglich im Besitz eines unbekannten Besatzungsmitglieds der Bismarck. So war er am 18. Mai 1941 dabei, als sie zu ihrem ersten und letzten Einsatz Unternehmen Rheinübung ausfuhr. Die Bismarck wurde nach schwerem Seegefecht am 27. Mai versenkt, bei dem nur 115 von über 2200 Mann überlebten — und der Kater. Stunden später wurde Oscar auf einer Planke treibend aus dem Wasser gefischt. Er war der einzige Überlebende, der vom Zerstörer HMS Cossack (F03) auf dem Heimweg nach Großbritannien aufgegriffen wurde. In Unkenntnis seines Namens und Dienstgrades auf der Bismarck rief man ihn Oscar.

Dort diente er die nächsten Monate auf Einsätzen in Mittelmeer und Nordatlantik, bis die Cossack am 24. Oktober 1941 von einem deutschen Torpedo schwer getroffen und am 26. aufgegeben wurde. Im Gegensatz zu 159 Besatzungsmitgliedern überlebte Oscar und wurde zur Niederlassung in Gibraltar verbracht.

Das trug ihm schon den Kampfnamen Unsinkable Sam ein. Sein nächstes Schiff war der Flugzeugträger HMS Ark Royal (91), der an der Versenkung seines ersten, der Bismarck, beteiligt war. Bis dahin galt die Ark Royal als ausgesprochen glückhaftes Schiff, das trotz mehrerer Treffer immer wieder repariert werden konnte, und kaum kam Oscar, erlag sie am 14. November 1941 gerade mal 30 Seemeilen vor Gibraltar einem Treffer. Immerhin sank sie sehr langsam, so dass alle Mann außer einem gerettet wurden. Das Logbuch der rettenden Schiffe HMS Lightning und HMS Legion, die auch schon der Cossack beigestanden hatten, beschreibt Oscar, wie er erneut auf einer Planke trieb, als “zornig, aber wohlbehalten”. Die Legion sank 1942, die Lightning 1943.

Das besiegelte Oscars Ruf als Unglücksbringer, woraufhin er nicht mehr auf Schiffen zugelassen war. Erst verdingte ihn der Hafenkapitän von Gibraltar als Mäusefänger, danach wurde er in einem Seemannsheim in Belfast gesichtet. 1955 verlieren sich die Zeugnisse über ihn. Das ist 16 Jahre nach seinem ersten Zeugnis. Selbst wenn man unterstellt, dass er schon die Bismarck noch als Welpe verließ, sind das gesegnete drei von sieben Katzenleben.

Natürlich alles gar nicht wahr. Urbane Legende, Spinne in der Yuccapalme, Seemannsgarn. Oder warum sonst erinnerte sich schon niemand auf dem ersten Schiff, der Bismarck — nicht einmal die Ordonnanz — an eine Katze? Warum ist sie auf keiner der zahlreichen erhaltenen Photographien von der Bismarck dokumentiert? Wie hätte ein Tier von der Größe einer Katze ein Rettungsschiff erreichen sollen, dazu noch die typischerweise besonders hohen Wände solcher Typen erklimmen? Die menschlichen Geborgenen mussten sich ölverschmiert bei schwerer See anseilen, und haben Sie mal zugeschaut, wie sich eine durchnässte Katze anstellt? Es ist unwahrscheinlich, dass einer der Männer eine glitschige, strampelnde Katze da zu seinem nackten Leben mit hianufnehmen wollte oder auch nur konnte. Für eine spätere Rettung hätte sie kaum lange genug überlebt. Im Falle der Ark Royal, die sehr langsam unterging, musste niemand aus dem Wrack gerettet werden, die Mannschaft konnte aus eigener Kraft das Schiff verlassen. Warum also sollte eine Katze ins Wasser gesprungen sein, statt sich an Bord zu verstecken?

Und schließlich gibt es zwei verschiedene Darstellungen von Oscar/Unsinkable Sam: die eine da oben mit einer gestreiften (Tabby) und ein Gemälde von Georgina Shaw-Baker: Oscar, the Bismarck’s Cat, im National Maritime Museum Greenwich, das eine Katze im “Smoking” zeigt. Es können nicht beide richtig sein, wohl aber beide falsch. Trau einem Miez.

Das Tabby-Bild war aufzutreiben, nicht aber das mit der Smoking-Katze. Ihre Aufgabe im Februar:
Beschaffen Sie es!

Es kann leicht sein, dass ich mich bei der Recherche nur dusslig angestellt hab. Genausogut kann sein, dass Sie mit dem National Maritime Museum telefonieren müssen und fragen, ob sie Ihnen vielleicht die fragliche Postkarte aus dem Museumsshop schicken. Tun Sie es. Das soll mir wert sein:

  • 1 CD mit 26 Liedern von The Muffs (privater Brand wie gehabt und jetzt schon nicht mehr in dieser Form rekonstruierbar);
  • 1 CD von Carson Sage and the Black Riders (heute What about Carson wie vorgestellt, private Brände):
    • Final Kitchen Blowout (1993);
    • Walk With an Erection (5-song-EP 1993); oder
    • Great Music in Stereo (1995);
  • 1 Kopie Herman Melville: The Lightning-Rod Man auf Deutsch in der Übersetzung von Richard Mummendey, ca. 10 Seiten. Sehr selten und stark nachgefragt; oder
  • 1 Erlaubnis für einen Gastbeitrag auf Moby-Dick™ über was Sie wollen außer Porno und Verherrlichung von Frank Schätzing.

Einsendeschluss für Ihre Bilddatei ist, sagen wir, der 1. März um Mitternacht.

[Edit:] Drei Stunden nach Stellung der Aufgabe war sie gelöst: Elke darf sich einen von ungefähr sechs tollen Preisen aussuchen. Eine weitere Stunde später hat Jürgen noch einen draufgesetzt und Elkes aufgefundenes Bildmaterial über Unsinkable Sam a.k.a. Oscar mit Georgina Shaw Bakers Pastell vervollständigt. Gewonnen haben beide, wir sind hier nicht beim Jauch. Glückwunsch![/Edit]

Unsinkable Sam aka Oscar. Battleship Bismarck. The Legend Lives   Georgina Shaw Baker, Oscar, the Bismarck's Cat. Creature Comforts on the Oceans

Bild: Purr’n’Fur: Cats in Wartime: Ship’s Cats;
Battleship Bismarck: The Legend Lives;
Georgina Shaw Baker: Oscar, the Bismarck’s Cat via Creature Comforts on the Oceans: National Maritime Museum, Greenwich;
Aufmerksamkeit: Vroni.

Soundtrack: Camille: Cats and dogs are not our friends, they just pretend, aus: Music Hole, 2008 (Fanvideo).

Written by Wolf

2. February 2009 at 4:39 am

Posted in Rabe Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #17

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Song: Eliza Carthy: Rolling Sea (4:49 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Cover Art: Diane Webber (July 27, 1932—August 19, 2008, Playboy Centerfold for Miss May 1955),
Cover Mermaid. A Magazine for Adults! Collector’s Edition, 1958.

Lyrics:

1. Don’t you see the ships a-coming?
Don’t you see them in full sail?
Don’t you see the ships a-coming
With the prizes at the tail?

Chorus:
Oh my little rolling sailor,
Oh my little rolling he;
How I love my rolling sailor,
When he’s on a rolling sea;
When he’s on a rolling, rolling,
When he’s on a rolling sea.

2. Sailors they get all the money,
Soldiers they get none but brass.
How I love my rolling sailor,
Soldiers they can kiss my …

3. How can I be blithe and merry
With my true love far from me?
All this pretty little sailors,
They’ve been pressed and tanged to sea.

4. How I wish the press were over
And the wars were at an end.
Then every sailor laddie
Would be happy with his friend.

5. When the wars they are all over
Peace and plenty come again;
Everybody sailor laddie
Will come sailing on the main.

6. Oh, the wars will soon be over
And the sailors once come home;
Every lass will get a lad,
She won’t have to sleep alone.

Explanatory liner notes by ANTI-:

This song is from the perspective of a woman ashore, waiting for her sailor (or any sailor) to return home (with prize money). The lyrics are from the Napoleonic period. Some verses are the voice of a wife or sweetheart. The verse that compares sailors and soldiers is a well-known whore’s ditty of the time.

Written by Wolf

1. February 2009 at 12:01 am

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Mit einem alten Eichenbett (Der Krieg war aus)

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Update zu Vorabendvorstellung:

Hast du Tripper, Syph und Schanker,
bist du noch lang kein Kranker.
Erst wenn das Dingens kracht und zischt,
hat es dich erwischt.

Volksgut, ab ca. 1939.

Extrabreit waren mal Big Shots in der Neuen Deutschen Welle, die auch schon wieder erschütternd lange her ist, wobei man sich schon blöd genug vorkommen muss, wenn man sich als Punkband versteht. Nachdem sich Horst-Werner Wiegand und sein Nachfolger im Gesang Kai Havaii lange genug blöd dabei vorgekommen waren, vor einer Halle voll Halbglatzenträger “Hurra, hurra, die Schule brennt” zu johlen, erzählt letzterer heute lieber von kurz nach dem Krieg. Die Krächzestimme ist noch frisch.


Extrabreit: Besatzungskind direkt.

So erfährt man endlich mal von Kai Havaii das englische Wort für Amischnalle: Veronika Dankeschön:

Der Name ‘Veronika Dankeschön‘ stammt aus einer Broschüre der US-Army von 1945 zum Umgang mit den besiegten Deutschen und bezeichnete deutsche Frauen, die sich mit GIs einließen. Die Initialen standen für ‘venereal disease‘, also Geschlechtskrankheit. Ich fand diese Story interessant und habe dann in “Besatzungskind” meine eigene draus gemacht.

Außer in diesem überaus konstruktiven Randgruppen-Outing ist der schrecklich-schöne Frauenname von amerikanischer Seite belegt: am gültigsten bei Raingard Esser: Language No Obstacle: war brides in the German press, 1945–49 (Women’s History Review, Volume 12, Number 4, 2003):

The need to make a living – often not only for themselves, but for dependants too, in a situation of extreme poverty and shortages – also created another, less favourable image of post-war German women. Fräulein Veronika Dankeschön became the wayward sister of the Trümmerfrau. In American military circles Veronika Dankeschön was a euphemism for venereal diseases and their spread in almost epidemic proportions, particularly among the American occupation forces in post-war Germany. Prostitution was widespread and very welcome to ordinary soldiers. For obvious reasons, army officers and American government officials were less pleased with these developments and launched an aggressive media campaign against prostitution and German–American sexual relations in their zone. In countless cartoons and articles Veronika Dankeschön was depicted as a disease-ridden seductress. She was “at best” naively immoral and hungry for sex, “at worst” an Aryan siren who used her sexual powers to undermine the American victory through an attack on the soldiers’ morale and virility.

Darüber hinaus in Anja Schonlaus Dissertation Syphilis in der Literatur, 2005 — wonach der Name speziell für Syphilis und somit in einer Reihe mit den seit der Renaissance bekannten Euphemismen steht, die Promiskuität dem jeweils nächstöstlichen Volk zuschreiben: In England heißt Syphilis Französische Frankheit, in Frankreich Deutsche Krankheit, in Deutschland Polnische Krankheit und in Polen Russische.

Noch kompakter äußert sich Lexikologie/Lexicology von D.A. Cruse, ebenfalls 2005, im Eintrag über Veronikas:

Veronikas, ‘prostitutes’ (from Veronika Dankeschön = VD), Ami-Flittchen, -Hure; hoarding and smuggling criminalized the population whose Wirtschaftsdelikte were still tried according to Nazi laws.

Was immer im Osten so verrucht sein soll, hätte mich aufrichtig die erwähnte Broschüre, das Instrument der besatzerischen Aufklärung, nun ja: gejuckt.

“Jimmy kam aus Tennessee und er landete in der Normandie” — und noch fünf Monate bis zum 65-jährigen D-Day. Schon wieder sowas, das man feiern könnte, wenn man müsste.

Lied: Extrabreit: Besatzungskind, aus: Neues von Hiob, 2008.

The Veronicas

Eichenbett: Lisa & Jess, The Veronicas (“Take Me on the Floor“), Brisbane, Queensland, Australien, 2009.

Written by Wolf

30. January 2009 at 12:01 am

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Karl Valentin: Taucherlied

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Wer am Ende ist, kann von vorn anfangen, denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.

Karl Valentin als Minnesänger, karl-valentin.deGemeinhin werden die Couplets von Karl Valentin zu seinem Frühwerk gerechnet, die erste Niederschrift des Taucherliedes ist jedoch von 1941 datiert; nach einer Abbildung seines Auftritts scheint es allerdings “schon” 1939 in seiner eigenen Ritterspelunke einen Vortrag erlebt zu haben. Da war er 57 und weitgehend am Ende.

Couplets wurden von den ab Mitte des 19. Jahrhunderts besonders in München aktiven Volkssängern vorgetragen — meist in Arbeitergaststätten und Bierhallen ohne abgesetzte Bühne. Eine Identifikation des Vortragenden mit seinem Publikum wurde dadurch geradezu erzwungen, ihre Themen wählten sie daher gern so, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Zustimmung “kleiner Leute” stießen. Zu Karl Valentins Zeit war die große Zeit der Volkssänger vorbei, auch wenn heute eher die Vertreter des Genres aus dieser Endzeit bekannt sind (Georg Blädel, Kathi Prechtl, Bally Prell, Ida Schumacher, Weiß-Ferdl pp.), weil von ihnen Tonträger existieren. Valentin führte experimentelle und sozialkritische Elemente in seine Komödie ein. Damit konnte sein Wirtshauspublikum zuerst nichts anfangen, aber immerhin hat er es mit diesem tragikomischen, verkauzten und verdrehten, dem Dadaismus nahestehenden, höchst eigenständigen Humor zum Stilbegriff “valentinesk” gebracht. Sein Nachname, darauf hat er Wert gelegt, spricht sich “Falentin”, nicht “Walentin”.

Das Taucherlied parodiert den traditionellen Moritatengesang auf die Melodie des — wahrscheinlich — Südtiroler Volksliedes “Wer das Scheiden hat erfunden, hat ans Lieben nie gedacht“, die aus dem russischen Sten’ka Rasin stammt. Eins der drei erhaltenen Typoskripte trägt den Zusatz in der Hand von Liesl Karlstadt: “mit Drehorgel”. Ein anderes: “Text von Karl Valentin — Melodie: Wer das Scheiden hat erfunden (FDur mit Harmonium — Drehorgel Imitation evtl. mit Violine falsch geigen.”

Das Lied wurde nie aufgenommen. Dies ist die erste Veröffentlichung außerhalb einer Gesamtausgabe.

Taucherlied

Von Karl Valentin 1941.

Melodie: Wer das Scheiden hat erf.

1.

Ein Beruf hat Schattenseiten,
Geld verdienen ist sehr schwer,
Deshalb muss der Taucher runter
In das tiefe, tiefe Meer.

2.

Ja, der Taucher, dieser arme,
Steiget in das Meer hinab,
Dass der Reiche sich kann schmücken,
Bricht er drunt Korallen ab.

3.

Wenn der Reiche liegt im Bette,
Schafft der Taucher unterm Meer,
Wo hätt’ denn König und Kaiser
Seine Perlenkrone her?

4.

Wenn ein Schiff im Meer versinket,
Untergeht mit Mann und Maus,
Zieht der Taucher anderntages
Alle tot vom Meer heraus.

5.

Oefters ist’s schon vorgekommen,
Dass der brave Tauchersmann,
Weil er krank war, gar nicht tauchte,
Und dem sichern Tod entrann.

6.

Horch, die Totenglocke läutet,
Wer wird heut gestorben sein?
‘s ist der Tauchersmann, der gute,
Sein Grab soll im Meere sein.

7.

Seine Frau und seine Kinder
Sind betrübt und weinen sehr,
Haben nun kein Brot zu essen,
Denn der Vater tauch nicht mehr.

8.

Und sein Grab, das war’n die Wellen
In dem tiefen, weiten Meer,
Und die Witwe stand am Ufer,
Doch der Taucher kam nicht mehr.

Quelle: Karl Valentin: Sämtliche Werke in acht Bänden. Herausgegeben auf der Grundlage des Nachlaßbestände des Theatermuseums der Universität zu Köln, des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek München sowie des Nachlasses von Liesl Karlstadt von Helmut Bachmaier und Manfred Faust, Band 2: Couplets. München, Zürich: Piper Verlag 1994. Neu in 9 Bänden zu Karl Valentins 125. Geburtstag als Band 2: Mich geht’s ja nix an, 2007.

Bild: Karl Valentin als Moritatensänger: Masken und Posen, die einzige von der Familie Karl Valentins autorisierte Website.

Written by Wolf

29. January 2009 at 2:00 am

Der arme Belsazar

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Elke hat Kapitel 34: An der Kajütstafel gelesen:

Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden.

Abraham Lincoln

Elke HegewaldIch nehme mir mal – ganz undefiniert – die Freiheit, mich heuer bei Tische, respektive in unserem sinnbildlichen Meer nach dem unlängst besungenen Walfischprinzip zu betragen. Zumal das melvillesk ist, wie uns unser Käpt’n glaubhaft referiert hat. Und weil dem Anschein nach die Walgründe dieses Kapitels von meinen Waljägerkollegen schon weitgehend abgefischt sind.

Zum Glück scheint ja jeder von uns sein ganz eigenes Walfischprinzip zu haben. Oder, um (joah, sind wir Melvilleasten oder sind wir Melvilleasten?) mal ein anderes Bild zu bemühen: Jegliches, das wir lesen, schicken wir durch das ganz private Prisma in uns drin. So dass das helle Licht unserer Gedanken, das hinter dem eingesogenen Plankton aufscheint, darin im höchstpersönlichen (Blick-)Winkel, am eigenen Wissen, Erinnern und Vergleichen gebrochen und reflektiert wird. Kopfkino im besten Sinne – und das ist gut so, bei aller Vorgabe.

Ich such also mal halbwegs zu sortieren, was mir beim Nachfischen noch so ins Netz gegangen und wohin meine abseitigen Lesestrahlen gefallen sind.

Ritter der Tafelrunde

Es fängt an wie stinknormaler Schiffsalltag an Deck und ist wohl auch einer. This means seinen Verrichtungen nachgehen, ‘ne ordentliche Positionsbestimmung vornehmen, sich bekochen und bedienen lassen, Essen fassen, je nach Rangordnung mit dem armen Teigkopp seine derben Späße treiben oder auch nicht. Und schon erhebt sich die erste Frage: ob denn auf einem Walfänger wie der Pequod die Anstellung eines Stewards eine Personalunion mit dem gängigen Smutje darstellt, der die für ein Walfangschiff immerhin wohl recht fürstlichen Fütterungen gemeinhin auch noch selber ausheckt, statt sie lediglich zu kredenzen. Wissen wir doch spätestens seit der Herrschaft des Londonschen Seewolfs oder so, dass die Typen in der Kombüse in aller Regel Sonderlinge sind und allerorten schon gern mal die Suppe auslöffeln müssen, die den wilden Kerlen nicht schnell oder wohlschmeckend genug auf den Tisch kömmt. Was sich wiederum, so oder so, häufig auf ihren Charakter auswirkt.

In der Begünstigung des Attentats auf die Sonne durch Herrn Jendis vermute ich eher einen Übersetzungslapsus denn einen Vorgriff auf Ahabs trutzige Ansage. – Oder benennen das die Insider gar mit diesem Translator-Terminus? Gehört hab ich es so jedenfalls noch nie und gäbe hier auch der Rathjen-Version den Vorzug.

Was die beiden in den Tischsitten verfremdet angelegten Gesellschaftsentwürfe des feudalen Sultanats und der frantic democracy angeht, die Jürgen ja bereits sehr eingängig abgehandelt hat, so ist das ja alles gut und schön, aber irgendwas stimmt an denen trotzdem nicht, da hat er Recht, der Jürgen.

Das augenscheinliche Offiziersritual, einander der Rangfolge nach an die Tafel zu rufen, das bewusst zelebriert und ganz praktikabel erscheint, motiviert ja durch die Anwesenheit ihres finsteren Kapitäns vielleicht noch das ehrfürchtige bis unterwürfige Schweigen der nachrangigen Chargen von gestandenen Seebären am Tische. Zu dem Melville beiläufig sogar einflicht, dass der Alte Tischgespräche keineswegs untersagt habe (Jendis, Seite 252). Doch erklärt es irgendwie in keiner Weise die übermäßig sklavische Befindlichkeit des kleinen Flask – von der muss wohl irgendwas aus ihm selber kommen. Und solches, nachdem er noch an Deck seinen Gang zur Tafel geradezu clownesk vorbereitet hat. Präventives Kompensationsverhalten oder was?

Als sei das nicht dicke genug, avanciert er aus lauter Angst, unbotmäßig zu sein (die ihm offenbar auch kein Schwein abverlangt – außer er selber), gar zum vor sich hin hungernden butterless man. Tsss… da lässt uns unser hausheiliger Schreiber so einiges zum Walfischen offen, mein lieber Schwan! Sollte dieses gar an den Anweisungen der noch höheren Obrigkeit liegen, der der gute Flask gleichfalls blind ergeben ist? Ich musste dabei nämlich wieder an die bigotte und zu (Lach-)Tränen rührende Abschiedsrede des alten Bildad in Kapitel 22 denken, wo der so inständig an die moralischen Tugenden und die Sparsamkeit der Männer – auch in Butterfragen – appellierte.

Jajah… und unsere herzerfrischenden frantic Demokraten und edlen Wilden mitsamt ihrer ganzen urwüchsigen Lebensfreude und der Anlage, selbiges auch noch in vollen Zügen genießen zu können, ohne dass hemmende Schranken ihnen was anhaben können? Die fastbeinah schon dem Jedem-nach-seinen-Bedürfnissen-Dingens frönen? Was malträtieren die ihren dienstbar schlotternden Oberkellner so arg? So hätt das ja nich mal der Kommunismus wollen gewollt, glaub ich. Aber hey, es ist Melville, der muss uns das Leben nicht auch noch erklären. Oder wie sagte es Jürgen so schön?

Überhaupt hab ich – ihr wisst ja, wie gern ich spinn – mich während dieses ganzen großen Fressens und vorsichtigen Bissenzählens gefragt, ob es nicht mit dieser Kapitänstafel noch eine andere Bewandtnis hat. Schließlich fängt man doch gleich an, im Kopf Bilder umzublättern mit diversen anderen Tafelungen und bacchantischen Gelagen, die schon seit biblischen Zeiten gern hergezeigt werden – wenn nicht noch viiiel länger. Ihr nicht? Siehstewoll, ich sag doch, ich spinne. Und ‘ne Antwort hab ich auch nicht.

Doch wenn einem bei der Fressorgie der Harpuniere nicht umgehend, nun, kein kannibalisches Festmahl am Südseestrand, doch eine ausgelassen fressende, bechernde und rülpsende Ritterbande des Mittelalters vor Augen steht, dann weiß ich auch nicht. Über deren berühmteste des König Artus, der ja die runde Tafel erfunden haben soll (aus Gründen, die der Ahabschen Ritterrunde wohl zuwidergelaufen wären), heißt es, dass an ihr gespeist, beraten und sich vergnügt wurde. Sie hat vom alten Geoffrey Chaucer über Sir Thomas Malory, Shakespeare, Heine etc. bis Monty Python Generationen von Schreiberlingen inspiriert – warum nicht auch Melville?

Die Runde mit den Jüngern zum letzten Abendmahl mag man vielleicht nicht unbedingt hierher zitieren. Und ob es die heuer allseits beliebten Kapitänsdinner auf Kreuzfahrtschiffen in großer Abendgarderobe und müt lüppenspützendem Büssenzählen damals schon gab, weiß kein Walfänger nich.

Rembrandt van Rijn, Belsazar

Doch wo der Wolf sich schon in so dankenswerter Weise um die Einführung neuer Gestalten verdient gemacht hat, wartet da noch eine mitsamt ihrer schwelgenden Tafelrunde, die bei Melville zur Beschreibung von deren Erhabenheit oder Hoffart herhalten darf. Der erwähnte Belsazar nämlich. Genau genommen gab es derer sogar zwei und er meinte sie beide: der erste, seines Zeichens König von Babylon so um Fünfhundert und paar Zerquetschte vor Christus, muss demnach die Erhabenheit des Tafelvorsitzes zelebriert haben, ist aber langweilig. Der andere war ein Sohn des biblischen Nebukadnezar und das Beispiel für die Hoffart. Denn er entweihte bei einem wilden Festmahl die Gefäße Jehovas, die sein sauberer Vadda aus dem Tempel in Jerusalem geklaut hatte, und ließ sich aus ihnen vollaufen. Woraufhin umgehend eine unheilvolle Flammenschrift an der Wand erschien, die im Suff… öh, Quatsch, weil eine überirdische Unheilverkündung, kein Mensch außer dem Propheten Daniel zu lesen vermochte – das Menetekel.

… Belsazar ward aber in selbiger Nacht
von seinen Knechten umgebracht.

schrieb später Heinrich Heine in seiner Ballade zum Ereignis. Nun, fallllls Herman uns hiermit auch eine – sehr vage – Vorahnung bedeuten wollte, eins ist sicher: Ahabs Ritter und Knappen dürfen ihre Hände in Unschuld waschen – wir wissen ja schon, wer’s war.

Bilder: King Artus: Die Tafelrunde;
Rembrandt Harmenszoon van Rijn: Das Gastmahl des Belsazar, 1635.
Film: Knights of the Round Table, aus: Monty Python and the Holy Grail, 1975.

Written by Wolf

26. January 2009 at 12:10 am

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Before Sunrise

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Das sind die schönsten Kneipen heute: in denen man noch — oder muss es heißen: wieder? — rauchen darf. Und die bis 5 Uhr in der Frühe geöffnet haben. Die von einer einzigen Bedienung geschmissen werden — das ist kein Job für eine demotiverte Ein-Euro-Kraft, sondern für eine Fee. Und in denen du nach zehn Jahren wieder eingelassen wirst, als ob du nie draußen gewesen wärst, wo dich noch der größte Teil der Gästeschar kennt und sich einer nach dem anderen um ein paar Minuten Audienz zu dir gesellt an das heute noch durchgebumstere Kneipensofa — denn es gibt eins, das seit damals nur auf dich gewartet hat — in denen noch die selbe Fee wie damals regiert, und sie sich sogar dich als letzten Gast zum Hinauskassieren aufhebt. Solche muss man erst mal finden. Am besten benutzt du die aus deiner Jugendprovinz weiter, wenn du sie nach zehn Jahren besuchst.

“So, jetzt komm ich zu dir.”

Sabina mit a lässt sich neben mich aufs Sofa plumpsen und rummelt sich zurecht. Befreites Ächzen.

“Bild dir bloß nix ein”, sagt sie, “ich komm bloß nicht mit dem Block an deinen Platz. Kannst du vielleicht bitte mal deine ambulante Dichterstube aufräumen? Danke.”

“Für dich immer. Sogar in diesem Ton.”

“Welchem Ton schon wieder? Ich sag sogar noch bitte, von welcher Fachkraft hast du das früh um viertel sechse zuletzt gehört?”

“Du hast immer noch dein Kommando-Bitte-Danke drauf wie vor zehn Jahren.”

“Tägliches Training, mein Bester. Was machst du überhaupt inzwischen so?”

“Das willst du früh um viertel sechse wissen?”

“Als Schnelldurchlauf bitte. Du hast die ganze Nacht lang nichts anderes erzählt.”

“Nichts, wonach mich die Leute nicht ausgequetscht hätten.”

“Böse, böse heimatliche Inquisition.”

“Ich nenne es Audienz. Bei meinen Eltern war ich nicht.”

“Die leben noch?”

“Wollen wir es ihnen wünschen.”

“Der verlorene Sohn hat wenigstens bei seinen Eltern vorgesprochen, als er nach zehn Jahren mal daheim vorbeigeschaut hat.”

“Warum heißt er dann immer noch verlorener Sohn?”

“Aus dem gleichen Grund, warum du immer noch als einziger Sabina mit a zu mir sagen darfst.”

“Aha — das hast du gehört?”

“Hör ich irgendwas nicht?”

“Bestellungen nach Hühnersuppe?”

“Die ist so ein Aufwand…”

“Du heißt doch noch so — oder hast du geheiratet?”

“Hab ich. Aber schon wieder geschieden.”

“Wer war denn der temporär Glückliche?”

“Den kennst du nicht.”

“Heißt der jetzt auch Sabina mit a?”

“Nö, hat seinen Mädchennamen wieder.”

“Der vor…” — ich rechne mit allen zwanzig Fingern — “zwölf Jahren da drüben auf den Tisch gereihert hat…?”

“Ja, mein Gott, und den ich dafür nicht rausgeschmissen hab, sondern ihm den Platz freigewischt, Mut zugesprochen und einen Kaffee aufs Haus gemacht hab.”

“Mit Amaretto!”

“Nur kein Neid.”

“Sowas heiratet man doch nicht.”

“Hab ich nach zwei Jahren auch eingesehen.”

“Zwei Jahren gleich?”

“Ach, Akademikerehen…”

“Mich wolltest du ja nicht.”

“Hast du vielleicht gefragt?”

“Mit jedem Wort.”

“Die waren alle so verwaschen.”

“Auf Wasserschlucker gehst du doch erst recht nicht.”

“Und du so?”

“Danke der Nachfrage. Als ob du nicht die ganze Nacht meine Lebensgeschichte ein paarmal zusammengelauscht hättest.”

“In allen Versionen.”

“In allen freigegebenen.”

“Die sind frustrierend genug.”

“Was fragst du dann?”

“Servicetraining, das sagt man halt so.”

“Du hast eine Ausbildung für diesen… für diese Parodie auf einen… also für das, was du seit zehn Jahren…”

“Sag jetzt nicht Falsches.”

“Also gut: für das, was du seit fünfzehn Jahren machst.”

“Sechzehn.”

“Entschuldige.”

“Gern geschehen. Du hast doch auch keine Schreibausbildung.”

“Du meinst, außer der Zeit in der Werbeagentur?”

“Ey, voll das Praktikum, Alder ey.”

“Und als Freelancer übernommen worden!”

“Fast so gut wie Festanstellung.”

“Nur effizienter.”

“Nicht zu vergessen deine selbstständige Zeit.”

“Und studiert.”

“Germanistik, hm? Weil kein Numerus Claudius drauf war.”

“Ich würd’s wieder tun.”

“Um unfallfrei ein Buch lesen zu können.”

“Und auf euren mickrigen Tischen jederzeit ein Büro zu eröffnen.”

“Das war ja leicht. Jetzt zeig mal, wie schnell du’s auflösen kannst.”

“Ein Löffelstiel. Es ist weniger geworden seit Eröffnung. Irgendwer hat mir einen Druckbleistift gestrapst.”

“Au weh. So einen für acht Mark?”

“Stärke HB, 0,7.”

“Die besten.”

“Deine Empfehlung vor zehn Jahren.”

“Zwölf.”

“Beherzige ich bis heute.”

“Du bist so gut.”

“Und du rechnest auch immer noch in Mark.”

“Fühlbare Währung.”

“Es ist immer genau ein Buch, das nicht mehr zurück in den Rucksack passt.”

“Hey, der ist gut, den nehmen wir nächstes Jahr für den Februar.”

“Reicht der Platz jetzt für deinen raumgreifenden Rechnungsblock, du Servicekraft?”

“Früher hast du mich eine Fee genannt.”

“Und heute bist du glücklich geschieden und darfst nicht übermütig werden.”

“Welches Buch passt denn nicht mehr rein?”

“Das beste.”

“Moby-Dick.”

“Northwestern-Newberry.”

“Es soll keiner sagen, dass du dir nicht selbst treu bleibst.”

“Es ist Alchimie. Ich bin auf der Suche nach dem idealen Buch.”

“Lernt man das nicht in Germanistik?”

“Nicht mal auf Marketing- und Vertriebsassistent für Buchhandel und Verlage.”

“Den Titel kannst du jetzt aber langsam aussprechen, hm?”

“Langsam nicht mehr.”

“Kein Wunder, ist ja schon halb sechse.”

“Ist ja gut! Reichen zwanzig Öcken?”

“Das hättest du gern.”

“Die zwanzig Öcken? Och, da steh ich drüber.”

“Alter Schnäppchenjäger. Einundvierzig fuchzig bitte.”

“Damit’s nicht so aufgerundet aussieht, oder was?”

“Und Spielraum für Trinkgeld bleibt, du Fuchs.”

“Sagtest du nicht, du denkst noch in Mark? Dann kämen die zwanzig ungefähr hin.”

“Und bleibt sogar noch was übrig. Gib mir vierzig und wir reden nicht mehr drüber.”

“Stimmt so.”

“Geht doch.”

“Was ist denn das ideale Buch? Ich brauch was zu lesen.”

“Sabina mit a. Das ist ungefähr so, wie wenn du in die Parfümerie kommst und fragst, womit man sich hier waschen kann.”

“Weiß schon. Glaubst du, meine kulinarischen Künste werden hier gewürdigt?”

“Hühnersuppe?”

“Schinken-Käse-Baguette.”

“Die zieht solche Fäden.”

“Du sollst sie ja auch bei dir behalten.”

“Das ist meine kulinarische Kunst.”

“Jetzt weiß ich, warum deine Eltern nicht mal mehr fragen, ob du kommst.”

“Das ideale Buch, teure Freundin, beinhaltet Moby-Dick, und zwar dreimal.”

“Weil man bis zum Schluss sowieso vergessen hat, was am Anfang war?”

“Damit man das Original mit der Überserzung direktvergleichen kann.”

“Auf Doppelseiten parallel?”

“Du bist ein kluges Mädchen.”

“Welche Übersetzung?”

“Friedhelm Rathjen und Matthias Jendis.”

“Ich bin ein kluges Mädchen und kann schon bis zwei zählen.”

“Daher dreimal.”

“Das wird aber schwierig mit den Doppelseiten.”

“Was glaubst du, wieso ich immer noch keinen Verlag hab?”

“Allein deswegen — hätte ich nie bezweifelt.”

“Und weil die Illus von Rockwell Kent dazwischen müssen. Und zwar alle.”

“Geht nix mit Aufklappseiten?”

“Wie der Centerfold? Ein Popup-Buch über dreieinhalbmal achthundert Seiten?”

“Das kann nicht mal ich im Kopf rechnen.”

“Und du könntest es auch nicht in deinen Rucksack stopfen.”

“Plus Anmerkungsapparat.”

“Und zeitgenössische Kritiken.”

“Auch alle.”

“Und Seemannsglossar.”

“Und Billy Budd.”

“Und Bartleby.”

“Im Original und ein oder zwei Übersetzungen.”

“Und die Gedichte.”

“Einschließlich Clarel.”

“Gut, dass der nur einmal übersetzt ist.”

“Bis jetzt!”

“Dann ist ja noch Platz für ein paar CDs voll Einlesung.”

“Nicht unter Christian Brückner.”

“Wo denkst du hin.”

“Es läuft auf die Sämtlichen Werke hinaus.”

“Nämlich die von Herman Melville.”

“Muss man das dazusagen?”

“Fürs Exposé schon.”

“Seit wann denkst du so adressatenbezogen?”

“Als ob ich kein Akademiker wäre.”

“Deshalb brauchst du die Geschäftsfrau in mir.”

“Kommentiert und illustriert und mit erschöpfendem Begleitmaterial möbliert.”

“Lesebändchen, im Schuber.”

“In Walhaut gebunden?”

“Nein, das gibt schlechtes Karma für die Alchimie.”

“Du bist begabt. Warum sind wir eigentlich weder Kollegen noch verheiratet?”

“Fängst du wieder an?”

“Na gut, ich hab so viele Jobs, auf die eine oder andere Tour bin ich jedermanns Kollege.”

“Wenn es dich beruhigt: Ich hab ja auch all die Jahre auf dich gewartet.”

“Sag bloß, der Portwein…”

“… ist aus der gleichen Flasche, die du vor zehn Jahren angefangen hast.”

“Wird nicht viel verlangt, hm?”

“Seltener als Hühnersuppe.”

“Musst du davon reden?”

“Einen zur Verdauung?”

“Hab ich die Flasche nicht geschafft?”

“Ich hab noch eine.”

“Zehn Jahre länger abgelagert, als draufsteht.”

“Und in zehn Jahren willst du auch wieder was.”

“Du bist so ein Schatz.”

“Eine Fee, wie du zu deinen charmanten Zeiten anzumerken beliebtest.”

“Was ist mit den drei Wünschen?”

“Werd nicht unverschämt. Mit deinen vierzig Steinchen fährst du ganz gut.”

“Fünfzig.”

“Prost, Alter.”

Es ist dann noch ein sehr schöner Morgen geworden.

Jubliäumssoundtrack: The Muffs sind volljährig! Erster Auftritt am 25. Januar 1991
in The Shamrock, Los Angeles: I Don’t Like You.

Written by Wolf

25. January 2009 at 1:43 pm

Posted in Mundschenk Wolf

And in a moment of weakness and loneliness

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Kaleidoscope

On the coast
I built my heart
Out of sand

You came by boat
While the sun rose
You settled down
And took my heart

You drank too much
I ran too fast
We looked through a kaleidoscope

Then the sun set
And the tide was out
You left

Where is my heart

Anois & Ahoimeisje, 2005.

Comic: Randall Munroe: Friends, November 2008.

Written by Wolf

22. January 2009 at 2:49 am

Posted in Wolfs Koje

First Song (Und Die Indianer Kriegen Amerika Zurück)

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Update zu Country Mermaid:

1. All of this Verkettung nennt man Leben,
sogar so was wie last nights.
Thar she blows, so was soll’s geben:
several philosophers kept saving my life.

Chorus: Es wird nie ein Ende finden. Wir suchen ja auch nie.
I depend on you, but not even I on me.
This is not the last song, it feels rather like the first.
Ich wünsch uns, dass du lächeln kannst am Meer, wenn du mich singen hörst.

2. Wenn ich schon dabei bin, I better run like hell
to get over it, ahead, one level higher, out and through,
into dieselbe, und zwar pretty fucking schnell,
denn ich hab, Honeybunny, nicht mehr so viel Zeit wie du.

3. Die Zeit heilt alle Wunden, sie schleift nur nicht die Narben ab.
A Wolf is a disease, which is caught by too much running.
I caught a spiritual wolverine by the songs die ich geschrieben hab:
Alles wie die frühen Tocotronic oder Funny van Dannen.

Das Lied ist zur Vertonung freigegeben. Den allzu sicheren Lacher, dass irgendwas mit Haschisch vorkommen muss, werde ich mir auch in anstehenden Überarbeitungen verkneifen; ist doch voll Hans Söllner.

Grumpy redhead: Al Moore, April 1949.

Written by Wolf

20. January 2009 at 1:50 am

Posted in Vorderdeck

All that we see or seem

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Update zu Moby-Dick goes after Arthur Gordon Pym:

Es gibt Gedenktage, die sind zu groß, um an ihnen herumzubegründen: Entweder weiß man sie zu würdigen oder eben nicht.

Edgar Allan Poe ist 200.

Edgar Allan Poe Daguerrotype 1848

Virtuelle Geburtstagsfeier bei James Russell Lowell und Cynthia.

Daguerrotypie: W.S. Hartshorn, Providence, Rhode Island: Edgar Allan Poe, 9. November 1848,
in the Library of Congress, Digital ID cph.3a52078.

Lied: Der Rabe, von einem ungenannten Klampfobarden eingesungen in der einzig wahren Übersetzung von Arno Schmidt.

Written by Wolf

19. January 2009 at 12:01 am

Posted in Moses Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #16

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Song: Gavin Friday: Baltimore Whores (4:40 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Ayer’s Hair Vigor for the Toilet (Restores Gray Hair to its Natural Vitality and Color):
Prepared by Dr. J.C. Ayer & Co. Lowell, Mass., U.S.A., via Never Sea Land, October 6th, 2008.

Lyrics:

1. There were four whores of Baltimore
Drinking the blood-red wine.
And all their conversation was:
“Yours is smaller than mine.”

Chorus: Timmy roly, poly, tickle my holey,
Smell on me slimy slough,
And drag your nuts across me guts,
I’m one of the whorey crew.

2. “You’re liars,” said the first whore,
“Mine’s as big as the air.
The birds fly in, the birds fly out,
And never touch a hair.”

3. “You’re liars,” said the second,
“Mine’s as big as the sea.
The ship sails in, the ship sails out,
And never troubles me.”

4. “You’re liars,” said the third whore,
“Mine’s as big as the moon.
The men jump, the men jump out,
And never touch the womb.”

5. “You’re liars,” said the last whore,
“Mine’s the biggest of all.
A fleet sailed in on the first of June,
And didn’t come back till fall.”

Explanatory liner notes by ANTI-:

Here is an example of the kind of lyrics used in some sea chanteys in their original context. Most of the verses of this sort were edited out of printed collections. The origin of this song is unclear, but I doubt that the author will come forward.

Written by Wolf

17. January 2009 at 3:30 pm

Posted in Siren Sounds

Der arme Dough-Boy

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Jürgen hat Kapitel 34: An der Kajütstafel gelesen (und dazu die passende Musik gehört):

Democracy is two wolves and a lamb voting on what to have for lunch.
Liberty is a well-armed lamb contesting the vote.

Benjamin Franklin

Jürgen Jessebird SchmitteMan könnte sich vorstellen, dass ein “normaler” Leser des Moby-Dick dieses Kapitel liest – und gleich wieder vergisst. Selbst wenn man es liest mit dem festen Vorsatz, etwas darüber zu schreiben, bleibt nicht gleich etwas hängen. Das, was hängenbleibt, ist eigentlich fast schon zu offensichtlich.

Zum Einen werden uns en miniature zwei gegensätzliche Gesellschaftsentwürfe aufgetischt. Da haben wir die bis zur Selbstzerfleischung gezwungen wirkende Tischgesellschaft der Offiziere (das dürfte ein feudales System sein – Sultan und Emire) und die buchstäblich wilde Ungezwungenheit der Harpuniere („frantic democracy“).

Dann ist da noch der arme Flask, der trotz seines gesellschaftlichen Aufstiegs vom Matrosen zum Steuermann in einer blöden Situation steckt: von den „Großen“ ist er der „Kleine“ – und damit der Gekniffene, kommt zuletzt, muss als erster fertig sein mit dem Essen und wird einfach nicht mehr satt…

Warum das so ist? Eine wirklich schlüssige Erklärung bleibt Melville uns schuldig. Eine der Merkwürdigkeiten der „sea-usages“ eben. Vielleicht fühlen sich die Steuerleute unwohl am „ivory-inlaid table“ des Kapitäns, nicht in ihrem Element? Das würde zwar die devote Haltung gegenüber Ahab erklären (der nun auch wahrhaft eine respekteinflößende Person ist, ein „mute, maned sea-lion“), aber nicht die strikte Beachtung der Rangfolge untereinander. Wenige Seiten vorher hat Stubb seinem Untergebenen Flask von einem ziemlich respektlosen Traum über Ahab erzählt – und nun hat Flask darauf zu achten, wann Stubbs Mund leer ist – denn er muss ja vorher fertig sein. So ganz passt das nicht zusammen. Will uns der Autor damit was sagen?

In starkem Kontrast dazu die zweite Tischgesellschaft. Die Harpuniere, „frantic democracy“. Das Essen als sinnliches Erlebnis, ohne lästige Regeln und Schranken. Hier sind alle gleich, jeder frisst, was er kann. Keiner bleibt hungrig. „Edle Wilde“? So scheint es auf den ersten Blick, so stellt man sich das Zusammenleben „solcher“ Menschen doch vor…

Das wäre doch jetzt nachvollziehbar und politically correct: Demokratie vs. Pseudo-Feudalismus. And the winner is… Demokratie (natürlich).

Es gibt aber ein Detail, das mir keine Ruhe lässt. Das ist der Steward, Dough-Boy. Mal ehrlich, so als Durchschnitts-Mitteleuropäer oder was auch immer, jedenfalls ganz entschieden als Nicht-Harpunier: Wo würden Sie lieber das Essen servieren – in der Runde um Ahab oder bei den wilden Kerls? Ahab und die Steuerleute werden Dough-Boy wohl nicht groß beachten, sie lassen ihn seine Arbeit tun. Tashtego, Daggoo & Queequeg dagegen drangsalieren den armen Kerl und werden sogar handgreiflich. Nur zum Spaß sicher – aber Dough-Boys Furcht ist echt.

Dieses kleine Detail ist es, das die ganze idealisierte Darstellung wieder ins rechte, sprich realistische, Licht rückt. Gesellschaftsentwürfe, gleich welcher Ausrichtung, sind eine feine Sache – man sollte darüber aber nicht das wirkliche Leben vergessen. Mancher (wie Flask) lebt nicht gut unter dem einen System, mancher (wie Dough-Boy) leidet unter einem ganz anderen.

Das ist dann der Melville, wie ich ihn mag, nicht dogmatisch, sondern praktisch, mit einem Blick aufs richtige Leben statt auf irgendwelche Ideologien.

The Crew of the Pequod, Dunechaser, 28. Februar 2006

Bild: Dunechaser: The Crew of the Pequod, 28. Februar 2006.
Film: Walt Disney: Ben and Me, 1953: Part 1, Part 2, Part 3.

Written by Wolf

14. January 2009 at 12:10 am

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Gesponnen Garn

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Update zu Die Zukunft war noch nie, was sie mal werden sollte:

Der Präsenzbestand der Sammlung Prinzhorn innerhalb der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg enthält rund 5000 Arbeiten von etwa 450 Patienten psychiatrischer Anstalten von 1880 bis 1933, die meisten von 1919 bis 1922.

Die Künstlerpatienten entstammten allen Altersstufen, sozialen Schichten und Berufen, 80% waren männlich. Ihre Dauer der Internierung war unterschiedlich, oft bis zum Lebensende, und teilweise wegen fehlender Krankenakten nicht immer zu klären. Gesammelt wurden sie aus dem Geist der Moderne heraus, die nach authentischer Kunst suchte, worüber sie außer “primitiver” und Kunst von Kindern auch die der Geisteskranken entdeckte.

Die Datenbank der inventarisierten und katalogisierten Bestände ist noch im Aufbau. Eine nahezu vollständige Photothek kann auf Anfrage eingesehen werden. Etwa zwei Drittel der Krankenakten konnten ermittelt und in ihren wichtigsten Daten erfasst werden, für deren Zugang muss man wissenschaftliche Zwecke nachweisen.

Der Kaufmann Josef Heinrich Grebing wurde 27-jährig in die Heilanstalt Heidelberg-Wiesloch eingewiesen, da blieben ihm noch weitere 34 Jahre zum Malen.

Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Josef Heinrich Grebing, Neu zu bauende Luft-Arche

Das Wesen der Kunst liegt nicht in der Bestätigung des schon Bekannten, sondern vielmehr in der Provokation und der Grenzerweiterung.

Dem, was unter dem Etikett “Kunst der Geisteskranken” verstanden wird, kommt daher eine besondere Bedeutung zu: Hier zeigen Menschen, deren Zentrum aus einem von der Mehrzahl der Menschen akzeptierten Konstrukt der “Wirklichkeit” ver-rückt ist, welche Bilder sie sich von der Welt machen. Andere Horizonte, andere Meere. Die Koordinaten einer vertrauten Welt sind für solche “Entdecker” unbekannt oder nicht maßgebend. So erkunden die einen unerschrocken, was ihnen an Visionen und Geschichten aufsteigt oder versuchen, wie Josef H. Grebing (*1879 — †1940) mit seinen faszinierenden Zahlenkolonnen, Systemen, Listen, Plänen und Kalendarien, die Welt mit neuem Sinn zu erschließen.

Sein früher geregeltes Kaufmannsleben ist durch seine psychische Erkrankung ins Unwegsame, Unbekannte entglitten und Rettung scheint ihm all jenes zu sein, welches geordnet, systematisiert, aufgelistet und kunstvoll verziert werden kann.

Das von mir hier ausgewählte Blatt, mit farbigen Tuschen in Miniaturschrift mit Zahlen und Buchstaben, in pedantischer Exaktheit beschrieben, muss für Grebing ein Debakel gewesen sein. In der unteren Zahlenreihe hat er sich aus Versehen verschrieben, eine Zahl musste übermalt und verbessert werden, die schöne Ordnung, der vermeintliche Rettungsring im tosenden Meer des Nichts, das rettende Koordinatensystem ist zunichte gemacht.

Wenn, um einen aktuellen Bezug zu schaffen, der moderne Künstler Roman Opalka eine fehlerhafte Zahl in seinem Lebens-Zeit-Kunst-Konzept “Opalka 1965–∞” als “Dokument der Irreversibilität von Zeit” betrachtet (Kunstforum Nr. 150, S. 171), so erachtete J. H. Grebing den seinen wahrscheinlich als katastrophales Missgeschick, als freien Fall ins Bodenlose seiner weggeschlossenen Existenz und ganz subjektiv eben auch als Unumkehrbarkeit seines seelischen Schiffbruchs.

Wir, die wir privilegiert sind einzutauchen in die so anderen Meere der Patienten, dürfen nie vergessen, dass die meisten langsam und ohnmächtig darin ertrunken sind.

Torsten Kappenberg, Museumsassistent & Fotothek

Josef Heinrich Grebing wurde 1940 im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nazis in der Tötungsanstalt Schloss Grafeneck ermordet.

Weiterführende Lyrik: Ernst Herbeck: Im Herbst da reiht der Feenwind, Gesammelte Texte 1960–1991,
hg. Leo Navratil bei Residenz Salzburg 1992 — ein Jahrhundertbuch.

Josef Heinrich Grebing, Doppelseite Notizbuch

Bilder: Josef Heinrich Grebing: Neu zu bauende Luft-Arche; Inv. Nr. 624/12 recto;
Notizbuch 1912–1921: Haus des Eigensinns, Berlin.

Written by Wolf

13. January 2009 at 2:21 am

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Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #15

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Priorities first: Nobody even attempted to win the December Contest. The setting of the task — including the prizes — will be maintained until the lyrics for David Thomas’ Dan Dan are found. Yes, folks, this means that you can tell us the lyrics and win a prize. We are German and depend on you. Edit: Molten Hulton Clint posted the lyrics — one day late and someplace else. Regardless of the date, since I prolonged the contest ad infinitum, Mr. Clint is winner. Congratulations and feel free to pick up your prize. /Edit

Next song.

Song: Kate McGarrigle: Lowlands Away (3:25 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Siren Rock via Cities Beneath the Sea.

Lyrics:

1. I dreamed a dream the other night,
Lowlands, lowlands away, my John.
I dreamed a dream the other night,
Lowlands away.

2. I dreamed I saw my own true love.

3. I dreamed my love was drowned and dead.

Explanatory liner notes by ANTI-:

Originally a pumping chantey, later used for capstan and windlass, this ghost story is based on a Scottish theme. The dead lover, lost at sea appears to meet for one last time with his true love, and tell her of his fate.

Written by Wolf

12. January 2009 at 12:49 am

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Der arme Flask

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Jürgen macht ein Update zu I’ll Shoot the Sun (ich hätt’s ja lieber auf seine eigene Kapitelbesprechung bezogen, aber mach was. Mit Kapitel 34 hat der Gute noch Großes vor):

Jürgen Jessebird SchmitteMeine Auslassungen zu Kapitel 34 nähern sich der Fertigstellung, kann sich nur noch um (wenige) Tage handeln. Um die Wartezeit zu verkürzen, hier mal dieses Meisterwerk, beim Rumgoogeln gefunden:

Die Band Hot Buttered Rum nennen sich selbst the pioneer of High Altitude Bluegrass Music — und so klingen sie auch. Schräg und doch sympathisch. Und zu Kapitel 34: An der Kajütstafel haben sie ein Lied in ihrem Repertoire! Flask, Alas! und das geht so:

 

 

Chorus: Flask, alas! He was a butterless man
At Captain Ahab’s table he knew not where to stand
After Starbuck and Stubb had both buttered up their grub
Still Flask, he was a butterless man

Now, he could walk the quarterdeck as free as any soul
With one eye out for Moby Dick and one eye on his dinner roll
But he dared not touch that sweet butterfat
For fear of Ahab’s stick accross his back

He was short and stout and tough as they come
He could fire his harpoon like a sharpshooter’s gun
But he was fourth man low on that Pequod’s totem pole
And he could not even butter up his roll

Chorus

He was the last one down and the first one to leave
And lucky if he had any time between to eat
With no gravy for his beef, no butter for his bread
He was lucky if he ever got fed

He could not cut his meat, he could not dish he peas
While the officer and first mate did all as they pleased
But he was fourth man low on the Pequod’s totem pole
And he could not even butter up his roll

Chorus

So raise your cups to Flask!
And put some extra butter on your bread!
‘Cause you may one day find you’re crazy on a ship of fools
Chasin’ whales without no butter for your roll

Hot Buttered Rum in action

Written by Wolf

9. January 2009 at 12:01 am

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The steel-shafted harpoon held tight in his hands

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Update zu Like as the waves make towards the pebbled shore:

David Coffin's LimberjackDer Enkel von Arthur Rubinstein passt nicht nur musikalisch in einen Weblog über Wale und Unterhaltungsmedien: Coffin heißen die Leute vorzugsweise auf der Walfanginsel Nantucket, David überall.

David Coffin spielt haufenweise Instrumente, die meistens Flöte heißen, aber auch schon mal bombard, cornamuse, ghemshorn, racket, rauschpfieffe oder shawm, und singt in einem operntauglichen Bassbariton traditionelle und — es gibt welche! — heutige Seemannslieder und Alte Musik, worin er nicht nachgibt, bevor das ganze Publikum mitsingt. Als besonderes Melvilleanum bringt er uns The Wreck of the Whaleship Essex in passenden Liedern nahe.

Hier weiß einer besser als die nächstbeste Wirtshauscombo, was er für Gassenhauer aufführt und warum sie wann auf welchem Wege welche geworden sind, weil er das studiert hat. Maritime Lieder sollten wenigstens potentiell Tiefgang haben.

Wenn Sie es trotzdem gleich mir nicht lieben, zum Gelingen einer Veranstaltung gezwungen zu werden, obwohl Sie korrekt Ihr Eintrittsgeld entrichtet haben, kaufen Sie lieber seine Flight of Time, Nantucket Sleighride und die neueste Safe in the Harbour. Die Hörbeispiele aus der letzteren klingen nämlich ganz okay — wobei die Begriffe Tiefgang und der vom Mangel an Liebe besonders dann einen feinen Doppelsinn gewinnen, wenn die Lieder von Schiffbrüchen handeln und davon, wie ein Mädchen auf Seemänner wartet.

Lieber old-fashioned mit Kistchen und Liner-Notes kaufen statt kostenpflichtig saugen, weil Coffin viel Hirnschmalz in die Reihenfolge der Lieder pro CD hängt, und wie schnell hat man seine audiovisuellen Medien auf Shuffle gestellt. Anspieltipp: Blow Ye Winds.

Limberjack: David Coffin.
Aufmerksamkeit: Elke.

Written by Wolf

8. January 2009 at 12:01 am

Mauerfallschockfrosten

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Update zu Capturing Lafontainitis:

Schauschau, nach dem aufmerksamen mars bei Cohu am 3. Dezember ist noch jemand anderem aufgefallen, was Reinhard Mohr am 21. September 2008 so über Moby-Dick und sonstige Erzeugnisse der Populärkultur dahergeredet hat. Das muss schon Mitte November gewesen sein, weil es in der Dezember-Titanic stand. Wir sagen ja nicht, dass wir die Schnellsten sind, sondern nur die Besten.

Mal wieder zu Ihnen, Reinhard Mohr!

Sie sind im Kino gewesen, haben den »Baader Meinhof Komplex« geguckt und wie bestellt eine fabulöse Textidee gehabt: »Der-Oskar-Lafontaine-Komplex«: »Es ist ganz großes Theater, das den Deutschen nun schon seit Monaten geboten wird. Wie gebannt verfolgt die Republik die spannendste Inszenierung seit langem – den Oskar-Lafontaine-Komplex. Untertitel: Ein Mann sieht rot. Keine Bühne ist groß genug für ihn.« Ein Mann sieht rot? Oskar Lafontaine, der deutsche Michael Douglas der Selbstjustiz? »Wo immer er auftritt, redet er sich binnen Minuten in Rage wie einst Robin Hood, der Rächer der Enterbten.« Robin Hood ein Redner? An welche Verfilmung denken Sie da, an »Helden in Strumpfhosen«? »Das Virus ergreift selbst bislang politisch eher unauffällige Berufsgruppen.« Das Virus? Sind wir jetzt plötzlich in »Outbreak«, dem Film, dem vom deutschen Verleih der Untertitel »Lautlose Killer« verpaßt wurde? Und wie geht das mit dem in Rage geredeten Robin Hood zusammen?

»Aufwärmen, umrühren, fertig: Oskar Lafontaine und die vermeintlich neue, schicke Linke sind genau wie Nescafé. Sie wollen Ideen von gestern aufkochen, um Politik für morgen zu machen – und leiden doch nur daran, den Schock des Mauerfalls nie verwunden zu haben.« Seit wann aber nun ist Nescafé wiederaufgekochter Kaffee? Ist er nicht eher mauerfallschockgefrostet? »Aber so ist er, der Kapitalismus. Am Ende wird er auch noch den Oskar-Lafontaine-Komplex schlucken wie der weiße Wal den Käpt’n Ahab.«

Bon: Virus, Robin Hood, Moby Dick, aufgewärmt und umgerührt – vielleicht gehen Sie, Mohr, alter Schmock, demnächst lieber in weniger aufregende Filme; wie wär’s z.B. mit »Burn After Reading«?

In diesem Sinne:

Titanic [Briefe an die Leser, Dezember 2008]

kqedquest, Moby Dick whale meat, 1. März 2007

Bild: kqedquest: “Moby Dick” whale meat, 1. März 2007.

Written by Wolf

7. January 2009 at 12:41 am

Posted in Moses Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #14

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Song: Teddy Thompson: Sally Brown (2:54 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Snappy redhead: Photobucket, copyright pending, probably public domain.

Explanatory liner notes by ANTI-:

Sally Brown, along with Ranzo Ray and Old Stormalong, is one of the mysterious people that are featured in numerous chanteys. Chanteys involving Sally Brown always have versions with obscene lyrics. Was she a real person — we’ll never know. This West Indian capstan chantey probably dates from the 1830s and never lost its popularity.

Alternate take by Carson Sage and the Black Riders (2:43 minutes):

Image from: J. Ross Browne: Etchings of a Whaling Cruise, 1846

Lyrics as rendered by Carson Sage and the Black Riders on Final Kitchen Blowout, 1993:

1. I shipped on board of a Liverpool liner.
Way-hey, we roll and go —
And we rolled all night and we rolled all day
And I spent all my money on the Sally Brown.

2. Sally Brown was a nice young lady.

3. Her mother doesn’t like a tarry sailor.

4. She wants her to marry a one-legged captain.

5. I shipped on board of a Liverpool liner.

6. Sally Brown was a nice young lady.

Extra verse rendered by Teddy Thompson:

Sally Brown is a bright mulatto.
She drinks dark rum and she chews tobacco.

Coming soon: Musical setting for Country Mermaid by What about Carson.

There have not been any contributions for the December Contest yet. Take all your chances until January 11th!

Written by Wolf

6. January 2009 at 3:56 am

Posted in Siren Sounds

Leben mit Hermann Mellwill

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Update zu sieht ja ulkik aus:

Form ist Inhalt, Inhalt ist Form.

Aristoteles, glaub ich.

Wölfin: Schau mal, beim Don Alphonso schreibt der riesenzwerg über Moby Dick. Warst du das?

Und wären da u.a. nicht die Beschreibungen der gebotenen Verhaltensweisen auf einer Bergtour, man könnte auch hier dem Autor schnell unterstellen, er glaube auf hoher See auf der Jagd nach Mobby Dick zu sein , obwohl er selbst doch nur zuhause in seiner Badewanne sitzt und wie verrückt auf das arme Quietscheentschen einsticht…… :-)

Wolf: Seh ich aus wie ein Riesenzwerg? Außerdem schreib ich Mobby Dick nicht mit Doppel-b.

Wölfin: Du bist doch der letzte arrogante Schnösel bist doch du. Statt dass du froh bist, wie Moby Dick im Bewusstsein der Blogger verankert ist, hängst du dich an Kommafehlern auf.

Wolf: Was für Kommafehlern?

Wölfin: Du weißt schon, wie ich’s meine. Wichtig sind doch die Inhalte!

Wolf: Hab ich was anderes gesagt?

Wölfin: Dann leb doch danach!

Culture Shock by D.S. Ullery. Years before he went to sea, young Ahab diligently pursued the great white hamster.

Bild: D.S. Ullery: Culture Shock, 1981.

Noch bis 11. Januar: Dezembergewinnspiel!

Written by Wolf

3. January 2009 at 1:26 am

Posted in Moses Wolf

Rogue’s Gallery: The Art of the Siren, #13

with 5 comments

For starters into a new year, a whaling-related one again: The show continues. Happy 2009.

Song: Sting: Blood Red Roses (2:45 minutes)
from Rogue’s Gallery: Pirate Ballads, Sea Songs, and Chanteys, ANTI- 2006.
Buy CD in Germany and elsewhere.
Image: Herbert James Draper: The Water Nymph, c. 1900.

Lyrics:

My boots and clothes are all in pawn —
Get down you blood red roses, get down!
It’s flaming drafty round Cape Horn
Get down you blood red roses, get down!

Chorus: Woe! You pinks and posies —
Get down you blood red roses, get down!

My dear old mother she said to me:
My dearest son come home from sea!

It’s around Cape Horn where I must go,
I’ve chased the whales through the frost and snow.

You’ve got your advance and to sea you’ll go,
Tae chase the whales through the frost and snow.

It’s around Cape Horn you’ve got to go,
For that is where the whalefish blow.

It’s growl you may, but go you must,
If you growl too much your head they’ll bust.

Just one more pull and that will do,
For we’re the boys to kick her through.

Explanatory liner notes by ANTI-:

This halyard chantey was popular in Cape Horn ships out of Liverpool. It is most probably based on a family of Irish and English folk songs concerning the Napoleonic Wars. The “blood red roses” may be a reference to British redcoat soldiers, or it may be the capitol cities of Europe, referred to as the “bonnie bunch of roses” that Napoleon tried to gather and lost, in an Irish song of that name.

Be sure to participate in the
December Contest
before Sunday, January 11th!

Written by Wolf

1. January 2009 at 12:01 am

Posted in Siren Sounds